Die Gefangene des Earls: Die DeWinter-Highland-Saga - Zweiter Roman - Constance O'Banyon - E-Book
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Die Gefangene des Earls: Die DeWinter-Highland-Saga - Zweiter Roman E-Book

Constance O'Banyon

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Beschreibung

Er will Rache nehmen – doch ihre Schönheit erobert sein Herz: „Die Gefangene des Earls“ von Constance O‘Banyon jetzt als eBook bei dotbooks. Edinburgh im Jahre 1833: Arrian DeWinter ist überglücklich, nach Schottland zu reisen – endlich wird sie ihren Verlobten Ian MacIvors heiraten, dem sie schon lange in unschuldiger Liebe verbunden ist. Doch dann fällt sie dem undurchschaubaren Warrick in die Hände. Eine alte Familienfehde verbindet den Anführer des Drummond-Clans mit den MacIvors; nun ist endlich die Stunde der Rache gekommen! Gnadenlos zwingt Warrick die schöne Arrian, seine Frau zu werden … und verliebt sich gegen seinen Willen in ihre Sanftmut und Schönheit. Aber kann es ihm gelingen, das Herz seiner Gefangenen zu erobern – oder muss er sie ziehen lassen? „Eine eindringliche Geschichte über Ehre und Hass, Betrug und Zärtlichkeit im prachtvollen Schottland des 19. Jahrhunderts.“ goodreads.com Jetzt als eBook kaufen und genießen: Das Romance-Highlight „Die Gefangene des Earls“ von Constance O’Banyon, einer Königin des historischen Liebesromans. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 493

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Über dieses Buch:

Edinburgh im Jahre 1833: Arrian DeWinter ist überglücklich, nach Schottland zu reisen – endlich wird sie ihren Verlobten Ian MacIvors heiraten, dem sie schon lange in unschuldiger Liebe verbunden ist. Doch dann fällt sie dem undurchschaubaren Warrick in die Hände. Eine alte Familienfehde verbindet den Anführer des Drummond-Clans mit den MacIvors; nun ist endlich die Stunde der Rache gekommen! Gnadenlos zwingt Warrick die schöne Arrian, seine Frau zu werden … und verliebt sich gegen seinen Willen in ihre Sanftmut und Schönheit. Aber kann es ihm gelingen, das Herz seiner Gefangenen zu erobern – oder muss er sie ziehen lassen?

»Eine eindringliche Geschichte über Ehre und Hass, Betrug und Zärtlichkeit im prachtvollen Schottland des 19. Jahrhunderts.« goodreads.com

Über die Autorin:

Constance O’Banyon ist ein Pseudonym der amerikanischen Autorin Evelyn Gee, die 1939 in Texas geboren wurde und heute mit ihrer Familie in San Antonio lebt. Ihre historischen Liebesromane haben sich weltweit über acht Millionen Mal verkauft; 1996 wurde sie mit dem renommierten Romantic Times Career Achievement Award ausgezeichnet. Über ihre Arbeit sagt sie: »Ich liebe Geschichte – und ich liebe es, Geschichten zu erzählen. Manchmal glaube ich fast, schon einmal in einer anderen Zeit gelebt zu haben, denn wenn ich schreibe, fühle ich mich, als wäre ich wirklich dort gewesen.«

Bei dotbooks veröffentlichte Constance O’Banyon einen weiteren Roman, in dem es um die Frauen und Männer der DeWinter-Familie geht: »Die Geliebte des Herzogs«

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eBook-Neuausgabe Oktober 2017

Dieses Buch trägt im amerikanischen Original den Titel »Highland Love Song« und erschien in Deutschland erstmals 1995 unter ebendiesem Titel bei Bastei Lübbe.

Copyright © der Originalausgabe 1993 by Constance O’Banyon

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1995 by Gustav Lübbe Verlag GmbH, Bergisch Gladbach

Copyright © der Neuausgabe 2017 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Nele Schütz Design, München, unter Verwendung von Bildmotiven von shutterstock/Razzle Dazzle Stock, Neon shot und Targn Peiades

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ts)

ISBN 978-3-96148-182-8

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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blog.dotbooks.de/

Constance O’Banyon

Die Gefangene des Earls

Roman

Aus dem Englischen von Kerstin Winter

dotbooks.

Wenn ich die Augen schließe, höre ich immer noch das süße Babylachen, das uns jeden Tag soviel Freude gemacht hat. Seit du unsere Familie mit deiner Gegenwart beglückt hast, bist du für uns stets eine Quelle des Stolzes gewesen. Du bist im Herzen so schön wie von Gestalt: Meine Kimberly, du wirst innig geliebt.

Für Jeffrey Gee; der mich inspiriert hat, meinen Helden mit den gleichen wundervollen silbernen Augen auszustatten, wie er sie sein eigen nennt. Mein wunderbarer Enkel, du bist definitiv einer meiner Helden!

Anmerkung der Autorin

Bis Juli 1940 war in Schottland die Eheschließung durch eine einfache Erklärung legal: Die Paare, die heiraten wollten, mußten einfach vor Zeugen erklären, daß sie diese Absicht hatten.

Prolog

Davinsham Castle, Schottland, 1818

Ein Sturm braute sich über den Lowlands zusammen. Der Donner grollte so laut, daß die Erde erzitterte, während Blitze wie schartige Schwerter über den tiefschwarzen Himmel zuckten.

Als die ersten Regentropfen zu Boden fielen, stürmte der sechzehnjährige Lord Warrick, Viscount of Glencarin und Erbe des Drummond-Clans, aus den Stallungen, wo er sein Pferd für die Nacht versorgt hatte. Es fiel ihm schwer zu begreifen, daß er sich tatsächlich auf Davinsham Castle befand, der Feste der MacIvors, die seit ewigen Zeiten die Feinde seiner eigenen Familie waren. Er war so in Gedanken versunken, daß er den Regen gar nicht bemerkte, der nun auf ihn niederprasselte und ihn bis auf die Haut durchnäßte.

Erst am Morgen war Lord Warrick Zeuge gewesen, wie seine Schwester Gwendolyn mit Gavin MacIvors, mit einem Mann, der doppelt so alt war wie sie, verheiratet wurde.

Es war natürlich niemandem entgangen, daß Lord James selbst nicht bei der Vermählung anwesend gewesen war, sondern statt dessen seinen Sohn als Vertreter der Familie geschickt hatte. Obwohl das Oberhaupt des Drummond-Clans Krankheit vorgeschoben hatte, nahm jedermann an – und das zu Recht –, daß er nicht hatte zusehen wollen, wie seine einzige Tochter mit einem MacIvors verheiratet wurde.

Warrick dachte daran, wie inständig Gwendolyn ihren Vater angefleht hatte, sie nicht zu einer Ehe mit dem Sohn eines rivalisierenden Clansherrn zu zwingen, doch er hatte sich nicht darum gekümmert. Sie wurde von beiden Parteien benutzt, um die zwei Clans zu einen. Doch uralter Haß sitzt tief, und Warrick bezweifelte, daß diese Ehe die Wunden aus jahrzehntelanger Fehde würde heilen können.

Warrick trat ins Schloß und eilte die Treppe hinauf, wobei sich seine Lippen verächtlich verzogen. Die MacIvors stellten ihren Reichtum dar, wie man eine Trophäe präsentierte. Die Mauern waren mit seidenen Wandbehängen geschmückt, und der Boden war mit dicken Teppichen bedeckt. Ja, hier gab es Reichtum, aber es gab keine Wärme. Er dachte an sein eigenes Zuhause, Ironworth Castle, das, verglichen mit Davinsham, schäbig wirkte. Seit dem Tod seiner Mutter hatte sich niemand mehr um den Haushalt gekümmert. Gwendolyn hatte für diese Aufgaben wenig übrig gehabt, sondern sie lieber der Dienerschaft überlassen. Ironworth brauchte dringend eine Herrin.

Wütend preßte er die Lippen zusammen, während er sich für das Hochzeitsbankett ankleidete. Am Morgen hatte man Gwendolyn wie ein Beutestück den Mitgliedern des Clans vorgeführt. Mit ihren neunzehn Jahren war sie eine liebreizende Schönheit mit honigblondem Haar und sanften grauen Augen. Würde Gavin MacIvors, der so alt war wie ihr eigener Vater und ein berüchtigter Schürzenjäger, ihr die Wertschätzung entgegenbringen, die ihr gebührte? Die arme Gwendolyn hätte mit einem weit besseren Mann verheiratet werden können, aber ihr Vater hatte auf diese Verbindung bestanden.

Die Tränen, die Warrick in den Augen seiner Schwester gesehen hatte, waren wie ein Dolchstoß in sein Herz gewesen. Zornig knöpfte er seinen schwarzen Samtrock zu und schob die Füße in hohe schwarze Stiefel. Fast trotzig drapierte er das Familienplaid über seiner Schulter und befestigte es mit einem Gürtel. Er war froh, wenn die Feierlichkeiten vorbei waren, damit er von hier verschwinden konnte. Wenn er doch nur Gwendolyn wieder hätte mitnehmen können!

Lady Gwendolyn hatte bereits ihr weinrotes Kleid angezogen, als ihr einfiel, daß ihr Gemahl sie gebeten hatte, den Rubinring zu tragen, den er ihr bei ihrer Verlobung gegeben hatte. Sie mußte ihren Widerwillen niederkämpfen, als sie den MacIvors-Ring in die Hand nahm. Das tiefe Rot des riesigen Steins erinnerte sie an die Farbe von Blut, und fast wäre er ihr aus den zitternden Fingern geglitten. Im gleichen Moment, als sie den Ring über den Finger schob, zuckte ein Blitz über den Himmel, das Flügelfenster flog auf, und die Kerze erlosch. Sie stand in völliger Dunkelheit. Ängstlich rief Gwendolyn nach ihrer Zofe, bis ihr einfiel, daß Cora in ihre eigene Kammer gegangen war.

Während sie im Dunkeln herumstolperte, überkam sie eine entsetzliche Furcht. Morgen früh würde Warrick davonreiten und sie würde mit ihren Feinden allein sein.

Einen Augenblick später klopfte eine Dienerin an die Tür und trat mit einer Kerze in das Zimmer. »Ihr Gatte wartet auf Sie, M'lady«, sagte die Frau mürrisch. Wie würde sich ihr Leben gestalten, wenn selbst die Dienstboten aus ihrer Verachtung für die neue Herrin keinen Hehl machten?

Als Gwendolyn der griesgrämigen Zofe durch die dunklen Korridore folgte, warf das Kerzenlicht grotesk tanzende Schatten an die Wände. Gwendolyn nahm all ihren Mut zusammen, als sie die Treppe hinabstieg und sich auf den Lärm aus Musik und Gelächter zubewegte. Man stieß die massive Doppeltür des Bankettsaals für sie auf, und plötzlich verstummten alle Stimmen. In böser Vorahnung verspannte sich Gwendolyns ganzer Körper.

In Davinsham Castle befolgte man strikt die Etikette der Aristokratie. Lord Gavin MacIvors saß neben seinem Vater, Lord Gille, der das Oberhaupt des MacIvor-Clans war. Gavin war zwar zwanzig Jahre älter als Gwendolyn, sah aber mit seinem roten Haar und seinem roten Bart noch sehr attraktiv aus. Sie hob ihren Blick zu ihrem Gemahl, den sie erst gestern kennengelernt hatte. Ihr Vater hatte ihr versichert, daß diese Ehe den beiden Clans Frieden bringen würde. Doch die vielen Augenpaare, die auf sie gerichtet waren, starrten sie feindselig an.

Ihr Blick suchte in der Menge, bis sie das Gesicht gefunden hatte, das zu sehen sie sich am meisten wünschte: das Gesicht ihres Bruders Warrick. Voller Kummer sahen sie sich an, denn er wußte ebenso wie sie: Sie war dem Teufel geopfert worden, und er konnte ihr nicht helfen – niemand konnte ihr helfen.

Tapfer machte Gwendolyn einen Schritt auf Gavin MacIvors zu. Sie wußte wenig über ihren Mann, hatte nur erfahren, daß er zwei Söhne hatte, von denen der älteste, Ian, in ihrem Alter war. Und sie hatte munkeln hören, daß Gavin offen mit seiner Geliebten, Lorraine Turnot, zusammenlebte. Als Gwendolyn ihn nun anblickte, sah sie etwas, das ihr angst machte. Sie hatte keine Mutter gehabt, die sie auf die kommende Nacht hätte vorbereiten können, doch sie erkannte Begierde in Gavins Augen, und es erschreckte sie.

Sie zitterte, als er sie neben sich plazierte. Wie sehr sie Gavin und all das, was er repräsentierte, haßte! Als er sie anstarrte, errötete sie unter seinem unverschämten Blick.

»Komm, meine Kindsbraut. Lächle für mich«, sagte er einschmeichelnd.

Als er den Arm ausstreckte, um ihr Wein einzuschenken, streifte er absichtlich ihre Brüste. Ihre Furcht vor dem, was geschehen würde, wenn sie allein waren, wuchs.

Gwendolyn fühlte sich so allein und so elend, daß sie ihre Tränen nur mit Mühe zurückhalten konnte. Sie versuchte Warricks Blick einzufangen, doch er starrte wie hypnotisiert auf den blutroten Stein an ihrem Finger.

Lord Gavins Stimme klang leise und verführerisch, als er ihr die besten Fleischstücke und das zarteste Gemüse von seinem Teller anbot. Lady Gwendolyn wußte, daß sie nichts herunterbekommen würde, und so schüttelte sie den Kopf. Er strich sich über seinen roten Bart, während sein Blick sich in den ihren brannte.

»Es gefällt mir, wenn eine Jungfrau Demut an den Tag legt. Ich habe es satt, auf gepflügten Feldern zu wandern. Es ist Jahre her, daß ich jungfräuliches Weideland betreten habe.«

Gwendolyn senkte den Kopf und faltete die Hände fest im Schoß, ohne sich um die Späße um sie herum zu kümmern. Sie war nie zuvor auf einem Hochzeitsfest gewesen, aber offenbar fand niemand ihr Verhalten als Braut seltsam.

Lord Gille wandte sich nun direkt an sie. »Lady Gwendolyn, es ist ein großes Pech, daß Sie keine Mutter oder Schwiegermutter haben, die Sie in der Führung Ihres neuen Haushalts unterweisen könnte. Es bedeutet eine große Verantwortung, besonders für jemanden, der so jung ist wie Sie. Daher sollte ich vielleicht jemanden bestimmen, der Ihnen hilft.«

Gavin ergriff rasch das Wort. »Vater, ich habe schon mit Lorraine Turnot verabredet, daß sie sich weiterhin um den Haushalt kümmert, bis meine ... meine Frau so weit ist, das zu übernehmen.«

»Nein!« schrie Lady Gwendolyn in einem plötzlichen Anflug von Widerstand. Sie stand auf und trat ihrem Mann gegenüber, ohne zu bemerken, daß der Rest des Clans überrascht aufsah. »Sie werden Ihre Mätresse nicht in aller Öffentlichkeit über mich stellen. Ich bin nicht Ihre Frau geworden, um mich demütigen und beschämen zu lassen.«

Lord Gavin reagierte wütend. »Sie machen mir Schande, Madame. Sie scheinen sich einen Moment vergessen zu haben. Aber vielleicht sind Sie nur müde. Sie werden sich auf Ihr Zimmer zurückziehen!«

»Nein«, wiederholte Lady Gwendolyn, »damit diese Frau in meiner Abwesenheit an Ihrer Seite sitzt? Ich wollte Sie nicht heiraten, aber da es nun so geschehen ist, werde ich nicht zulassen, daß mir jemand den Platz streitig macht!«

Lord Gavin und Lady Gwendolyn standen sich eine Weile gegenüber und starrten sich drohend an. Dann packte Gavin ihren Arm und zerrte sie grob vom Tisch weg, was eine Reihe von Anzüglichkeiten und spöttischen Bemerkungen von einigen MacIvors auslöste.

»Bitte fahren Sie mit der Mahlzeit fort. Es wird nicht lange dauern«, versicherte Gavin seinen Gästen durch zusammengebissene Zähne.

Gwendolyn warf ihrem Bruder einen Blick zu. »Hilf mir, Warrick«, sagte sie.

Warrick sprang auf die Füße und schleuderte seinen Stuhl gegen die Wand. »Nehmen Sie Ihre dreckigen Hände von meiner Schwester, MacIvors!«

»Misch dich da nicht ein, Junge«, erwiderte Lord Gavin. »Deine Schwester ist meine Frau, und ich mache mit ihr, was ich will.«

Doch Warrick stand schon an Gwendolyns Seite und versuchte, ihre Hand aus MacIvors Griff zu lösen. »Ich bringe sie von hier weg, und versuchen Sie ja nicht, mich aufzuhalten«, sagte er. »Sie ist nicht hergekommen, um sich beleidigen und mißbrauchen zu lassen.«

Aus einem Augenwinkel sah Warrick, wie Ian MacIvors hinter ihm herankam. Doch bevor er reagieren konnte, schlug ihm Lord Gavins Sohn etwas Schweres auf den Schädel, und Warrick stürzte bewußtlos zu Boden.

Gwendolyn schrie entsetzt auf, doch Gavin zerrte sie bereits mit sich. Sie wand sich und kämpfte, doch er war viel zu stark für sie.

»Lassen Sie mich! Mein Bruder ist verletzt!«

»Er hat eine wichtige Lektion gelernt. Man sollte sich niemals zwischen einen Ehemann und seine Frau stellen.«

Sie starrte ihn haßerfüllt an. »Ich werde Ihnen niemals eine wirkliche Ehefrau sein.«

Inzwischen hatten sie Lady Gwendolyns Schlafzimmer erreicht, und sie hatte es immerhin geschafft, ihrem Mann ein paar schmerzhafte Schläge und Tritte beizubringen.

Lord Gavin trat die schwere hölzerne Tür auf und stieß seine Frau zu Boden.

Schon war sie wieder aufgesprungen und hatte ihr Messer gezogen, das sie immer bei sich trug. Ihr Arm schoß vor, und die blanke Klinge bohrte sich in seinen Unterarm. Voller Entsetzen sah sie Gavins Blut über ihre Hand und den Rubinring strömen. Man hatte ihr immer erzählt, daß die MacIvors eine gewalttätige, jähzornige Familie waren. Aber nun war sie es gewesen, die als erste Blut vergossen hatte.

Lord Gavins Gesicht war wutverzerrt. »Ich bin mit einer Teufelin geschlagen«, brüllte er. »Ich werde dich zähmen oder töten!«

»Ich verfluche dich, Gavin MacIvors.« Dann fiel sie auf die Knie und begann zu weinen. Krampfartige Schluchzer schüttelten ihren zarten Körper. Niemand konnte ihr helfen. Sie würde in Elend und Verzweiflung an der Seite eines Mannes leben müssen, den sie verabscheute.

Es war schon Morgen, als Lord Warrick wieder zu Bewußtsein kam. Er lag in einem Turmzimmer, und Mactavish, der ihn von Ironworth begleitet hatte, beugte sich besorgt über ihn.

»Gott sei’s gedankt«, sagte Mactavish. »Ich hatte schon Angst, du würdest nicht mehr aufwachen.«

Warrick zerrte die Bandage von seinem Kopf und setzte sich auf. Er schob Mactavish beiseite und streifte sich rasch die Stiefel über.

»Was ist mit meiner Schwester? Hast du etwas gehört?«

»Ich bin die ganze Nacht bei dir gewesen und habe nichts von Lady Gwendolyn gehört.«

Warrick war entschlossen, zu seiner Schwester zu gehen. Die Flure waren seltsam still, und als er einer Dienerin begegnete, zog diese nur den Kopf ein und hastete an ihm vorbei.

Ohne zu klopfen stürzte Warrick ins Zimmer seiner Schwester. Der Raum war leer, doch er spürte, daß irgend etwas nicht stimmte.

Mit hämmerndem Herzen bückte er sich, um einen blutbeschmierten Teppich näher zu untersuchen. Dann fand er das Messer, das er Gwendolyn zu ihrem fünfzehnten Geburtstag geschenkt hatte.

Ein Schatten fiel über ihn, und er sah auf. Vor ihm stand Lord Gavin. Langsam erhob sich Warrick, ohne den Blick von dem Mann zu nehmen.

»Wo ist meine Schwester?« verlangte er zu wissen.

»Es ist meine traurige Pflicht, dir mitzuteilen, daß deine Schwester tot ist. Wie du ja gestern abend gesehen hast, war sie überreizt. Sie hat sich lieber die Treppe hinuntergestürzt, als unsere Ehe zu vollziehen.« Lord Gavin schlug die Augen nieder, um Warricks bohrendem Blick nicht begegnen zu müssen. »Sie hat sich das Genick gebrochen.«

Warrick schüttelte den Kopf. Er konnte nicht glauben, was er da hörte. »Nein. Nicht meine Gwendolyn!«

»Es ist nicht meine Schuld«, sagte Gavin und trat beim Anblick der Wut in den Augen des Jungen rasch einen Schritt zurück. »Hätte ich gewußt, daß sie so zart besaitet ist, hätte ich sie niemals geheiratet!«

»Sie sind ein Lügner«, sagte Warrick. »Wenn es stimmt, was Sie sagen, wessen Blut ist das da auf dem Teppich?«

»Meines.« Lord Gavin zeigte ihm den Verband um seinen Arm. »Deine Schwester wollte sich nicht von mir anfassen lassen. Es ist bedauerlich, daß sie ein so grausames Schicksal ereilt hat. Wäre sie nicht so –«

»Schweigen Sie! Ich glaube nicht, daß Gwendolyn sich selbst das Leben genommen hat!« schrie Warrick. Er konnte den Kummer fast nicht ertragen. »Ich will sofort die Leiche sehen!«

»Natürlich. Sie ist im großen Saal aufgebahrt.«

Warrick riß entsetzt die Augen auf. »Nicht in der Kapelle? MacIvors, wenn Sie an dieser Lüge festhalten, wird sie nicht in geweihter Erde begraben werden.«

Lord Gavin nickte. »Da sie diese schreckliche Tat begangen hat, verdient sie es nicht besser. Ich habe gerade stundenlang das Gestammel und Gezeter meines Vaters über mich ergehen lassen müssen, ich muß jetzt nicht noch dir zuhören. Verschwinde nach Hause und vergiß, was hier geschehen ist.«

Eine seltsame Ruhe breitete sich in Warrick aus, und als er wieder sprach, war seine Stimme emotionslos. »Ich werde niemals vergessen, was Sie meiner Schwester angetan haben. Ihr Leben ist nichts mehr wert, Gavin MacIvors. Es gibt keinen Ort auf der Welt, an dem ich Sie nicht finden werde.«

Gavin blickte in die silbernen Augen, die so voller Haß waren, daß es ihm den Atem verschlug.

»Sie brauchen nicht zu befürchten, daß ich Sie jetzt töte, denn heute werde ich meine Schwester betrauern. Ich will, daß Sie in Furcht vor dem Tag leben, an dem ich zu Ihnen komme, um Sie umzubringen. Sehen Sie immer über Ihre Schulter und gewöhnen Sie sich an einen leichten Schlaf, denn vielleicht komme ich in der Dunkelheit.«

Warrick entdeckte zufrieden, wie Angst in die Augen des älteren Mannes trat. »Wenn Sie mich das nächste Mal treffen, Gavin MacIvors, dann wird es der letzte Tag Ihres Lebens sein!«

Aus Gavins Gesicht wich alle Farbe. »Hör auf, mir zu drohen, du Brut des Teufels!«

»Dies ist keine Drohung – es ist ein Versprechen! Es kann zwischen unseren Clans keinen Frieden geben. Die Blutfehde wird weiterbestehen ... bis der letzte MacIvors tot ist!«

Kilmouris, 1819

Ein Jahr lang schwelte und wuchs der Haß, der durch den Tod Lady Gwendolyns hervorgerufen worden war, zwischen den Clans der Drummonds und MacIvors. Es hatte ein paar kleinere Auseinandersetzungen gegeben, aber bisher war niemand umgebracht worden. Doch dann, plötzlich, flammte die Glut des Hasses auf und drohte, einen regelrechten Krieg zu entfachen.

Eines späten Abends erreichte Ironworth Castle die Nachricht, daß MacIvors-Clans-Männer unterwegs waren. Es hieß, sie wollten das Drummond-Land überqueren, um sich Kilmouris anzueignen, das Gavin MacIvors durch die Vermählung mit Gwendolyn erhalten hatte. Warricks Vater, den durch den Tod seiner Tochter furchtbare Schuldgefühle plagten, hatte beschlossen, daß die MacIvors kein Anrecht auf den Besitz oder die Mitgift hatten, und beides zurückverlangt. Die MacIvors jedoch dachten nicht daran, Geld oder Land wieder abzutreten.

Seit der Dämmerung hatte der Drummond-Clan sich in voller Stärke gesammelt und blockierte nun den einzigen Weg nach Kilmouris. Die Männer waren entschlossen, den MacIvors den Zutritt zu dem Land zu verweigern.

Warrick schob sich neben seinen Vater, und ihre Blicke begegneten sich wissend: Heute würde Gwendolyns Tod gerächt werden. Stolz schwoll in James Glencarins Brust, als er sah, wie furchtlos sein einziger Sohn der kommenden Schlacht entgegensah. Er hatte Warrick unermüdlich gedrillt, denn eines Tages mußte er seinen Platz an der Spitze des Clans einnehmen. Nun würde sich herausstellen, ob Glencarins Ausbildung einen wahren Anführer hervorgebracht hatte.

»Es ist ein guter Tag zum Sterben, Sohn.«

Warrick warf seinem Vater einen Blick zu. Er sah ganz und gar wie der Clansherr aus: Das von einem Gürtel gehaltene Drummond-Plaid war an der Schulter mit der Spange des Lairds befestigt, und auf seinem ergrauenden Haar saß die Mütze mit der feinen Feder leicht schräg.

»Ich will lieber sterben, als den MacIvors auch nur einen Grashalm vom Drummond-Land zu überlassen, Vater!«

»Gut gesagt, Sohn.«

Warrick musterte zuerst die herannahenden MacIvors in ihren schwarz-gold-roten Plaids, dann die Drummonds, deren Plaids schwarz, weiß und rot waren. Er lachte, als er sein Schwert aus der Scheide zog. »Es ist nicht schwer, unseren Feind an den Farben zu erkennen.«

Und dann hallte das Klirren von Stahl und das Krachen der Musketen im Tal wieder, und die Schlachtrufe vermischten sich, als die Drummonds auf die MacIvors zustürmten.

Der junge Warrick Glencarin schwang sein Schwert wie besessen und erwischte einen MacIvors mit einer solchen Wucht, daß der Mann aus dem Sattel fiel, um dann von Warricks Pferd niedergetrampelt zu werden.

Warrick nahm sich keine Zeit, darüber nachzudenken, daß er gerade zum ersten Mal getötet hatte. Seine Motive waren edel, und das machte ihn um so gefährlicher. Er kämpfte, um seine Familienehre wiederherzustellen und seine Schwester zu rächen.

So kämpfte er mutig an der Seite seines Vaters, schwang unermüdlich sein Schwert und metzelte den Feind gnadenlos nieder.

Doch rasch wurden Vater und Sohn getrennt, und Warrick stand plötzlich zwei MacIvors gegenüber. Er stieß mit dem Schwert zu, verwundete den einen an der Schulter, dann wandte er sich dem anderen zu. Ihre Schwerter krachten in einem Kampf auf Leben und Tod aufeinander.

Dann entdeckte Warrick Ian MacIvors, der sich dem Clansherrn der Drummonds näherte. Er brüllte eine Warnung, doch sie ging im Schlachtgetümmel unter.

Ian MacIvors Schwert drang mit einem heftigen Stoß in James Glencarins Herz. Der Clansherr der Drummonds war tot, bevor er auf dem Boden aufschlug.

Warrick kämpfte wie besessen, um zu seinem Vater zu kommen, doch zu viele MacIvors trennten sie. Dann spürte er einen grellen Schmerz in seinem Schädel und stürzte vom Pferd in eine tiefe Finsternis.

Erst als er vom Schlachtfeld getragen wurde, kam er wieder zu Bewußtsein und erfuhr, daß die Schlacht vorbei und sein Vater tot war.

Voller Gram erkannte Warrick, daß keiner heute als Sieger hervorgegangen war, obwohl beide Seiten letztendlich den Sieg für sich beanspruchen würden.

Tiefbekümmert holten die Drummonds und die MacIvors ihre Toten und Verwundeten zurück. So viele waren niedergemetzelt worden, daß es nur den Toten erspart blieb, einen Freund oder einen Verwandten zu beklagen. Warrick wußte, daß der Kampf weitergehen würde. Er hatte nicht nur seine Schwester durch die MacIvors verloren; nun hatte auch noch Ian MacIvors seinen Vater getötet. Als seine Männer ihn auf sein Pferd heben wollten, wehrte er ab.

Er war vom Blutverlust so schwach, daß Mactavish ihn stützen mußte. Schweigend beobachteten die Drummonds, wie ihr junger Clansherr sich mühsam auf die Füße kämpfte und schwankte, um aufrecht stehen zu bleiben. Er nahm das Schwert seines Vaters und streckte es zum Himmel. Dann schrie er gequält auf. »Ich will Gerechtigkeit. Und ich schwöre, daß ich von heute an gegen jeden MacIvors Krieg führe!«

Kapitel 1

Ironworth Castle, Schottland, 1833

Warrick Glencarin, Earl of Glencarin und Oberhaupt des Drummond-Clans, stand an einem der deckenhohen Fenster seines Familienbesitzes. Er beobachtete, wie die graue Oktobersee mit ungezügelter Kraft gegen die Felsen krachte und weiße Gischt aufwirbelte, sich dann wieder ein Stück zurückzog, um mit der nächsten Woge erneut gegen den Stein anzustürmen. Die Bewegung der Nordsee wiederholte sich endlos, während er mit einem Stirnrunzeln zusah.

Die unveränderliche See hatte im Laufe der Jahrhunderte den Kalkstein, auf dem das Schloß stand, weggefressen, so wie Bitterkeit und Zorn langsam, aber sicher ihn verzehrten. Lord Warrick lebte schon so lange mit Haß und Zorn, daß sie zu seinen ständigen Begleitern geworden waren.

Jahrelang hatte er über den tragischen Tod seiner Schwester gebrütet. Und wenn er die Augen schloß, sah er immer wieder den Triumph in den Augen Ian MacIvors, als dieser zum Stoß ausholte, der das Leben seines Vaters beendete.

Seine dunklen Augen zogen sich über seiner aristokratischen Nase zusammen, und seine Lippen preßten sich zu einer farblosen Linie aufeinander. Er konnte den Haß auf die MacIvors nicht unterdrücken, was auch immer geschehen mochte. Er hatte sie bisher daran hindern können, sich Kilmouris anzueignen, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis sie das Land besetzen würden, das ihnen laut Urkunde gehörte.

Heute war Warricks Stimmung noch düsterer als gewöhnlich. Er hatte erfahren, daß er einmal mehr seinem alten Feind gegenübertreten mußte. Vielleicht würde das die letzte Konfrontation sein. Er war so in Gedanken versunken, daß er Mactavish nicht eintreten hörte.

Mactavish musterte seinen Clansherrn. Warrick war vor fünfzehn Jahren im Alter von siebzehn Oberhaupt des Clans geworden. Er war zu einem fähigen Anführer herangewachsen, den seine Männer bewunderten. Sein Haar war schwarz wie die Nacht, und seine silbergrauen Augen besaßen eine stechende Tiefe. Er wußte, daß er attraktiv genug war, um die Blicke der Frauen auf sich zu ziehen, und er nahm es seit langer Zeit ohne Arroganz hin.

Warrick hatte eine gebeutelte Grafschaft geerbt. Er besaß nicht viel Geld, dafür aber um so mehr Schulden, die sich durch Jahre des Aufruhrs und der Unruhe angehäuft hatten. Warricks wagemutige Taten waren legendär. Viele Clans waren bereits auseinandergefallen, doch Warrick hielt den Drummond-Clan durch pure Willenskraft zusammen. Jeder einzelne seiner Männer würde seinem jungen, forschen Anführer bereitwillig in den Tod folgen, wenn es erforderlich sein würde.

Endlich sprach Mactavish Warrick an. »Haddy hat mir gesagt, daß ich dich hier finden würde. Ich dachte, du hättest vielleicht Lust, auf die Jagd zu gehen. Hab’ zwei mächtige Hirsche heute morgen im Tal gesehen. Einer davon ein Zwölfender.«

Warrick drehte sich nicht einmal um. »Ich will heute nicht jagen. Geh ruhig ohne mich.«

»Komm doch mit, Warrick. Du warst seit über einem Monat nicht auf der Jagd. Was ist denn mit dir los?«

Warrick berührte das beschlagene Fenster und zog mit dem Zeigefinger eine Linie auf die eiskalte Scheibe. »Ich habe gewisse Aufgaben, die meine volle Aufmerksamkeit erfordern. Das weißt du.«

Mactavish trat hinter ihn und betrachtete Lord Warricks Spiegelbild im Fenster. »Wenn du nicht mitkommst, dann bleibe ich auch hier. Morgen ist schließlich auch noch ein Tag.«

Warrick drehte sich um, setzte sich in einen Ledersessel und legte den Kopf an die hohe Lehne zurück. »Wie du magst.«

Mit Furcht im Herzen stand Mactavish vor ihm. »Ich habe gehört, daß heute morgen ein Bote des Königs hier war. Waren es schlechte Nachrichten, die er gebracht hat?«

Warrick sah den Mann an, der einst seines Vaters Vertrauter und nun Warricks Freund war. Obwohl es niemals direkt ausgesprochen wurde, ging das Gerücht, daß Mactavish der uneheliche Sohn von Warricks Großvater war. Wie auch immer – Warrick wußte Mactavishs Rat zu schätzen. Er hatte stets einen Ehrenplatz an Warricks Seite.

Nun zog er einen Brief aus seiner Brusttasche und warf ihn Mactavish zu. »Lies selbst!«

»Du weißt, daß ich nicht lesen kann.«

»Er ist von Lord Thorndike, ein vom König ernannter Bevollmächtigter. Ich werde aufgefordert, mich in zwei Wochen in Edinburgh Castle einzufinden. Gille MacIvors hat die gleiche Anweisung bekommen.«

»Man kann unmöglich von dir verlangen, daß du dich in demselben Saal mit einem MacIvors aufhältst«, sagte Mactavish, den allein der Gedanke empörte. »Du wirst doch nicht hingehen?«

»Welche Wahl habe ich denn? Ich kann mich wohl kaum dem Befehl des Königs widersetzen. Lord Thorndike hat in seinem Brief angedeutet, daß jede Partei, die nicht wenigstens einen Repräsentanten schickt, damit rechnen muß, daß die Krone das Land konfisziert.«

»Dann schick mich. Ich kann mich an deiner Stelle mit dem MacIvors treffen.«

»Nein, das kommt nicht in Frage. Aber du kannst mich begleiten, mein Freund. Ich fürchte, es wird nicht besonders gut für uns ausgehen. Lord Thorndikes Entscheidung wird ganz sicher nicht zu meinen Gunsten ausfallen – du kannst dir ja denken, wer dieses Treffen in die Wege geleitet hat.«

Mactavish nickte. »Wer anders als der alte Fuchs, Gille MacIvors.« Er setzte sich ebenfalls und musterte seinen abgenutzten Stiefel. »Wir wissen beide, daß er ein gerissener alter Bastard ist. Man darf ihm nicht trauen.«

»Wie wahr.«

»Und du willst trotzdem hingehen?«

Warrick nickte. »Ich werde mich mit Lord Thorndike treffen, auch wenn es nicht zu meinem Vorteil ist. Du bist in dieser Sache meine Stimme der Vernunft, Mactavish. Hilf mir zu entscheiden, was ich tun soll.«

Der alte Mann blickte in gequälte graue Augen, die seinen nicht unähnlich waren. »Der König wird von dir verlangen, die Fehde zu beenden. Es hat seit dem Tod deines Vaters kein Blutvergießen mehr zwischen den beiden Clans gegeben. Es gab nur ein paar kleinere Vorfälle, die den MacIvors zuzuschreiben sind.«

»Auch wenn es keine Schlachten gegeben hat, kann ich nicht vergessen, was sie meiner Familie angetan haben.«

»Laß den Haß ruhen, Warrick. Gavin MacIvors ist schon vor vielen Jahren getötet worden – mit dem Dolch deiner Schwester. Wenn das nicht ausgleichende Gerechtigkeit ist.«

Obwohl sie niemals darüber gesprochen hatten, vermutete Warrick, daß Mactavish Lord Gavin ermordet hatte. Die Tat war mit Gwendolyns Dolch geschehen – ein Dolch, den Mactavish bei ihrem Tod an sich genommen hatte, und nur er und Warrick hatten gewußt, wo die Waffe war.

»Der Tod meiner Schwester mag gerächt sein, aber es gibt andere Dinge, die nicht zu vergeben sind.«

»Aye, ich weiß, daß es die MacIvors waren, die die Frau entführten, die du heiraten solltest.«

Warrick stand auf, und seine Augen verengten sich voller Verachtung. »Keine Frau ist vor ihrer Geilheit sicher.«

»Dann ist es gut, daß du dich mit dem König triffst, Warrick. Unterbreite ihm deine Klagen und hoffe darauf, daß er dich anhört.«

»Du hast mir damals schon geraten, mich an König William zu wenden, als Lady Helena vor unserer Hochzeit entführt wurde. Der König unternahm nichts, und nun ist sie mit einem dieser Teufel verheiratet.«

»Glaubst du, Lady Helena ist zu der Ehe gezwungen worden? Wie ich gehört habe, ist sie recht freudig in Jamie MacIvors Bett gegangen.«

»Und das«, sagte Warrick wütend, »macht die Beleidigung noch unverzeihlicher.«

Mactavish wußte, wie groß für Warrick die Schande gewesen war, als seine Verlobte auf der Reise nach Glencarin entführt wurde. Es war nicht wichtig, daß Warrick Lady Helena gar nicht gekannt und sie nur bei einer einzigen Gelegenheit gesehen hatte. Auch der Verlust des Landes und der ansehnlichen Mitgift, die sie mitgebracht hätte, war nicht entscheidend. Der Angriff auf Warricks Stolz war das schlimmste gewesen.

»Der Streit der beiden Clans hat den Zorn des englischen Königs auf Drummond und MacIvors gleichermaßen geweckt, Warrick«, sagte Mactavish. »Ich bin sicher, daß der alte Clansherr die Engländer genauso verabscheut wie wir.«

»Dann ist dies der einzige Punkt, in dem wir uns einig sind. Der Haß aufeinander wird kein Ende haben. Nicht, bevor meine Ehre wiederhergestellt ist. Wir wissen beide, daß die MacIvors keine Ehre besitzen. Wie also sollen sie diese bei anderen zu schätzen wissen?«

»Nichts, was du tust, wird dir deine Schwester oder deinen Vater zurückbringen, Warrick. Und Lady Helena willst du auch nicht mehr haben – dessen bin ich mir sicher!«

»Nein, will ich nicht. Aber ich schulde es ihr, wenigstens herauszufinden, ob sie in ihrer jetzigen Ehe zufrieden ist.«

»Dann ist es entschieden? Du gehst?«

»Aye, und wenn ich nur zu diesem Treffen gehe, um eine Schwachstelle bei Lord Gille zu finden. Wenn es eine Möglichkeit gibt, diesen verfluchten Bastard ins Herz zu treffen, dann werde ich sie finden. Und dann werde ich meine Rache bekommen, Mactavish.«

Der alte Mann nickte. »Das bezweifle ich nicht.«

»Meine Schwester liegt noch immer in ungeweihter Erde. Ich werde nicht eher ruhen, bis sie in allen Ehren an der Seite unserer Vorfahren begraben ist!«

Calais, Frankreich

Lady Arrian DeWinter, Tochter des Duke of Ravenworth, stand an Deck der väterlichen Yacht, der Nachtigall, und starrte auf die Sturmwolken, die sich im Osten auftürmten. Das Schiff, bemannt mit Kapitän Norris und sieben Mann, sollte Arrian sechshundert Meilen über die Nordsee an die Küste Schottlands bringen, wo sie den Mann treffen würde, dem sie versprochen war. Der Kapitän hatte ihr versichert, daß sie Schottland in einer Woche erreichen würden, wenn der Wind günstig stand.

Eine kräftige Brise verwehte ihr langes, goldenes Haar, und sie genoß den Geschmack der salzigen Luft auf ihrer Zunge. Ihr Herz schien vor Glück platzen zu wollen, als sie daran dachte, was sie am Ende ihrer Reise erwartete ... . oder vielmehr, wer: Lord Ian MacIvors.

Liebte er sie so sehr, wie sie ihn liebte? Zählte er schon die Tage, bis sie endlich als Mann und Frau vereint sein würden?

Arrian dachte an die vielen Sommer, in denen sie und ihr Bruder Michael mit ihrer Tante Mary nach Schottland gereist waren, um ihren Urgroßvater zu besuchen. Damals hatte Ian kaum Notiz von ihr genommen.

Ihre Gedanken wanderten zurück zu jenem Tag, ihrem dreizehnten Geburtstag, an dem sie erkannt hatte, daß sie Ian liebte ... Er war an diesem Tag so aufmerksam und galant gewesen. Am Abend war sie im Garten spazierengegangen. Er war ihr gefolgt und hatte ihr einen gewaltigen Strauß wilder Blumen in die Arme gelegt.

»Ich habe mit meinem Geschenk gewartet, bis wir allein sind«, sagte Ian mit einem Lächeln.

Arrian berührte ein weiches blaues Blütenblatt. »Ein wunderschönes Geschenk«, sagte sie und schaute mit heimlicher Bewunderung zu ihm auf. Er war so groß, so gut aussehend!

»Manche würden sich nicht viel daraus machen, Arrian. Aber es kommt aus tiefstem Herzen und hat einen besonderen Grund.«

Ihr Herzschlag setzte aus, als er ihre Hand nahm und sie an seine Lippen hob. »Was meinst du damit?« fragte sie und bebte vor Freude, als seine warmen Lippen ihr Handgelenk berührten.

»Ich will, daß du immer an Schottland und mich denkst!« Ihre Augen leuchteten. »Ich werde weder dich noch Schottland jemals vergessen.«

»Du bist noch so jung. Wie soll ich dir verständlich machen, wie lange ich schon darauf warte, daß du zur Frau wirst? Selbst jetzt bist du noch ein Kind.«

Arrian traute ihren Ohren nicht. Gestand Ian ihr seine Liebe? »Ich bin heute dreizehn geworden«, sagte sie.

Er streichelte ihre Wange. »Das ist noch sehr jung, Arrian.«

Sie wußte nicht genau, was er ihr sagen wollte. »Ich werde aber älter werden.«

»Ja, meine Süße, aber wirst du dich an mich erinnern, wenn du im fernen London bist und die feinen Herren sich um ein Lächeln von dir bemühen?«

»Ja«, sagte sie mit schimmernden Augen. »Selbst dann werde ich an dich denken.«

Er zog sie sanft an sich, und sie dachte schon, er wollte sie küssen, doch er steckte ihr nur eine Blüte ins Haar. »Ich werde nicht zulassen, daß du mich vergißt, Arrian. Ich werde so oft wie möglich nach London kommen, damit es nicht geschieht.«

Ians Augen sprachen von Liebe. Und Arrian verlor ihr Herz an ihn ...

Der Wind blies nun stärker, und die beißende Kälte brachte sie in die Gegenwart zurück. Ian hatte sein Wort gehalten. Nach diesem Abend im Garten war er wirklich oft nach London gekommen. An ihrem siebzehnten Geburtstag hatte er ihr seine Liebe gestanden, und sie hatte glücklich eingewilligt, als er um ihre Hand anhielt.

Sie schaute zu den finsteren Wolken hinauf. Ob es heute noch einen Sturm geben würde? Sie zog ihren Mantel fest um sich und ging die Kajüttreppe hinunter. Unten klopfte sie leicht an eine Tür und betrat die verdunkelte Kabine.

Großtante Mary lag gegen einen Stapel seidener Kissen gelehnt auf dem Bett, und ihr Kopf rollte bei der Bewegung des Schiffes hin und her. Sie sah ganz und gar nicht gut aus, und die Reise hatte gerade erst begonnen!

Arrian setzte sich auf einen Hocker neben ihre Tante und nahm ihre Hand. »Kann ich etwas für dich tun?«

»Ich habe Schiffsreisen noch nie gemocht, und schon gar nicht, wenn die See rauh ist«, stöhnte Lady Mary Rindhold. »Herr im Himmel, es ist März! Ich dachte, daß die schlimmsten Stürme schon hinter uns lägen, sonst hätte ich mich niemals auf diese Reise eingelassen.«

Es war Lady Mary gewesen, die darauf bestanden hatte, mit Arrian nach Schottland vorauszureisen, bevor Arrians Eltern und ihr Bruder sich ebenfalls auf den Weg machten. Aber Arrian sah keinen Sinn darin, ihre Tante daran zu erinnern.

»Soll ich lieber gehen, damit du dich ausruhen kannst?«

»Nein. Erzähl mir etwas. Tu irgend etwas, damit ich von dem schwankenden Schiff abgelenkt werde.«

Arrian bekam augenblicklich einen verträumten Blick. »Ich habe eben an Ian gedacht. Tante Mary, glaubst du, daß Männer eine genauso tiefe Liebe empfinden können wie Frauen? Ich hoffe sehr, daß es so ist.«

Lady Mary murmelte etwas, dann sprach sie deutlicher. »Ich habe die Erfahrung gemacht, daß Männer zwar eine genauso tiefe Liebe wie Frauen empfinden, dies jedoch öfter.«

»Nicht alle Männer, Tante. Nicht Onkel George und Vater. Ich wünsche mir, daß Ian mich eines Tages auf so besondere Art ansieht, wie Vater es bei Mutter tut.«

»Nun ja, was zwischen deinen Eltern ist, kommt sehr selten vor. Du weißt, daß es bei deinem Onkel George und mir auch so war.« Ihr Blick wurde zärtlich. »Aber Männer wie dein Vater und mein George sind Ausnahmen.« Und mit ihrer üblichen Direktheit setzte Lady Mary hinzu: »Ich bin mir nicht sicher, ob dein Ian aus demselben Holz geschnitzt ist.«

»Oh, doch bestimmt, Tante Mary. Ian ist wundervoll.«

»Ja, ich weiß, daß du das glaubst.«

»Wußtest du, daß ich erst dreizehn war, als ich beschloß, ihn eines Tages zu heiraten? Aber es war nicht mehr als ein hübscher Traum, bis er letzten Sommer nach Ravenworth kam. Ich kann immer noch nicht fassen, daß er mich liebt.«

»Arrian, der Mann ist nicht blind. Wie kann man eine Schönheit wie dich nicht lieben?«

Arrian sah sie zweifelnd an. »Bin ich wirklich schön?«

»Du mußt dir das kaum von mir bestätigen lassen. Ian war im letzten Sommer schließlich nicht dein einziger Verehrer. Man konnte sie ja kaum noch zählen.«

Lady Mary blickte ihre Großnichte an und versuchte sie zu sehen, wie Ian MacIvors sie gesehen haben mußte. Arrian war von berauschender Schönheit, vom Scheitel ihrer goldenen Haare an bis zu den zierlichen Füßen. Sobald sie einen Raum betrat, wandten sich alle Köpfe in ihre Richtung. Ihre Augen waren von hellem Blau und funkelten meistens vergnügt. Viele Mädchen mit ihren Vorzügen und ihrem gesellschaftlichen Hintergrund wuchsen zu eitlen und verwöhnten jungen Frauen heran, Arrian jedoch nicht. Sie spiegelte die Bescheidenheit und die freundliche Natur ihrer Adoptivmutter Kassidy wider.

»Ich kann nur hoffen, daß Ian deiner wert ist, Arrian. Deswegen habe ich beschlossen, diese Reise mit dir zu unternehmen. Obwohl er mein Neffe ist, will ich seinen Charakter erst einmal selbst überprüfen. Die Hochzeit findet erst in zwei Monaten statt, und bis dahin werde ich ihn ganz genau beobachten.«

»Er weiß, daß du das tust«, sagte Arrian. »Er ist immer ganz nervös, wenn du in seiner Nähe bist.«

»Warum sollte er nervös sein, wenn er nichts zu verbergen hat?«

Arrians melodisches Lachen erklang. »Ich bin sicher, daß Leute, die dich nicht so gut kennen, wie ich es tue, durch dein hochmütiges Benehmen eingeschüchtert werden.«

»Unsinn. Ich, hochmütig?«

»Vielleicht liegt es an deinem schottischen Blut!«

»Deine Mutter ist auch zur Hälfte Schottin, Arrian, das heißt, daß du auch einen Anteil davon hast.«

»Ja, und ich bin stolz auf mein MacIvors-Blut.«

»Aye, aber du bist mit der englischen Tradition aufgewachsen. Das Leben in Schottland könnte dir schwerfallen.«

Arrian lächelte. »Ich werde Ian eine gute Frau sein – das weiß ich! Glaubst du, er wird im Hafen warten, wenn wir anlegen?«

»Natürlich. Da kannst du sicher sein.«

Lady Mary wurde plötzlich leichenblaß, und Arrian hielt ihr rasch eine Schüssel hin. Ihre Tante erbrach, bis sie geschwächt in die Kissen zurücksank, und Arrian wusch ihr das Gesicht mit kaltem Wasser ab.

»Wenn das Meer sich nicht beruhigt, schaffe ich es nie. Um mich besser zu fühlen, müßte ich tot sein«, murmelte Lady Mary.

Arrian empfand schreckliches Mitleid mit ihrer Tante, und sie hatte auch ein klein wenig ein schlechtes Gewissen, weil sie selbst niemals seekrank wurde. Allerdings waren sie und Michael auch buchstäblich auf den Planken der Nachtigall aufgewachsen.

»Du bist nicht die einzige, die krank ist. Tuttle liegt in ihrer Kabine und fühlt sich genauso miserabel wie du.«

»Das hilf mir leider kein bißchen. Komm, träum du weiter von deiner Hochzeit. Es gibt nichts, was du für mich tun kannst.«

»Bist du sicher?«

Lady Mary schloß die Augen. »Ich glaube, ich werde versuchen, ein bißchen zu schlafen.«

Arrian zog ihrer Tante die Decke bis zum Kinn hinauf, dann blickte sie auf das Bullauge, gegen das die Wellen klatschten. So saß sie eine Weile da, betrachtete die See und dachte daran, wie schwer es ihr am Morgen gefallen war, sich von ihrer Familie zu verabschieden.

Sie hatte eine so schöne Zeit in Frankreich verbracht. Sie waren in Museen gewesen, in Parks spazierengegangen und hatten Picknicks veranstaltet und die Abende beim Ballett, bei Musikspielen und in Konzerten verbracht.

Diese Reise war Mutters Idee gewesen, die darauf bestanden hatte, daß Arrians Aussteuer in Paris entworfen werden sollte. Unter Deck lagerten Dutzende von Truhen und Gepäckstücken, die mit wunderschönen Kleidern und modischem Zubehör vollgepackt waren.

Arrian würde die Erinnerung an diese Zeit mit ihrer Familie immer im Herzen bei sich tragen. Sie würde sie schrecklich vermissen, wenn sie nach der Hochzeit nach England zurückkehrten. Und wie sehr ihr die liebe Tante Mary fehlen würde!

Sie dachte wieder an Ian, den attraktiven, großen Schotten, der genauso aussah, wie ein Clansherr es sollte. Eines Tages würde er den MacIvors-Clan übernehmen, und sie war entschlossen, ihm die Frau zu sein, die dieser Stellung würdig war.

Kapitel 2

Edinburgh, zwei Wochen später

Der Himmel an diesem Morgen war bedeckt, und nur fahles Licht drang durch das hohe Fenster in Edinburgh Castle, wodurch im großen Saal eine düstere Atmosphäre herrschte.

Ian MacIvors, der zukünftige Clansherr, stand mit auf dem Rücken verschränkten Händen am Fenster und sah auf die schroffen Felsen hinaus, auf denen Edinburgh Castle errichtet worden war. Sein sandfarbenes Haar war aus der breiten Stirn gestrichen, um sein interessantes Gesicht und seine tiefbraunen Augen noch zu betonen. Sein Blick wanderte zu den drei Männern, die ihn begleitet hatten, und zu seinem jüngeren Bruder, Jamie. Ian nickte beifällig, als Jamie seinen Mantel öffnete, um ihm die darunter verborgene Pistole zu zeigen.

»Halt sie versteckt«, sagte Ian. »Der Vertreter des Königs hat in seinem Brief geschrieben, wir sollten unbewaffnet kommen.«

Rasch zog Jamie den Mantel wieder gerade. »Ich traue Warrick Glencarin nicht. Er ist wild und unberechenbar. Und ich denke nicht daran, ihm hilflos gegenüberzutreten. Auf mich hat er es schließlich besonders abgesehen.«

Ian warf einen Blick auf Jamies Frau, die im Halbschatten im hinteren Teil des Saales saß. Lady Helena war einmal als Schönheit bezeichnet worden, doch nun war sie nicht einmal mehr hübsch. Ihr einst makelloser Teint war fleckig, und die Schwangerschaft hatte ihren Bauch anschwellen lassen. Sie wirkte alles andere als anmutig und reizend.

»Ich freue mich schon darauf, Lord Warrick deine Frau zu präsentieren und ihm zu eröffnen, daß sie ein MacIvors-Kind unter dem Herzen trägt. Sie soll ihm mit eigenen Worten sagen, daß sie dich ihm vorgezogen hat.«

Lady Helena war nur widerstrebend mitgekommen, denn sie hatte gewußt, daß sie als Trumpfkarte in irgendeinem Spiel zwischen Warrick Glencarin und der Familie ihres Mannes benutzt werden sollte. Sie blickte sich nervös in dem Saal um und verschränkte die Hände ängstlich in ihrem Schoß. Lord Warrick hatte ein aufbrausendes Temperament – würde er heute seinen Zorn gegen sie richten?

»Großvater hätte es gar nicht gebilligt, daß wir Helena heute hierhergebracht haben. Er wäre mehr als bereit, die Fehde mit dem Drummond-Clan endlich beizulegen. Im Gegensatz zu mir.« Ians Augen verengten sich zu Schlitzen, und er lächelte zufrieden. »Wenn Warrick sie sieht, wird er toben. Und damit beweisen, was er für ein Teufel ist.«

Eine Bewegung in der offenen Tür zog ihre Aufmerksamkeit auf sich. Zwei Männer betraten den Saal, einer war der Legat des Königs, der andere der Lord Mayor von Edinburgh.

Ian beugte sich zu seinem Bruder. »Ich will den englischen Vermittler auf unsere Seite ziehen, damit sein endgültiges Urteil gegen die Drummonds ausfällt. Wenn wir Lord Warrick nicht in der Schlacht besiegen können, dann soll es uns per Gesetz gelingen.«

In Jamies Augen glomm Bewunderung für seinen älteren Bruder. »Wenn das irgend jemand schafft, Ian, dann du.«

Ian sah Lord Thorndike und Sir Brodrick entgegen und flüsterte seinem Bruder zu: »Alle Engländer sind Narren. Sieh genau zu und lerne, wie leicht sie von einem Schotten überlistet werden können.«

»Meine Herren«, begann Sir Brodrick nun. Er war sichtlich zufrieden mit der Rolle, die er an diesem Tag spielen sollte. »Ich freue mich, Ihnen Lord Thorndike vorstellen zu können, den Vertreter des Königs und Vermittler zwischen den Häusern MacIvors und Drummond. Euer Lordschaft, dies sind Lord Ian und Jamie MacIvors, Enkel von Lord Gille MacIvors.«

Lord Thorndike nickte den beiden Männern zu. »Ich bin darüber informiert worden, daß Sie Ihren Großvater vertreten werden.«

»So ist es«, erwiderte Ian.

Lord Thorndike bemerkte die Männer, die Ian mitgebracht hatte. »Und wer sind sie?«

»Das sind meine Männer, die nur sicherstellen sollen, daß es keinen Ärger gibt«, antwortete Ian.

»Sie werden an den Gesprächen nicht teilnehmen. Ich erlaube ihre Anwesenheit nur, wenn sie sich von uns fernhalten.«

Ian nickte seinen Clansmännern zu, die sich daraufhin in den hinteren Teil des Saales zurückzogen.

Nun fiel Lord Thorndikes Blick auf Lady Helena. »Wer ist diese Frau?« Es war nicht zu übersehen, daß die vielen ungebetenen Gäste ihn verärgerten. »Man hat Ihnen doch mitgeteilt, daß es sich hier um vertrauliche Gespräche handelt, oder nicht?«

»Das ist nur meine Frau«, antwortete Jamie. »Da sie in anderen Umständen ist, wollte ich sie nicht alleinlassen. Sie hat versprochen, uns nicht zu stören.«

Lord Thorndike warf dem jungen Mann einen mißbilligenden Blick zu. »Sorgen Sie dafür«, sagte er. »Sehe ich es richtig, daß Lord Warrick noch nicht eingetroffen ist?«

»Genau das, was man von einem Highlander erwartet«, warf Ian ein. »Sie verschwenden keinen Gedanken an andere. Sie haben weder Benehmen, noch einen Sinn für Recht und Gesetz.«

Lord Thorndike war ein erfahrener Vermittler mit großer Menschenkenntnis, weswegen der König ihn auch ausgewählt hatte, die Fehde der beiden Clans zu beenden. Im übrigen hatte der König ihn gewarnt, sich nicht in den Streit zwischen Lowlander und Highlander verwickeln zu lassen.

»Die Zeit, die wir für dieses Treffen angesetzt haben, ist noch nicht gekommen«, stellte Thorndike also nun einfach nur fest, trat zu einem Tisch und stellte seine Tasche darauf ab. »Ich habe Papiere bei mir, die wir durchgehen müssen. Sie könnten es sich bequem machen, meine Herren. Es wird ein langer Tag werden.« Er wandte sich an Sir Brodrick. »Wir brauchen Sie nicht länger. Wenn Lord Warrick ankommt, dann schicken Sie ihn doch bitte sofort hierher.«

Ian sah zu, wie der Lord Mayor sich rasch zurückzog. »Siehst du, wie der Mann auf ein Wort des Engländers hin kuscht? Es bereitet mir Übelkeit, wenn ich sehe, wie ein Schotte Befehle von einem englischen Bastard entgegennimmt.«

»Niemand kann dich zu etwas zwingen, das du nicht willst, Ian«, sagte Jamie. »Du wirst deine Sache schon durchsetzen.«

Ian hatte keine Zeit mehr, zu antworten, denn in diesem Moment wurde die Tür aufgestoßen, und zwei Männer traten ein.

Der ältere der beiden interessierte Ian nicht – er war unwichtig. Der zweite jedoch ließ sich nicht so leicht ignorieren. Er war ganz in Schwarz gekleidet, und nur das Drummond-Plaid über seiner Schulter verriet, daß er das Clansoberhaupt war. Der Mann hielt den Kopf stolz erhoben, und sein Blick wanderte gleichgültig durch den Raum. Ian hatte Lord Warrick zum letzten Mal in der Schlacht um Kilmouris gesehen, und dies war viele Jahre her. Inzwischen war Warrick zu einem Mann herangewachsen, der Macht und Selbstbewußtsein ausstrahlte. Ian war kein Feigling, aber da war etwas in Warricks Augen, das ihm einen Schauder über den Rücken laufen ließ.

»Ist er das?« fragte Jamie. Er hatte schon viel vom Clansherrn der Drummonds gehört, ihn aber bisher niemals gesehen.

Warrick Glencarins Miene war düster. Aus der Entfernung konnte man unmöglich die Farbe seiner Augen erkennen, aber die Augen selbst waren faszinierend, und es lag ein Anflug der Verachtung darin. Es war offensichtlich, daß ihm das heutige Treffen nicht gefiel.

»Ich habe ihn einmal mit dem Griff meines Schwerts niedergeschlagen«, sagte Ian. »Damals, als unser Vater seine Schwester heiratete. Ich hätte ihn umbringen sollen, als ich die Möglichkeit dazu gehabt hatte. Nun ist er zu mächtig, um ihn einfach zu töten. Vielleicht kann ich ihn eines Tages dazu bringen, daß er sich zwischen Tod und Schande entscheiden muß – er wird nämlich den Tod wählen.«

»Er hat das barbarische, ungepflegte Aussehen eines typischen Highlanders«, stellte Jamie fest.

Lord Thorndike bewegte sich auf die Neuankömmlinge zu, um sie zu begrüßen, und im gleichen Moment schlug die Kaminuhr die festgesetzte Stunde. »Lord Warrick, ich bin Lord Thorndike, der Vertreter des Königs«, sagte er. »Sie kommen sehr pünktlich.«

Warrick warf Ian einen scharfen Blick zu, sprach dann aber zu dem Mann des Königs. »Ich verspäte mich so gut wie nie. Mir ist meine Zeit genauso wertvoll, wie Ihnen vermutlich die Ihre auch.« Er wandte sich zu seinem Gefährten um. »Dies ist Mactavish.« Dann warf er einen Blick auf die Gruppe der Männer, die Ian begleitet hatten. »Es sieht so aus, als wären wir zahlenmäßig unterlegen.«

»Scheint mir auch so«, sagte Lord Thorndike. »Können wir mit den Verhandlungen beginnen? Sind Sie bekannt mit Ian MacIvors?«

Warrick sah Ian an, und seine Lippen verzogen sich. »Ich kenne diesen Mann nur von seinem Ruf und einem flüchtigen Zusammentreffen auf einem Bankett.« Warricks Augen verengten sich. »Und, ja, er war an dem Tag anwesend, als mein Vater starb.«

Die feindselige Atmosphäre schuf eine fast greifbare Spannung in dem Saal, während die Männer einander anstarrten wie zwei lauernde Raubtiere.

Endlich sprach Ian und schob seinen Bruder nach vorn. »Sie haben doch sicher von meinem Bruder Jamie gehört, nicht wahr? Er ist mit Lady Helena verheiratet.«

Jamie zuckte zusammen und wich einen Schritt zurück, als Warricks eiskalter, stechender Blick auf ihn fiel. Aber so sehr er es sich wünschte, er konnte seine Augen nicht abwenden.

»Ah ja, der Bräutigam«, sagte Warrick nun. »Bleibt zu hoffen, daß Sie Glück in Ihrer Ehe finden, Jamie MacIvors. Wenn man sich eine Braut mit Gewalt nimmt, kann man nie sicher sein, wie echt ihre Zuneigung ist.«

»Ich ...« Jamies Stimme verklang, als die Furcht ihm die Lippen versiegelte.

Ian trat vor und antwortete anstelle seines Bruders. »Lady Helena trägt das Kind meines Bruders unter dem Herzen. Ihre Verbindung gründet auf Liebe.«

»Ach so«, erwiderte Warrick mit einem Lächeln, das seine schiefergrauen Augen nicht erreichte. »Ohne Zweifel werden Sie viele kleine ... MacIvors hervorbringen, die die Lowlands bevölkern können.«

Lord Thorndike, der erkannte, daß die Feinseligkeit zwischen den beiden Parteien rasch in einen offenen Streit umschlagen konnte, griff ein. »Setzen Sie sich, meine Herren. Wir haben heute sehr vieles zu besprechen und zu regeln. Der König hat befohlen, daß wir hier in diesem Raum bleiben, bis alle Beteiligten sich auf eine für jeden befriedigende Abmachung geeinigt haben.«

Warrick starrte den Engländer an. »Warum ist Lord Gille nicht anwesend? Ich kann mir nicht vorstellen, daß er zu dieser Verabredung zu spät kommt.«

Lord Thorndikes Unbehagen war spürbar. »Der Lord Mayor teilte mir mit, daß Seine Lordschaft durch seinen Enkel und Erben, Ian MacIvors, vertreten wird. Ist das für Sie annehmbar?«

Warricks Lippen verzogen sich in Abscheu. »Ich bin heute hierhergekommen, weil ich dachte, mit Gille MacIvors verhandeln zu können. Sie erwarten doch sicher nicht, daß ich mich mit einem Untergebenen, der keine Macht besitzt, zufriedengebe?«

Ians Zorn brauste augenblicklich auf. Er griff an seine Seite, wo sein Schwert hätte sein sollen, nur um eine leere Scheide zu finden. »Für diese Beleidigung werden Sie bezahlen. Und außerdem weigere ich mich, mich mit einem elenden Highlander in einem Raum aufzuhalten.«

Bevor Ian wußte, wie ihm geschah, hatte Warrick ihn schon an seinem Mantel gepackt und zu sich herangezogen.

Jamie hastete vor, um seinem Bruder zu helfen, doch auf den drohenden Blick Warricks hin überlegte er es sich anders. Er spürte das kalte Metall der Pistole in seinem Mantel, doch seine Hände zitterten derart, daß er nicht wagte, die Waffe zu ziehen.

»Ian MacIvors, kehren Sie zu Ihrem Großvater zurück und sagen Sie ihm, daß er keinen Stellvertreter schicken soll, der unser beider nicht würdig ist. Ich kam auf Befehl des Königs, und ich nahm an, daß Ihr Großvater dieselbe Anweisung bekommen hat. Ich hatte keine Ahnung, daß ein Untergebener die MacIvors repräsentieren würde.«

Lord Thorndike war klug genug, um gar nicht erst zu versuchen, den zornigen Lord Warrick mit eigenem Körpereinsatz zurückzuhalten. Statt dessen sagte er rasch: »Ich wollte Sie gerade über Lord Gilles Gründe aufklären. Würden Sie sich bitte anhören, was ich zu sagen habe?«

Warrick stieß Ian so heftig von sich, daß dieser zurücktaumelte und an einen Tisch stieß. »Gut, ich werde zuhören. Aber ich warne Sie. Wenn mir nicht gefällt, was Sie zu sagen haben, fühle ich mich nicht verpflichtet, hierzubleiben.«

»Mir wurde mitgeteilt, daß es mit Gille MacIvors Gesundheit nicht gut steht.« Lord Thorndike blickte zu Warrick auf. »Immerhin ist er ein Mann von dreiundachtzig Jahren.«

»Er ist ein alter Mann«, stimmte Warrick zu. »Aber ich weiß, daß er dennoch die Fähigkeiten und die Kraft eines weit jüngeren Mannes besitzt.« Dann blickte er zornig zu Jamie und Ian hinüber. »Ich kann kaum glauben, daß Ihr Großvater sich die Gelegenheit entgehen lassen würde, mit mir zusammenzutreffen. Es muß noch einen anderen Grund dafür geben.«

Ian setzte zum Sprechen an, doch Lord Thorndike kam ihm zuvor. »Es gibt tatsächlich einen anderen Grund für sein Fehlen hier. Lord Gille bereitet sich darauf vor, seine Urenkelin willkommen zu heißen, die Ian MacIvors Verlobte ist«, erklärte Lord Thorndike.

Warrick war noch nicht besänftigt. »Ich verstehe nicht, warum ihn das davon abgehalten hat, herzukommen.«

»Lord Ians Verlobte ist die Tochter des Duke of Ravenworth, und der König erwartet, daß sie mit dem größtmöglichen Respekt behandelt wird. Der König hat sogar einen Gesandten geschickt, der die Tochter des Dukes bei ihrer Ankunft begrüßen soll. Ich hoffe, Sie können mir zustimmen, daß diese Gründe Lord Gilles Fehlen absolut rechtfertigen.«

Warrick warf Ian einen raschen Blick zu und erkannte aus dessen selbstzufriedenem Grinsen, daß Lord Thorndike die Wahrheit gesprochen hatte.

»Meinen Glückwunsch«, sagte Warrick. »Ich bin sicher, Sie und Ihre englische Braut haben einander verdient.«

Lord Thorndike trat vor. »Das reicht jetzt. Schluß mit den Beleidigungen und Raufereien. Dieses Zusammentreffen wird so gesittet und manierlich ablaufen, wie man es von Männern Ihres Ranges erwarten darf. Zwingen Sie mich nicht, nach England zurückzukehren und dem König zu raten, er solle lieber seine Soldaten schicken, um den Streit zwischen Ihnen zu schlichten.«

Die Männer verstummten und wandten Lord Thorndike ihre Aufmerksamkeit zu. Keiner von beiden wollte, daß der König sich in ihre Fehde einmischte.

»Also gut, dann sagen Sie, was Sie zu sagen haben«, willigte Warrick ein. »Ich habe noch andere wichtige Dinge zu erledigen.«

Lord Thorndike räusperte sich. »Ich schlage vor, wir vergessen die Formalitäten und kommen direkt zum Kern der Sache – sind Sie damit einverstanden?«

Warrick überlegte einen Moment, während er zusah, wie Ian seine Kleidung richtete. Dann antwortete er: »Lord Thorndike, ich werde nur bleiben, wenn ich mir sicher bin, daß Sie kein Mann der MacIvors sind.«

»Ich bin nur ein Mann des Königs«, erklärte Lord Thorndike indigniert. »Wenn jemand etwas anderes glaubt, steht es ihm frei zu gehen. Andernfalls könnten Sie sich jetzt bitte setzen, damit ich anfangen kann?«

Die angespannte Atmosphäre eines erzwungenen Waffenstillstands legte sich über den Raum, als Lord Warrick und Lord Ian sich niederließen. Beide beobachteten, wie Lord Thorndike durch die Papiere blätterte, bis er das Dokument gefunden hatte, das er benötigte.

»Wir beginnen mit der Klage der MacIvors«, verkündete der Vertreter des Königs. »Sie, Lord Warrick, werden beschuldigt, den MacIvors den Zutritt zu ihrem Land, Kilmouris, zu verwehren. Weiterhin wird hier erklärt, daß die MacIvors oft von Ihren Männern angegriffen und belästigt werden.«

Warrick starrte Ian an. »Ich werde ihnen niemals den Zugang zu Kilmouris gewähren, denn sie haben kein Recht darauf. Das Land gehört mir.«

»Können Sie das näher erklären?«

Warrick holte tief Atem. Was für eine Zeitverschwendung, mit diesem Engländer zu reden, der wohl kaum unparteiisch urteilen würde. »Im Jahr achtzehnhundertachtzehn wurde das Land Kilmouris meiner Schwester als Teil ihrer Mitgift übertragen. Selbst damals traute mein Vater keinem MacIvors genug, um ihm das Land direkt zu überschreiben.« Warricks Augen verhärteten sich. »Zu dieser Zeit war meine Schwester bei bester Gesundheit. Dennoch starb sie unter mysteriösen Umständen in ihrer Hochzeitsnacht.«

»Ich habe davon gehört. Aber fahren Sie fort.«

»Man teilte mir mit, daß meine Schwester sich selbst die Treppe hinunter in den Tod gestürzt hat. Da ich aber wußte, wie sehr meine Schwester an die Kirche glaubte, war mir sofort klar, daß sie sich niemals selbst das Leben genommen hätte. Sie fürchtete sich schrecklich davor, in ungeweihter Erde begraben zu werden.«

»Nun, ich fürchte, es wird immer ein Geheimnis bleiben, was damals wirklich geschah, da sowohl Ihre Schwester als auch ihr Mann inzwischen verschieden sind«, bemerkte Lord Thorndike.

»Dann gebe ich Ihnen dies zu bedenken, Mylord«, fuhr Warrick fort. »Das Land wurde uns niemals zurückgegeben, genausowenig wie der Leichnam meiner Schwester. In den vergangenen Jahren haben wir zahllose Ersuchen an Ihren König – an drei Könige, um es genau zu sagen – geschickt, aber unsere Bitten wurden nicht einmal erhört, unser Anliegen ignoriert.«

»Deswegen bin ich ja heute hier. Ich werde allen Klagen und Ersuchen zuhören, die Beweise gegeneinander abwägen und meine eigenen Schlüsse ziehen, die ich dann Ihrer Majestät vorlege.«

»Bleibt die Frage, ob Sie gerecht sein werden.«

»Wenn wir hiermit fertig sind, dürfen Sie selbst darüber urteilen«, erwiderte Lord Thorndike.

Warrick beugte sich mit mißtrauisch funkelnden Augen vor. »Wie würden Sie denn mit einem Mann umgehen, der ein unschuldiges Mädchen kurz vor seiner Hochzeit mit Gewalt entführt, es verschwinden läßt und dann dazu zwingt, seinen Entführer zu heiraten? Wie würden Sie urteilen?«

Lord Thorndike war sich darüber im klaren gewesen, daß er bei diesem Zusammentreffen zweier feindlicher Clans mit nahezu unüberwindlichen Problemen konfrontiert werden würde, aber er war nicht darauf vorbereitet gewesen, über einen solch häßlichen Verstoß urteilen zu müssen. »Wenn Ihre Anschuldigung wahr ist, Lord Warrick, dann werde ich mich um die Sache kümmern, wie ich es für richtig halte.«

Warrick wies auf Jamie. »Dann kümmern Sie sich um ihn, denn meine Anschuldigung ist in der Tat wahr. Jamie MacIvors ist der Entführer, und die Frau, die er entführte, sollte meine Braut werden. Urteilen Sie über ihn, wenn Sie wollen, daß ich an Ihre Gerechtigkeit glaube.«

Lord Thorndike wandte sich an Jamie. »Ist das wahr, was er behauptet?«

Jamie stand rasch auf und hastete zu Helena. Er nahm seine widerstrebende Frau bei der Hand und zog sie mit sich. »Darf ich Ihnen meine Frau vorstellen, Lord Thorndike? Sie können Sie ja selbst fragen, ob ich sie gewaltsam entführt habe, oder ob sie freiwillig meine Frau geworden ist.«

Jamie stieß Lady Helena vor. Sie senkte den Kopf, um dem Blick des Engländers nicht begegnen zu müssen.

»Sprechen Sie, Mylady. Sie brauchen keine Angst vor Strafe zu haben. Ich will nur die Wahrheit wissen«, sagte Lord Thorndike freundlich.