Die Flasche - Harald Skorepa - E-Book

Die Flasche E-Book

Harald Skorepa

0,0

Beschreibung

Eine eingeschworene und unternehmungslustige Clique plant zum wiederholten Male einen Tauchurlaub, diesmal in Ägypten. Dort geschehen dann Dinge, die sie nie für möglich gehalten hätten. Sie kennen sich seit langem, doch unter der vertrauten Gemeinsamkeit haben sich Entwicklungen in Gang gesetzt, mit denen niemand gerechnet hatte. Der bisher einzige Kriminalroman, der im Tauchermilieu spielt und einen Mord zum Gegenstand hat.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 153

Veröffentlichungsjahr: 2024

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Harald Skorepa, geb. 1952 in Lennestadt/Altenhundem, Nordrh.-Westf./ Sauerland. Sohn, Musiker, Komponist und Texter, Sportler (Judo, Handball, Tauchen und anderes), „68er“ vom Lande, 40 Jahre lang Psychologe und Therapeut, Vater von zwei Kindern und vierfacher Großvater (bisher). Seit 1971 in Berlin. Produzierte und veröffentlichte ca. 20 Schallplatten/CDs, 16 Auflagen eines Musiklexikons sowie ein Lexikon der Musikinstrumente und publizierte drei Bücher mit Musikerwitzen und Karikaturen im Verlag „Schott Int. Mainz“. Der Verlag „Buchkontor Teltow“ brachte 2018 seine Biographie „Eintopf ohne Deckel“, 2020 den Gedichteband „Reimeleien“ und 2022 die Sammlung „Anekdoten, Bemerkenswertes und Curioses aus der Welt der Musik“ heraus. 2024 erschien „Kassandra“ – Essays, Traktate und Aphorismen. Eine sarkastische Analyse der deutschen Realität.

„Tauchen an sich ist nicht gefährlich.

Gefährlich ist nur das Drumherum“

(Joe Pearcos)

Gewidmet Kurt Königsberger

Inhaltsangabe

Prolog

1. Die Reise

2. Zweiter Tag

3. Dritter Tag

4. Die Untersuchung

5. Die Rückreise

6. Kassensturz

Epilog

Hintendranwort

PROLOG

Sie kam aus Ägypten.

Sie war kurz und gedrungen und wurde

im Taucherjargon liebevoll „Knubbel“ genannt.

Gebraucht, dutzende Male leergesaugt, aber nicht alt.

Säuberlich aufgereiht stand sie treudeutsch in einer Schlange

mit vielen anderen Preßluftflaschen und wartete

in der Sonnenglut Brandenburgs auf ihr Urteil;

12 Liter unschuldiger Stahl,

TÜV-Abnahme.

Kondenswasser entfernen, Drucktest, Ausschleudern,

Spülen, Trocknen, Dichtung prüfen….

Freispruch!

Sie durfte endlich auf ihre Rückkehr ins Meer hoffen.

1.

DIE REISE

Treffpunkt Flughafen Tegel, Berlin, 5 Uhr morgens. Sie waren eine eingeschworene Clique und unternahmen viel zusammen, mal mehr, mal weniger vollständig. Meist trafen sie sich in der Stammkneipe des einen oder anderen, des öfteren aber auch privat zu Hause, weil zwei von ihnen gut kochten und einen großen Eßtisch besaßen. Diese Abende waren regelmäßig die längsten. Seit Jahren planten sie ihre Urlaube gemeinsam, da sie alle begeisterte Taucher waren.

Nach und nach trudelten sie ein, die meisten noch müde, aber wie immer aufgeregt, andere wiederum weit weniger frisch, wie Ditsche und Hajo. Die beiden hatten augenscheinlich die Nacht durchgemacht, waren nicht mehr zum Schlafen gekommen und trotzdem, obwohl für die anderen mit ihren alkoholgetränkten Sprüchen ob dieser frühen Stunde etwas nervig, ziemlich gut drauf.

„Hey, Andi, deine neue Halskette ist wirklich ‚n Hammer. Kann man sich damit auch Wodka reinziehen?“, fragte Ditsche, „wie biste denn auf die Idee gekommen?“

Andi, seines Zeichens Lehrer, war meist die Ruhe selbst und hatte immer ein leicht überlegenen Zug um den Mund.

„Ey, so etwas hat keiner, und im Laden kostet so ein Schlauch ‚n Appel und ‚n Ei. Ist das ein Schwarz? Tiefschwärzer geht’s nicht.“

Klaas, mit seinen 68 Jahren der Senior der Gruppe, und Dave, nicht der jüngste von ihnen, aber als Fast-Anfänger ihr „Tauchküken“, betrachteten die beiden grinsend und wünschten ihnen einen turbulenzfreien Flug.

„Leute, kommt in die Puschen. Es geht los!“.

„Is ja gut, Mann. Mach bloß nicht so’n Alarm. Da kriegt man ja Kopfschmerzen…“

Dann kam der Aufruf zum Einchecken. Da vier von ihnen ihre eigenen Tauchflaschen im Gepäck hatten, dauerte es einige Zeit länger als sonst. Der Sicherheitdienst benutzte ein neues Gerät, eine Art Staubsauger, der die Luft aus dem Gepäck, aus Geräten und eben auch aus Flaschen heraussaugte und diese auf Feinstspuren von Plastik- oder anderem Sprengstoff analysierte. Die Flaschen wurden abgeklopft, das Ventil abgeschraubt, hineingeleuchtet und die Luft ausgeschnüffelt. Es war alles in Ordnung, aber es dauerte eben.

Die Überlegung, eigene Flaschen mitzunehmen, hatte eine ganz praktische Bewandtnis: jede Basis auf der Welt hatte mit Sicherheit genügend Flaschen vorrätig. Die waren aber üblicherweise nicht aus Stahl, sondern aus Aluminium. Auch das hatte praktische Gründe: Aluflaschen waren billger als Stahlflaschen und mußten nur alle zwei Jahre zur Kontrolle und Revision, Stahlflaschen hingegen jedes Jahr. Konsequenz für die Taucher war, daß sie ein bis zwei Kilo Blei am Gurt mehr mitschleppen mußten, da die Aluflaschen auf Grund ihres geringeren Gewichts zum Ende des Tauchganges schneller nach oben wollten als Stahlflaschen und so das Tarieren erschwerten. „Knubbel“ deshalb, weil sie etwas dicker und somit nicht ganz so lang waren wie gebräuchliche Flaschen. Bei letzteren kam es schon ab und an vor, daß man sich den Hinterkopf am Ventil stieß, wenn die Flasche zu hoch auf die Tarierweste geschnallt war. Knubbel waren eben praktisch.

Schließlich gingen sie an Bord, und um 6 Uhr hob die Maschine ab, nach Süden, der Sonne entgegen. Sie waren über die gesamte Kabine verteilt, nur die Pärchen, Ralph und Rosi sowie Andi und Uschi saßen zusammen, wie auch Ditsche und Hajo.

„Pat und Patachon“, so spotteten die anderen manchmal – für „Laurel und Hardy“ hatten sie nicht annähernd das Format – drömelten noch eine Weile resttrunken vor sich hin und waren bald eingeschlafen. Die beiden kannten sich seit Ewigkeiten. Im Umgang miteinander waren sie wie ein altes Ehepaar: liebevoll freundlich, meist frozzelnd und manchmal auch streitlustig bis bissig.

Ditsche war Kleinunternehmer und Hobbypoet. Er gab gerne mal ein Gedicht zum Besten, und ab und an murmelte er auch den einen oder anderen schmiedeunwilligen Vers leise vor sich hin.

Hajo arbeitete als Hausmeister. Seine Freizeit verbrachte er aber vor allem damit zu tauchen, aber häufiger noch Ditsche bei Gesprächen mit Jim Beam oder Klara Korn zur Seite zu stehen. Beides war seine große Leidenschaft.

Ditsche hatte in der Nähe seiner Wohnung einen kleinen, ruhig gelegenen See entdeckt, in dem auf vier Meter Tiefe eine alte, gut erhaltene Gartenbank stand. Dort verbrachten sie häufiger mal eine halbe Stunde, wie ein Rentnerpaar im Stadtpark, nur ganz ohne das obligatorische Taubenfüttern. Sie saßen einfach nur da und schauten, und ab und an kam auch mal ein Fisch vorbei.

Dave ließ seine Vielfliegerroutine augenblicklich in ein Koma fallen, wie eigentlich immer, wenn er irgendwo auch nur zehn Sekunden bequem saß; zuvor hatte er scherzhaft und natürlich vergebens nach einer Shisha, einer ägyptischen Wasserpfeife, gefragt. Er war Manager einer weltweit operierenden Firma, die ihn ständig rund um den Globus schickte; USA und Asien, aber nie an Örtlichkeiten, wo er gerne getaucht wäre. Doch dazu hatte er auf diesen Trips sowieso nicht eine Sekunde Zeit.

Klaas, seit kurzem Vollzeitrentner, war auch kein Unerfahrener am Himmel und entspannte sich ebenfalls. Ehemals Hotelier, hatte er Haus und Restaurant nach seiner Pensionierung seinem ältesten Sohn übergeben. Nun tat er das seiner Meinung nach einzig Vernünftige und war mit seiner Frau nur noch auf Reisen. Während sie es genoß, in einem gediegenen Resort die Tage am Strand zu verbringen, ging er auf Abenteuerurlaub. Er war ein begeisterter Unterwasserfotograf und besaß eine Ausrüstung vom Allerfeinsten. Als er, durch Ditsche „angeworben“, zur Truppe stieß, fand er die dort herrschende Atmosphere erfrischend und die anderen waren ihm gleich sympathisch, was bei seiner norddeutschen, eher zurückhaltenden Art selten vorkam. Er war ein alter Hase, was den Tauchsport betraf, und von seinen Reisen, die auch vor seinem Ruhestand schon häufig unternommen hatte, wußte er viel zu erzählen. Die anderen hörten gerne zu, vor allem, wenn es ums Tauchen ging.

Klaas wurde auf Grund seines Alters von allen, die ihn nicht kannten, unterschätzt. Er war auf Amrum aufgewachsen, wo er schon als Jugendlicher täglich am frühen Morgen einmal mit dem Rad die Insel umrundete, eine Strecke von nicht weniger als 20 Kilometern, und tat dies heute noch konsequent jeden Tag. Er schwamm unter Wasser jedem Jungspunt locker weg. Dies mußte auch ein Guide erfahren, der ihn einmal hochnäsig beschied: „Ja, ich komme gleich nach. Schwimm du schonmal vor zum Riff. Ich hol’ dich schon ein.“ Was er mitnichten schaffte.

Dieser Guide hatte es zuvor bereits durch einen anderen Mißgriff, eher ein Slapstick, an der Safaga-Bucht zu einer lokalen Berühmtheit gebracht: bei dem Versuch, eine Dame seines Herzens mit seinem Besuch zu beehren, war er bei einer quasi bayrisch inspirierten“Fensterl“-Kletterpartie des Nachts von Hotelangestellten erwischt, gestellt und angezeigt worden. Die Küste lachte, denn er hatte als Strafe die Ehre, die Spuren seiner Schuhe bei der erfolglosen Aufsteigeraktion zum Fenster im ersten Stock des Hotels ganzwändig zu überstreichen. Wahrscheinlich hatte auch der Richter geschmunzelt.

Als Taucher war Klaas allerdings ein wahrer Chaot, der sich so gut wie nie an die lebenswichtige Gruppendisziplin hielt. Er machte, was ihm einfiel, und wenn 40 Meter Maximaltiefe angesagt waren und er weiter unten ein ansprechendes Kameramotiv erblickte, dann ging er auch eben mal schnell ohne Ankündigung auf 60-65 Meter unter die Gruppe, und der Guide hatte seine liebe Mühe, ihn wieder einzufangen. Eingedenk dieser gefährlichen Vorliebe hatte ihm sein jüngerer Sohn, Tauchlehrer und Ausbilder an der Marinetaucherbasis in Eckernförde, einen Neoprenanzug und eine Tarierweste verschafft, die mit breiten grellgelben Querstreifen versehen waren. Klaas liebte seine Söhne und ließ nichts auf sie kommen, aber den Spitznamen „Biene Maja“ mußte er sich deshalb immer wieder anhören. Bei Vorhaltungen hinsichtlich seiner Kapriolen unter Wasser lachte er und reagierte immer mit dem gleichen flapsigen Spruch: „Was will ein Popel einer Nase schon erzählen“, aber das liebenswert und freundlich. Er war unbelehrbar; ein sturer, aber sympathischer und liebenswerter „Döskopp“ von der „Waterkant“, wie viele, die dort geboren und aufgewachsen sind.

Klaas hatte auch einmal von einem 70 Jahre alten Wrack erzählt, dem sogenannten „Genever“-Frachter, der auf nicht einmal 15 Meter Tiefe in der Fahrrinne zwischen Amrum und Sylt lag. Die Ladung sei, vor allem nach dieser Zeit, schlichtweg Gold wert. Das war an sich schon reizvoll. Aber die Nordsee ist kein Kuscheltümpel, die Sicht oft gleich Null, und auf Grund des Tidenhubs braucht es schon manchmal eines kraftvollen Stoßes mit dem Tauchermesser in den Sand, um von der Strömung nicht mitgerissen zu werden. Für geübte Taucher alles sicherlich machbar, aber nicht mit Klaas. Selbst Malte, Tauchlehrer mit weit über tausend Tauchgängen, winkte da ab.

Lisa, gelernte Berliner Straßengöre vom Hermannplatz, hatte ihr Leben frei nach Eric Burdons „Wir müssen raus aus dem Dreck“ gestaltet, und mit viel Energie, Pfiffigkeit und Ausdauer hatte sie es auch nach vorn geschafft und war stolz darauf. Sie war ebenfalls Besitzerin einer kleinen Firma, vom Selbstverständnis und Auftreten her allerdings eher Chefin eines großen Unternehmens. Die anderen lächelten nur und genossen ihre Show, denn eigentlich war sie ein unkompliziertes und nettes Mädchen. Lisa gab sich wieder einmal unzufrieden, klingelte nach der Stewardess, beklagte sich bei ihr über die mangelnde Beinfreiheit und fragte, ob man den Sitz nicht verrücken könne.

Tine arbeitete seit Jahren als Buchhalterin, wäre aber zu mehr fähig gewesen, wenn da ihr unstetes Leben zugelassen hätte, und trat ab und zu als Sängerin mit einer Rockgruppe auf. Sie schaute wach und aufmerksam aus dem Fenster und war ausnahmsweise einmal ruhig. Tina war der „Flippi“ der Clique und wurde auf Grund ihrer stets fröhlichen Art von allen geschätzt, trotz ihrer ständigen Rechthaberei. Ein Statement von Tine ließ keinen Widerspruch zu.

Sie wuchs mit einer „Hippie“-Mutter auf, erlebte viel Ungewöhnliches und hatte mehr Freiheiten als viele andere, verstand diese aber auch auszunutzen. Sie stand seit der Pubertät in ständiger, aber nie offen ausgetragener Konkurrenz mit ihrer Mutter, die ihr zeitlebens mit ihrem blendenen Aussehen und in ihrer Wirkung auf andere überlegen schien. Wenn sie ein Freund besuchte, interessierte er sich zunächst natürlich für Tine, war aber dann – unter anderem – völlig begeistert von der Schallplattensammlung, die eben nicht Tines, sondern die ihrer Mutter war.

Mit Ralph, ihrem „Verflossenen“, hatte sie nach stressigen Trennungswochen mittlerweile ein gutes Einvernehmen gefunden. Ralph, Ingenieur bei der Telekom („Das ist nicht lila, das ist magenta“), saß neben seiner neuen Freundin Rosi. Der „Teddybär“, wie sie ihn bisweilen nannten, war ein gutmütiger, vor allem aber hilfsbereiter Kumpel, der sich stets gut gelaunt präsentierte. Seit der Trennung von Tine schien sich jedoch etwas bei ihm verändert zu haben. Während ihn zuvor nichts aus der Ruhe zu bringen vermochte, reagierte er seitdem häufiger eimpfindlich und gereizt.

Malte, ehemaliger Eisschnellläufer, jetzt Tauchlehrer und einziger 4-Sterne-Taucher der Gruppe, tüftelte mal wieder wie so oft an seiner Erfindung weiter, von der er sich eine Revolution im Tauchwesen und viel Geld für sich versprach.

*******

Exkurs – Maltes Erfindung

Es hatte ihn schon immer geärgert, daß Fische und anderes Meeresgetier durch das laute, grelle Blubbern der Ausatemgeräusche des Atemreglers verschreckt wurden, Distanz hielten oder sogar das Weite suchten. Da er schon mit einem sogenannten Kreisluftgerät getaucht war, das die ausgeatmete Luft nicht ausstieß, sondern ins System zurückführte, wo sie dann aufbereitet wurde, hatte er, was das Vertrauen der Fische betraf, phantastische Erfahrungen gemacht. Aber diese Teile waren extrem teuer, und Service gab es, außer auf gut finanzierten Expeditionen, so gut wie nie.

Eines Morgens beim Füllen der Kaffeekanne mit Wasser aus dem Hahn kam ihm dann die Idee. Das Wasser floß, aber nur mit einem leisen Zischen und nicht plätschernd, verursacht durch ein Siphon, ein im Hahn vor dem Wasseraustritt eingebautes feines Sieb, das das Wasser mit Luft verperlte. Was nun, wenn man die beiden großen Öffnungen des Atemreglers mit solchen Sieben versähe, die die Ausatemluft nicht in großen, laut zerplatzenden Blasen, sondern nur leise zischend, verperlt mit Wasser, entweichen ließe? Das zu lösende Hauptproblem dabei war die Maschengröße des Siebes und der dadurch auftretende zusätzliche Luftwiderstand für die Konstruktion des Atemreglers. Er hatte wochenlang herumgetüftelt und probiert und dann einen Prototypen zusammengesetzt. Und siehe da, es funktionierte: statt blechernem Getöse nur noch ein silbriges Zischen. Eine Revolution im Tauchsport! Doch trotz diverser Konsultationen von Fachleuten war bisher noch niemand darauf angesprungen. Patentanwälte, die er bemühte, hatten von der Materie allerdings nicht die geringste Ahnung und winkten ebenfalls ab. Seine Clique aber fand seine Idee genial und ließ ihn machen. Damit beschäftigte er sich nun schon eine ganze Weile, mit wenig Pausen. Doch für die Realisierung brauchte er Geld, wofür ihm sein Beruf als Tauchlehrer nicht genügend bot.

*******

Ralph kuschelte sich an Rosi, Andi und Uschi unterhielten sich leise. Die anderen lasen oder hörten Musik. Ansonsten war bis auf das unermüdliche Summen der Motoren und das leise Klappern des Getränkewagens, der ein- bis zweimal während des Fluges vorbeigeschoben wurde, wie immer kein Laut in der Maschine zu vernehmen. Bis auf zwei von ihnen ahnte niemand etwas von dem kommenden dramatischen Ereignis.

Als sie Kreta überflogen, von dem sie knapp eine Hälfte überblicken konnten, kam eine Durchsage: „Krrrrr. Guten Morgen, liebe Fluggäste, hier spricht Ihr Kapitän. Ich muß Ihnen leider mitteilen, daß wir zunächst Kairo und nicht Hurghada anfliegen werden. Es gibt ein kleines technisches Problem. Zu irgendwelcher Besorgnis besteht jedoch keinerlei Grund. Ich wünsche Ihnen weiterhin einen guten Flug. Krrrrrrrrrrr.“ Wie immer bei solchen Vorfällen erhielt man weder jetzt noch später irgendeine Erklärung. Es war immer „ein technisches Problem“. Also erstmal Kairo, heiß und staubig. Na toll!

Ditsche stöhnte.

„Kairo. Pah! Zehnmal lieber Safa gar als Kai roh.“

Immerhin konnten sie die Pyramiden von oben sehen.

Nach der Landung wurden sie in einen großen, brechend vollen Warteraum geleitet. Sitzplätze waren Mangelware. Der Lautsprecher knackte: „Krrrrr. Achtung, Achtung! Eine Durchsage für die Reisenden nach Hurghada. Sie haben ca 3 Stunden Aufenthalt. Als kleine Entschädigung für Ihre Unannehmlichkeiten bieten wir Ihnen in unserem Restaurant einen kostenlosen und reichlichen Imbiß an. Danach geht es mit einer Inlandmaschine weiter. Die Zeit Ihres nächsten Boardings wird Ihnen mitgeteilt. Krrrrrrr.“ Natürlich waren alle hellauf begeistert. Ralph fluchte leise vor sich hin. Die Gruppe begab sich wieder in die Halle und steuerte auf das Restaurant zu. Die Atmosphäre im Flughafen war öde und drückend heiß, und selbst hier drinnen war es staubig. Einige reich aussehende Araber kamen ihnen mit ihren tiefschwarz verhüllten, hoch zugeknöpften Frauen entgegen. Man sah tatsächlich nichts von ihnen, und es blieb offen, ob sich unter der klinisch phanthasietötenden Hülle eine Frau, ein Mann oder ein Pinguin verbarg. Nonnen waren es keinesfalls. Klaas mußte sich eines Gepäckträgers erwehren, der ihm für ein Bakschisch unbedingt sein Gepäck abnehmen wollte; da der nächste ein Inlandflug war, mußten sie es selbst zum anderen Flugsteig schaffen. Ein „Nein“ nützte nicht, und so begann er zu singen: „La, La, La, La, La!“ Danach hatte er seine Ruhe. Dave schaute erstaunt.

„ ‚La‘ ist das arabische Wort für ‚Nein‘“, klärte Klaas ihn auf.

Das Restaurant war nicht gerade der Gipfel gastronomischer Gemütlichkeit; das Essen schmeckte entsprechend; alt-verkocht und fade. Sie ließen es stehen, um sich durch diese „Entschädigung“ nicht noch weiter zu beschädigen. Es wurden dann doch vier Stunden, bis sie an Bord gehen konnten und es weiterging.

Die Flugzeit nach Hurghada betrug knapp 40 Minuten. Was sie nach dem Start als erstes wahrnahmen, war Essensgeruch, aber nicht aus der Kombüse. Für eine Essensausgabe war die Flugzeit zu kurz. Malte kam nach vorn.

„Stellt euch vor, da hinten in der letzten Reihe sitzt ein Araber, der hat auf seinem Tischchen einen Gaskocher aufgebaut und bruzzelt sich sein Kamelsteak!“

Bis die Stewardessen etwas merkten, war der Araber schon satt, hatte abgeräumt, und die Sache war erledigt und nie geschehen.

Nicht zum ersten Male waren der Anflug und die Landung in Hurghada abenteuerlich. Es war nicht prickelnd, besonders nach der am Morgen erlebten „technischen Panne“. Der Pilot, allem Anschein nach ein ehemaliger Jagdflieger der ägyptischen Luftwaffe, zog einen weiten Bogen über das gesamte Küstenarreal, indem er den linken Flügel steil nach unten stellte, und sie sahen gefühlt bis in die Badezimmer der Hotelanlagen, ebenso gefühlt aber auch, dabei aus dem Sitz und dann aus dem Fenster zu fallen. Sie krampften sich an ihre Armlehnen, und Rosi zitterte am ganzen Leib.

Nun, runter kommen sie immer, und auch dieses Mal heil. Sie checkten aus, holten ihr Gepäck vom Band, und bevor sie in den bereits wartenden Kleinbus stiegen, deckten sie sich im Duty Free-Shop des Flughafen noch reichlich mit 3 Paletten Becks Bier sowie einigen etwas schärferen Sachen ein. Ägyptisches Bier hat man spätestens nach vier bis … Tagen über, obwohl die Brauerei in Kairo auf Lizenz von Heineken produziert; eine sehr ägyptische Variante namens „Stella“. Der Geschmack und die ab und an darin schwimmenden „Schnecken“ waren ganz sicher nicht holländischen Ursprungs. Die Frage, ob die wahrscheinlich muslimischen Arbeiter wegen den verachtenswerten Alkohols hineingespuckt hatten oder die Grundsubstanz Nilwasser war, wo ab und an auch mal ein Esel- oder Kamelkadaver vorbeischwimmen, konnten sie bisher nicht klären. Und Hochprozentiges gab es nur an den Hotelbars zu horrenden Preisen. Kurz vor der langen Fahrt in den Süden Richtung Safaga ließ Ditsche noch einmal anhalten. „Ich muß schnell noch was erledigen“, und verschwand im Eingang des nächstgelegenen Hotels. Nach zehn Minuten kam er mit einem mürrischen Gesicht und einem gefährlichen Ausdruck in den Augen zurück:

„Ich wollte nur schnell ein Fax an die Kinder schicken, daß wir gut angekommen sind. Die machen sich immer Sorgen, wenn ich fliege.“

Er schnaubte wütend.