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Die Ursprünge und Taten der Goten des römischen Gelehrten Jordanes aus dem 6. Jh. n. Chr. ist die wichtigste erhaltene schriftliche Quelle zur Geschichte der Goten, eines antiken-frühmittelalterlichen germanischen Stammes, der vom Schwarzen Meer nach Westen zog und mehrere Reiche gründete. Jordanes' Darstellung fußt auf einer zwölfbändigen Geschichte der Goten des Staatsmannes und späteren Mönchs Cassiodor, die aber verloren gegangen ist. Die Gotengeschichte wird hier in deutscher Sprache mit ausführlichen Erläuterungen zum Verständnis vorgelegt. Auch wenn kein heutiges europäisches Volk die Goten im engeren Sinne als seine Vorfahren betrachten kann, bleibt dieses Volk ein wichtiges Stück europäischer Geschichte. "Dieser Attila nämlich … folgte mit seinem Bruder Bleda in das Königsamt der Hunnen und … suchte seine Anhängerzahl durch den Mord an seinem Verwandten zu vermehren. … Er schritt hochmütig umher, hierhin und dahin seine Augen rollend, damit die Macht des Stolzen auch in der Bewegung des Körpers sichtbar wurde. Er liebte die Kriege, mäßigte sich aber selbst und war überaus klug im Rat. Von demütig Bittenden ließ er sich erweichen, gnädig war er gegen die, die er einmal unter seine Befehlsgewalt aufgenommen hatte; von kleiner Gestalt, breiter Brust, ziemlich großem Kopf, winzigen Augen, schwachem Bartwuchs und grauem Haar, platter Nase, dunkler Hautfarbe - diese Zeichen seiner Abstammung, trug er." Jordanes' Darstellung des berühmten Hunnenkönigs, den die Ostgoten unterstützten und die Westgoten bekämpften, prägte dessen Bild über Jahrhunderte. Aber auch für andere Ereignisse, von denen er berichtet, hat Jordanes eine der ganz wenigen Quellen hinterlassen.
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Seitenzahl: 306
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DR. LENELOTTE MÖLLER
studierte Geschichte, Latein und evangelische Theologie in Saarbrücken, Basel und Mainz; die Promotion in Geschichte folgte im Jahr 2000; sie ist Studiendirektorin am Gymnasium Schifferstadt im Rhein-Pfalz-Kreis.
Im marixverlag sind von ihr u.a. folgende Übersetzungen erschienen: Die Enzyklopädie des Isidor von Sevilla, die Cicero-Briefe, Titus Livius’ Römische Geschichte, Senecas Vom glücklichen Leben, Plutarchs Von Liebe, Freundschaft und Feindschaft, Polybios’ Der Aufstieg Roms, Lukians Vom beinahe vollkommenen Menschen, Tacitus’ Agricola und Germania und Sallusts Römische Geschichte. Sie ist außerdem Mitherausgeberin der 2-bändigen Plinius-Ausgabe.
Die Ursprünge und Taten der Goten des römischen Gelehrten Jordanes aus dem 6. Jh. n. Chr. ist die wichtigste erhaltene schriftliche Quelle zur Geschichte der Goten, eines antiken-frühmittelalterlichen germanischen Stammes, der vom Schwarzen Meer nach Westen zog und mehrere Reiche gründete. Jordanes’ Darstellung fußt auf einer zwölfbändigen Geschichte der Goten des Staatsmannes und späteren Mönchs Cassiodor, die aber verloren gegangen ist. Die Gotengeschichte wird hier in deutscher Sprache mit ausführlichen Erläuterungen zum Verständnis vorgelegt. Auch wenn kein heutiges europäisches Volk die Goten im engeren Sinne als seine Vorfahren betrachten kann, bleibt dieses Volk ein wichtiges Stück europäischer Geschichte.
„Dieser Attila nämlich … folgte mit seinem Bruder Bleda in das Königsamt der Hunnen und … suchte seine Anhängerzahl durch den Mord an seinem Verwandten zu vermehren. … Er schritt hochmütig umher, hierhin und dahin seine Augen rollend, damit die Macht des Stolzen auch in der Bewegung des Körpers sichtbar wurde. Er liebte die Kriege, mäßigte sich aber selbst und war überaus klug im Rat. Von demütig Bittenden ließ er sich erweichen, gnädig war er gegen die, die er einmal unter seine Befehlsgewalt aufgenommen hatte; von kleiner Gestalt, breiter Brust, ziemlich großem Kopf, winzigen Augen, schwachem Bartwuchs und grauem Haar, platter Nase, dunkler Hautfarbe – diese Zeichen seiner Abstammung, trug er.“ Jordanes’ Darstellung des berühmten Hunnenkönigs, den die Ostgoten unterstützten und die Westgoten bekämpften, prägte dessen Bild über Jahrhunderte. Aber auch für andere Ereignisse, von denen er berichtet, hat Jordanes eine der ganz wenigen Quellen hinterlassen.
Jordanes
Die Gotengeschichte
Jordanes
Übersetzt, eingeleitet und erläutert
von Lenelotte Möller
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://dnb.d-nb.de abrufbar.
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Alle Rechte vorbehalten
Copyright © by marixverlag GmbH, Wiesbaden 2012
Lektorat: Dietmar Urmes, Bottrop
Covergestaltung: Nicole Ehlers, marixverlag GmbH
Bildnachweis: mauritius images GmbH, Mittenwald/Cubolmages
eBook-Bearbeitung: Bookwire GmbH, Frankfurt am Main
ISBN: 978-3-8438-0302-1
www.marixverlag.de
99 Jahre nach der ersten und bisher einzigen deutschen Übersetzung der Gotengeschichte des lateinischen Geschichtsschreibers Jordanes erscheint die zweite. Während der erste Übersetzer, Wilhelm Martens, 1913 nach eigenem Bekunden nicht wagte, die vorkommenden und zum Teil verderbten geographischen, Völker- und Personennamen zu erklären und auch nur einige wenige in seiner deutschen Ausgabe erläutert hat, kann die Übersetzerin des Jahres 2012 auf Forschungsliteratur und Lexika aus inzwischen fast 100 Jahren zurückgreifen, sodass in der vorliegenden Ausgabe die Mehrheit der Eigennamen sowie auch manche nicht für sich selbst sprechende Formulierungen fortlaufend erklärt werden und das Werk somit auch für nicht althistorisch oder germanistisch vorgebildete Leser, die sich mit Fug und Recht dennoch für Geschichte interessieren, erschlossen wird. Freilich bleiben einige, nur bei Jordanes vorkommende Namen, über die mehr, als er berichtet, auch heute nicht gesagt werden kann.
Das Werk ist mit einem Register der Eigennamen erschlossen, das durch die Angabe der Paragraphen bzw. Abschnittsnummern nicht nur für die vorliegende Ausgabe verwendet werden kann.
Dank ergeht an den marixverlag für die Anregung und die Veröffentlichung der neuen Übersetzung sowie meinen inzwischen langjährigen Lektor Dietmar Urmes für die sorgfältige Bearbeitung.
Speyer, im Juli 2012
Lenelotte Möller
Vorwort
Einleitung
Geten und Daker
Die Goten vom 1. bis zum 6. Jh. n. Chr.
Flavius Magnus Aurelius Cassiodorus
Jordanes und seine Gotengeschichte
Andere Quellen zur Geschichte der Goten
ÜBERSETZUNG DER GETICA
Einleitung in das Werk
Vorrede des Jordanes an Castalius (1) 1–3
Erdbeschreibung (1) 4–9
Die Insel Britannien (2) 10–15
Gemeinsame Geschichte der Goten
Die Insel Scandza und ihre Bewohner (3) 16–24
Der Auszug (4) 25–29
Die neue Heimat – das Gebiet der Skythen (5) 30–38
Leben der Goten im Laufe der Wanderung (5) 39–43
Geschichte der Geten (und Daker)
Krieg der Geten mit den Ägyptern (5) 44 – (6) 48
Die Amazonen – Frauen der Geten (7) 49 – (8) 57
Exkurs: Der Kaukasus (7) 52–55
Die Geten im Trojanischen Krieg (9) 58–60
Die Geten im Kampf gegen die Perserkönige (10) 61–64
Die Geten und König Philipp II. von Makedonien (10) 65–66
Die Geten werden gelehrt (11) 67– (12) 73
Geographische Hinweise (12) 74–75
Fortsetzung der Geschichte der Goten
Die Herrscherreihe der Goten (13) 76 – (14) 82
Kaiser Maximinus [Thrax] – ein Gete (15) 83–88
Einfall der Goten ins Römische Reich 247 (16) 89–93
Konflikt mit den Gepiden (17) 94–100
Einfälle der Goten in das Imperium Romanum unter Cniva und seinen ersten Nachfolgern (18) 101 – (19) 106
Neue Kämpfe mit den Römern und anderen Nachbarn (20) 107 – (22) 115
König Ermanarich (23) 116–120
Die Hunnen: Entstehung, Ankunft und Aussehen (24) 121–128
Ermanarichs Ende und der Untergang des Ostgotenreiches (24) 129–130
Das Schicksal der Westgoten nach dem Hunneneinfall
Die Umsiedlung der Westgoten in das Imperium Romanum und die Schlacht von Adrianopel (25) 131 – (26) 138
Die Goten und Kaiser Theodosius (27) 139 – (28) 145
Die Kaiser Honorius und Arcadius (29) 146–151
Die Eroberung Roms 410 (30) 152–156
Alarichs Tod und Begräbnis (30) 157–158
Kampf um Galla Placidia (31) 159 – (32) 166
Geiserich und das Vandalenreich (33) 167 – (34) 177
Attila (34) 178 – (36) 186
Römisch-gotisches Bündnis (36) 187 – (37) 196
Die Schlacht auf den Katalaunischen Feldern (38) 197 – (41) 218
Attila in Italien (42) 219–224
Thorismunds Sieg und Ende (43) 225–228
Theoderids Kampf gegen die Herrscher der Suaven (44) 229–234
König Eurich und das Ende des Weströmischen Reiches (45) 235 – (47) 245
Das Schicksal der Ostgoten nach dem Hunneneinfall
Die Ostgoten nach dem Tod Ermanarichs (48) 246–251
Attilas Tod (48) 252 – (49) 258
Das Ende des Hunnenreiches und die Neuaufteilung des Landes (50) 259–268
Die Kleingoten (51) 267
Geburt und Jugend Theoderichs des Großen (52) 268–271
Kriege der Ostgoten in Pannonien und erste Taten Theoderichs (53) 272 – (55) 282
Aufbruch ins Römische Reich (56) 283–288
König Theoderich (57) 289–296
Familien- und Innenpolitik (58) 297–303
Theoderichs Tod und die Herrschaft Amalaswinthas (59) 304–306
Das Ende der ostgotischen Herrschaft (60) 307–314
Epilog (60) 315–316
Literaturverzeichnis
Gemeingotische Herrscher
Die Amaler
Die Balthen
Herrscher der Westgoten
Herrscher der Vandalen
Herrscher der Hunnen
Register der Eigennamen
Das Volk der Goten, das um Christi Geburt auf der historischen Bildfläche erschien, nach weiten Wanderungen, Trennungen und Vermischungen, Eroberungen und Landverlusten schließlich im Jahr 410 die Stadt Rom eroberte (als erste Kriegsmacht nach 800 Jahren) und schließlich in der Spätantike in anderen Völkern aufging, schuf die ältesten germanischen Sprachdenkmäler und prägte wesentlich die germanische Sagenwelt. Jordanes’ »Ursprung und Taten der Goten« ist einerseits eine der wenigen und gleichzeitig eine der wichtigsten Quellen zur Geschichte dieses Volkes, enthält andererseits aber zahlreiche Irrtümer und wohl auch einige bewusste Verfälschungen. Um Jordanes’ Erzählung mit Erkenntnisgewinn lesen zu können, ist es nützlich, die Grundzüge der Geschichte der hauptsächlich darin behandelten Völker zuvor kennenzulernen. Während die römische Geschichte, namentlich die der Kaiserzeit, eher als bekannt vorausgesetzt werden kann, ist das Wissen über die Goten dagegen gering, da sie noch seltener im Unterricht behandelt werden, während Geten den meisten Mitteleuropäern noch nicht einmal dem Namen nach bekannt sind. Und während nach den mit den Geten verwandten Dakern eine in Deutschland zunehmend verbreitete und originell beworbene Automarke benannt ist, hat dies zur Bekanntheit des namengebenden Volkes und seiner Geschichte noch kaum beigetragen.
Geten und Daker
Obwohl die Geten und die mit ihnen verwandten Daker thrakische Völker waren, werden sie in Verfälschung der tatsächlichen Gegebenheiten in Jordanes’ Geschichtswerk mit den germanischen Goten gleichgesetzt. Den willkommenen Anlass dazu bot dem Verfasser die Namensähnlichkeit der Geten und Goten sowie ihre nahe beieinanderliegenden Siedlungsgebiete. Die Intention des Autors, die mit dieser Gleichsetzung verfolgt wird, soll im Kapitel »Getica oder Origo Gothica« erläutert werden. In der Übersetzung wurde der Begriff »Geten« gewählt, wo Jordanes aus deren Tradition schöpfte, das Wort »Goten« wurde verwendet, wo er sich auf tatsächliche oder vermeintliche gotische Tradition stützt.
Die Geten waren der nördlichste thrakische Volksstamm und siedelten im Ostbalkan und an der Ostküste des Schwarzen Meeres, das in der Antike Pontos genannt wurde. Ihre Nordwestliche Gruppe ist seit dem 2. Jh. v. Chr. als Daker belegt, das Volk, von dem sich die Rumänen der Gegenwart herleiten. In das umschriebene Siedlungsgebiet waren die Geten wohl im 5. Jh. v. Chr. eingewandert, und sie ernährten sich wahrscheinlich als Nomaden und Viehzüchter. Sie wohnten in kleinen Einheiten zusammen, Dörfer und kleine Städte gründeten sie erst nach den ersten Kontakten mit den Griechen. Nach Auskunft antiker Geschichtsschreiber und Geographen (Herodot 4,94–96; Strabon 7,3,3–5; Pomponius Mela 2,18) verehrten sie als ihren höchsten Lehrer Zalmoxis und waren Anhänger des Unsterblichkeitskultes, der ihnen im Kampf absolute Todesverachtung verlieh und sie damit besonders mutig machte. Das Reitervolk, das mit Pfeil und Bogen kämpfte, war deswegen in der Antike sehr gefürchtet. Dennoch unterwarf Perserkönig Dareios sie während seines Skythenfeldzugs (Herodot, Geschichte 4,93) im Jahr 510 v. Chr., jedoch wohl nur für kurze Zeit. Denn noch im selben Jahrhundert zogen sie mit Odrysenkönig Sitalkes, dem Herrscher eines Nachbarvolkes, gegen Perdikkas von Makedonien mit einem großen Reiterkontingent (Thukydides, Der Peloponnesische Krieg 2,97). Um 360 v. Chr. wurde ihr Gebiet von den Skythen erobert und von diesen zum Teil für ihr eigenes Volk beansprucht. Als die Geten dagegen Widerstand leisteten, rief Skythenkönig Atheas seinen Verbündeten Philipp von Makedonien zu Hilfe, entzweite sich aber später mit diesem und wurde von Philipp geschlagen. Darauf wurden die Geten ein Teil des von Alexander d. Gr. eroberten Reiches, und nach dessen Tod fielen sie an den Diadochen Lysimachos (Iustinus 13,4), der seine Macht nach einigen Aufständen zu Beginn festigen konnte. Damals wanderten viele Geten als Sklaven in griechischen Poleis, einem Umstand, dem die Gegenwart viele zuverlässige Auskünfte griechischer und römischer Historiker (Herodot, Thukydides, Strabon, Cassius Dio, später Pomponius Mela und Plinius d. Ä.) über dieses Volk verdankt. Das nächste Volk, das über die Geten und ihre Nachbarn hereinbrach, waren die nach Osten ziehenden Kelten (Iustinus 25,1).
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