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Spannung mit viel Witz und Humor! Die Genoveser Polizei weiß sich nicht zu helfen: Wer ist diese hübsche Verbrecherin, Prinzessin Fantouche, die mit Witz und Esprit die Polizei immer wieder an der Nase herumführt? Während die Polizei versucht, die junge Dame zu schnappen, nimmt Fantouche diese Versuche auf und verarbeitet sie zu lustigen Filmen, die in die Kinos kommen, und die Verbrecherin weltberühmt machen. -
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Seitenzahl: 138
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Arnold Höllriegel
Saga
Die Films der Prinzessin FantoucheCoverbild/Illustration: Shutterstock Copyright © 1913, 2020 Arnold Höllriegel und SAGA Egmont All rights reserved ISBN: 9788726416381
1. Ebook-Auflage, 2020
Format: EPUB 2.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für gewerbliche und öffentliche Zwecke ist nur mit Zustimmung von SAGA Egmont gestattet.
SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk
– a part of Egmont www.egmont.com
Die Geburtstagsüberraschung des Bankiers Ippoliti
»In San Francesco d’Albaro, dem östlichen Villenvorort Genuas, steht auf einem rosenumkränzten Hügel ein stattliches Landhaus. Man sieht von dort aus das schimmernde Mittelmeer und die weiß leuchtende Küste bis zum Vorgebirge von Portofino. Wer vor dem Tor dieser geräumigen, reich mit Marmor geschmückten Villa steht, wer in den von Lorbeerhecken und Palmenhainen erfüllten Park blickt, muß den Besitzer all dieser Herrlichkeiten wohl glücklich schätzen.
Glücklich und zufrieden sah der Besitzer der Villa Ippoliti auch aus, als er sich an einem schönen, frühlingsleuchtenden Apriltage nach einer kleinen Siesta in seinem Arbeitszimmer aus dem ungeheuren weichen Klubsessel erhob, um zum Telephon zu gehen. Eben hatte der Apparat sein schrilles Klingeln ertönen lassen und so das Schläfchen des Bankiers Silvio Ippoliti gestört. Er war aber nicht ungehalten, da er den Anruf erwartet hatte. »Hallo!« sagte Ippoliti. »Sind Sie endlich soweit, Costa? Ich erwarte die Dame schon.
Sie soll nur nicht vergessen, Stricke mitzubringen, schwarze Gesichtsmasken und einen Knebel, damit sich alles schön glatt abspielt.«
»Seien Sie unbesorgt«, tönte aus dem Telephon die wohlbekannte Stimme Daniele Costas, des vortrefflichen Geschäftsführers der OCI. »Sie werden nach allen Regeln der Kunst überwältigt, geknebelt und ausgeraubt. Die Dame denkt an alles. Wir haben sie und ihre Gehilfen zwar erst vorige Woche engagiert, aber sie bewährt sich geradezu glänzend. Ich hoffe, sie wird sogar die berühmte Räuberin Prinzessin Cartouche in den tiefsten Schatten stellen. Sie werden sehen, wie großartig sie Sie ausplündern wird. Ordentlich romantisch!«
»Das freut mich!« sagte der Bankier. »Wie heißt die Dame übrigens?«
»Eigentlich ganz einfach Marie Dupont«, sagte die Stimme im Telephon. »Aber wir haben ihr einen famosen nom de guerre gegeben: Prinzessin Fantoche. Sie muß übrigens gleich bei Ihnen sein. Sie ist mit ihrem Partner und dem Operateur vor einer Viertelstunde in unserem Auto von hier weggefahren. Also ich wünsche Ihnen einen angenehmen Überfall!«
In diesem Moment hörte man ein Auto vor der Villa vorfahren. Der Bankier verabschiedete sich mit einem Scherzwort von dem Geschäftsführer der OCI und hängte befriedigt den Hörer an. Einige Minuten später brachte der Lakai ihm auf einem silbernen Tablett eine Karte mit einer Fürstenkrone und dem Namen: »Prinzessin Fantoche«.
Gleich darauf öffnete der Diener die Flügeltür des Arbeitszimmers und ließ eine große, schlanke Dame herein. Sie war ziemlich einfach und durchaus in dunklen Farben gekleidet, aber über der schlichten Toilette und der ganzen Erscheinung lag jener Charme, den alle Welt den Pariserinnen nachmachen möchte und doch nicht nachmachen kann, weil man in Mailand, Berlin oder Kopenhagen wohl zur Not Pariser Kleidungsstücke zu kaufen bekommt, nicht aber die kapriziöse Grazie des Pariser Temperaments, die diese Kleidungsstücke erfüllen und lebendig machen soll.
Ohne einen überflüssigen Aufwand an Liebenswürdigkeit ließ der Bankier die Dame Platz nehmen. Er sprach höflich mit ihr, aber doch wie ein Chef zu einer halbwegs distinguierten Angestellten.
»Also, Fräulein, ich höre ja, daß man in der OCI mit Ihnen sehr zufrieden ist. Das freut mich. Nun, ich werde mich ja von Ihrer Geschicklichkeit gleich persönlich überzeugen. Freilich, Sie sehen gar nicht aus wie eine Verbrecherin. Nun, ich will Ihr Talent nicht bezweifeln. Wie gesagt, der Direktor der OCI ist sehr zufrieden.«
Die kurz OCI genannte Gesellschaft hieß mit ihrem vollen Namen Officina Cinematografica Italiana und war die große Genueser Filmfabrik, in deren Aktien Ippoliti den größten Teil seines Vermögens angelegt hatte und deren Verwaltungsrat er als Präsident leitete. Die Kino-Schauspielerin Marie Dupont, genannt Prinzessin Fantoche, lächelte schalkhaft: »Ich werde mich sehr bemühen, den Herrn Präsidenten zufrieden zu stellen, wenn er so gütig sein will, mir nähere Instruktionen zu erteilen.«
»So, ich dachte, Costa hätte Ihnen alles erklärt«, sagte Ippoliti. »Sehen Sie, Fräulein, ich feiere nächste Woche meinen fünfzigsten Geburtstag. Jawohl, den fünfzigsten schon! Ich gebe an dem Tage meinen Freunden ein Fest und da möchte ich ihnen eine hübsche, kleine Überraschung bieten. Und da ich mich schon mit Kino-Angelegenheiten befasse, soll es ein kinematographischer Scherz sein. Zugleich schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe und stellen den ersten Film der Fantoche-Serie her, von der wir uns einen so großen Erfolg versprechen. Sie wissen, nach dem Muster der beliebten Cartouche-Films sollen die Taten einer schönen Verbrecherin dargestellt werden. Dazu hat man eben Sie engagiert. Der erste Film spielt hier in meiner Villa. Ich empfange den Besuch der Prinzessin Fantoche. Ich führe mit ihr eine Liebesszene auf, sie bewegt mich, meine Dienerschaft zu entfernen. Sobald das geschehen ist, bedroht sie mich mit dem Revolver; ein maskierter Komplize steigt durch dieses Fenster ein, ich werde gebunden und geknebelt; die Prinzessin nimmt mir den Kassaschlüssel aus der Tasche – hier steckt er, rechts! Dann fahren die Verbrecher im Auto davon. Ich denke, es wird ein sehr spannender Film. Wenn nun meine Geburtstagsgäste kommen, setzte ich ihnen zuerst Makkaroni und billigen Landwein vor. Ich freue mich schon auf die langen Gesichter. Dann führe ich sie in einen anderen Saal, wo eine weiße Leinwand aufgespannt ist, und sage, ich würde ihnen jetzt den Grund meiner Sparsamkeit erklären. Alles nimmt Platz und nun führt man den Film vor. »Ja, meine Herren!« sage ich, »ich bin total ausgeraubt worden und kann Ihnen gar nichts bieten.« In diesem Augenblick wird die weiße Leinwand aufgezogen und dahinter erscheint eine Festtafel voll wunderbarer Gerichte. Ist das nicht ein ausgezeichneter Scherz?«
Der Bankier lachte im Vorgefühl des guten Witzes herzlich und schlug mit seinen dicken, beringten Händen patschend auf seine Schenkel.
Marie Dupont lächelte verbindlich: »Sehr geistreich, Herr Präsident! Herr Direktor Costa hatte mir allerdings schon einige Andeutungen gemacht, und ich habe sogar den ersten Teil des Films schon aufnehmen lassen. Ich hatte meinen Operateur vorausgeschickt, und er hat die Ankunft unseres Autos photographiert und auch meinen maskierten Partner, der schon im Gebüsch des Parkes versteckt ist. Und jetzt – darf ich den Operateur kommen lassen?«
»Gut«, sagte der Präsident der OCI. »Aber wir werden den Operateur irgendwo im Zimmer verstecken, damit die Diener nicht sehen, daß er sie aufnimmt. Ich werde die Leute übrigens wirklich spazieren schicken, damit sie von der Überraschung nichts erfahren und nichts ausplaudern können!«
»Das wollte ich schon vorschlagen!« sagte die Prinzessin Fantoche. »Mein Operateur hat einen ganz neuartigen, winzig kleinen Aufnahme-Apparat, der völlig geräuschlos arbeitet. Der Mann kann hinter dem Vorhang dort stehen und nur das Objektiv hervorragen lassen. So merken die Leute nicht, daß man sie aufnimmt und geben sich viel natürlicher.«
Der Bankier nickte zustimmend und erhob sich, um zu klingeln.
»Pardon, noch eine Kleinigkeit!« sagte die Prinzessin Fantoche. »Im Vorbeifahren habe ich gesehen, daß in dem nächsten Haus, diesem Fenster der Villa gegenüber, das Polizeikommissariat von San Francesco d’Albaro untergebracht ist.«
Herr Ippoliti machte ein erstauntes Gesicht. »Nun? Und?«
»Ja, Herr Präsident, es soll doch ein maskierter Mann durch das Fenster klettern. Wenn ein Polizist das sieht, hält er ihn für einen echten Räuber und die schönste Pastete ist fertig. Erst vorgestern hat man einen Schauspieler der OCI verhaftet, weil er im Hafenviertel in einer Verfolgungsszene einen Revolver zog.«
»Ja, das ist wahr!« sagte Ippoliti. »Unserer Polizei fehlt es an Kunstverständnis. Das ist sehr gescheit, daß Sie daran gedacht haben. Aber ich kenne den Polizeikommissär sehr gut; das werden wir gleich haben!«
Er hob den Telephonhörer ab und ließ sich mit dem Nachbarhause verbinden. Die Schauspielerin hörte, wie er in den Apparat hineinsprach. »Hallo, wer dort? Ah, Sie selbst, Cavaliere Depretis! Ja, ich, Ippoliti. Sehen Sie Herr Nachbar, Sie erkennen sogar schon meine Stimme. Ja, also, was ich sagen wollte: Wundern Sie sich nicht, Cavaliere, wenn Sie mit Ihren berufsmäßigen Argusaugen bemerken, daß in meiner Villa verdächtige Dinge vorgehen. Ein schwarzer Bösewicht wird durchs Fenster einsteigen, und dann wird ein sehr geheimnisvolles Auto in rasendem Tempo an Ihrem Hause vorbeisausen. Nein, kein Verbrechen, natürlich, Sie Sherlock Holmes! Ganz einfach eine kleine Kinoaufnahme. Aber strengste Diskretion, bitte. Wenn Sie heute gegen Abend zu einer Flasche Capri Bianco zu mir herüberkommen wollen, vertraue ich Ihnen das Nähere an. Na, abgemacht, ich erwarte Sie. Auf Wiedersehen!«
Der Bankier trat vom Telephon weg und drückte zweimal auf den Knopf der elektrischen Klingel. Ein tadellos befrackter Kammerdiener erschien in der Tür. »Matteo«, sagte sein Herr, »führen Sie den Mann herein, der unten auf die Dame wartet und rufen Sie das ganze Personal ins Nebenzimmer. Sie sollen warten, bis ich Sie rufe!«
Matteo verbeugte sich schweigend, ging und kam mit dem Operateur zurück, einem intelligent aussehenden, schwarzhaarigen jungen Mann in bescheidener Kleidung. Die Prinzessin trat an den Operateur heran und sagte ihm leise einige Worte. Nachdem der Kammerdiener das Zimmer verlassen hatte, stellte sich der Operateur hinter die schwere Portiere, die eine Seitentür bedeckte. Vorher hatte er ein zusammenlegbares Stativ aus blankem Stahl und ein Kästchen unter seinem Mantel hervorgeholt, das nicht größer war als ein gewöhnlicher Klapp-Taschen-Kodak, sich aber durch eine daraus hervorragende kleine Kurbel als ein Kinematographen-Apparat erwies.
Sobald der Operateur unsichtbar geworden war, erhob sich die junge Schauspielerin. »So, Herr Präsident, ich gehe jetzt hinaus. Sie müssen unterdessen mehrmals auf die Uhr sehen und überhaupt durch ihre Gesten andeuten, daß Sie jemand erwarten. Dann trete ich ein – Sie begrüßen mich stürmisch, aber ich lasse erkennen, daß ich mich schäme, weil die Dienerschaft im Hause ist. Sie lassen die Leute eintreten, währenddessen verstecke ich mich hinter dem Fenstervorhang – es macht ja nichts, wenn mich Ihre Diener halb und halb sehen. Ja, man soll sogar bemerken, daß ich durch das Fenster Signale gebe und ein Zettelchen hinabwerfe. Dieser Brief erscheint dann auf der weißen Wand und lautet: ›Ha, es ist gelungen! Halte Dich bereit, Giorgio. Deine Prinzessin Fantoche!‹ Also, Sie entlassen die Diener, und sobald sie weg sind, folgt die Beraubungsszene!«
Ippoliti nickte ihr freundlich zu, und Marie Dupont verließ heiter lächelnd den eleganten Raum.
Kaum war sie vor der Tür, als die bisher so runden Bewegungen des Bankiers steif und unnatürlich wurden. Er war in diesem Moment nicht der Bankier Ippoliti, sondern sollte den Bankier Ippoliti darstellen und stellte ihn natürlich sehr schlecht dar. Ein ganz leises, nur für den Eingeweihten hörbares Knistern, das hinter der Portiere hervordrang, machte den als Kinodarsteller dilettierenden Geldmann vollkommen nervös. Er riß die Uhr so heftig aus der Tasche, daß die feine goldene Kette zerriß und machte dann ein höchst verdutztes Gesicht. Er stand furchtbar verlegen da, wußte nicht, was er mit seinen Armen und Beinen anfangen sollte, und war ganz aufrichtig erfreut, daß die Prinzessin Fantoche nach einem kurzen Klopfen endlich wieder eintrat. Sie trug jetzt einen schwarzen Schleier, der ihr Gesicht vollkommen verhüllte.
»Kommen Sie mir doch entgegen Herr Präsident. Küssen Sie mir die Hand. Etwas stürmischer, bitte. Jetzt ziehen Sie mich sanft in die Mitte des Zimmers. Legen Sie die Hand aufs Herz. Aber bitte, sehen Sie doch mich an und nicht krampfhaft den Vorhang, hinter dem der Operateur steht! So, jetzt bitte, einen Kniefall. Schneller, schneller!«
Während die Schauspielerin so mit kurzen sachlichen Worten Regie führte und die Bewegungen ihres unbehilflichen Partners dirigierte, drückten ihre Gesten in geradezu meisterhafter Weise die kokette Befangenheit einer vornehmen Dame aus, die sich der eleganten Attacke eines nicht ungern gesehenen Herrn zunächst zu erwehren trachtet. Als der wohlbeleibte Liebhaber vor ihr kniete, schlug sie den Schleier zurück und lächelte ihm zu, wies aber mit bestimmter Miene auf die Tür und auf die elektrische Klingel. »Hier wird eine erklärende Inschrift eingeschaltet!« sagte sie, ohne ihr charakteristisches Spiel zu unterbrechen.
Der Bankier erhob sich nicht ohne Mühe, staubte sorgfältig die Knieteile seiner Hose ab und klingelte. Unterdessen zog die Prinzessin wieder den Schleier vor das Gesicht und trat an das Fenster, dessen Spitzenvorhang die edlen Umrisse ihrer schlanken Gestalt nur halb und halb verbarg.
Auf das Klingelzeichen des Bankiers traten der Kammerdiener, der Lakai, der Gärtner, der Chauffeur, der Reitknecht, der piemontesische Koch und zwei Dienstmädchen ein. Zu ihrer Freude forderte ihr Herr sie auf, spazieren zu gehen und nicht vor Abend wiederzukommen. Die Leute wunderten sich nicht weiter, und der Koch riskierte hinter dem Rücken des Gärtners sogar ein verschmitztes Lächeln. Man hatte die schöne Dame kommen gesehen, und der Patron war ein alter Junggeselle, der gar nicht so selten die Dienerschaft wegschickte, wenn Damenbesuch kam.
Während die Leute in ihren Feiertagskleidern das Haus verließen, stellte sich der Operateur an das Fenster und bannte das lustig hinwegeilende Domestikenvölkchen auf den Film. Dann ging er selbst hinunter, um den maskierten Einbrecher aufzunehmen, der behend an dem Rebenspalier der Außenwand in die Höhe klomm und bald als drohende schwarze Gestalt im Fenster erschien. Zugleich kam der Operateur wieder und fixierte die Szene, in der die Prinzessin ihren Galan mit dem Revolver im Schach hielt, während ihr Komplize in das Zimmer drang.
»Sie spielen schlecht, Herr Präsident!« sagte Marie Dupont, »Sie zeigen nicht genug Entsetzen. Stellen Sie sich vor, der Revolver sei wirklich geladen!«
Ippoliti schmunzelte innerlich und versuchte mit wenig Glück, äußerlich Angst zu zeigen.
Der verlarvte Einbrecher schritt auf den Bankier zu, zog einen festen Strick aus der Tasche und fesselte das unglückliche Opfer. Der Schauspieler machte das sehr realistisch, und als der Präsident der OCI gebunden am Boden lag, belobte er den Mann nach Gebühr.
Prinzessin Fantoche ließ den Revolver sinken. »So, jetzt sind wir gleich fertig, Herr Präsident! Sagten Sie nicht, daß der Kassaschlüssel in der linken Rocktasche steckt?«
»In der rechten!« antwortete Ippoliti. »Bitte, machen Sie schnell, ich liege sehr unbequem, der Herr hat mich etwas fest gebunden. Und bitte, nehmen Sie nur die Papiere, die im obersten Fach des Geldschrankes liegen; das sind belanglose Dokumente.«
»Also im unteren Fach!« sagte Marie Dupont lächelnd. »Ich muß ihnen nämlich anvertrauen, Herr Präsident, wir haben Sie in unverantwortlicher Weise hintergangen. Wir sind wirkliche Einbrecher!«
Sie beugte sich über ihn und zog den Schlüsselbund aus seiner rechten Rocktasche. Er wälzte sich herum, um dem Operateur sein lächelndes Gesicht zu verbergen. Plötzlich prustete er los.
»Ausgezeichnet – ausgezeichnet, Fräulein. Ich werde Ihnen – ich werde« – er rang mit einem erstickenden Lachanfall, ehe er den Satz vollenden konnte – »ich werde Ihnen eine Extragratifikation bewilligen. Sie wollen – hahaha! – daß ich ein recht echtes entsetztes Gesicht mache, und versuchen einen kleinen Bluff.«
Prinzessin Fantoche war an den mächtigen eisernen Geldschrank getreten und hatte sein kompliziertes Schloß leicht geöffnet. Einen Augenblick hörte man nur das leise Kurbelgeräusch des Aufnahmeapparates. Dann klang vom Geldschrank her eine melodische, aber etwas impertinent gefärbte Frauenstimme:
»Wenn Sie gestatten, Herr Präsident, hole ich mir die Extragratifikation höchst persönlich. Sind das Päckchen zu hundert Tausendlirescheinen? Mein Kompliment, Herr Präsident, Sie sind gut versehen! Drei – vier – sechs – sieben – acht! Ah, in dem achten Päckchen sind nur fünfzig Scheine, aber ich nehme das nicht so genau. Die Goldrollen lasse ich Ihnen da, Herr Präsident!«
Sie schloß den Geldschrank mit großer Sorgfalt wieder zu und trat in den Gesichtskreis des auf dem Boden liegenden Bankiers. Sie sah ihm spöttisch ins Gesicht und machte sich daran, die Bündel mit den Banknoten in der eleganten großen Ledertasche zu verbergen, die ihr über den Arm hinabhing. Herr Ippoliti, der außerordentlich unbequem lag, hörte auf zu lachen und sagte höchst ungnädig: »Jetzt habe ich aber genug von dem Scherz!«
Sie entgegnete spottend: »O, es gibt noch viel mehr zu lachen.« Sie gab ihm mit der Spitze eines ausgesucht kleinen, wohlbeschuhten Fußes einen neckischen kleinen Rippenstoß. »Sie, das geht recht zu weit. Ich werde Sie entlassen, mein Fräulein!«
»Aber ich gehe ja schon!« sagte sie. »Viel Vergnügen, Herr Präsident!«
»Sie unverschämte Person!« brüllte der Bankier Ippoliti und versuchte vergebens, sich aufzurichten. »Werden Sie das Geld der OCI gleich in den Schrank zurücklegen!«
Die Prinzessin Fantoche zeigte eine allerliebste kleine Zunge. »So – das Geld gehört nicht Ihnen, sondern der OCI. Grüßen Sie, bitte, die OCI von mir. Es ist eine wirklich sympathische Gesellschaft! Besonders der Herr Costa war sehr lieb und reizend zu mir und meinen Leuten, daß wir uns ordentlich geschämt haben, uns unter falschem Namen eingeschlichen zu haben!«
Alles Blut war aus dem Gesicht des armen Bankiers gewichen. Er machte verzweifelte Anstrengungen, sich zu befreien. Jetzt begriff er die gräßliche Wahrheit. »Hilfe! Polizei! Räuber!« brüllte er. Der maskierte Mann, der bisher mit gekreuzten Armen unbeweglich dagestanden hatte, trat drohend näher.