Die Halidon-Verfolgung - Robert Ludlum - E-Book

Die Halidon-Verfolgung E-Book

Robert Ludlum

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Beschreibung

Ein unwiderstehliches Angebot lockt Alex McAuliff nach London: Der amerikanische Wissenschaftler soll eine Million Dollar erhalten, wenn er eine geologische Landvermessung im Innern von Jamaika leitet. Doch der Auftrag birgt große Gefahren.

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Copyright © 1974 by Jonathan RyderCopyright © der deutschsprachigen Ausgabe 1996 by Wilhelm Heyne Verlag GmbH & Co. KG, München Copyright © dieser Ausgabe 2006 by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH,Neumarkter Str. 28, 81673 München.
ISBN 978-3-641-07206-3V003
Satz Buch-Werkstatt GmbH Bad Aibling
http://www.heyne.de www.penguinrandomhouse.de

Inhaltsverzeichnis

WidmungEinleitungI - PORT ANTONIO/JAMAIKA UND LONDON/ENGLAND
1.2.3.4.5.6.
II - KINGSTON/JAMAIKA
7.8.9.10.11.12.13.14.15.16.
III - DIE NORDKÜSTE
17.18.19.20.21.22.
IV - DAS COCK PIT
23.24.25.26.27.28.29.30.31.32.33.34.35.
Copyright

Titel der Originalausgabe:

THE CRY OF HALIDON

Für all jene, die mir vor so vielen Jahren bei den Recherchen zu diesem Buch geholfen und mir ihr Vertrauen geschenkt haben – sie wissen, wer damit gemeint ist. Ich werde immer in ihrer Schuld stehen.

Einleitung

Vor einigen Jahren – einem Vierteljahrhundert, um genau zu sein – freute sich ein Schriftsteller, der damals Anfang Vierzig war, so unbändig darüber, daß tatsächlich zwei Romane von ihm veröffentlicht worden waren, daß er der Quelle dieser Freude unablässig huldigte. Zum Glück war er nur der Droge Schreiben verfallen, die für den Körper keine Gefahr darstellt – für den Geist jedoch um so mehr. Dieser besessene Schriftsteller – ich – ist inzwischen viel älter, aber nur ein bißchen weiser geworden. Ich gab mich meiner Leidenschaft so umfangreich hin, daß mir eine ganze Riege wohlmeinender Abgesandter meines Verlages eine kleine Strafpredigt hielt. Ich war wie betäubt – starr und sprachlos.

Offenbar war man damals der einhelligen Meinung, daß ein Schriftsteller, der mehr als ungefähr ein Dutzend Buchexemplare an seine nächsten Angehörigen und seine Freunde verkauft hatte, nicht mehr als einen Roman pro Jahr schreiben sollte! Falls er es doch tat, sei er in den Augen von ›Lesern wie Kritikern‹ (mir gefiel die Trennung, die da vorgenommen wurde) automatisch ein ›kommerzieller Schriftsteller‹. Ich dachte an so fleißige Literaten der Vergangenheit wie Dickens, Trollope und Thackeray, die sich nichts dabei gedacht hatten, eine wahre Flut von Beiträgen für monatlich und wöchentlich erscheinende Zeitschriften zu verfassen, viele davon Auszüge aus den Romanen, an denen sie gerade gearbeitet hatten. Vielleicht, so dachte ich im stillen, bekam das Wort ›Schriftsteller‹ eine andere, offenbar abwertende Bedeutung, wenn es mit Produktivität assoziiert wurde. Ich war verwirrt und – wie ich bereits erwähnte – sprachlos. Also sagte ich nichts.

Schließlich war ich ja der Grünschnabel im Verlagsgeschäft. Ich beugte mich jenen, die es besser wissen mußten, und willigte ein, Die Halidon-Verfolgung unter dem Pseudonym ›Jonathan Ryder‹ herauszugeben (der Vorname eines unserer Söhne und der verkürzte Künstlername meiner Frau aus jener Zeit, da sie in New York und Umgebung eine erfolgreiche Schauspielerin gewesen ist).

Es wäre dumm, den Einfluß leugnen zu wollen, den dieser Roman auf meine nächsten Bücher hatte. Zum erstenmal hatte ich mich ganz bewußt gezwungen, eine geheimnisumwitterte Geschichte zusammen mit den Wurzeln eines Mythos zu recherchieren, was so ganz anders war, als reichlich vorhandene, wenn auch schwierig aufzufindende historische Aufzeichnungen zu suchen. Für mich war es fantastisch. Mit meiner Frau Mary flog ich nach Jamaika, wo der größte Teil des Romans spielen sollte. Ich kam mir wie ein Kind im Spielzeugladen vor. Es gab soviel zu sehen, zu lernen! Ich ›stahl‹ sogar echte Namen, bevor mir gesagt wurde, daß man so etwas ohne Genehmigung nicht tun dürfe. ›Timothy Durell‹ zum Beispiel, die erste Figur, die uns in diesem Buch begegnet, steht für den jüngsten und aufgeecktesten Hoteldirektor eines großen internationalen Ferienclubs, dem ich je begegnet bin. ›Robert Hanley‹ ist in dem Roman Pilot, und das war auch der Mann, dem er nachempfunden ist. Bob hat unter anderem Howard Hughes in der Karibik herumgeflogen und für Errol Flynn als Privatpilot gearbeitet, als der Filmstar auf Jamaika gelebt hatte (weitere Einzelheiten soll ich auf Anraten meines Anwaltes besser nicht erwähnen).

Die Recherche ist das Dessert vor dem Hauptgang – oder besser: der delikate Krabbencocktail vor einem herzhaften Steak, der Appetithappen, auf den ein üppiges Mahl folgt. Sie ist sowohl Falle als auch Sprungbrett. Eine Falle deshalb, weil sie einen in einer Welt geometrischer Wahrscheinlichkeiten gefangenhält, die ein Schriftsteller sich zu verlassen weigert, ein Sprungbrett, weil sie die Fantasie beflügelt, jene endlosen Variationsmöglichkeiten weiterzuspinnen, die ein Autor so unwiderstehlich findet.

Den dunkleren Seiten von Religion und Mythos auf Jamaika begegnete ich zum erstenmal, als meine Frau und ich unsere Tochter – zusammen mit der stattlichen Dame, die der Küche unseres gemieteten Hauses vorstand — auf einen Markt der Einheimischen in Port Antonio mitnahmen. Unsere kleine Tochter war ein sehr blondes Kind und sehr hübsch (das ist sie immer noch). Sie stand sofort im Mittelpunkt des Interesses, denn wir befanden uns in einem recht abgelegenen Flecken, und für die Dorfbewohner stellte ein hellblondes weißes Kind einen ungewohnten Anblick dar. Die Einheimischen waren reizend wie fast alle Jamaikaner – freundlich, heiter und liebenswürdig und mit einem aufrichtigen Interesse an den Gästen ihrer Insel. Ein kräftiger Mann jedoch benahm sich völlig anders. Er pöbelte herum und machte Bemerkungen, die alle Eltern abstoßend finden würden. Die Menschen um ihn herum ermahnten ihn, viele schrien ihn an, aber er wurde immer ausfallender und stand kurz davor, handgreiflich zu werden.

Schließlich hatte ich genug. Als ehemaliger Marine – und weitaus jünger, als ich es jetzt bin – ging ich auf dieses widerwärtige Subjekt zu, wirbelte den Mann herum, drehte ihm den rechten Arm auf den Rücken und stieß ihn über die staubige Straße bis zum Rand einer Schlucht. Dort setzte ich ihn auf einen Stein und machte meinem Ärger Luft.

Plötzlich wurde er ganz friedlich, als wäre er in Trance gefallen, dann fing er an, in einem eintönigen Singsang Worte herunterzuleiern, die sinngemäß etwa so lauteten:

»Das Hollydawn, das Hollydawn, alles ist für das Hollydawn! « Ich fragte ihn, von was er da spreche. »Das kann ich dir nicht sagen, Mann, das darfst du nicht wissen. Die heilige Kirche des Hollydawn! Obeah, Obeah. Gib mir Geld für den Zauber des Hollydawn!«

Jetzt wurde mir klar, daß er high war — Gras, Alkohol oder sonst etwas. Ich gab ihm ein paar Dollar und schickte ihn weg. Später kam ein älterer Jamaikaner auf mich zu, einen traurigen, wissenden Blick in den dunklen Augen.

»Junger Mann, es tut mir leid«, sagte er. »Wir haben Sie beobachtet und wären Ihnen sofort zu Hilfe gekommen, wenn es für Sie gefährlich geworden wäre.«

»Sie meinen, er hat vielleicht eine Pistole oder sonst eine Waffe gehabt?«

»Nein, eine Pistole nicht, niemand erlaubt diesen Leuten, eine Pistole zu tragen, aber eine Waffe – ja. Er hat oft ein Messer in seiner Hose versteckt.«

Ich schluckte ein paarmal und wurde sicher noch ein wenig blasser, als ich es sowieso schon war. Aber dieser Vorfall entfachte meine Fantasie.

Später flog ich mit Bob Hanley und seinem Flugzeug im Tiefflug kreuz und quer über den berüchtigten Dschungel des Cock Pit, wobei ich Dinge sah, die man in einem Verkehrsflugzeug nie sehen würde. Ich fuhr in die Hafenviertel von Kingston, obwohl Bob erklärte, ich sei verrückt, mich dorthin zu wagen (wie gesagt, ich war viel, viel jünger). Ich sah mir die Buchten und Häfen an der Nordküste an und stellte Fragen, immerzu Fragen, die oft Gelächter und amüsierte Blicke hervorriefen, aber nicht ein einziges Mal Feindseligkeit. Schließlich ging ich sogar so weit, mit Verhandlungen zum Kauf von Errol Flynns ehemaligem Anwesen zu beginnen, als Hanley, wie ich mich erinnere, mir den Arm auf den Rücken drehte und mich unter der Androhung von Prügeln zum Flugzeug zurückschleifte (er war noch jünger!).

Ich hatte so viel Spaß, daß Mary mich eines Abends, während wir in der fantastischen Glut eines jamaikanischen Sonnenuntergangs unsere Cocktails tranken, auf ihre herrlich trockene Art fragte:

»Du wolltest also wirklich das Haus von Errol Flynn kaufen? «

»Weißt du, es gibt dort ein paar Naturwasserfälle, die in einen Swimmingpool münden, und ...«

»Bob Hanley hat meine Erlaubnis, dich zu verprügeln, so lange er deine rechte Hand in Ruhe läßt.« (Ich schreibe damit.) »Glaubst du, du wirst jemals mit diesem Buch anfangen? «

»Welches Buch?«

»Ich geb’s auf. Ich glaube, es wird Zeit, daß wir nach Hause fahren.«

»Was für ein Zuhause?«

»Die anderen Kinder, unsere Söhne.«

»Ah, die kenne ich! Großartige Jungs!«

Verstehen Sie, was ich meine? Man könnte es Inselkoller nennen oder mich als tollwütigen Hund in der Mittagshitze bezeichnen – oder als geistig geschädigten Schriftsteller, der von seiner Recherche besessen war. Aber meine Gemahlin hatte recht. Es war Zeit, nach Hause zu fahren und mit dem herzhaften Steak anzufangen.

Als ich diesen Roman für einige letzte Korrekturen noch einmal gelesen habe, war ich überrascht davon, wieviel ich vergessen hatte. Die Erinnerungen brachen über mich herein. Es ging nicht um die Qualität des Buches – die sollen andere beurteilen -, sondern um das, was ich erlebt hatte: Einzelheiten, aus denen ganze Szenen entstanden sind, interessante Charaktere, Straßen im Hinterland, die hie und da von Herrenhäusern und Überresten aus längst vergangenen Epochen gesäumt waren, die Cocoruru-Händler an den Sandstränden, die mit ihren Macheten die Kokosnüsse köpften und dann den Rum hineingossen – und über allem Hunderte großer dunkler Augen, in denen die Geheimnisse von Jahrhunderten standen.

Es war eine wunderschöne Zeit, und ich möchte allen danken, die sie mir ermöglicht haben. Ich hoffe, dieses Buch gefällt Ihnen, denn die Arbeit daran hat mir viel Freude gemacht.

Robert Ludlum, Naples/Florida, 1996

I

PORT ANTONIO/JAMAIKA UND LONDON/ENGLAND

1.

Port Antonio

Die weiße Wand aus Gischt prallte von den Korallenfelsen ab und schien in der Luft zu schweben, das dunkelblaue Karibische Meer als Hintergrund. Die Gischt fiel nach vorn, dann nach unten und kroch über Tausende von winzigen, scharfen, zerklüfteten Rissen zurück, mit denen die Korallen überzogen waren. Sie wurde wieder zu Meer, vereinigte sich mit ihrer Quelle.

Timothy Durell trat an den Rand des riesigen, geschwungenen Swimmingpools, der auf den umliegenden Korallenfelsen errichtet worden war, und beobachtete den immer heftiger tobenden Kampf zwischen Wasser und Fels. Dieser abgeschiedene Teil der jamaikanischen Nordküste war eine Synthese aus einer von Menschen geschaffenen Umgebung und der Natur.

Trident Villas war auf einem Korallenriff erbaut worden, das die Anlage von drei Seiten umgab, und besaß nur eine Zufahrtsstraße. Die Villen und Gästehäuser waren Miniaturausgaben ihres Namens und gingen auf das Meer und die Korallenfelder hinaus. Jedes Gebäude stellte, isoliert von den anderen, eine kleine Welt für sich dar, so wie das Ferienressort von dem benachbarten Port Antonio isoliert war.

Der junge Engländer Durell war der Direktor der Trident Villas. Er hatte die Londoner Hotelfachschule besucht und besaß eine Reihe von Kürzeln hinter seinem Namen, die von mehr Wissen und Erfahrung zeugten, als sein jugendliches Aussehen hätte vermuten lassen. Aber Durell war gut. Er wußte das, und die Besitzer von Trident wußten es auch. Er hörte nie auf, nach dem Unerwarteten zu suchen — zusammen mit dem reibungslosen Ablauf der Routinearbeiten war dies der Kern eines überdurchschnittlich guten Hotelmanagements.

Jetzt hatte er das Unerwartete gefunden. Doch es beunruhigte ihn.

Mathematisch betrachtet war es unmöglich. Oder, wenn nicht unmöglich, so doch in höchstem Maße unwahrscheinlich.

Es ergab einfach keinen Sinn.

»Mr. Durell?«

Er drehte sich um. Seine Sekretärin – eine Jamaikanerin, deren Gesichtszüge und braune Haut von der uralten Verbindung zwischen Afrika und den britischen Kolonialherren zeugten – war mit einer Nachricht für ihn zum Pool gekommen.

»Ja?«

»Lufthansa-Flug 16 aus München wird verspätet in Montego ankommen.«

»Das ist die Reservierung für die Kepplers, nicht wahr?«

»Ja. Sie werden die Maschine für den Weiterflug auf der Insel verpassen.«

»Sie hätten nach Kingston fliegen sollen ... «

»Sind sie aber nicht«, sagte das Mädchen. In ihrer Stimme lag die gleiche Mißbilligung wie in Durells Worten, wenn auch nicht ganz so deutlich. »Offenbar wollen sie die Nacht nicht in Montego verbringen. Die Lufthansa hat über Funk eine Nachricht von ihnen durchgegeben. Wir sollen ein Flugzeug für sie chartern ...«

»Innerhalb von drei Stunden? Das sollen die Deutschen machen! Es ist schließlich ihre Maschine, die zu spät kommt ...«

»Sie haben es versucht. In Mo’Bay ist keines zu bekommen. «

»Das war auch nicht zu erwarten ... Ich werde Hanley fragen. Er wird etwa um fünf mit den Warfields aus Kingston zurück sein.«

»Vielleicht will er nicht ...«

»Er wird es schon machen. Wir sitzen in der Klemme. Ich hoffe nur, daß es nicht die ganze Woche so weitergeht.«

»Warum sagen Sie das? Was beunruhigt Sie?«

Durell drehte sich zum Geländer vor den Korallenfelsen. »Einiges. Ich bin mir nicht sicher, was genau es ist. Aber eines weiß ich ...« « Er sah das Mädchen an, doch seine Augen verrieten, daß er sich an etwas zu erinnern versuchte. »Vor gut zwölf Monaten kamen die ersten Reservierungen für diese Woche. Vor elf Monaten waren sämtliche Villen reserviert – für diese eine Woche.«

»Das Trident ist eben beliebt. Was ist daran so ungewöhnlich? «

»Sie verstehen nicht. Seit elf Monaten hat sich nichts an diesen Reservierungen geändert. Keine einzige Absage, nicht einmal eine geringfügige Verschiebung des Datums. Auch nicht um einen Tag.«

»Weniger Arbeit für Sie. Darüber sollten Sie sich doch eigentlich freuen.«

»Aber begreifen Sie denn nicht? Das Ganze ist mathematisch gesehen unmög... nun ja, widersprüchlich, um es milde auszudrücken. Zwanzig Villen. Wenn wir von Paaren ausgehen, sind das vierzig Familien – Mütter, Väter, Tanten, Onkel, Cousins ... In elf Monaten hat sich nichts ereignet, was auch nur einen von ihnen bewogen hätte, seine Reisepläne zu ändern. Keiner unserer Gäste ist gestorben – und bei unseren Zimmerpreisen sind nicht nur junge darunter. Kein größeres Mißgeschick, keine Terminprobleme in der Firma oder Masern oder Mumps oder Hochzeiten oder Beerdigungen, keine langwierigen Krankheiten. Dabei geht es nicht um die Krönung der Königin, sondern einfach nur um eine Woche Urlaub auf Jamaika.«

Das Mädchen lachte. »Sie spielen mit Zahlen, Mr. Durell. Es ärgert Sie, daß Ihre wohldurchdachte Warteliste nicht benötigt wurde.«

»Und sie alle kommen tatsächlich«, fuhr der junge Hoteldirektor fort. Er sprach immer schneller. »Dieser Keppler ist der einzige, der Probleme hat, und wie löst er sie? Er läßt von irgendwo über dem Atlantik eine Nachricht über Bordfunk durchgeben. Sie werden doch zugeben, daß das ein bißchen übertrieben ist ... Und die anderen? Niemand verlangt, daß am Flughafen ein Wagen wartet, niemand braucht eine Bestätigung für einen Anschlußflug, niemand macht sich Sorgen wegen des Gepäcks oder der Fahrt hierher. Oder wegen sonst etwas. Sie werden einfach hier sein.«

»Die Warfields nicht. Captain Hanley ist nach Kingston geflogen, um sie abzuholen.«

»Aber das wußten wir nicht. Hanley hat zwar angenommen, daß wir Bescheid wüßten, aber so war es nicht. Sie haben alles persönlich von London aus arrangiert. Er dachte, wir hätten ihnen seinen Namen gegeben. Aber das haben wir nicht getan. Ich jedenfalls nicht.«

»Und sonst würde es niemand tun ...« Das Mädchen verstummte. »Aber sie kommen aus der ganzen Welt.«

»Ja. Fast gleichmäßig verteilt. USA, England, Frankreich, Deutschland und – Haiti.«

»Was wollen Sie damit andeuten?« fragte das Mädchen, das den besorgten Ausdruck auf Durells Gesicht sah.

»Ich habe das merkwürdige Gefühl, daß sich unsere Gäste der nächsten Woche alle kennen. Aber sie wollen nicht, daß wir das wissen.«

London/England

Der große, hellhaarige Amerikaner in dem offenen Burberry-Trenchcoat verließ das Savoy durch den Eingang zur Strand Street. Er blieb einen Augenblick stehen und sah in den englischen Himmel, der zwischen den Gebäuden auf dem Platz zu erkennen war. Eigentlich war das etwas vollkommen Normales – den Himmel anzusehen, sich einen Überblick über die Elemente zu verschaffen, nachdem man ein Dach über dem Kopf verlassen hatte. Aber dieser Mann warf nicht nur den üblichen, flüchtigen Blick in den Himmel und bildete sich dann seine Meinung, die im wesentlichen von der herrschenden Kälte abhing.

Er sah genau hin.

Jeder Geologe, der sich seinen Lebensunterhalt mit der Erstellung von geophysikalischen Vermessungsgutachten für Regierungen, Unternehmen und Stiftungen verdiente, wußte, daß das Wetter bares Geld war. Es bedeutete Fortschritt oder Verzögerung.

Reine Gewohnheit.

Über den hellen, tiefliegenden grauen Augen des Mannes wuchsen kräftige Augenbrauen, dunkler als das hellbraune Haar, das ihm fortwährend in die Stirn fiel. Seine Gesichtsfarbe war die eines Menschen, der viel Zeit im Freien verbrachte - tiefgebräunt von der Sonne, aber nicht verbrannt. Die Falten seitlich und unterhalb seiner Augen sahen so aus, als wären sie eher von seiner Arbeit als von den vergangenen Jahren verursacht worden. Ein Gesicht, das in ständigem Kampf mit den Elementen lag. Hohe Wangenknochen, ein voller Mund, ein nicht zu kantiger Kiefer, denn es war auch etwas Weiches an diesem Mann, was im krassen Gegensatz zu seinem drahtigen, professionellen Aussehen stand.

Diese Weichheit zeigte sich auch in seinen Augen. Sie waren nicht schwach, sondern neugierig. Die Augen eines Mannes, der alles wissen wollte – vielleicht deshalb, weil er es früher nicht zu genau hatte wissen wollen.

Dieser Mann hatte viel erlebt.

Als er genug gesehen hatte, grüßte er den uniformierten Portier mit einem Lächeln und einem kurzen, verneinenden Kopfschütteln.

»Kein Taxi, Mr. McAuliff?«

»Nein danke, Jack. Ich werde zu Fuß gehen.«

»Es ist recht frisch, Sir.«

»Das wird mir guttun — ich mache nur einen kleinen Spaziergang. «

Der Portier tippte sich an seine Mütze, dann widmete er seine Aufmerksamkeit einem heranrollenden Jaguar. Alexander McAuliff ging durch den Savoy Court, vorbei am Theater und dem Büro von American Express, bis er zur Strand kam. Er überquerte den Bürgersteig und reihte sich in den Strom menschlichen Verkehrs ein, der nach Norden auf die Waterloo Bridge zufloß. Um die Februarkälte von London abzuwehren, knöpfte er seinen Mantel zu und schlug den Kragen hoch.

Es war fast ein Uhr. Um eins sollte er an der Kreuzung vor der Waterloo Station sein. Er hatte nur noch ein paar Minuten Zeit, wenn er pünktlich sein wollte.

Zwar hatte er sich damit einverstanden erklärt, den Mann von Dunstone Limited auf diese seltsame Art und Weise zu treffen, aber er hoffte, daß sein Ton deutlich gemacht hatte, wie verärgert er darüber war. Es wäre überhaupt kein Problem gewesen, ein Taxi zu nehmen oder einen Wagen oder einen Chauffeur zu mieten, falls es notwendig gewesen wäre. Wenn Dunstone einen Wagen für ihn schickte, warum dann nicht gleich bis zum Savoy? Er hatte nichts gegen den kleinen Spaziergang, aber er haßte es, sich mitten auf einer verstopften Straße mit jemandem in einem Auto zu treffen. Es war mehr als nur ärgerlich.

Der Mann von Dunstone hatte eine kurze, knappe Erklärung dafür gehabt, die für ihn ein zwingender Grund war – für alles und jedes: »Mr. Julian Warfield ist es so lieber.«

McAuliff sah den Wagen sofort. Er mußte von Dunstone sein – und/oder von Warfield. Ein St. James Rolls-Royce, dessen glänzend schwarze, handgearbeitete Karosserie sich majestätisch und anachronistisch einen Weg durch die benzinsparenden Austins, MGs und europäischen Importautos bahnte. Alex wartete am Bordstein, drei Meter von dem Fußweg entfernt, der auf die Brücke führte, ohne zu winken oder dem langsam heranrollenden Rolls auf eine andere Weise zu zeigen, daß er ihn gesehen hatte. Er wartete, bis der Wagen direkt vor ihm anhielt. Hinter dem Steuer saß ein Chauffeur, das hintere Fenster war heruntergedreht.

»Mr. McAuliff?« sagte das alterslos aussehende Gesicht im Fensterrahmen fragend.

»Mr. Warfield?« fragte McAuliff, der genau wußte, daß dieser etwa fünfzig Jahre alte, steif wirkende Managertyp nicht Warfield war.

»Du meine Güte, nein. Mein Name ist Preston. Bitte steigen Sie ein, ich glaube, wir halten den Verkehr auf.«

»Ja, das scheint mir auch so.« Alex stieg hinten ein und setzte sich auf den Rücksitz, während Preston zur Seite rückte.

Der Engländer streckte ihm die Hand entgegen. »Freut mich, Sie kennenzulernen. Wir haben telefoniert.«

»Ja, Mr. Preston.«

»Es tut mir wirklich leid, Ihnen mit diesem Treffen solche Umstände machen zu müssen. Der alte Julian hat seine Marotten, das können Sie mir glauben.«

McAuliff überlegte, ob er den Mann von Dunstone Limited vielleicht falsch eingeschätzt hatte. »Es war nur ein wenig verwirrend, das ist alles. Falls es eine Vorsichtsmaßnahme sein sollte – ich kann mir allerdings nicht vorstellen, warum -, hat er allerdings einen verdammt auffälligen Wagen geschickt.«

Preston lachte. »Das stimmt. Aber im Laufe der Jahre habe ich festgestellt, daß Warfields Wege – genau wie jene Gotteszwar oft seltsam, aber am Ende immer logisch sind. Er ist ganz in Ordnung. Sie werden mit ihm zu Mittag essen.«

»Schön. Wo?«

»Belgravia.«

»Ist das dann nicht der falsche Weg?«

»Julian und Gott – beide am Ende immer logisch, mein Junge. «

Der Rolls-Royce ließ Waterloo hinter sich, dann fuhr er weiter nach Süden zur Cut, bog links ab, bis er die Blackfriars Road erreicht hatte, dann wieder links, rollte über die Blackfriars Bridge, schließlich nach Norden in Richtung Holborn. Es war eine verwirrende Route.

Zehn Minuten später hielten sie unter einem Baldachin vor einem weißen Haus. Rechts von der gläsernen Doppeltüre war eine Messingtafel angebracht, auf der SHAFTSBURY ARMS stand. Der Portier hielt ihnen die Tür auf und begrüßte sie freundlich.

»Guten Tag, Mr. Preston.«

»Guten Tag, Ralph.«

McAuliff folgte Preston in das Haus und auf die drei Fahrstühle zu, die sich in der elegant eingerichteten Eingangshalle befanden. »Ist das hier Warfields Haus?« fragte er nicht so sehr aus Neugier, sondern eher, um überhaupt etwas zu sagen.

»Nein. Es gehört mir. Beim Mittagessen werde ich allerdings nicht dabeisein. Ich verlasse mich jedoch voll und ganz auf meine Köchin – Sie sind hier in den besten Händen.«

»Kein Kommentar – ›Julian und Gott<.«

Preston lächelte unverbindlich, während sich die Fahrstuhltür öffnete.

Julian Warfield telefonierte gerade, als Preston mit McAuliff in das geschmackvoll, ja elegant eingerichtete Wohnzimmer trat. Der alte Mann stand neben einem antiken Tisch vor einem hohen Fenster, das auf den Belgravia Square hinausging. Das große Fenster, das von langen weißen Vorhängen eingefaßt war, ließ Warfield noch kleiner wirken. Er ist wirklich ein sehr kleiner Mann, dachte Alex, während er Warfields Winken mit einem Kopfnicken und einem Lächeln beantwortete.

»Sie schicken dann die Liste mit den Abgrenzungsposten an Macintosh«, sagte Warfield bedächtig in das Telefon. Er meinte es nicht als Frage. »Ich bin sicher, daß er anderer Meinung sein wird, und dann können Sie das Ganze ja zusammen ausdiskutieren. Auf Wiederhören.« Der kleine alte Mann legte den Hörer auf und sah zu Alex hinüber. »Mr. McAuliff, nicht wahr?« Dann lachte er leise in sich hinein. »Das eben war ein Paradebeispiel für gute Geschäftsführung. Stellen Sie Experten ein, die sich über alles und jedes uneinig sind, und nehmen Sie die besten Argumente von beiden Seiten, um zu einem Kompromiß zu gelangen.«

»Im großen und ganzen halte ich das für einen guten Rat«, erwiderte McAuliff. »Solange sich die Experten über die Materie streiten und nicht, weil sie sich nicht ausstehen können.«

»Sie sind schlagfertig. Das gefällt mir. Schön, Sie zu sehen.« Warfield ging auf Preston zu. Sein Gang war genauso wie seine Sprache — langsam und bedächtig. Der Geist selbstbewußt, der Körper unsicher. »Clive, ich danke dir, daß du mir dein Domizil überlassen hast. Und Virginia natürlich auch. Aus Erfahrung weiß ich, daß das Mittagessen superb sein wird.«

»Nichts zu danken, Julian. Ich gehe jetzt.«

Mit einem Ruck fuhr McAuliffs Kopf herum. Er sah Preston an. Diese Vertrautheit zwischen ihm und dem alten Warfield hatte er nicht erwartet. Clive Preston lächelte und verließ das Zimmer schnell, während Alex ihm verwirrt nachsah.

»Um Ihre unausgesprochene Frage zu beantworten«, sagte Warfield, »Sie haben zwar mit Preston telefoniert, aber er ist kein Angestellter von Dunstone Limited, Mr. McAuliff.«

Alexander wandte sich wieder dem Geschäftsmann zu. »Immer wenn ich im Büro von Dunstone angerufen habe, um mit Ihnen zu sprechen, mußte ich eine Nummer hinterlassen, unter der ich dann zurückgerufen wurde ... «

»... und zwar innerhalb weniger Minuten«, ergänzte Warfield. »Wir haben Sie nie warten lassen, das wäre unhöflich gewesen. Jedesmal, wenn Sie angerufen haben – viermal, glaube ich -, hat meine Sekretärin Mr. Preston informiert. In seinem Büro.«

»Und der Rolls-Royce gehört Preston«, sagte Alex.

»Ja.«

»Wenn mir also jemand gefolgt wäre, würde es so aussehen, als hätte ich geschäftlich mit Preston zu tun. Und zwar seit meiner Ankunft in London.«

»Das war unsere Absicht.«

»Warum?«

»Das erklärt sich eigentlich von selbst. Es ist uns lieber, wenn niemand weiß, daß wir mit Ihnen über einen Vertrag sprechen. Darauf haben wir ja bereits bei unserem ersten Anruf bei Ihnen in New York großen Wert gelegt.«

»Sie sagten, es sei vertraulich. Das sagt jeder. Wenn es Ihnen damit wirklich so ernst ist, warum haben Sie dann den Namen Dunstone Limited überhaupt erwähnt?«

»Wären Sie sonst hierhergeflogen?«

McAuliff dachte einen Augenblick lang nach. Abgesehen von einer Woche Skiurlaub in Aspen waren mehrere andere Projekte im Gespräch gewesen. Aber Dunstone war Dunstone - eines der größten Unternehmen weltweit. »Nein, vermutlich nicht.«

»Das dachten wir uns. Wir wußten, daß Sie mit ITT über ein kleines Projekt in Süddeutschland verhandeln wollten.«

Alex starrte den alten Mann an. Plötzlich mußte er lächeln. »Das, Mr. Warfield, sollte eigentlich ebenso vertraulich sein wie alles, was Sie tun.«

Auch Warfield machte einen kleinen Scherz. »Dann wissen wir ja, wer es mit der Vertraulichkeit genau nimmt, nicht wahr? Aber ITT lag doch auf der Hand... Kommen Sie, wir trinken etwas, und dann essen wir Mittag. Ich weiß, was Sie bevorzugen – Scotch mit Eis. Mehr Eis, als für den Magen gut ist.«

Der alte Mann lachte leise und führte McAuliff zu einer Bar aus Mahagoniholz auf der anderen Seite des Raumes.

»Ich habe einiges über Sie erfahren, Mr. McAuliff. Alles sehr interessant.«

»Ich habe gehört, daß jemand viele Fragen stellt.« Sie saßen sich in tiefen Sesseln gegenüber. Als McAuliff dies sagte, hob Warfield den Blick von seinem Glas und sah Alex durchdringend, beinahe verärgert an.

»Das kann ich mir nur schwer vorstellen.«

»Es wurden keine Namen genannt, aber ich habe davon gehört. Acht Personen. Fünf Amerikaner, zwei Kanadier, ein Franzose.«

»Die nicht mit Dunstone in Verbindung gebracht werden können.« Warfields kleiner Körper schien zu erstarren. McAuliff wurde klar, daß er eine empfindliche Stelle getroffen hatte.

»Ich sagte, es wurden keine Namen genannt.«

»Haben Sie Dunstone nach unserem Gespräch je in einer Unterhaltung mit anderen erwähnt? Sagen Sie mir die Wahrheit, Mr. McAuliff.«

»Ich wüßte keinen Grund, warum ich Ihnen nicht die Wahrheit sagen sollte«, antwortete Alex etwas gereizt. »Nein, das habe ich nicht.«

»Ich glaube Ihnen.«

»Das sollten Sie auch.«

»Wenn ich das nicht tun würde, würde ich Sie jetzt großzügig für Ihre Zeit entschädigen und vorschlagen, daß Sie nach Amerika zurückfliegen und bei ITT unterschreiben.«

»Das könnte ich doch trotzdem tun, nicht wahr? Diese Möglichkeit habe ich immer noch.«

»Geld bedeutet Ihnen viel.«

»Sehr viel.«

Julian Warfield stellte sein Glas ab und legte seine dünnen kleinen Hände aufeinander. »Alexander T. McAuliff. Das >T< steht für Tarquin, wird jedoch so gut wie nie verwendet. Es findet sich nicht einmal auf Ihrem Briefpapier. Man sagt, es gefalle Ihnen nicht ...«

»Stimmt. Ich bin nicht gerade versessen darauf.«

»Alexander Tarquin McAuliff, achtunddreißig Jahre alt, Hochschulabschluß, Promotion, aber der Doktortitel wird so selten verwendet wie der zweite Vorname. Die geologischen Fakultäten mehrerer führender amerikanischer Universitäten, darunter California Tech und Columbia, verloren einen ausgezeichneten Forschungsstipendiaten, als Dr. McAuliff sich dazu entschloß, seine Kenntnisse für eine etwas einträglichere Beschäftigung zu nutzen.« Warfield lächelte. Sein Gesichtsausdruck schien »Wie mache ich das?« zu fragen; auch das war keine Frage.

»Der Druck seitens der Fakultät und des Labors ist nicht weniger stark als der in der freien Wirtschaft. Warum also soll man sich nicht dafür bezahlen lassen?«

»Stimmt. Wir haben ja bereits festgestellt, daß Ihnen Geld viel bedeutet.«

»Ihnen nicht?«

Warfield lachte – es war ein lautes, echtes Lachen. Sein dünner kleiner Körper schüttelte sich fast vor Vergnügen, während er zu Alex hinüberging und mit ihm anstieß. »Ausgezeichnete Antwort. Wirklich ganz ausgezeichnet.«

»So gut war sie nun auch wieder nicht ...« «

»Aber Sie unterbrechen mich«, sagte Warfield, nachdem er sich wieder hingesetzt hatte. »Ich habe die Absicht, Sie zu beeindrucken. «

»Doch hoffentlich nicht mit mir selbst.«

»Nein, mit unserer Gründlichkeit. Sie kommen aus einer Familie mit einem sehr engen Zusammenhalt, einem stark akademischen Hintergrund...«

»Ist das notwendig?« unterbrach McAuliff den alten Mann. Er spielte mit seinem Glas herum.

»Ja, das ist es«, erwiderte Warfield und sprach weiter, als wäre sein Gedankengang nicht unterbrochen worden. »Ihr Vater war – und ist, im Ruhestand – ein sehr angesehener Agrarwissenschaftler, Ihre Mutter – sie ist leider schon verstorben - eine hoffnungslos romantische Seele, die von allen geliebt wurde. Das >Tarquin< haben Sie von ihr, und bis zu ihrem Tod haben Sie die Initiale oder den Namen nie weggelassen. Sie hatten einen älteren Bruder, der Pilot war. Er wurde in den letzten Tagen des Koreakrieges abgeschossen. Sie selbst haben sich mit Auszeichnung in Vietnam bewährt ... Nachdem Sie Ihren Doktor gemacht hatten, nahm man an, daß Sie die akademische Tradition der Familie fortsetzen würden. Bis eine private Tragödie Sie aus dem Labor getrieben hat. Auf einer Straße in New York wurde eine junge Frau – Ihre Verlobte — getötet. Nachts. Sie gaben sich die Schuld daran — und anderen. Sie waren mit ihr verabredet gewesen, aber eine eilig angesetzte, völlig unnötige Besprechung im Labor hatte Sie daran gehindert, diese Verabredung einzuhalten ... Alexander Tarquin McAuliff verließ die Universität fluchtartig. Ist mein Versuch einer Biografie Ihres Lebens bis jetzt korrekt?«

»Sie verletzen meine Privatsphäre. Sie erzählen mir Details, die mein Privatleben betreffen, auch wenn sie nicht geheim sind. Außerdem sind Sie ausgesprochen widerwärtig. Ich glaube nicht, daß ich mit Ihnen zu Mittag essen möchte.«

»Nur noch ein paar Minuten. Dann können Sie sich entscheiden. «

»Ich kann mich auch jetzt schon entscheiden.«

»Natürlich. Nur noch ein paar Worte — Dr. McAuliff widmete sich seiner neuen Karriere mit außerordentlicher Zielstrebigkeit. Er ließ sich von mehreren bekannten Unternehmen anstellen, die geologische Vermessungen durchführen. Dort leistete er ganz hervorragende Arbeit. Dann verließ er diese Unternehmen wieder und unterbot sie bei den nächsten Verträgen. Industriebau kennt keine Staatsgrenzen — Fiat baut in Moskau, General Motors in Berlin, British Petroleum in Buenos Aires, Volkswagen in New Jersey/USA, Renault in Madrid — ich könnte stundenlang so weitermachen... Alles beginnt mit einer Akte, die mit komplizierten Absätzen voller Fachausdrücke gespickt ist, in denen beschrieben wird, was auf dem Land gebaut werden kann und was nicht. Ein einfacher, für selbstverständlich gehaltener Vorgang. Aber ohne diese Akte geht nichts.«

»Ihre paar Minuten sind um, Warfield. Im Namen der Landvermesser danke ich Ihnen dafür, daß Sie unsere Notwendigkeit anerkannt haben. Wie Sie sagten — wir werden allzuoft als Selbstverständlichkeit angesehen.« McAuliff stellte sein Glas auf den Tisch neben seinem Sessel und wollte aufstehen.

Warfield sprach mit ruhiger, klarer Stimme weiter. »Sie haben dreiundzwanzig Bankkonten. Vier davon sind in der Schweiz, wenn Sie möchten, kann ich Ihnen die Nummern nennen. Weitere Konten unter anderem in Prag, Tel Aviv, Montreal, Brisbane, Säo Paulo, Kingston, Los Angeles und natürlich New York.«

Alexander blieb unbeweglich auf der Kante seines Sessels sitzen und starrte den kleinen alten Mann an. »Sie waren fleißig.«

»Gründlich ... Nichts ausgesprochen Illegales, auf keinem der Konten liegen große Summen. Insgesamt belaufen sie sich auf etwa 2,4 Millionen US-Dollar. Das war der Stand vor einigen Tagen, als Sie aus New York abgeflogen sind. Leider ist diese Zahl ohne Bedeutung. Aufgrund internationaler Vereinbarungen in bezug auf Kapitalüberweisungen kann das Geld nicht zentralisiert werden.«

»Jetzt bin ich mir sicher, daß ich nicht mit Ihnen essen will.«

»Gut. Aber was halten Sie von weiteren zwei Millionen Dollar? Netto, nach Abzug aller amerikanischen Steuern. Auf ein Konto bei einer Bank Ihrer Wahl.«

McAuliff starrte Warfield an. Es dauerte eine Weile, bis er etwas sagte. »Das ist Ihr Ernst, nicht wahr?«

»Mein völliger Ernst.«

»Für eine Landvermessung?«

»Ja.«

»Hier in London gibt es fünf gute Firmen. Wenn Sie soviel zahlen, warum wollen Sie dann mich? Warum arbeiten Sie nicht mit denen?«

»Wir wollen keine Firma. Wir wollen nur einen Mann. Einen Mann, den wir gründlich überprüft haben. Einen Mann, von dem wir glauben, daß er den wichtigsten Aspekt dieses Vertrages respektieren wird: Geheimhaltung.«

»Das läßt auf nichts Gutes schließen.«

»Ganz und gar nicht. Es ist eine Grundvoraussetzung für die Finanzierung. Sollte auch nur ein einziges Wort nach draußen dringen, würden die Spekulanten anrücken, die Bodenpreise in die Höhe schießen, und das Projekt würde untragbar werden. Wir müßten es aufgeben.«

»Um was geht es? Ich muß das wissen, bevor ich Ihnen eine Antwort gebe.«

»Wir wollen eine Stadt bauen. Auf Jamaika.«

2.

McAuliff lehnte Warfields Angebot, den Wagen Prestons für ihn nach Belgravia zurückzuholen, höflich ab. Alex wollte zu Fuß gehen, in der kalten Winterluft nachdenken. In Bewegung zu sein half ihm dabei, seine Gedanken zu ordnen. Der kalte, frostige Wind zwang seine Konzentration nach innen.

Es gab eigentlich gar nicht so viel, worüber er nachdenken mußte. Er mußte es eher begreifen. In gewisser Hinsicht war die Jagd jetzt vorbei. Das Ende des verschlungenen Labyrinthes war in Sicht, nach elf Jahren ruhelosen Herumirrens. Nicht wegen des Geldes an sich. Aber wegen des Geldes als Mittel zur Unabhängigkeit.

Absolute, totale Unabhängigkeit. Niemals mehr das tun müssen, was er nicht tun wollte.

Der Tod von Ann — ihre Ermordung — war der Auslöser gewesen. Ganz gewiß die rationale Erklärung, das war ihm klar. Aber für diese rationale Erklärung gab es schwerwiegende Gründe, die über den emotionalen Ausbruch hinausgingen. Die Besprechung im Labor — von Warfield treffend als ›völlig unnötig< bezeichnet — war symptomatisch für das ganze akademische System gewesen.

Alle Arbeiten im Labor waren darauf ausgerichtet, den Ansprüchen für die Verteilung von Forschungsgeldern zu entsprechen. Großer Gott! Soviel sinnlos vergeudete Energie! So viele sinnlose Besprechungen! So viele sinnvolle Projekte, die nie beendet wurden, weil Zuwendungen nicht genehmigt wurden oder ein Verwaltungsbeamter der Fakultät die Prioritäten änderte, um noch mehr ins Auge stechende Fortschritte für fortschrittsorientierte Stiftungen zu erreichen.

Alex hatte das akademische System nicht bekämpfen können, aber er war viel zu wütend gewesen, um in diesem politischen Wirrwarr mitzuspielen. Daher hatte er ihm den Rükken gekehrt.

Die Firmen in der freien Wirtschaft haßte er genauso. Du lieber Himmel ... Nur die Prioritäten waren anders. Sie orientierten sich ausschließlich an einem Ziel — Gewinn. Projekte, die nicht die bestmöglichen >Gewinnaussichten< versprachen, wurden ohne einen Blick zurück eingestellt.

Bleiben Sie bei der Sache. Verschwenden Sie keine Zeit.

Deshalb hatte er auch den Firmen den Rücken gekehrt und sich selbständig gemacht. So konnte er selbst entscheiden, welchen Preis die Leistungen hatten, die man von ihm erwartete. Und ob sie es wert waren.

Wenn er darüber nachdachte — alles, was Warfield vorgeschlagen hatte, war nicht nur legal und akzeptabel, sondern geradezu fantastisch. Zwei Millionen Dollar netto für eine legale Landvermessung, von der Alex wußte, daß er sie durchführen konnte.

Er war schon in dem Gebiet in Jamaika gewesen, das vermessen werden sollte — östlich und südlich von Falmouth, an der Küste entlang bis zur Duncan’s Bay, ins Landesinnere hinein bis ins Cock Pit. Für das Cock Pit schien sich Dunstone am meisten zu interessieren — eine riesige Fläche aus unbewohnten, in einigen Fällen nicht einmal kartographierten Berg- und Dschungelgebieten. Brachliegendes Land, zehn Minuten mit dem Flugzeug von den Bequemlichkeiten Montego Bays entfernt, fünfzehn von dem rasant wachsenden, explodierenden New Kingston.

Dunstone würde ihm die genauen Längen- und Breitengrade in den nächsten drei Wochen mitteilen. Innerhalb dieser Zeit sollte er auch sein Team zusammenstellen.

Alex war jetzt wieder auf der Strand. Einige Straßen vor ihm lag der Savoy Court. Eigentlich hatte er sich noch nicht entschieden. Andererseits gab es auch nichts zu entscheiden - er mußte sich lediglich darüber klar werden, ob er damit anfangen sollte, an der Universität nach Leuten zu suchen. Er war sicher, daß es keinen Mangel an interessierten Bewerbern geben würde. Hoffentlich brachten sie die Qualifikationen mit, die er verlangte.

Es war alles in Ordnung. In bester Ordnung.

Er ging die kleine Gasse hinunter bis in den Innenhof, lächelte dem Portier zu und trat durch die dicken Glastüren des Savoy. An der Rezeption auf der rechten Seite fragte er, ob jemand eine Nachricht für ihn hinterlassen habe.

Es waren keine Nachrichten da.

Trotzdem wurde er aufgehalten. Der mit einem Smoking bekleidete Hotelangestellte am Empfang stellte ihm eine sonderbare Frage. »Werden Sie jetzt nach oben gehen, Mr. McAuliff?«

»Ja — ja, ich werde jetzt nach oben gehen«, antwortete Alex verwirrt. »Warum?«

»Bitte?«

»Warum fragen Sie?« Alex lächelte.

»Der Zimmerservice, Sir«, erwiderte der Mann mit einem wachen Blick in den Augen. Seine weiche, britische Stimme klang überzeugend. »Es wird gerade geputzt oder gebügelt. Wir haben zur Zeit schrecklich viel zu tun.«

»Ich verstehe. Danke.« Alex lächelte wieder, nickte dankend und ging zu dem kleinen messingverzierten Fahrstuhl hinüber. Er hatte versucht, den Augen des Hotelangestellten noch etwas anderes zu entlocken, aber es war ihm nicht gelungen. Und doch wußte er, daß da noch etwas anderes war. Er kam jetzt seit sechs Jahren in dieses Hotel, und nie hatte ihn jemand gefragt, ob er »jetzt nach oben gehen« werde. Angesichts der englischen Umgangsformen und noch mehr der Umgangsformen im Savoy war eine solche Frage einfach unmöglich.

Oder reagierte er nur zu schnell und zu heftig auf die Warnungen Dunstones?

Als McAuliff in seinem Zimmer war, zog er sich bis auf die Unterhose aus, streifte einen Bademantel über und bestellte beim Etagenkellner Eis. Auf dem Schreibtisch stand noch eine fast volle Flasche Scotch. Er setzte sich in einen Sessel und schlug eine Zeitung auf, die von dem aufmerksamen Zimmerservice bereitgelegt worden war.

Kurz darauf — die Etagenkellner des Savoy waren für ihre Schnelligkeit bekannt — klopfte es an der Tür zum Korridor. McAuliff stand auf, dann blieb er plötzlich stehen.

Die Etagenkellner des Savoy klopften nicht an die Tür zum Korridor — sie schlossen sie auf und kamen in den Eingangsbereich. Wollte man nicht gestört werden, sperrte man die Tür zum Schlafzimmer ab, die auf den Eingangsbereich hinausführte.

Alex eilte zur Tür und öffnete sie. Vor sich sah er nicht den Etagenkellner, sondern einen großen, freundlich aussehenden Mann mittleren Alters, der einen Tweedmantel trug.

»Mr. McAuliff?«

»Ja?«

»Mein Name ist Hammond. Ich würde gern mit Ihnen sprechen, Sir.«

»Wie bitte? Sicher ... Gewiß.« Alex warf einen Blick in den Korridor, während er dem Mann bedeutete, vor ihm hineinzugehen. »Ich habe Eis bestellt. Ich dachte, Sie wären der Etagenkellner. «

»Könnte ich dann vielleicht — Verzeihung — in Ihr Badezimmer gehen, Sir? Es wäre mir lieber, wenn ich nicht gesehen werde.«

»Wie bitte? Arbeiten Sie für Warfield?«

»Nein, Mr. McAuliff. Für den britischen Geheimdienst.«

3.

»Das war wohl eine etwas jämmerliche Vorstellung, Mr. McAuliff. Haben Sie was dagegen, wenn ich noch mal beginne? « Hammond betrat das kombinierte Wohn-/Schlafzimmer.

Alex ließ Eiswürfel in ein Glas fallen. »Nicht nötig. Es ist das erste Mal, daß jemand an die Tür meines Hotelzimmers klopft, sagt, er sei vom britischen Geheimdienst und darum bittet, das Badezimmer benutzen zu können. Ich finde das sehr originell. Was zu trinken?«

»Danke. Ohne Eis, bitte, aber mit etwas Soda.«

McAuliff schenkte Hammond das Gewünschte ein und reichte ihm das Glas dann. »Ziehen Sie doch Ihren Mantel aus, und setzen Sie sich.«

»Sehr freundlich von Ihnen. Danke.« Der Brite schlüpfte aus seinem Tweedmantel und legte ihn ordentlich über die Rückenlehne eines Stuhls.

»Sie haben mich neugierig gemacht, Mr. Hammond.« McAuliff saß am Fenster, gegenüber von Hammond. »Der Hotelangestellte an der Rezeption hat mich gefragt, ob ich nach oben gehe. Das war Ihretwegen, nicht wahr?«

»Ja, aber er weiß von nichts. Er glaubt, der Hoteldirektor wolle Sie auf diskrete Weise aufsuchen. Das wird häufig so gemacht. In der Regel, wenn es um finanzielle Angelegenheiten geht.«

»Herzlichen Dank.«

»Wir korrigieren diesen Eindruck wieder, wenn es Sie stört.«

»Das tut es nicht.«

»Ich war im Keller. Als man mich benachrichtigt hat, bin ich über den Lastenaufzug heraufgekommen.«

»Ziemlich umständlich ...«

»Aber notwendig«, unterbrach Hammond ihn. »Sie werden seit einigen Tagen beobachtet. Ich wollte Sie nicht beunruhigen. «

McAuliff, der gerade einen Schluck aus seinem Glas trinken wollte, hielt inne. »Sie beunruhigen mich sehr. Ich nehme an, daß ich nicht von Ihren Leuten beobachtet werde?«

»Nun, man könnte es so ausdrücken, daß wir — aus einiger Entfernung — sowohl die Verfolger als auch den Verfolgten im Auge haben.« Hammond trank einen Schluck von seinem Whisky und lächelte.

»Ich glaube nicht, daß mir dieses Spiel gefällt«, sagte McAuliff leise.

»Uns geht es genauso. Darf ich Ihnen noch etwas mehr zu meiner Person sagen?«

»Ich bitte darum.«

Hammond zog ein schwarzes Lederetui mit einem Ausweis aus der Tasche seines Jacketts, stand auf und ging zu McAuliff hinüber. Er hielt ihm das flache Etui hin und klappte es auf.

»Unter dem Siegel steht eine Telefonnummer. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie dort anrufen würden, um sich zu vergewissern, Mr. McAuliff.«

»Das ist nicht notwendig, Mr. Hammond. Sie haben ja nichts von mir verlangt.«

»Vielleicht tue ich das noch.«

»Wenn Sie es tun, werde ich anrufen.«

»Ich verstehe. Also gut.« Hammond setzte sich wieder auf seinen Stuhl. »Wie Sie aus meinem Ausweis ersehen können, arbeite ich für den militärischen Nachrichtendienst. Dort steht allerdings nicht, daß ich für das Außenministerium und die Finanzverwaltung zuständig bin. Ich bin Finanzexperte.«

»Beim Geheimdienst?« Alex erhob sich und ging zu dem Eisbehälter und dem Whisky hinüber. Er deutete darauf, aber Hammond schüttelte den Kopf. »Das ist ungewöhnlich, oder? Bei einer Bank oder einem Maklerbüro — ja, aber doch nicht im Spionagegeschäft.«

»Der weitaus größte Teil unserer Arbeit hat mit der Finanzwelt zu tun, Mr. McAuliff. Wobei natürlich der Zusammenhang manchmal mehr, manchmal weniger augenfällig ist.«

»Ich nehme alles zurück.« Alex goß sich einen Drink ein und stellte fest, daß er nur deshalb keine Antwort von Hammond bekam, weil dieser wartete, bis er wieder zu seinem Stuhl zurückgegangen war. »Wenn ich darüber nachdenke, wird mir klar, was Sie meinen«, sagte er und setzte sich.

»Vor einigen Minuten haben Sie mich gefragt, ob ich für Dunstone Limited arbeite.«

»Ich glaube nicht, daß ich es so ausgedrückt habe.«

»Also gut. Julian Warfield — das kommt aufs gleiche heraus. «

»Ein Fehler meinerseits. Ich fürchte, ich kann mich nicht daran erinnern, Sie überhaupt etwas gefragt zu haben.«

»Ja, natürlich. Das ist ein wesentlicher Bestandteil Ihrer Vereinbarung. Sie dürfen weder Mr. Warfield noch Dunstone noch sonst jemanden — oder etwas — erwähnen, das mit diesen Namen in Zusammenhang steht. Wir akzeptieren das. Offen gesagt, halten auch wir es zu diesem Zeitpunkt für das beste. Unter anderem deshalb, weil wir glauben, daß man Sie töten würde, falls Sie Ihre Geheimhaltungspflicht verletzen sollten.«

McAuliff ließ sein Glas sinken und starrte den Engländer an, der ruhig und gelassen gesprochen hatte. »Das ist ja absurd«, sagte er nur.

»Das ist Dunstone Limited«, erwiderte Hammond leise.

»Das sollten Sie mir erklären.«

»Ich werde mein Bestes tun. Zunächst einmal wird für diese geophysikalische Vermessung, für die man Sie engagiert hat, bereits das zweite Team losgeschickt ...«

»Das hat man mir nicht gesagt«, unterbrach McAuliff ihn.

»Aus gutem Grund. Die Mitglieder des ersten Teams sind tot. Oder besser: verschwunden und tot. Von den jamaikanischen Mitarbeitern gibt es bis heute keine Spur. Die Weißen sind tot, da sind wir sicher.«

»Wieso? Ich meine, wieso sind Sie da so sicher?«

»Dafür gibt es einen einfachen Grund, Mr. McAuliff. Einer der Männer war ein britischer Agent.«

McAuliff hörte fasziniert zu, was der Mann vom Geheimdienst ihm mit sanfter Stimme erzählte. Hammond wirkte wie ein Dozent aus Oxford, der über die geheimnisvollen Aspekte eines düsteren elisabethanischen Dramas referierte und geduldig jede einzelne Wendung einer im Grunde unerklärlichen Handlung erläuterte. Wo Fakten fehlten, äußerte er Vermutungen, was er McAuliff auch deutlich zu verstehen gab.

Hammond zufolge war Dunstone Limited nicht nur ein Unternehmen, das Landflächen für gewerbliche Zwecke erschloß. Seine Ziele gingen erheblich über jene eines Mischkonzerns hinaus. Auch war es in Wirklichkeit nicht so ausschließlich britisch, wie die Geschäftsleitung nach außen hin glauben machen wollte. In Wirklichkeit war Dunstone Limited, London, der >Firmensitz< einer Organisation aus internationalen Investoren, deren Ziel der Aufbau von weltweiten Kartellen war, die ohne Einmischung und Kontrollen seitens des europäischen Marktes und seiner Handelspartner operieren konnten. Eine Organisation, die also — eine Vermutung — den wirtschaftlichen Einfluß der Regierungen ausschalten wollte. Washington, London, Bonn, Paris, Den Haag und alle anderen Striche auf dem Kompaß der Finanzwelt sollten letzten Endes auf Kunden reduziert werden, die keine finanzielle oder politische Macht mehr besaßen.

»Sie unterstellen damit, daß Dunstone gerade dabei ist, eine eigene Regierung zu bilden.«

»Genau. Eine Regierung, die ausschließlich nach volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten geführt wird. Eine Konzentration von Finanzmitteln, wie es sie seit der Zeit der Pharaonen nicht mehr gegeben hat. Zeitgleich mit dieser wirtschaftlichen Katastrophe — und von ebensolcher Bedeutung — soll die Regierung von Jamaika durch Dunstone Limited übernommen werden. Jamaika ist Dunstones geplante Operationsbasis. Und es könnte ihnen gelingen, Mr. McAuliff.«

Alex stellte sein Glas auf die breite Fensterbank. Er sprach langsam und suchte nach Worten, während er auf die Schieferdächer blickte, die sich auf den Savoy Court neigten. »Lassen Sie mich das noch einmal wiederholen — das, was Sie mir erzählt haben, und das, was ich weiß. Dunstone hat vor, in großem Umfang in die Erschließung von Jamaika zu investieren. Gut, darüber sind wir uns einig. Die Summen sind astronomisch. Als Gegenleistung für diese Investitionen erwartet das Unternehmen, daß die dankbare Regierung in Kingston ihm ein wenig entgegenkommt. Zumindest würde ich das erwarten, wenn ich Dunstone wäre. Die üblichen Steuervorteile, Importvergünstigungen, Zugeständnisse bei der Beschäftigung, Immobilien — allgemeine Anreize. Das ist nichts Neues.« McAuliff drehte sich um und sah Hammond an. »Ich weiß nicht, ob das auf eine Finanzkatastrophe hindeutet — mit Ausnahme vielleicht für England.«

»Ich gebe zu, daß Sie recht haben«, sagte Hammond. »Allerdings nur zum Teil. Sie haben das ganz richtig erkannt — es stimmt, daß es uns dabei zunächst nur um Großbritannien ging. Englischer Egoismus, wenn Sie so wollen. Dunstone ist ein wichtiger Faktor in der britischen Handelsbilanz. Wir würden ihn nur äußerst ungern verlieren.«

»Und deshalb schmieden Sie jetzt ein Komplott ...«

»Einen Moment, Mr. McAuliff«, unterbrach ihn der Agent, ohne die Stimme zu heben. »Die Spitzen der britischen Regierung denken sich kein Komplott aus. Wenn Dunstone das wäre, was es zu sein vorgibt, würden die Verantwortlichen in der Downing Street offen für unsere Interessen kämpfen. Ich fürchte jedoch, dies ist nicht der Fall. Dunstones Einfluß reicht bis in überaus sensible Bereiche in London, Bonn, Paris und Rom — und mit absoluter Sicherheit auch in Washington. Aber darauf werde ich später noch einmal zurückkommen. Im Augenblick möchte ich mich gern auf Jamaika konzentrieren. Sie haben von >Vergünstigungen<, >Steuervorteilen<, >Entgegenkommen< und >Anreizen< gesprochen. Ich nenne es >Übernahme<.«

»Worte.«

»Gesetze, Mr. McAuliff. Geltendes Recht, erlassen von Premierminister und Kabinett und Parlament. Denken Sie einen Augenblick darüber nach. Eine funktionsfähige Regierung in einem strategisch günstig gelegenen, unabhängigen Staat, die von einem riesigen Wirtschaftsmonopol mit weltweiten Verbindungen kontrolliert wird ... Das ist kein haarsträubender Unsinn. Wir stehen kurz davor.«

Alex dachte darüber nach — länger als nur einen Augenblick. Hammonds >Erläuterungen<, die dieser so ruhig und gelassen vorgetragen hatte, jagten ihm durch den Kopf.

Ohne zu enthüllen, auf welche Weise der MI5 — der britische Inlandsgeheimdienst — dies herausgefunden hatte, erklärte der Agent anschließend Dunstones Modus operandi. Von Schweizer Banken aus waren riesige Summen nach Kingston in die King Street überwiesen worden, jenen eng umrissenen Bezirk, in dem die großen internationalen Banken ihren Sitz hatten. Aber der Geldregen fiel nicht auf britische, amerikanische oder kanadische Banken — die gingen leer aus, während die weniger sicheren jamaikanischen Banken fassungslos einen in ihrer Firmengeschichte noch nie dagewesenen Zufluß harter Währung registrierten.

Nur wenige wußten, daß die riesigen neuen Reichtümer in Jamaika ausschließlich von Dunstone stammten. Der Beweis dafür war, daß innerhalb eines achtstündigen Geschäftstages ununterbrochen Gelder über eintausend Konten hin- und herflossen. Überrascht fuhren einige Köpfe herum — allerdings nur wenige Köpfe. Einigen ausgewählten Männern in hochrangigen Positionen wurde unwiderlegbar demonstriert, daß eine neue Macht in Kingston herrschte. Eine Macht, die so einflußreich war, daß sie der Wall Street und Whitehall gefährlich werden konnte.

»Wenn Sie soviel wissen, warum greifen Sie dann nicht ein? Halten Sie sie auf.«

»Das ist unmöglich«, antwortete Hammond. »Alle Transaktionen waren gedeckt, man kann niemandem etwas vorwerfen. Warfield ist der führende Kopf von Dunstone. Er arbeitet nach der Devise, daß eine in sich geschlossene Organisation nur dann effizient ist, wenn ihre verschiedenen Arme wenig oder nichts voneinander wissen.«

»Mit anderen Worten, Sie können nichts beweisen und ...« «

»Wir können nichts aufdecken, das wir nicht beweisen können«, unterbrach Hammond ihn. »Das ist richtig.«

»Sie könnten ihnen drohen. Ich meine, Sie könnten mit dem, was Sie jetzt wissen, einen Riesenskandal anzetteln ... Aber dieses Risiko können Sie nicht eingehen, nicht wahr? Es hat was mit diesen >sensiblen< Bereichen in Bonn, Washington, Paris und so weiter zu tun. Habe ich recht?«

»Sie haben recht, Mr. McAuliff.«

»Diese Bereiche müssen verdammt sensibel sein.«

»Wir glauben, daß wir es mit einem internationalen Querschnitt aus einflußreichen Männern zu tun haben.«

»Innerhalb der Regierungen?«

»Und mit der Großindustrie verbündet.«

»Zum Beispiel?«

Hammond sah Alex an. Es war klar, was er jetzt sagen würde. »Sie verstehen, daß das, was ich jetzt sagen werde, lediglich eine Vermutung ist.«

»Natürlich. Außerdem habe ich ein sehr schlechtes Gedächtnis. «

»Also gut.« Der Brite stand auf und ging um seinen Stuhl herum. Er sprach nicht lauter, war aber dennoch gut zu verstehen. »Zu Ihrem Land ... Es wäre durchaus denkbar, daß der Vizepräsident der Vereinigten Staaten oder jemand in seiner nächsten Umgebung involviert ist. Mit Sicherheit wissen wir, daß einige namentlich nicht bekannte Senatsabgeordnete und Minister dazugehören. England: bekannte Persönlichkeiten aus dem Unterhaus und zweifellos mehrere Ministerialdirektoren in der Finanzverwaltung. Deutschland: einflußreiche Mitglieder des Bundestages. Frankreich: eine elitäre Gruppe der erzkonservativen Gaullisten. Warfield muß Männer an seiner Seite haben, auf die diese Beschreibung paßt. Ohne den entsprechenden Einfluß hätte Dunstone unmöglich so weit kommen können, dessen sind wir sicher.«

»Aber Sie wissen nicht, um wen im einzelnen es sich dabei handelt.«

»Nein.«

»Und Sie scheinen der Meinung zu sein, daß ich Ihnen helfen kann.«

»So ist es, Mr. McAuliff.«

»Ihnen steht eine ganze Organisation zur Verfügung, und Sie kommen ausgerechnet zu mir? Ich werde lediglich eine Vermessung für Dunstone durchführen, sonst nichts.«

»Die zweite Vermessung, Mr. McAuliff.«

Alexander starrte den Engländer an. »Sie sagten, das erste Team sei ...«

Hammond ging zu seinem Stuhl zurück und setzte sich wieder. »Ja, Mr. McAuliff. Das bedeutet, daß Dunstone einen Widersacher hat. Jemanden, der genauso tödlich und mächtig ist wie Warfields Organisation. Wir haben nicht die geringste Ahnung, um wen oder was es sich dabei handelt. Wir wissen nur, daß er existiert, daß sie existieren. Wir würden gerne Kontakt mit diesen Leuten aufnehmen, die das gleiche Ziel verfolgen wie wir. Wir können die Sicherheit Ihrer Expedition garantieren. Sie sind der Schlüssel. Ohne Sie kommen wir nicht weiter. Und ohne uns sind Sie und Ihre Leute vielleicht in großer Gefahr.«

McAuliff sprang auf und beugte sich drohend über den britischen Agenten. Er holte ein paarmal tief Luft, dann entfernte er sich mit großen Schritten von Hammond. Ziellos ging er auf und ab. Der Engländer schien Verständnis für seine Reaktion zu haben. Er wartete einfach ab und sagte kein Wort.

»Du lieber Himmel! Sie sind gut, Hammond!« McAuliff kehrte zu seinem Stuhl zurück, setzte sich jedoch nicht. Er griff nach seinem Glas auf dem Fensterbrett, nicht wegen des Whiskys, sondern weil er etwas in der Hand haben wollte. »Sie kommen hier rein, halten mir eine Vorlesung über Wirtschaft, die alle möglichen Anschuldigungen gegen Warfield enthält, und erzählen mir dann in aller Ruhe, daß ich vermutlich gerade meinen letzten Vertrag unterschrieben habe, wenn ich nicht mit Ihnen zusammenarbeite.«

»Das ist ein wenig übertrieben ausgedrückt, mein Freund ...«

»Genau das haben Sie gesagt. Und wenn Sie sich irren?«

»Wir irren uns nicht.«

»Verdammt noch mal, Sie wissen genau, daß ich das nicht nachprüfen kann. Wenn ich zu Warfield gehe und ihm von unserer kleinen Unterhaltung erzähle, verliere ich den Auftrag in der Sekunde, in der ich den Mund aufmache. Und das höchste Honorar, das man einem Landvermesser je angeboten hat.«

»Darf ich Sie nach der Summe fragen? Nur aus Interesse.«

McAuliff sah Hammond an. »Was würden Sie zu zwei Millionen Dollar sagen?«

»Ich würde sagen, es überrascht mich, daß er Ihnen nicht drei Millionen angeboten hat. Oder vier ... Warum auch nicht? Sie könnten das Geld sowieso nicht mehr ausgeben.«

Alex starrte den Engländer immer noch an. »Was wohl heißen soll, daß Dunstone mich töten lassen würde, wenn seine Feinde das nicht vorher übernehmen?«

»Davon gehen wir aus. Es ist die einzige logische Schlußfolgerung. Sobald Ihre Arbeit beendet ist.«

»Ich verstehe ...« Erneut ging McAuliff langsam zu der Whiskyflasche hinüber und schenkte sich einen Drink ein, so konzentriert, als würde er die Flüssigkeit abmessen. Hammond bot er nichts an. »Wenn ich Warfield mit dem konfrontieren würde, was Sie mir eben erzählt haben, würde er mich dann wirklich ...«

»... töten? Dieses Wort hat sich Ihnen wohl eingeprägt, Mr. McAuliff?«

»Ich hatte in meinem bisherigen Leben keine Gelegenheit, mich daran zu gewöhnen, Mr. Hammond.«

»Sicher. Man gewöhnt sich nie daran ... Ja, wir glauben, er würde Sie töten. Töten lassen, natürlich. Nachdem er Sie ausgequetscht hat.«

McAuliff lehnte sich gegen die Wand. Er starrte den Whisky in seinem Glas an, trank aber nicht. »Sie lassen mir keine andere Wahl, nicht wahr?«

»Doch, das tun wir. Ich kann wieder gehen, und wir haben uns nie getroffen.«

»Angenommen, Sie werden von jemandem gesehen? Die Beobachter, von denen Sie gesprochen haben.«

»Niemand wird mich sehen. Vertrauen Sie mir.« Hammond lehnte sich zurück. Nachdenklich legte er die Finger zusammen. »Dann wären wir allerdings nicht mehr in der Lage, Ihnen Schutz zu gewähren. Vor beiden Seiten ...«

»Schutz vor einer Bedrohung, die Sie nicht beweisen können«, warf Alex leise ein.

»Richtig.«

»Also keine Alternative ...« McAuliff drückte sich von der Wand ab und trank einige Schlucke von seinem Whisky. »Nur eine. Gehen wir also mal davon aus, daß ich mit Ihnen zusammenarbeite, Hammond, und Ihnen Ihre Anschuldigungen — oder Theorien oder wie immer Sie es auch nennen - abkaufe: Ich bin Ihnen keine Rechenschaft schuldig.«

»Ich weiß nicht genau, ob ich das verstehe.«

»Ich werde nicht blindlings Befehle akzeptieren. Keine kurze Leine. Das ist meine Bedingung — fürs Protokoll, wenn das der richtige Ausdruck ist.«

»Er muß es sein. Ich habe ihn selbst oft verwendet.«

McAuliff ging vor dem Engländer zu seinem Stuhl und setzte sich auf die Lehne. »Sagen Sie mir in möglichst einfachen Worten: Was soll ich tun?«

Hammonds Stimme war ruhig und klar. »Wir verfolgen zwei Ziele. Zum einen — und das ist das Wichtigste — geht es um Dunstones Gegner. Die Leute, die genug Informationen und Fanatismus besaßen, um die Mitglieder des ersten Vermessungsteams zu töten. Wenn wir wissen, wer sie sind, ist es durchaus möglich, daß Sie dadurch auch das zweite und kaum weniger wichtige Ziel erreichen — die Namen der Personen in Dunstones anonymer Hierarchie. Die gesichtslosen Männer in London, Paris, Bonn, Washington — selbst wenn es nur einer oder zwei sind. Wir sind für jeden konkreten Hinweis dankbar.«

»Wie fange ich an?«

»Ich fürchte, mit sehr wenig. Aber etwas haben wir. Es ist nur ein Wort, vielleicht ein Name, wir wissen es nicht. Doch wir haben allen Grund zu der Annahme, daß es wichtig ist.«

»Ein Wort?«

»Ja. Es lautet >Halidon<.«

4.

McAuliff hatte den Eindruck, er lebte in zwei verschiedenen Welten, von denen keine völlig real war. Tagsüber hatte er Besprechungen mit den Männern und Frauen der geophysikalischen Labors der Londoner Universität, bei denen er Personaldaten für sein Vermessungsteam zusammentrug. Die Universität war — zusammen mit der Royal Historical Society - Dunstones Tarnung. Keine dieser beiden Institutionen wußte, daß die Expedition von Dunstone finanziert wurde.

Nachts traf sich McAuliff bis in die frühen Morgenstunden mit R. C. Hammond vom britischen Geheimdienst, meistens in kleinen, bewachten Häusern in nur schwach beleuchteten Straßen von Kensington und Chelsea. Auf dem Weg dorthin wechselte er das Taxi zweimal — die Fahrer waren alle beim MI5. Für jedes Treffen wurde er mit einer Geschichte ausgestattet, die erklärte, wo er gewesen war — eine Einladung bei Freunden, ein Mädchen, ein gut besuchtes Restaurant, in dem er öfter verkehrte. Nichts Ungewöhnliches, alles einfach zu erklären und nachzuprüfen.

Die Stunden mit Hammond waren in Unterrichtseinheiten aufgeteilt: politisches Klima und finanzielles Umfeld von Jamaika, Kontakte des MI5 auf der Insel sowie Grundkenntnisse in Kommunikation und Abwehr von Überwachungsmaßnahmen und Umgang mit entsprechenden Geräten.

Einige Male brachte Hammond schwarze Agenten mit, die Spezialisten für die Westindischen Inseln waren und so gut wie jede Frage McAuliffs beantworten konnten. Er hatte nicht viele Fragen. Vor etwas mehr als einem Jahr hatte er für den Kaiser-Bauxithandel eine Landvermessung in der Nähe von Oracabessa durchgeführt, was seiner Meinung nach der Grund dafür gewesen sein dürfte, daß Julian Warfield auf ihn aufmerksam geworden war.

Wenn sie allein waren, sprach R. C. Hammond über die Einstellung und die Reaktionen, die Alex entwickeln sollte.

Bauen Sie immer auf einem Teil der Wahrheit auf ... Machen Sie es nicht zu kompliziert ... Die wesentlichen Elemente sollten leicht zu überprüfen sein ...

Es wird für Sie ganz normal sein, auf verschiedenen Ebenen zu funktionieren — ungezwungen, instinktiv. Ihre Aufmerksamkeit wird selbständig und unabhängig arbeiten ...

Schon bald werden Sie ein Gespür dafür entwickeln ... Es wird Ihnen in Fleisch und Blut übergehen. Sie werden in einen Rhythmus fallen ... Er wird das Bindeglied zwischen Ihren beiden unterschiedlichen Zielen ... Sie werden es erkennen und dadurch ein gewisses Maß an Zuversicht entwickeln.

Der britische Agent betonte nie etwas besonders, er wiederholte sich lediglich. Wieder und wieder sprach er mit kaum variierten Worten die gleichen Sätze.

Alex verstand. Hammond lieferte ihm die Grundlagen — Werkzeuge und Selbstvertrauen.

»Ihren Kontakt in Kingston werden wir Ihnen in einigen Tagen nennen, wir arbeiten noch daran. Kingston ist ein einziges Chaos, es ist nicht leicht, sich dort Vertrauen zu erwerben. «

»Wessen Vertrauen?« fragte McAuliff.

»Eine gute Frage«, erwiderte der Agent. »Halten Sie sich damit nicht auf. Das ist unsere Aufgabe. Lernen Sie die Namen hier auswendig.«

Alex blickte auf die mit Maschine geschriebenen Namen auf jenem Stück Papier, das das Haus in Kensington nicht verlassen durfte. »Sie haben ziemlich viele Leute auf Ihrer Gehaltsliste.«

»Ein paar zuviel. Die durchgestrichenen Namen haben für beide Seiten gearbeitet — für uns und den CIA. Der Geheimdienst Ihres Landes ist in den letzten Jahren zu politisch geworden. «

»Sie glauben, es gibt undichte Stellen?«

»Ja. Dunstone Limited ist auch in Washington aktiv — sehr aktiv, obwohl sie im verborgenen operieren.«

An jedem Morgen betrat McAuliff Dunstones Welt, die Londoner Universität. Er stellte fest, daß es ihm leichter fiel, die Erlebnisse der Nacht auszuschließen, als er erwartet hatte. Hammonds Theorie der unterschiedlichen Ziele erwies sich als richtig — er fiel tatsächlich in einen Rhythmus. Seine Aufmerksamkeit war am Tag ausschließlich auf seine beruflichen Interessen gerichtet — die Zusammenstellung seines Vermessungsteams.

Es war vereinbart worden, daß diesem Team höchstens acht Mitglieder angehören sollten, besser weniger. Die Fachgebiete waren die üblichen: Schichtung von Schieferton, Kalkstein und Grundgestein; Analyse von Wasser- und Gaseinschlüssen; Vegetation — Untersuchung von Böden und Pflanzen; schließlich jemand, der sich mit den verschiedenen Dialekten und dem Leben im Hinterland auskannte, da sich die Vermessung bis weit in das Cock-Pit-Gebiet hinein erstrecken würde. Warfield war der Ansicht gewesen, daß dieser letzte Mann überflüssig war, aber Alex wußte, wovon er sprach. Es gab viele Ressentiments in Jamaika.

Ein Mitglied für sein Team hatte er bereits ausgesucht, einen Bodenspezialisten aus Kalifornien namens Sam Tucker. Sam war ein riesiger, kräftiger Mann in den Fünfzigern, der sich hemmungslos sämtlichen Ausschweifungen hingab, die er in der näheren Umgebung fand, aber in seinem Spezialgebiet einer der Besten war. Außerdem war er der zuverlässigste Mann, den Alex je kennengelernt hatte, und ein enger Freund, mit dem er Vermessungen von Alaska bis zu dem Auftrag für Kaiser letztes Jahr in Oracabessa durchgeführt hatte. McAuliff hatte angedeutet, daß Julian Warfield sich einen anderen Vermesser suchen müsse, wenn er etwas gegen Sam habe.