Die Gastgeberin - Rainer Lagemann - E-Book

Die Gastgeberin E-Book

Rainer Lagemann

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Beschreibung

Für ein souveränes Auftreten in der Hotellerie und Dienstleistungsbranche Kommunikation, Service Excellence und zeitgemäßes Beschwerdemanagement auf Augenhöhe, gepaart mit einem Selbstverständnis für unaufdringliches Verkaufen, verpackt in einem spannenden Roman: Die 24-jährige Hotelfachfrau Sina Henze feilt, trotz der Differenzen mit ihrem Freund, der wenig Verständnis für ihre Arbeitsbedingungen zeigt, an ihrer Karriere: Sie steht am Ende ihres internen Traineeprogramms im Traubel's Vitalresort & Spa. Als sie dort ihre Arbeit in der Gastronomie als der letzten Station des Programmes beginnt, muss sie allerdings schnell feststellen, dass ihr Vorgesetzter, der Restaurantleiter, sehr hohe Ansprüche an die Mitarbeiter im Service stellt. Während Sina versucht, diesen Anforderungen gerecht zu werden, erfährt sie, dass die Eröffnung eines zweiten Standorts kurz bevorsteht. Die junge Frau setzt sich nun noch weiter unter Druck, da der lang ersehnte Managerposten am neuen Standort in greifbare Nähe rückt, wenn sie ihr Traineeprogramm hier erfolgreich abschließen kann. Zusammen mit ihrem findigen Kollegen Samuel versucht sie, im Restaurant Auftreten, Kommunikation und Verhalten noch weiter zu verbessern. Doch nichts scheint wirklich zu helfen. Immer wieder erntet sie Kritik. Erst als sie sich an den interessanten Ausbildungskurs aus ihrer Ausbildung erinnert, ergibt sich eine echte Chance, das Upselling, Beschwerdemanagement, ihre Kommunikation und ihr gesamtes Auftreten zu verbessern. Als dann jedoch wiederkehrende Probleme mit wichtigen Restaurantgästen auftreten, scheint die Situation auswegslos, bis sie die entscheidende Einsicht bekommt ...

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Auch als Hörbuch verfügbar – zum Abhören via Smartphone

www.rainer-lagemann.com/hoerbuch

Die Autoren

Rainer Lagemann wurde 1976 in Hattingen geboren. Für seine Ausbildung in einem privat geführten ****s Hotel zog es ihn nach Hamburg. Seitdem konnte er selbst viele praktische Erfahrungen in der Hotellerie & Gastronomie sammeln. Nach seiner Ausbildung arbeitete er als Service Waiter und Barmann auf dem ***** Segelkreuzfahrtschiff SY Sea Cloud (Karibik & Mittelmeer). Anschließend führte es ihn wieder zurück an die Rezeption. Ein Studium an der Hotelfachschule Hamburg rundet seinen Werdegang ab. Seit über 10 Jahren ist er nun erfolgreich als Trainer für Auftreten, Gastgeberverhalten, Kommunikation, Verkauf & Führungsverhalten in der gehobenen Hotellerie (Rezeption, Reservierung, Sales, Service & Spa) tätig. Zu seinen Kunden zählen exklusive Wellnesshotels & -resorts sowie Hotelgruppen aus dem **** bis ***** Segment.

Stephanie Kara wurde 1996 in einer Kleinstadt bei Regensburg geboren. Sie lebt seitdem in ihrem Elternhaus, seit 2016 auch zusammen mit ihrer Frau und ihren zwei Hunden. Bereits in ihrer Schulzeit schrieb sie schon eigene Werke und besuchte 2016 einen Autorenlehrgang, um ihre Schreibfähigkeiten weiter auszubauen. Ihre erste Kurzgeschichte schrieb die gelernte Bürokauffrau, um Erlebtes mit anderen zu teilen und einen Einblick in ihre Welt zu geben.

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Inhaltsverzeichnis

VORWORT VON MARTIN LIMBECK

KAPITEL EINS

KAPITEL ZWEI

KAPITEL DREI

KAPITEL VIER

KAPITEL FÜNF

KAPITEL SECHS

KAPITEL SIEBEN

KAPITEL ACHT

KAPITEL NEUN

KAPITEL ZEHN

KAPITEL ELF

CHARAKTERE

VORWORT VON MARTIN LIMBECK

Kleinigkeiten bedeuten nicht viel. Sie bedeuten alles.

Dieses Mantra begleitet mich seit vielen Jahren. Für mich sind es die Kleinigkeiten, die den Unterschied ausmachen. Den Unterschied zwischen 08/15-Customer-Relationship nach Lehrbuch – und wirklich ehrlich gemeinter Kundenbetreuung, die von Herzen kommt. Sicherlich gibt es Menschen, denen die kleinen Dinge nicht wichtig sind. Und die sie vielleicht nicht mal bemerken. Doch da ich als Verkäufer selbst täglich mit Menschen zu tun habe und meine Kunden begeistern will, habe ich eine sensible Spürnase für Service Excellence.

Ich erinnere mich beispielsweise heute noch an meine erste Übernachtung in einem Hotel in Hamburg, das damals ein Kunde für mich gebucht hatte. Als ich das Zimmer betrat, fiel mir sofort ein Korb auf dem Bett auf. Neugierig, wie ich bin, schaute ich direkt hinein. Darin lag ein Zettel. Die Kurzfassung: Pack Deine Schuhe in den Korb, stell ihn abends vor die Tür – und am nächsten Morgen kannst Du in Deine frisch geputzten Treter steigen. Einfach so, ein Service des Hauses. Mega!

Und das war erst der Anfang. Ich hatte nämlich zusätzlich zu meinem Handy-Wecker einen Weckruf bestellt. Ich gehe lieber auf Nummer sicher, wenn ich am nächsten Morgen einen Termin habe. Natürlich klingelte um Punkt 7:30 Uhr das Telefon auf dem Nachtisch. Eine freundliche, zugleich bestimmte Männerstimme sagte: „Guten Morgen Herr Limbeck, es ist 7 Uhr 30, das ist ihr Weckruf.“ Ich habe erwartet, dass er dann auflegt. Hat er jedoch nicht! Stattdessen fuhr er fort: „Möchten Sie, dass ich in zehn Minuten noch mal anrufe?“

Großartig, da hat einer verstanden, was es heißt, die Extrameile in Sachen Service und Kundenbegeisterung zu gehen! Spätestens da stand für mich fest, dass ich erneut in diesem Hotel schlafen würde, wenn ich wieder in Hamburg bin. Natürlich kann es sein, dass dem jungen Mann in seiner Ausbildung eingebläut wurde, bei Weckanrufen diesen Zusatz zu sagen. Doch so klang es für mich nicht. Es wirkte auf mich nicht einstudiert, sondern einfach freundlich und ja – menschlich. Und genau diese Form der Wertschätzung lassen viele Verkäufer vermissen.

Schlussendlich sind Sie als Servicemitarbeiter in Hotellerie und Gastronomie nämlich genau das. Sie sind in dem Moment, in dem Sie mit einem Gast Kontakt haben, Aushängeschild und Vertreter Ihres Hauses. Und Ihre Performance entscheidet darüber, ob die Gäste wieder bei Ihnen buchen oder eine gute Bewertung hinterlassen.

Nicht Teil des Menüs

Ich habe selbst vier erfolgreiche Unternehmen mit über 100 Mitarbeitern und weiß, dass es klar definierte Prozesse und Regeln braucht. Sonst gibt es schnell Chaos. Wichtig ist dabei allerdings, dass Deine Mitarbeiter das Regelwerk nicht nur verinnerlichen und es steif befolgen – sondern gleichzeitig erkennen, wann von ihnen Initiative und Eigenverantwortung gefragt ist. Das ist allerdings nicht jedermanns Sache. An dieser Stelle trennt sich die Spreu vom Weizen und du erkennst, wer Deine Topmitarbeiter sind und wer nur Dienst nach Vorschrift macht.

Meine offenen Seminare halte ich regelmäßig in größeren Kongresshotels ab. Hier habe ich beispielsweise ein Erlebnis gehabt, das sich nachhaltig in mein Gedächtnis eingebrannt hat. Ich saß am Abend des ersten Seminartages mit den Teilnehmern zusammen. Ich esse sehr gerne Käse – also bestellte ich bei der Service-Mitarbeiterin eine Käseplatte zum Dessert.

Was ich in so einem Moment erwarte? „Sehr gerne!“ Oder vielleicht noch als Steigerung: „Möchten Sie lieber Weich- oder Hartkäse haben?“ Stattdessen antwortete sie jedoch: „Das ist nicht Teil des Menüs, das Sie gebucht haben.“ Hatte sie mich nicht richtig verstanden? Ich also: „Das war nicht meine Frage. Ich hätte gerne noch eine Käseplatte.“ Und sie wieder: „Das ist aber nicht in Ihrem Menü enthalten. Da muss ich nachfragen ...“

Anscheinend traute sie mir nicht zu, dass ich in der Lage bin, meine Käseplatte selbst zu bezahlen. Obwohl sie wissen müsste, dass meine Company zwei Tage lang einen Seminarraum in ihrem Hotel belegt. Ich bekam schlussendlich meine Käseplatte. Doch welchen Eindruck der Service dort hinterlassen hat, merken Sie selbst.

Erst hui, dann pfui

Und das ist nicht die einzige Situation, die mich den Kopf schütteln lässt. Die Krise hat Hotellerie und Gastronomie zugesetzt. In meiner Welt ist damit klar: Dann muss ich umso mehr ranklotzen bei den Kunden und Gästen, die trotzdem kommen. Dafür sorgen, dass sie ihre Entscheidung nicht bereuen, sondern begeistert sind. Doch viele Dienstleister im Service-Sektor sind viel zu sehr mit Jammern beschäftigt, anstatt ihre Energie in Haltung und Service zu stecken.

Anders kann ich mir auch nicht diese Unsitte erklären, die ich immer noch in vielen Hotels erlebe. Am ersten Tag kommst du ins Zimmer und auf dem Nachttisch steht eine kleine Flasche Mineralwasser als Aufmerksamkeit des Hauses. Auf dem Kopfkissen liegt eine kleine Tüte Gummibärchen oder Pralinen. Und in der zweiten Nacht? Gar nichts. Dabei bezahlst du als Gast genauso viel wie für die erste Nacht! Hier muss sich in Sachen Mindset dringend etwas ändern.

Echter Service am Kunden beziehungsweise Gast muss von Herzen kommen. Nicht so wie dieses stumpfe „Hatten Sie eine gute Anreise?“, die Standardfloskel an der Rezeption vieler Hotels. Als junger Verkäufer habe ich das auch mal gebracht, als ich mich mit einem Kunden am Flughafen getroffen habe. Seine Antwort hat den Nagel auf den Kopf getroffen: „Anderenfalls wäre ich jetzt wohl nicht hier.“

Treffer, versenkt. Da hatte ich kurzzeitig das Bedürfnis, im Erdboden zu versinken.

Ich habe daraus gelernt. Und genau das ermöglicht Ihnen das Buch von Rainer Lagemann & Stephanie Kara, welches Sie jetzt in den Händen halten. „Die Gastgeberin“ steckt voller spannender Geschichten und Situationen, die Sie vielleicht so oder ähnlich schon erlebt haben – oder in die Sie sich hineinfühlen können. Denken Sie daran: Service ist kein Projekt, sondern eine Haltung!

In diesem Sinne wünsche ich viel Spaß beim Lesen und Umsetzen und Glück auf!

Martin Limbeck

Unternehmer, Bestsellerautor, Vertriebsexperte

EINS

Ein Urlaub, und mochte er noch so schön sein, hat immer einen Nachteil: Er endet irgendwann. So ergeht es auch Sina, Sina Henze, die nach ihrem langersehnten Urlaub nun wieder ihren ersten Arbeitstag antritt. Die 24-jährige Hotelfachfrau ist bereits seit gut einem Jahr im Hotel „Traubel‘s Vitalresort & Spa“ tätig und wird in naher Zukunft ihr Management Training Programm abschließen. Sina kennt das Hotel natürlich schon länger und trotzdem bleibt sie einen Moment auf Höhe des Gästeparkplatzes stehen, um das Hotel in seiner ganzen Pracht zu bewundern. Der Motor ihres Autos brummt leise vor sich hin, während sie die Außenfassade des Gebäudes betrachtet. Hölzerne Balken stützen den Vorbau direkt vor dem Eingang mit den großen Glastüren, die ins Innere des Gebäudes führen.

Sie lässt ihren Blick über die mit dunkelbraunem Holz vertäfelten Wände schweifen, welche nur von weiß gerahmten Fenstern unterbrochen werden. Die Nachmittagssonne wirft ihr warmes Licht auf das rote Ziegeldach des Gebäudes, wobei der strahlendblaue Himmel nur von einigen Quellwölkchen verdeckt wird. So oft hat sie schon vor dem Hotel gestanden und trotzdem fasziniert sie das große Gebäude mit den massiven Bergen dahinter in der Ferne immer wieder aufs Neue.

Heute, am ersten Tag in der neuen Abteilung – der letzten Station in ihrem Traineeprogramm, spürt sie eine ähnliche Aufregung wie zu Beginn ihrer Managementausbildung. Damals hatte Sina ihr duales Studium eben erst abgeschlossen und war stolz darauf, ihre überdurchschnittlich gut benoteten Leistungen nun in der Praxis weiter ausbauen zu dürfen. Auf ihre Bewerbung hatte sie vom Hotelchef Marc Traubel persönlich eine Zusage erhalten, da er aufgrund ihrer bisherigen Leistungen und ihres Auftretens im Bewerbungsgespräch sehr überzeugt von ihr war. „Gleich verhaften”, dachte er sich noch im Gespräch. Der Allgäuer Hotelier weiß: Mitarbeitergewinnung – gerade in diesen Zeiten – ist Chefsache.

Sina hatte sich sehr schnell in das freundliche und familiäre Team des Hotels eingefunden, die bisherigen Abteilungen ist sie bereits mit Bestleistungen durchlaufen. „Wann kommst Du endlich zu uns in die Abteilung?”, hieß es immer wieder. Nun stand die letzte Station, das Restaurant, auf Sinas Tagesplan. Ihre bisherigen Erfahrungen im Servicebereich konnte sie zwar schon in ihrem Ausbildungshotel unter Beweis stellen, doch das Traubel‘s Vitalresort und Spa war noch einmal eine Klasse für sich. Das 4-Sterne-Superior-Hotel war unter anderem für seinen kompetenten, aufmerksamen Service und die regionalen Speisen in Verbindung mit internationaler Küche auf Sterne-Niveau bekannt. Daher steht Sina nun die größte Herausforderung bevor.

Ein lautes Hupen holt sie zurück in die Realität und sie bemerkt, dass sie die Zufahrt zum Gästeparkplatz mit ihrem in die Jahre gekommenen Audi blockiert. Schnell entschuldigt sie sich mittels Handzeichen und setzt ihren Weg zu den Personalparkplätzen ein Stück weiter vom Hotel entfernt fort. Als sie aussteigt, prüft sie ihr Aussehen ein letztes Mal im Spiegel. Die braunen glatten Haare sind zu einem schulterlangen Pferdeschwanz zusammengebunden, die blaugrünen Augen glänzen vor Aufregung. Sina streicht ihre Kleidung, bestehend aus einer dunklen, langen Hose und einer farblich passenden roten Weste glatt. Sie überprüft, ob die Knöpfe der weißen Bluse geschlossen sind und der Kragen gerade sitzt.

Erst als sie ihr Aussehen für perfekt hält, macht sie sich auf den Weg zum Personaleingang, welcher sich seitlich am Hotel befindet. Mit gemischten Gefühlen schreitet sie den von der Sonne erhellten, gepflasterten Weg entlang, wobei ihr die frischen Blumen in den gepflegten Beeten am Rand des Hotels einen angenehmen Duft entgegentragen. Beim Personaleingang angekommen, atmet sie bewusst tief ein und aus, bevor sie die schwere Tür öffnet und eintritt. Der Eingang führt direkt an der Küche vorbei, wo es zu dieser Uhrzeit noch sehr ruhig ist. Sina läuft den Gang zum Restaurant entlang und je näher sie dem Restaurant kommt, desto lauter vernimmt sie die vertraute Stimme einer wohlbekannten Person: Samuel, ein Kollege, den sie bereits von ihrer Ausbildung aus dem SEETELHOTEL Ahlbecker Hof auf Usedom kennt. Sie durfte die Woche vor ihrem Urlaub bereits mit ihm im Restaurant arbeiten, als sie nach ihrer regulären Schicht an der Rezeption noch im Service aushalf, da der Restaurantleiter im Urlaub war und ein Kollege unerwartet krank wurde.

Sina öffnet die Schwingtür des Restaurants und erblickt ihren Kollegen, welcher sich gerade mit einem großen Herrn von sportlicher Statur unterhält. Die gegelten dunklen Haare, der gepflegte Dreitagebart und seine dominante Körperhaltung verleihen Samuels Gesprächspartner eine autoritäre Ausstrahlung. „Sina, schön Dich zu sehen!“, wird sie von Samuel begrüßt. Seine blauen Augen blitzen dabei vor Freude auf. Sina lächelt ihn freundlich an, bevor sie sich dem anderen Herrn zuwendet und ihm die Hand entgegenstreckt. „Hallo Herr Bösling, ab heute darf ich offiziell Sie und Ihr Team persönlich unterstützen.“

Der großgewachsene Mann wendet sich Sina zu und mustert sie einmal von oben bis unten. Sina bemerkt, wie korrekt seine Kleidung sitzt. Sogar die bordeauxrote Krawatte um seinen Hals, welche einen gelungenen Kontrast zu seinem dunkelblauen Anzug bildet, scheint auf den Millimeter perfekt gebunden zu sein. „Guten Tag – und herzlich willkommen im leistungsstärksten Team dieses Hauses. Wie Sie wissen, werde ich für die nächsten Monate Ihr Vorgesetzter sein. Unsere Gäste haben höchste Ansprüche und erwarten zurecht einen exzellenten Service. Ich erwarte von Ihnen absolute Pünktlichkeit, einen respektvollen Umgang und Zuverlässigkeit. Mein Team harmoniert optimal, deshalb bitte ich Sie, sich hier angemessen einzufügen.“ Sebastian Böslings Stimme ist kühl und bestimmend. Er zeigt ganz deutlich, welche Werte er vertritt und was er von seinen Mitarbeitern erwartet.

„Samuel, wären Sie so freundlich und zeigen unserer neuen Kollegin, was sie zuerst zu erledigen hat und wo sie alles Nötige findet? Details zum Menü und zur Einteilung gibt es dann später wie gewohnt beim Service Briefing." Sebastian Bösling zieht eine Augenbraue nach oben und sieht Samuel eindringlich an. „Natürlich, Herr Bösling“, erwidert der junge Herr. Ohne weiteren Kommentar dreht sich Herr Bösling um und lässt die beiden zurück. Sobald ihr anspruchsvoller Vorgesetzte verschwunden ist, kehrt das Lächeln auf Samuels Lippen zurück.

„Sina, schön, dass wir endlich zusammen arbeiten können. Wie geht’s Dir? Wie war Dein Urlaub?“, sprudelt Samuel sofort los, als Sebastian Bösling außer Sichtweite ist. „Hallo Samuel, ich freue mich auch, endlich hier sein zu dürfen. Der Urlaub war schön, na ja, zu kurz, wenn ich ehrlich bin. Außerdem hat Alexander meine gesamte freie Zeit für sich beansprucht, was ich mir jedoch hätte denken konnte.“ Alexander, Sinas Freund, ist Automechaniker und hat für die Arbeitszeiten seiner Partnerin wenig Verständnis. Er versucht, jede freie Minute mit ihr zu verbringen, vergisst dabei allerdings, dass auch Sina ab und zu Abstand und Zeit für sich braucht.

„Im Großen und Ganzen hat mir die arbeitsfreie Zeit allerdings sehr gutgetan. Ich kann jetzt voller Kraft und mit neuer Energie den letzten Teil meines Traineeprogramms angehen“, beendet Sina ihre kurze Erzählung. „Das freut mich!“, sagt Samuel lächelnd. „Komm mit, ich zeige Dir, womit Du Deine Schicht beginnen kannst.“ Sina nickt, nachdem sie einen kurzen Blick auf ihre Armbanduhr wirft, die anzeigt, dass es bereits 15:00 Uhr ist, und folgt Samuel durch das große, helle Restaurant.

Die orange-roten Wände lassen den Raum erstrahlen, das Sonnenlicht spiegelt sich in den großen Fenstern, welche die Sicht auf ein wunderschönes Bergpanorama freigeben. Die Tische, die alle eine gestärkte weiße Tischdecke tragen, reihen sich in regelmäßigen Abständen aneinander. Auch wenn sich noch keine Gäste im Raum befinden, spielt die leise Hintergrundmusik bereits durch das Restaurant.

Samuel führt Sina zu einer Servante mit vielen Fächern und Schubladen. Darauf stehen einige Weingläser auf weißen Tüchern und einige sorgfältig zusammengelegte Poliertücher. Samuel öffnet die erste Schublade. „Hier liegen unser Besteck und die Servietten. Zu Beginn einer jeden Schicht werden die Tische für den Abend-Service eingedeckt und die Kerzen ersetzt“, er öffnet eine weitere Schublade, „Kerzennachschub findest du hier.“ Sina zeigt ihm, dass sie ihn verstanden hat und Samuel geht weiter Richtung Tresen und dem Getränkebuffet. Er öffnet die verschiedenen Schubladen und erklärt ihr, wo sie welche Getränke findet. „Im Idealfall, so wie heute, werden Dir die Getränke gemacht. Albert hat heute Dienst. Auf ihn ist Verlass. Als Erstes werden die Tische eingedeckt. Ich zeige Dir kurz, wie’s unserem Standard entspricht, damit Herr Bösling auch zufrieden ist“, erklärt Samuel.

„Oh, ihm eilt ja ein ganz besonderer Ruf im Hause voraus – jetzt weiß ich konkret, wie es sich in seiner Abteilung anfühlt“, erwidert sie ihrem Kollegen. „Ja, er legt sehr viel Wert darauf, dass alles seinen Wünschen entspricht. Er hat das Ziel, unser Restaurant gemeinsam mit Küchenchef Tim zu einem Michelin-Stern zu führen. Deshalb achtet er penibelst darauf, dass die Mitarbeiter auch genau nach seinen Wünschen arbeiten.“ Sina nickt und folgt Samuel zu den Tischen. Der junge Mann erklärt ihr, wie der gedeckte Tisch für die Gäste aussehen soll.

„In einer Stunde werden die ersten Gäste eintreffen, bis dahin muss das Restaurant und Dein Mis-en-place stehen.“ Mis-enplace – den Begriff kannte sie aus ihrer Ausbildung. Sie weiß, dass damit gemeint ist, dass alles parat stehen muss, was man zum Arbeiten braucht. „Solltest du bei irgendetwas Hilfe brauchen, kannst Du mich gerne ansprechen“, beendet Samuel die kurze Einführung. Mit diesen Worten überlässt er Sina ihrer Arbeit.

Wie zuvor angewiesen, holt Sina Servietten und Besteck, um die Tische adäquat herzurichten. Sie platziert die Messer der Größe nach auf der rechten Seite, die Gabeln auf der linken Seite. Die Serviette, welche von einem Serviettenring zusammengehalten wird, legt sie gerade in die Mitte zwischen Messer und Gabel. Dann platziert sie die Kerze und die kleine Blumenvase mit frischen Schnittblumen. Zu guter Letzt rückt sie die Stühle gerade und geht zum nächsten Tisch.

Nachdem das Restaurant für die Gäste vorbereitet ist, begibt sie sich zu Samuel und fragt, wo die Reservierungen eingetragen sind. Samuel zeigt auf ein kleines Buch, das zusammen mit dem Tischplan neben der Kasse liegt. „Informiere Dich bitte vor jeder Schicht, ob spezielle Anlässe vermerkt sind und welche Doppelbelegungen es gibt. Das ist wichtig, damit wir unsere Arbeit ordentlich und ohne zusätzlichen Stress erledigen können. Ich würde Dich heute gerne unterstützen und erst einmal nur mitlaufen lassen, aber heute ist schon wieder wer krank und wir haben eh Personalmangel. Die Azubis sind in der Berufsschule. Gib Dein Bestes und ich habe ein Auge mit drauf. Wenn Du schwimmst, werfe ich Dir einen Rettungsring zu.“ „Krieg’ ich hin!“, versichert Sina. Innerlich war ihr schon etwas mulmig dabei. Okay, sie hatte vor ihrem Urlaub schon eine Woche lang ausgeholfen und das Wesentliche im Restaurant mitbekommen, aber nun direkt eine eigene kleine Station zu führen, da hatte sie doch Respekt vor.

Ein Blick auf die Uhr verrät Sina, dass die ersten Gäste bald da sein werden. Sie beeilt sich, um noch einen Blick in das Reservierungsbuch zu werfen. Als sie das dunkelblaue Buch öffnet, stellt sie fest, dass die erste Reservierung für 18 Uhr eingetragen ist. Den Reservierungen zufolge scheint das Restaurant heute gut besucht zu sein. Kein Wunder, das Haus ist mit über 90 % Belegung fast ausgebucht.

Als sie gerade dabei ist, die Namen und Anmerkungen zu überprüfen, wird sie von einem großen, schlanken Herrn angesprochen. „Hallo Sina, ich hoffe, Du hast Dich bereits ein wenig eingefunden“, wird sie begrüßt. Als sie den Blick hebt, erkennt sie Marc, den jungen Hotelchef. Seine freundlichen, blauen Augen lächeln sie an. „Hallo Marc, ja, ich wurde bereits eingewiesen und weiß, auf was ich hier besonders zu achten habe. Ich freue mich auf den letzten Teil meines Managementprogramms.“

„Du hast Dich bisher sehr gut gemacht und ich bin mir sicher, dass Du diese Abteilung auch mit Bravour absolvieren wirst.“ Marc Traubel war einer der freundlichsten Menschen im gesamten Hotel. Für einen Hotelchef war er sehr charmant, hilfsbereit und hatte immer ein offenes Ohr für seine Mitarbeiter. Sina ist sehr glücklich, so einen sympathischen Chef zu haben. „Danke, Marc, das hoffe ich natürlich auch. Ich bin sehr gespannt auf die kommende Zeit im Restaurant. Und wie ich hörte, habt Ihr Euch hohe Ziele gesteckt.” Mit einem freundlichen Lächeln und einem wissenden Zwinkern verabschiedet sich Marc und wünscht Sina eine angenehme Schicht.

Da es bereits 17:45 Uhr ist, begibt sich Sina langsam auf den Weg zu Samuel. Er wird heute Abend vorrangig die Gäste in Empfang nehmen und platzieren. Sie fragt, ob sie noch etwas berücksichtigen müsse und zählt auf: „Die Tische sind eingedeckt, die Getränkeschubladen aufgefüllt und die Sekt- und Weißweinflaschen kaltgestellt.“ „Nein, das reicht. „Da kommen schon die ersten Gäste“, bemerkt er und stellt sich aufrechter hin. Mit einem Lächeln auf den Lippen begrüßt er das Gästepaar, bestehend aus einem Herrn mittleren Alters im Anzug und einer etwas jüngeren Dame in einem eleganten roten Kleid, welches ihrer schlanken Figur schmeichelt.

Auch Sina begrüßt die beiden mit einem herzlichen Lächeln. Samuel führt sie zu ihrem Tisch und kehrt anschließend zu Sina zurück. „Das ist Dein erster Tisch. Wenn Du etwas brauchst oder nicht findest, gib mir einfach Bescheid“, erklärt Samuel. „Na dann, auf geht’s!“, denkt sich Sina und atmet noch einmal tief durch. Sina hat sich die Einarbeitung heute etwas anders vorgestellt. Da sie aber bei den SEETELHOTELS eine fundierte Ausbildung genossen hat und bereits Erfahrung in der Praxis hat, sollte sie diesen Tag auch schaffen.

Die Gastronomie ist für sie kein Neuland und trotzdem ist sie etwas nervös. Sie kennt die Tischnummern noch nicht alle auswendig und auch das Kassensystem ist ihr noch ein Mysterium. Orakel, so das Emblem des Herstellers. „Debakel hätte vielleicht besser gepasst", denkt sie sich.

Sie möchte auch in dieser Abteilung glänzen, um ihren langersehnten Managementposten, auf den sie das Programm vorbereiten soll, zu erreichen. Bisher war sie schon auf einem sehr guten Weg, wie ihr Marc eben auch noch einmal bestätigt hatte. Sie möchte diesen Weg auf jeden Fall weiterführen und sich von ihrer besten Seite zeigen. Ihr ist dabei natürlich bewusst, dass sie in ihrer künftigen Führungsfunktion andere Aufgaben hat, als zu kellnern, aber sie weiß sehr wohl, dass es darauf ankommt, die Abläufe aus dem Effeff zu kennen und zu können.

Und schon damals in ihrer Ausbildung empfand sie es immer ganz befremdlich, wenn so ein Theoretiker an der Fachhochschule oder ein Abteilungsleiter nicht wusste, wie die Abläufe im operativen Geschäft sind. So eine Managerin, schwor sie sich, würde sie niemals werden.

Mit einem guten Gefühl und voller Zielstrebigkeit geht sie zu dem Tisch, an dem das Pärchen soeben platziert wurde. Die Speisekarten an sich gedrückt (1), bleibt sie vor den Gästen stehen, begrüßt die beiden noch einmal freundlich (2) und übergibt die Karten. (3) Mit einem kurzen Blick überprüft Sina, ob ihre Hände zittern, während sie die Speisekarten überreicht. Sie möchte nicht, dass man ihr die Nervosität anmerkt. Auch ihre Konzentration lässt heute leider etwas zu Wünschen übrig. „Was darf ich Ihnen zu trinken bringen?“ (4), fragt sie herzlich. „Darf es vielleicht ein Aperitif sein?” und fügt nach keiner direkten Bestellung hinzu: „Oder möchten Sie erst mal schauen und sich inspirieren lassen?“ (5)

„Nein danke, wir nehmen erst mal eine große Flasche Wasser – medium bitte“, sagt die Dame. Sina nickt dankend und verlässt den Tisch. Sie geht zur Kasse und gibt die Bestellung ein. Sie wundert sich, warum die Gäste keinen Aperitif bestellt haben. In ihrer Ausbildung war die Reaktion auf die Frage nach einer Aperitifbestellung meistens positiv ausgefallen. Sie erinnert sich zurück, was sie in ihrer Ausbildung damals im Ahlbecker Hof gelernt bzw. anders gemacht hat, doch ihr fiel nichts ein, was sie heute falsch gemacht hätte. In ihrer Ausbildung wurde ihr ja auch beigebracht, dass sie nach einem Aperitifwunsch fragen solle. Vielleicht waren die Gäste auf Usedom, viele von ihnen aus Hamburg und Berlin kommend, einfach anders als hier.

Sina sieht sich im Restaurant um und bemerkt, dass sich dieses langsam füllt und die eifrigen Kollegen bereits einige Gäste an ihren Tischen bedienen. Da die Tische den einzelnen Servicekräften zugeordnet sind, ist alles gut strukturiert und aufgeteilt, damit kein Chaos entsteht. Die ihr zugewiesenen Tische sind noch nicht belegt. Also wartet sie auf die Getränke für das Pärchen und bringt diese auch sofort zum Tisch, nachdem sie vom Kollegen Albert hinter der Bar bereitgestellt wurden.

Sina geht zum Tisch und serviert die Getränke. Sie konzentriert sich sehr darauf, dass sie nicht zittert, während sie das Mineralwasser einschenkt. „Haben Sie schon gewählt? (6) fragt sie, nachdem die Gäste ihre Getränke erhalten haben. „Für mich einmal das vegetarische Gericht mit den Süßkartoffeln”, sagt die Dame. „Und ich nehme die Medaillons vom Schwein”, kommentiert ihr Mann. „Und wir nehmen beide die Kürbiscremesuppe vorweg.“ „Gern.”, bestätigt Sina die Bestellung. (7)

„Entschuldigung, ich hatte bei meiner Reservierung angegeben, dass meine Frau Geburtstag hat und wir gerne eine Flasche Champagner hätten. Wir wollten mit dem Champagner nicht bis zum Dessert warten“, merkt der Herr an. „Oh Verzeihung, das muss mir entgangen sein. Ich bringe Ihnen sofort den Champagner. Und Ihnen wünsche ich natürlich alles Gute zu Ihrem Geburtstag!“, beglückwünscht Sina die Dame, fühlt sich jedoch etwas peinlich berührt.

Sina gibt die Bestellung in die Kasse ein. Dabei begegnet ihr Sebastian Bösling, der gerade auf dem Weg zum Küchenpass ist. „Puh. Zum Glück hat er meinen Fehler nicht gesehen”, denkt sich Sina erleichtert. Sie bringt dem Pärchen die gewünschte Flasche. So schnell es geht, öffnet sie diese am Tisch und schenkt zwei Gläser ein. Sie entschuldigt sich noch einmal und bedient im Anschluss die weiteren Tische, welche allmählich von Gästen besetzt werden.

Die nachfolgenden Bestellungen gelingen reibungslos. Sina bemerkt, wie viel Freude ihr die Arbeit in der Gastronomie macht und wie sehr sie es vermisst hat, in dieser Abteilung zu arbeiten. Was sie an der Gastronomie so schätzt, ist, dass sie direktes Feedback bekommt, auch in Form von Trinkgeld. Ehrlicher und direkter geht es kaum.

Als die frisch zubereiteten Suppen am Küchenpass zur Abholung bereitstehen, serviert Sina diese direkt und bedient dann auch die anderen Gäste, die bereits bestellt haben. Nachdem sie den Hauptgang des Geburtstagspärchens serviert hat, vergehen einige Minuten. Kurz darauf streift sie den Tisch, an dem sie eben war, und fragt, ob soweit alles recht sei. Die beiden nicken ihr zu und Sina kehrt zu anderen Gästen zurück.

„Läuft doch!”, denkt sich Sina. Als die beiden Gäste ihr Essen beendet haben, räumt sie die Teller ab. „Hat es Ihnen geschmeckt, war alles in Ordnung?“ (8) „Es war sehr gut, vielen Dank.“ „Darf ich Ihnen noch etwas bringen? Vielleicht ein Dessert, ein Cappuccino oder ein Schnäpschen?“ (9), fragt die junge Bedienung freundlich nach. „Nein, danke, wir hätten dann gerne die Rechnung“, bittet der Herr nach einem kurzen Zögern. „Bar oder aufs Zimmer?” (10) „Bar bzw. Karte”, merkt er an und Sina nickt zustimmend.

Als Sina zur Kasse geht, um die Rechnung auszudrucken, sieht sie Sebastian Bösling, wie er sich zu dem Pärchen gesellt, das sie eben noch bedient hatte. Er unterhält sich angeregt mit den beiden und schüttelt der Dame die Hand. Sina beobachtet diese Situation einen Moment, bevor sie Herrn Böslings Blick einfängt, welcher plötzlich auf sie gerichtet ist. Sein Blick sagt mehr als Worte. Sina wendet sich ab und bringt die Rechnung zu den Gästen. „Sina, bringen Sie unseren Gästen bitte noch einen Espresso? Der geht aufs Haus, als Entschuldigung für die kleine Unachtsamkeit von vorhin“, die letzten Worte des Vorgesetzten waren an das Pärchen gerichtet. Sina nickt, nun etwas verunsichert, ob sie die Gäste vorher abkassieren soll oder nicht. Sie entscheidet sich dafür, die Rechnung wieder mitzunehmen und erst die Heißgetränke zu servieren.

Sie tippt den Espresso in die Kasse ein und boniert ihn aufs Haus. Kurz darauf sind die beiden Heißgetränke auch schon fertig und sie ist froh, dass Sebastian Bösling den Tisch bereits verlassen hat, als sie erneut dort eintrifft. „Ihre beiden Espressi”, kündigt Sina an und versucht dabei, herzlich zu lächeln. „Sehr aufmerksam”, bedankt sich die Dame. Der Herr äußert seinen Dank durch ein Nicken. „Ihre Rechnung.“ (11) Sina legt die Rechnung auf die Seite des Herrn, der zuvor danach gefragt hat. Dieser wirft einen kurzen Blick auf das Papier vor sich und bezahlt, wobei das Trinkgeld für Sina sehr gering ausfällt. „Vielen Dank, ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend“, verabschiedet sich Sina höflich. Die beiden Gäste nicken und bedanken sich. Kurz darauf verlassen sie das Restaurant.

Sinas restliche Schicht vergeht ohne weitere besondere Vorkommnisse. Gegen Ende der Arbeitszeit wird sie von Herrn Bösling angesprochen. „Sina, kommen Sie bitte zu mir, wenn Sie Ihre Arbeit beendet haben“, weist der Vorgesetzte an. „Natürlich, mein letzter Tisch hat eben die Rechnung geordert. Ich bin gleich bei Ihnen“, antwortet die junge Dame leise.

Nachdem sie auch die letzten Gäste abkassiert und diese verabschiedet hat, sucht sie Sebastian Bösling auf. Dieser wartet bereits an der Kasse auf sie. „Sie wollten mich sprechen?“, fragt Sina ihren Vorgesetzten. „Was haben Sie sich dabei gedacht, die Notizen im Reservierungsbuch einfach zu ignorieren? Dass das Front Office regelmäßig verpasst uns Informationen weiterzugeben, bin ich ja schon gewohnt, aber wenigstens in der eigenen Abteilung erwarte ich, dass das funktioniert“, braust Herr Bösling auf. „Wissen Sie überhaupt, wer das war? Das war der Geschäftsführer von BICA, dem erfolgreichsten Unternehmen in unserer Region. Er hatte bei seiner Reservierung explizit darauf bestanden, dass der Champagner bereits am Tisch steht, wenn er und seine Frau eintreffen. Was denken Sie, wird er nun über unser Restaurant sagen?“ „Es tut mir leid, Herr Bösling. So ein Fehler wird nicht mehr vorkommen“, entschuldigt sich Sina zerknirscht.

„Ich möchte, dass Sie verstehen, dass solche Fehler nicht passieren dürfen“, verkündet Sebastian Bösling mit drohendem Unterton. „Hat Samuel Ihnen denn nicht erklärt, dass die Anmerkungen im Reservierungsbuch vor jeder Schicht überprüft werden müssen?“ „Doch, hat er! Samuel trifft keine Schuld. Er hat mir erklärt, dass es sehr wichtig ist, immer in das Buch zu schauen.“ „Dann verstehe ich nicht, warum Sie diesen Eintrag übersehen haben. Sie müssen sorgfältiger arbeiten. Bei mir gibt es keinen Welpenschutz. Sonst kann unser gesamtes System nicht funktionieren. Was bringt es, wenn unsere Küche das beste Essen zaubert, aber unser Service nicht funktioniert? Sie haben doch so eine gute Ausbildung bekommen. Haben Sie das Gelernte bereits vergessen?“ Sein Unterton hat etwas Ironisches an sich. „Sie kommen mit Vorschusslorbeeren in mein Team. Heute habe ich nicht viel davon gesehen.“

„Wird nicht wieder vorkommen, Herr Bösling“, beteuert Sina. Es herrscht einen Moment Stille, während Sebastian Bösling sich etwas beruhigt. Sein Blick geht nun ins Leere und er zupft seine Krawatte etwas zurecht. Sina verharrt unsicher an Ort und Stelle. „Sina, Sie haben Ihre Ausbildung in einem der besten Hotels absolviert. Ich nehme an, man hat Ihnen dort gesagt, wie wichtig Ihnen Ihre Arbeit sein sollte.“ „Ja, Herr Bösling, ich habe verstanden, was Sie meinen. Es wird nicht wieder vorkommen.“ „Gut, dann ist das geklärt. Achten Sie bitte darauf, in Zukunft sorgfältiger zu arbeiten. Wissen Sie, es kommen auch regelmäßig Restauranttester. Da würden wir glatt durchfallen und in so einem Bericht lesen müssen, dass es bei uns an der Basis fehlt. So einen Bericht möchte ich nicht vor unserem Küchenchef und nicht vor Herrn Traubel rechtfertigen müssen.” Mit diesen Worten beendet Sebastian Bösling das Gespräch und verabschiedet sich mit einem knappen Nicken. Er rückt seine Krawatte ein letztes Mal zurecht, bevor er das Restaurant verlässt.