Die Geschichte der Spekulationsblasen - John Kenneth Galbraith - E-Book

Die Geschichte der Spekulationsblasen E-Book

John Kenneth Galbraith

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Beschreibung

Eigentlich sind wir alle ziemlich schlau. Nur das mit dem Geld klappt nicht so recht … und manchmal geht es sogar richtig schief. Doch warum nur? Mit "Die Geschichte der Spekulationsblasen" macht sich John Kenneth Galbraith, einer der ganz großen Ökonomen des 20. Jahrhunderts, auf die Suche nach der Antwort. Und er sucht an den richtigen Stellen – den Finanz­katas­trophen der letzten vier Jahrhunderte: der Tulpenmanie des 17. Jahrhunderts, der Südseeblase im 18. Jahrhundert, den Hochrisiko-Anleihen im 20. Jahrhundert. Mit Geist und Witz erklärt Gal­braith die psychologischen Mechanismen hinter diesen Blasen … damit der Leser sie durchschaut und sich dagegen wappnen kann. Dieses Meisterwerk zum Thema Finanzpsychologie war vergriffen und wird nun im Börsenbuchverlag wieder aufgelegt.

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Seitenzahl: 104

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John Kenneth Galbraith

Die Geschichte derSpekulationsblasen

Die Psychologiehinter vier JahrhundertenGier und Panik an der Börse

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel

A short history of financial euphoria

ISBN: 978-1-101-65080-6

Copyright der Originalausgabe:

Copyright © John Kenneth Galbraith, 1990. All rights reserved.

All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form.

This edition published by arrangement with Viking, an imprint of Penguin Publishing Group, a division of Penguin Random House LLC.

Copyright der deutschen Ausgabe 2020:

© Börsenmedien AG, Kulmbach

Übersetzung: Wolfgang Rhiel

Layout und Satz: Sabrina Slopek

Covergestaltung und Herstellung: Daniela Freitag

Lektorat: Elke Sabat

Korrektorat: Claus Rosenkranz

Druck: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-86470-677-6

eISBN 978-3-86470-678-3

Alle Rechte der Verbreitung, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Verwertung durch Datenbanken oder ähnliche Einrichtungen vorbehalten.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Postfach 1449 • 95305 Kulmbach

Tel: +49 9221 9051-0 • Fax: +49 9221 9051-4444

E-Mail: [email protected]

www.boersenbuchverlag.de

www.facebook.com/boersenbuchverlag

Inhalt

Vorwort zur Auflage von 1993

1Die spekulative Episode

2Die gemeinsamen Nenner

3Die klassischen Fälle I: Der Tulpenschwindel, John Law und die Banque Royale

4Die klassischen Fälle II: Der Südseeschwindel

5Die amerikanische Tradition

61929

7Neuauflage: Der Oktobercrash

8Reprise

Anmerkungen zu den Quellen

Vorwort zur Auflage von 1993

Es ist jetzt drei Jahre her, dass ich die Hauptarbeit an diesem Büchlein geleistet habe. Wie schon im Vorwort zur früheren Auflage gesagt, geht es darin um Angelegenheiten, für die ich mich schon seit mehr als einem Dritteljahrhundert interessiere. Erstmals behandelt habe ich sie in „The Great Crash, 1929“, das kurz nach dem 25-jährigen Jubiläum des Debakels von 1929 erschien. Seither war das Buch durchgehend erhältlich. Immer wenn es kurz davorstand, nicht mehr nachgedruckt zu werden, rückte eine neue spekulative Episode oder eine neue Katastrophe es wieder in die öffentliche Aufmerksamkeit. Ein Leben lang profitierte ich in bescheidener Weise stetig von der spekulativen Verirrung, die öfter als nur gelegentlich mit Wahnsinn einherging. Nur mein unerschütterlicher Charakter hält mich davon ab, solche Ereignisse als Beweis für persönliche Voraussicht und Quelle einer kleinen finanziellen Entlohnung zu begrüßen.

Im ersten Vorwort zu diesem Buch sprach ich von meiner Hoffnung, dass die Manager der Unternehmen, die Bewohner der Finanzwelt und die Bürger der spekulativen Stimmung, Neigung oder Versuchung daran erinnert werden mögen, dass nicht nur Dummköpfe, sondern auch sehr viele andere Menschen zu Zeiten spekulativer Euphorie immer wieder um ihr Geld erleichtert werden. Von dem gesellschaftlichen und persönlichen Wert einer solchen Warnung, von dem ich schrieb, bin ich heute weniger überzeugt als damals. Hingegen bin ich überzeugt, dass der wiederkehrende Spekulationswahnsinn sowie die finanzielle Beraubung und die größeren Verheerungen, die damit einhergehen, dem System innewohnen. Vielleicht wäre es besser, dies anzuerkennen und zu akzeptieren.

In den Jahren, seit ich diese kleine Abhandlung schrieb, begegneten die Hauptakteure der jüngsten spekulativen Episode – in den extravaganten 1980er-Jahren – alle ihrem so gut wie unvermeidlichen Schicksal und die weitreichenderen wirtschaftlichen Folgen wurden in ebenso deutlicher wie trauriger Weise offenkundig. Die Liste derjenigen, die abrupt aus großer Höhe abstürzten, ist lang und nur wenige brauchen erwähnt zu werden. Michael Milken, der vielleicht die spektakulärste Gestalt des jüngsten Booms war – und sicherlich die am besten bezahlte –, bewohnte bis vor Kurzem eine Zelle im offenen Strafvollzug, die zwar womöglich nicht völlig ungemütlich war, ihm aber sicherlich nicht wie eine Belohnung vorkam. Er dürfte wohl von jedem neuen Tag wenig begeistert gewesen sein. Über Donald Trump heißt es, er sei nicht pleite, und doch stand in aktuellen Meldungen, er habe ein negatives Vermögen. Solche Unterscheidungen sind in der Finanzwelt zweifellos von Bedeutung. Die Gebrüder Reichmann – zusammen mit Robert Campeau der nette kanadische Beitrag zu den Finanzexzessen – sind zweifellos pleite, was auch die Banken nach unten zieht, die sich von ihrer euphorischen Stimmung mitreißen ließen. Vielleicht kann man ihnen zugutehalten, dass sie ebenso wie Donald Trump Baudenkmäler errichtet haben, die noch lange an ihr Abenteuer gemahnen werden. Touristen, die in London an der Themse entlang in Richtung Tower schlendern, werden ihren Ausflug wahrscheinlich zur Baustelle Canary Wharf hin verlängern, dem wohl eindrucksvollsten neueren Beispiel für spekulative Demenz.

Ein auffallender Teil der Spekulationsorgien der 1980er-Jahre fand im Immobilienbereich statt, auch die mittels der Sparkassen vom amerikanischen Steuerzahler finanzierte. Die Wall-Street-Bank Salomon Brothers schätzte kürzlich, es werde im Schnitt zwölf Jahre dauern, bis die derzeit leer stehenden gewerblichen Immobilien belegt sein werden. Doch was hilft einem ein Durchschnitt? In Boston soll diese Vorsorge für die Zukunft Salomons Schätzung zufolge 26 Jahre halten, in New York 46 und im texanischen San Antonio 56 Jahre (womit die Stadt gewissermaßen führend ist).

Indes gehen die Auswirkungen der Prasserei weit über den Immobiliensektor hinaus und reichen von ernst bis traurig. Die New Yorker müssen eine Träne verdrücken, wenn sie sehen, wie sich R. H. Macy – eines der großen Symbole der Stadt – bemüht, am Leben zu bleiben und nicht nur die Waren zu bezahlen, die es verkauft, sondern auch die drückenden Lasten für diejenigen, die seinen Konkurs beaufsichtigen. Die Ursachen der Schwierigkeiten, in denen diese großartige Institution steckt, stehen nicht in Zweifel: Es war die massive Schuldenlast, die sie sich aufbürdete, um in den Jahren der finanziellen Plünderungen und Verheerungen die Kontrolle zu erlangen und zu behalten. Andere Unternehmen im ganzen Land wurden in ähnlicher Weise gepeinigt und ächzen ähnlich unter der daraus resultierenden Schuldenlast. Unter der gleichen Last ächzen die Banken, die die Immobilienspekulationen mittrugen und Darlehen für freundliche Fusionen und Übernahmen, für feindliche Übernahmen, fremdfinanzierte Übernahmen und die sonstigen Übungen in finanzieller Verwüstung gewährten.

Da ist aber noch mehr. Die Rezession, die im Sommer 1990 begann und sich so halsstarrig gegen die allwöchentlichen Vorhersagen einer Erholung hielt, wurde fast mit Sicherheit von dem spekulativen Kollaps verursacht und mit Sicherheit durch ihn vertieft und verlängert. Das Vertrauen der Allgemeinheit wurde erschüttert, die Investitionen der Unternehmen wurden gekürzt und in Schieflage geratene Banken waren gezwungen, die Kreditvergabe einzuschränken; Arbeitnehmer wurden entlassen, Manager und Bürokraten verabschiedet (Mitarbeiter höherer Gehaltsstufe entlässt oder feuert man nicht; im Interesse der höheren Effizienz werden sie einfach verabschiedet).

Und ein Ende ist noch nicht abzusehen. Hätte es keine Spekulationsexzesse und keinen Kollaps mit weitreichenden wirtschaftlichen Auswirkungen gegeben, wäre die politische Geschichte das Jahres 1992 anders verlaufen. Der Boom und der Kollaps beendeten die Karriere und die Präsidentschaft von George Bush. Ohne eine Rezession und stattdessen mit einer soliden oder mäßig florierenden Konjunktur wäre seine Wiederwahl sicher gewesen, ein Klacks. Bush gehört mit Herbert Hoover zu den beiden Präsidenten, die im 20. Jahrhundert von der Wall Street zu Fall gebracht wurden. In der Politik muss man sich ebenso wie in anderen Angelegenheiten vor seinen Freunden in Acht nehmen.

Doch so schlimm läuft es für Bush ja gar nicht. John Law, der für den Aufschwung in Frankreich Anfang des 18. Jahrhunderts maßgeblich gewesen war, ging trübselig ins Exil und das taten auch einige Staatsmänner, die von der Südseeblase heimgesucht wurden. Im Gegensatz dazu wird Bush – ebenso wie Reagan drüben in Kalifornien – einen vollkommen zivilisierten Ruhestand genießen. In kleinen Dingen ändert sich die Geschichte der großen Spekulationsbooms und ihrer Nachwehen – aber viel, viel mehr daran bleibt gleich.

KAPITEL 1

Die spekulative Episode

„Jeder, sieht man ihn einzeln,ist leidlich klug und verständig,sind sie in corpore, gleich wird direin Dummkopf daraus.“

Friedrich von Schiller,zitiert von Bernard Barauch

Dass die freie Marktwirtschaft immer wieder zu spekulativen Phasen neigt, wird allgemein anerkannt. Diese großen und kleinen Vorgänge, bei denen es um Banknoten, Wertpapiere, Immobilien, Kunstwerke und andere Vermögenswerte oder Objekte geht, sind seit Jahren und Jahrhunderten ein Bestandteil der Geschichte. Was bisher nicht ausreichend untersucht worden ist, sind die diesen Vorgängen gemeinsamen Merkmale, die Elemente, die ihre sichere Wiederkehr anzeigen und damit den beachtlichen praktischen Nutzen besitzen, zu ihrem Verständnis und ihrer Vorhersagbarkeit beizutragen. Feste Regeln und ökonomische Kenntnisse eher orthodoxer Provenienz können weder den einzelnen noch die Finanzwelt schützen in Phasen, in denen sich erneut Euphorie einstellt und sich allgemeine Verwunderung über den Anstieg der Kurse und Preise sowie des Wohlstands verbreitet. Der Drang, mit dabei zu sein, treibt die Preise in die Höhe und am Ende steht der Zusammenbruch mit seinen unangenehmen und schmerzlichen Nachwirkungen. Einen Schutz dagegen gibt es nur, wenn man sich ein klares Bild von den Besonderheiten dieser Bewegungen gemacht hat, die – vorsichtig formuliert – in den Massenwahn führen. Erst dann nimmt der Investor die Warnsignale ernst und hat die Chance, sich in Sicherheit zu bringen.

Es gibt jedoch wenige Bereiche, in denen derartige Warnungen so ungern gesehen werden. Zunächst einmal wird es heißen, es seien Angriffe auf die wunderbare Vermehrung des Reichtums, hinter denen entweder mangelhaftes Verständnis oder bloßer Neid steckten. Am Ende wird sich jedoch die Überzeugung durchsetzen, dass darin der Mangel an Vertrauen in die dem Markt eigene Vernunft zum Ausdruck komme.

Die offenkundigeren Merkmale der spekulativen Episode sind für jeden zu erkennen, der sich um Verständnis bemüht. Durch irgendein scheinbar neues oder erstrebenswertes Produkt oder eine Entwicklung – Tulpen in Holland, Gold in Louisiana, Immobilien in Florida, die erstaunlichen Wirtschaftspläne Ronald Reagans – wird der wirtschaftliche Verstand beziehungsweise eher das, was man dafür hält, eingelullt. Der Preis für das Spekulationsobjekt steigt. Wertpapiere, Grundstücke, Kunstwerke und andere Besitztümer, die heute erstanden werden, sind morgen mehr wert. Dieser Anstieg und die Aussichten locken weitere Käufer an, die ihrerseits für einen weiteren Anstieg sorgen. Immer mehr Käufer werden angelockt, immer mehr kaufen und der Anstieg setzt sich fort. Die Spekulation entwickelt eine Eigendynamik.

Dieser Prozess ist, sobald man ihn einmal durchschaut hat, offensichtlich, besonders natürlich im Nachhinein. Genauso sind die grundlegenden Verhaltensweisen der Beteiligten klar, wenngleich es dabei allerdings individuelle Besonderheiten gibt. Das Verhalten nimmt zwei Formen an. Es gibt einerseits diejenigen, die sich einreden lassen, irgendein neuer preissteigernder Umstand sei eingetreten. Diese Leute rechnen damit, dass der Markt, womöglich unbegrenzt, weiter floriert. Er passt sich in ihrer Sicht nur einer neuen Situation an, einer neuen Welt mächtiger, ja grenzenlos wachsender Erträge und entsprechender Preise. Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die auf den ersten Blick gescheiter und meistens in der Minderheit sind. Sie erkennen das spekulative Element des Augenblicks oder glauben zumindest, es zu erkennen. Sie sind zur Stelle, um sich von der Woge nach oben tragen zu lassen; sie sind überzeugt, dass ihre Intelligenz sie in die Lage versetzt, auszusteigen, bevor die Spekulation sich totläuft. Sie werden das Letzte aus diesem Anstieg herausholen, solange er anhält; sie werden vor dem endgültigen Einbruch Kasse machen.

Denn ein fester Bestandteil dieses Szenarios ist der unvermeidliche Zusammenbruch. Vorprogrammiert ist auch, dass er nicht sachte oder allmählich eintritt. Wenn er kommt, trägt er die Züge einer Katastrophe. Aus diesem Grund sind beide Gruppen der an der Spekulation Beteiligten auf einen plötzlichen Ausstiegsversuch eingestellt. Irgendetwas – meistens eine Kleinigkeit, obwohl immer ausgiebig darüber diskutiert wird – löst die Umkehr aus. Wer auf den Aufwärtstrend spekuliert hat, erklärt nun, dass der Augenblick gekommen sei, auszusteigen. Wer geglaubt hatte, der Anstieg währe ewig, wird abrupt zurück auf den Boden der Tatsachen geholt und auch er reagiert stracks auf die neu erkannte Wirklichkeit und verkauft oder versucht zu verkaufen. Daher der Zusammenbruch. Und daher auch die Regel, die durch die Erfahrung von Jahrhunderten gestützt wird: Die Spekulation endet nie verhalten, sondern immer mit einem lauten Knall. Wir werden genügend Gelegenheit haben, zu beobachten, dass diese Regel sich ein ums andere Mal bewahrheitet.

So weit ist, wie schon gesagt, alles klar. Weniger weiß man über die massenpsychologische Seite der spekulativen Stimmung. Wird sie vollständig begriffen, ermöglicht sie dem derart Begünstigten, sich vor der Katastrophe zu retten. Bei dem Sog, den eine solche Massenpsychose erzeugt, werden die Geretteten jedoch die Ausnahme sein. Sie haben eine weithin gültige Regel zu bestätigen und müssen sich zwei mächtigen Kräften widersetzen: erstens der starken persönlichen Interessenlage, die in der allgemeinen Euphorie entsteht, zweitens dem Druck der öffentlichen und scheinbar überlegenen finanziellen Meinung, der eine derartige Stimmung noch verstärkt. Beide sind ein Beweis für Schillers Worte, dass die Menge aus dem halbwegs gesunden Menschenverstand des einzelnen die Dummheit macht, gegen die selbst die Götter vergebens kämpfen.