Die Herren des Nordens - Bernard Cornwell - E-Book
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Die Herren des Nordens E-Book

Bernard Cornwell

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Beschreibung

Mein Schwert kann mir die ganze Welt erobern. «Ich sah eine goldene Zukunft vor mir, wenn ich erst einmal das Königreich für Guthred gesichert hätte. Aber ich hatte die Boshaftigkeit der drei Spinnerinnen vergessen, die am Fuße der Weltenesche unser Schicksal weben.» Uhtred, der Krieger, hat in der Schlacht von Ethandun das letzte englische Königreich gerettet. Nun kehrt er zurück in seine vom Krieg erschütterte Heimat. Tritt ein in den Dienst König Guthreds von Northumbrien, den er selbst aus dänischer Gefangenschaft befreit hat. Doch sein neuer Herr verrät ihn. An die Ruder eines Sklavenschiffs gekettet, beginnt für Uhtred eine Reise ins Ungewisse. Wird er je wieder englischen Boden betreten? «Bernard Cornwell ist ein literarisches Wunder. Jahr für Jahr lässt er sich weder von Hagel, Regen, Schnee noch Krieg und Aufruhr davon abhalten, die unterhaltsamsten und lesenswertesten historischen Romane seiner Generation zu schreiben.» (Daily Mail) «Cornwells neuer Roman ist meisterhaft erzählt und äußerst gut recherchiert.» (Observer) «Ein glänzender dritter Teil.» (Publishers Weekly)

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Bernard Cornwell

Die Herren des Nordens

Historischer Roman

Aus dem Englischen von Karolina Fell

Über dieses Buch

Mein Schwert kann mir die ganze Welt erobern.

 

«Ich sah eine goldene Zukunft vor mir, wenn ich erst einmal das Königreich für Guthred gesichert hätte. Aber ich hatte die Boshaftigkeit der drei Spinnerinnen vergessen, die am Fuße der Weltenesche unser Schicksal weben.»

 

Uhtred, der Krieger, hat in der Schlacht von Ethandun das letzte englische Königreich gerettet. Nun kehrt er zurück in seine vom Krieg erschütterte Heimat. Tritt ein in den Dienst König Guthreds von Northumbrien, den er selbst aus dänischer Gefangenschaft befreit hat. Doch sein neuer Herr verrät ihn. An die Ruder eines Sklavenschiffs gekettet, beginnt für Uhtred eine Reise ins Ungewisse. Wird er je wieder englischen Boden betreten?

 

«Bernard Cornwell ist ein literarisches Wunder. Jahr für Jahr lässt er sich weder von Hagel, Regen, Schnee noch Krieg und Aufruhr davon abhalten, die unterhaltsamsten und lesenswertesten historischen Romane seiner Generation zu schreiben.» (Daily Mail)

 

«Cornwells neuer Roman ist meisterhaft erzählt und äußerst gut recherchiert.» (Observer)

 

«Ein glänzender dritter Teil.» (Publishers Weekly)

Vita

Bernard Cornwell, geboren 1944, machte nach dem Studium Karriere bei der BBC, doch nach Übersiedlung in die USA – seine Frau ist Amerikanerin – war ihm die Arbeit im Journalismus mangels Green Card verwehrt. Und so entschloss er sich, einem langgehegten Wunsch nachzugehen, dem Schreiben. Im englischen Sprachraum gilt er seit langem als unangefochtener König des historischen Romans. Seine Werke wurden in über 20 Sprachen übersetzt – Gesamtauflage: mehr als 20 Millionen. Auch sein neuer Zyklus historischer Romane aus der Zeit Alfreds des Großen eroberte in Großbritannien und den USA die Bestsellerlisten im Sturm.

Inhaltsübersicht

WidmungKarteOrtsnamenErster Teil: Der SklavenkönigEinsZweiDreiVierZweiter Teil: Das rote SchiffFünfSechsSiebenDritter Teil: SchattenwandlerAchtNeunZehnElfNachwort des AutorsLeseprobe «Schwertgesang»

Für Ed Breslin

 

… Com on wanre niht scriðan sceadugengan

Aus der fahlen Nacht schlüpft der Schattenwandler Beowulf

Ortsnamen

Die Schreibung der Ortsnamen im angelsächsischen England war eine unsichere und regellose Angelegenheit, in der nicht einmal über die Namen selbst Übereinstimmung herrschte. London etwa wurde abwechselnd als Lundonia, Lundenberg, Lundenne, Lundene, Lundenwic, Lundenceaster und Lunden bezeichnet. Zweifellos hätten manche Leser andere Varianten der Namen, die unten aufgelistet sind, vorgezogen, doch ich habe mich in den meisten Fällen nach den Schreibungen gerichtet, die entweder im Oxford Dictionary of English Place-Names oder im Cambridge Dictionary of English Place-Names für die Jahre um die Herrschaft Alfreds von 871 bis 899 zu finden sind. Aber selbst diese Lösung ist nicht narrensicher. So wird die Insel Hayling dort für das Jahr 956 sowohl Heilincigae als auch Hæglingaiggæ geschrieben. Auch bin ich selbst nicht immer konsequent geblieben; ich habe die moderne Bezeichnung England dem älteren Englaland vorgezogen und statt Norðhymbraland Northumbrien geschrieben, dennoch sind die Grenzen des alten Königreiches nicht mit denjenigen des modernen Staates identisch. Aus all diesen Gründen folgt die unten stehende Liste ebenso unberechenbaren Regeln wie die Schreibung der Ortsnamen selbst.

Æthelingæ: Athelney, Somerset

Alcly: Bishop Auckland, Grafschaft Durham

Baðum (Bathum ausgesprochen): Bath, Avon

Bebbanburg: Bamburgh Castle, Northumberland

Berrocscire: Berkshire

Cair Ligualid: Carlisle, Cumbrien

Cetreht: Catterick, Yorkshire

Cippanhamm: Chippenham, Wiltshire

Contwaraburg: Canterbury, Kent

Cumbraland: Cumbrien

Cuncacester: Chester-le-Street, Grafschaft Durham

Cynuit: Cynuit Hillfort, nahe Cannington, Somerset

Defnascir: Devonshire

Dornwaraceaster: Dorchester, Dorset

Dunholm: Durham, Grafschaft Durham

Dyflin: Dublin, Irland

Eoferwic: York

Ethandun: Edington, Wiltshire

Exanceaster: Exeter, Devon

Fifhaden: Fyfield, Wiltshire

Gleawecestre: Gloucester, Gloucestershire

Gyruum: Jarrow, Grafschaft Durham

Haithabu: Hedeby, Handelsstadt im Süden Dänemarks

Hamptonscir: Hampshire

Heagostealdes: Hexham, Northumberland

Hocchale: Houghall, Grafschaft Durham

Horn: Hofn, Island

Hreapandune: Repton, Derbyshire

Kenet: Fluss Kennet

Lindisfarena: Lindisfarne (Heilige Insel), Northumberland

Lundene: London

Onhripum: Ripon, Yorkshire

Pedredan: Fluss Parrett

Readingum: Reading, Berkshire

Scireburnan: Sherborne, Dorset

Snotengaham: Nottingham, Nottinghamshire

Strath Clota: Strathclyde

Sumorsæte: Somerset

Suth Seaxa: Sussex (Südsachsen)

Synningthwait: Swinithwaite, Yorkshire

Temes: Fluss Thames

Thornsæta: Dorset

Thresk: Thirsk, Yorkshire

Tine: Fluss Tyne

Tuede: Fluss Tweed

Wiire: Fluss Wear

Wiltun: Wilton, Wiltshire

Wiltunscir: Wiltshire

Wintanceaster: Winchester, Hampshire

Erster TeilDer Sklavenkönig

Ich brauchte Dunkelheit. In dieser Sommernacht aber schien ein Halbmond immer wieder zwischen den Wolkenlücken hindurch und brachte mich aus der Ruhe. Ich aber wollte Dunkelheit.

Ich hatte zwei Ledertaschen auf den kleinen Hügel gebracht, der die nördliche Grenze meines Anwesens bildete. Meines Anwesens. Mit Fifhaden, so hieß es, hatte mich König Alfred für meine Dienste bei Ethandun belohnt, wo wir auf einem langen grünen Bergrücken das dänische Heer aufgerieben hatten. Es war ein Kampf Schildwall gegen Schildwall gewesen, und an seinem Ende war Alfred wieder König, und die Dänen waren geschlagen, und Wessex war wiederauferstanden. Ich kann sagen, dass ich zu all dem mehr getan habe als die meisten anderen Kämpfer. Meine Frau war umgekommen, mein Freund war umgekommen, ein Speer hatte sich in meinen rechten Oberschenkel gebohrt, und meine Belohnung war Fifhaden.

Fünf Felder. Das bedeutete der Name. Fünf Felder! Es war kaum genug Land, um die vier Sklavenfamilien zu ernähren, die den Boden beackerten und im Kenet fischten. Andere Männer hatten weitläufigen Grundbesitz erhalten, und die Kirche war mit großen Waldgebieten und fetten Weidegründen belohnt worden, und mir gaben sie fünf Felder. Ich hasste Alfred. Er war ein jämmerlicher, frömmlerischer, geiziger König, der mir misstraute, weil ich kein Christ war, weil ich aus dem Norden kam und weil ich ihm in Ethandun sein Königreich zurückerobert hatte. Und meine Belohnung dafür war Fifhaden. Der Bastard.

Also hatte ich die zwei Taschen auf den niedrigen Hügel gebracht, der von Schafen abgeweidet worden war und auf dem mächtige graue Felsblöcke lagen, die weiß schimmerten, wenn der Mond hinter den dichten Wolken hervorkam. Ich hockte mich neben einen dieser riesigen Steine, und Hild kniete neben mir.

Zu dieser Zeit war sie meine Frau. Früher hatte sie als Nonne in Cippanhamm gelebt, aber dann hatten die Dänen die Stadt eingenommen und sie zur Hure gemacht. Und nun war sie mit mir zusammen. Manchmal hörte ich sie nachts beten. Ihre Gebete bestanden bloß aus Tränen und Verzweiflung, und ich vermutete, sie würde schließlich zu ihrem Gott zurückkehren, doch im Moment war ich ihre Zuflucht. «Warum warten wir noch?», fragte sie.

Ich legte einen Finger auf meine Lippen, damit sie schwieg. Sie beobachtete mich. Ihr Gesicht war lang und schmal, mit großen Augen, und unter einem abgetragenen Tuch verbarg sie goldglänzendes Haar. Ich hielt es für eine Verschwendung, dass sie Nonne war. Alfred dagegen wollte sie zurück im Kloster wissen. Und genau deshalb ließ ich sie bei mir bleiben. Um ihn zu ärgern. Den Bastard.

Ich wartete, um sicher zu sein, dass uns niemand sah. Aber das war unwahrscheinlich, weil die Leute sich nachts nicht gerne herauswagen, denn in der Finsternis treiben schreckliche Erscheinungen ihr Unwesen. Hild klammerte sich an ihr Kruzifix, aber ich fühlte mich wohl im Dunkeln. Schon als Kind hatte ich gelernt, die Nacht zu lieben. Ich war ein Sceadugengan, ein Schattenwandler, eine von den Kreaturen, vor denen sich andere fürchteten.

Ich wartete lange, bis ich ganz sicher war, dass sich außer uns niemand auf der Hügelkuppe befand. Dann zog ich Wespenstachel, mein Kurzschwert, und stach eine eckige Grassode aus, die ich neben mich legte. Darauf grub ich mich tiefer in den Grund und häufte die lose Erde auf meinen Umhang. Immer wieder kratzte die Klinge an Kalkschichten und Flintstein, und ich wusste, dass sie davon schartig wurde, aber ich machte trotzdem weiter, bis ich eine Grube ausgehoben hatte, in der man ein Kind hätte beerdigen können. Wir legten die beiden Taschen hinein. Das war mein Hort. Mein Silber und mein Gold, mein Vermögen, und ich wollte mich nicht mit ihm belasten. Ich besaß Fifhaden, zwei Schwerter, ein Kettenhemd, einen Schild, einen Helm, ein Pferd und eine magere Nonne, aber ich hatte keine Männer, um einen Hort zu bewachen, und deshalb musste ich ihn verstecken. Ich behielt nur ein paar Silbermünzen, und den ganzen Rest vertraute ich der Erde an. Danach bedeckten wir den Hort mit Sand, stampften den Boden fest und legten die Sode wieder an ihren Platz. Ich wartete, bis der Mond hinter einer Wolke hervorkam, betrachtete die Grassode, dachte, niemand würde bemerken, dass hier etwas verändert worden war, und prägte mir die Stelle ein, indem ich mir die Lage der Felsblöcke in der Nähe merkte. Eines Tages, wenn ich die Mittel hätte, diesen Schatz zu verteidigen, würde ich zurückkommen und ihn holen. Hild starrte auf das Grab des Hortes. «Alfred sagt, du musst hierbleiben», meinte sie.

«Alfred soll seine Pisse trinken», sagte ich, «und ich hoffe, der Bastard erstickt dran.» Aber er würde wahrscheinlich auch so bald genug sterben, denn Alfred war ein kranker Mann. Er war erst neunundzwanzig Jahre alt, acht Jahre älter, als ich es war, doch er sah fast wie fünfzig aus, und keiner von uns gab ihm noch mehr als zwei oder drei Jahre. Immerzu jammerte er über seine Bauchschmerzen, rannte zum Scheißloch oder zitterte im Fieber.

Hild legte ihre Hand auf die Grassode, unter der ich den Hort vergraben hatte. «Bedeutet das, dass wir nach Wessex zurückkehren werden?», fragte sie.

«Es bedeutet», sagte ich, «dass kein Mann mit seinem Hort reist, wenn Feinde in der Nähe sind. Hier ist er sicherer, und wenn wir überleben, kommen wir und holen ihn. Und wenn ich sterbe, dann holst du ihn.» Sie erwiderte nichts, und wir trugen die restliche Erde, die noch auf dem Umhang lag, zum Fluss und kippten sie ins Wasser.

Am nächsten Morgen stiegen wir auf die Pferde und ritten nach Osten. Wir wollten nach Lundene, denn in Lundene nehmen alle Straßen ihren Anfang. Es war das Schicksal, das meinen Weg bestimmte. Es war das Jahr 878, ich war einundzwanzig Jahre alt, und ich glaubte, mit meinen Schwertern die ganze Welt erobern zu können. Ich war Uhtred von Bebbanburg, der Mann, der an einem Meeresstrand Ubba Lothbrokson getötet und bei Ethandun Svein vom Weißen Pferd aus dem Sattel geworfen hatte. Ich war der Mann, der Alfred sein Königreich zurückgegeben hatte, und ich hasste ihn. Also würde ich ihn verlassen. Mein Weg war der Weg des Schwertes, und er würde mich nach Hause bringen. Ich würde nach Norden gehen.

 

Lundene ist die größte Stadt auf der ganzen britannischen Insel, und mir haben seine halbzerfallenen Häuser und seine geschäftigen Gassen immer gut gefallen. Dennoch blieben Hild und ich nur zwei Tage. Wir übernachteten in einem sächsischen Gasthaus der Neustadt, die sich westlich der verfallenden römischen Gemäuer ausbreitete. Zu dieser Zeit gehörte die Stadt zu Mercien, und die Dänen hatten einen Teil ihres Heeres hier liegen. Die Bierschwemmen waren voller Händler und Fremder und Schiffsführer, und es war ein Kaufmann namens Thorkild, der uns eine Überfahrt nach Northumbrien anbot. Ich erzählte ihm, mein Name sei Ragnarson, und er glaubte mir weder, noch stellte er mir Fragen, sondern wollte uns für zwei Silbermünzen mitnehmen, wenn ich mich an eines seiner Ruder setzte. Ich war ein Sachse, doch ich war bei den Dänen aufgewachsen, und deshalb beherrschte ich ihre Sprache. Also nahm Thorkild an, dass ich Däne war. Mein prächtiger Helm, mein Kettenhemd und die zwei Schwerter verrieten ihm, dass ich ein Krieger war, und er musste vermuten, ich sei als Angehöriger der unterlegenen Seite auf der Flucht. Aber was sollte ihn das kümmern? Er brauchte Ruderer. Einige Händler setzten nur Sklaven an ihre Ruder, aber Thorkild fand, Sklaven brächten nichts als Ärger, und beschäftigte deshalb freie Männer.

Wir liefen bei Ebbe aus, das Schiff beladen mit Leinenballen, Öl aus dem Frankenreich, Biberpelzen, vielen guten Sätteln und Ledersäcken mit kostbarem Senf und Kümmel. Als wir die Stadt und die Mündung der Temes hinter uns hatten, befanden wir uns in Ostanglien, doch wir sahen wenig von diesem Königreich, denn in unserer ersten Nacht auf dem Wasser schob sich dichter Nebel vom Meer heran, der sich tagelang hielt. An manchem Morgen konnten wir überhaupt nicht daran denken, weiterzureisen, und auch wenn das Wetter einigermaßen gut war, entfernten wir uns nie weit von der Küste. Ich hatte nach Hause segeln wollen, weil ich dachte, es ginge schneller als über die Straßen, doch nun schlichen wir durch ein Gewirr von Sandbänken, Wasserläufen und trügerischen Strömungen durch den Nebel. Jede Nacht unterbrachen wir die Fahrt und suchten uns einen Platz, an dem wir Anker werfen oder das Schiff mit Tauen festmachen konnten, und wir verbrachten eine ganze gottvergessene Woche in der Marsch von Ostanglien, weil sich eine Planke am Bug löste und das Wasser nicht schnell genug ausgeschöpft werden konnte. Also mussten wir das Schiff ans schlammige Ufer ziehen und den Schaden beheben. Bis wir auch mit dem Kalfatern fertig waren, hatte sich das Wetter geändert, die Sonne glitzerte auf einem nebelfreien Meer, und wir ruderten nordwärts, gingen aber immer noch jede Nacht vor Anker. Unterwegs sahen wir Dutzende von anderen Schiffen, alle waren länger und schlanker als Thorkilds Boot. Es waren dänische Kriegsschiffe, und sie waren auf dem Weg nach Norden. Ich vermutete, dass damit Männer aus Guthrums unterlegenem Heer zurück nach Dänemark flüchteten, oder vielleicht auch nach Friesland, oder wo immer es leichtere Beute zu machen gab als in Alfreds Wessex.

Thorkild war ein großer, schwermütiger Mann, der annahm, er sei ungefähr fünfunddreißig Jahre alt. Er flocht sein ergrauendes Haar, sodass es in langen Zöpfen bis zu seiner Mitte herabhing, und an den Armen trug er keinen von den Ringen, die das Zeichen kriegerischen Heldenmuts sind. «Ich war nie ein Kämpfer», vertraute er mir an. «Ich wurde als Händler erzogen, bin immer ein Händler geblieben, und wenn ich tot bin, wird auch mein Sohn Handel treiben.»

«Lebst du in Eoferwic?», fragte ich.

«In Lundene. Aber ich habe in Eoferwic ein Warenlager. Man kann dort sehr gut Felle kaufen.»

«Herrscht dort immer noch Ricsig?», erkundigte ich mich.

Er schüttelte den Kopf. «Ricsig ist schon seit zwei Jahren tot. Jetzt sitzt dort ein Mann namens Egbert auf dem Thron.»

«Als ich ein Kind war, regierte in Eoferwic ein König mit dem Namen Egbert.»

«Das ist sein Sohn oder sein Enkel. Oder vielleicht sein Cousin? Jedenfalls ein Sachse.»

«Und wer regiert Northumbrien in Wirklichkeit?»

«Wir natürlich», sagte er und meinte die Dänen. Die Dänen setzten in den Ländern, die sie erobert hatten, oft einen gefügigen Sachsen auf den Thron, und Egbert, wer immer er auch war, zählte bestimmt zu den Königen, die an der dänischen Leine lagen. Damit verlieh er der dänischen Besatzung einen Anstrich von Gesetzmäßigkeit, doch der wahre Herrscher war Graf Ivarr, der Däne, der über das meiste Land im Umkreis der Stadt gebot. «Es ist Ivarr Ivarson», erklärte mir Thorkild, und aus seiner Stimme klang Stolz, «und sein Vater war Ivar Lothbrokson.»

«Ich kenne Ivar Lothbrokson», sagte ich.

Ich bezweifle, dass mir Thorkild glaubte, aber es stimmte. Ivar Lothbrokson war ein gefürchteter Kriegsherr gewesen, mager wie ein Gerippe, wild und schreckenerregend, doch er war auch ein Freund Graf Ragnars, der mich aufgezogen hatte. Ivars Bruder hieß Ubba, und ihn hatte ich an einem Strand getötet. «Ivarr ist die wahre Macht in Northumbrien», erklärte mir Thorkild, «nur nicht im Tal des Wiire. Dort regiert Kjartan.» Als er Kjartans Namen aussprach, berührte Thorkild sein Hammeramulett. «Er wird jetzt Kjartan der Grausame genannt», fügte er hinzu, «und sein Sohn ist noch schlimmer.»

«Sven», knurrte ich missmutig. Ich kannte Kjartan und Sven. Sie waren meine Feinde.

«Sven der Einäugige», sagte Thorkild, zog eine Grimasse und berührte erneut sein Amulett, als wollte er damit das Böse der Namen abwehren, die er eben in den Mund genommen hatte. «Und nördlich von ihnen», sprach er weiter, «herrscht Ælfric von Bebbanburg.»

Auch ihn kannte ich. Ælfric von Bebbanburg war mein Onkel, und er hatte mein Land gestohlen, doch ich tat so, als hätte ich den Namen noch nie gehört. «Ælfric?», fragte ich, «noch ein Sachse?»

«Ein Sachse», bestätigte Thorkild, «aber seine Festung ist zu mächtig. Wir können sie nicht einnehmen», fügte er hinzu, um zu erklären, weshalb es einem sächsischen Herren gestattet wurde, in Northumbrien zu bleiben, «und er tut nichts, um uns zu reizen.»

«Dann ist er ein Dänenfreund?»

«Jedenfalls kein Feind», sagte Thorkild. «Das sind also die drei großen Herren, Ivarr, Kjartan und Ælfric. Aber hinter den Hügeln in Cumbrien? Kein Mensch weiß, was dort vor sich geht.» Er sprach von der Westküste Northumbriens, die an der irischen See lag. «In Cumbrien regierte ein mächtiger Däne», fuhr er fort, «er hieß Hardnicut, aber ich habe gehört, dass er bei einem kleinen Gefecht umgekommen ist. Und jetzt?» Er zuckte die Schultern.

Das also war Northumbrien, ein Königreich mit verfeindeten Grundherren, von denen keiner einen Anlass hatte, mich zu mögen, und von denen mich zwei am liebsten tot sehen wollten. Und doch war es meine Heimat, und ich hatte dort eine Pflicht zu erfüllen, und deshalb folgte ich dem Weg des Schwertes.

Es war die Pflicht der Blutfehde. Die Fehde hatte vor fünf Jahren begonnen, als Kjartan und seine Männer nachts in Graf Ragnars Palas gekommen waren. Sie hatten den Palas niedergebrannt und alle umgebracht, die versucht hatten, den Flammen zu entkommen. Ragnar hatte mich großgezogen, ich hatte ihn wie einen Vater geliebt, und der Mord an ihm war ungesühnt. Er hatte einen Sohn, dessen Name ebenfalls Ragnar lautete, er war mein Freund, doch Ragnar der Jüngere konnte keine Rache nehmen, denn er wurde als Geisel in Wessex festgehalten. Also würde ich nach Norden gehen, und ich würde Kjartan finden, und ich würde ihn töten. Und seinen Sohn, Sven den Einäugigen, würde ich auch töten, weil er Ragnars Tochter gefangen genommen hatte. Lebte Thyra noch? Ich wusste es nicht. Ich wusste nur, dass ich geschworen hatte, den Tod Ragnars des Älteren zu rächen. Manchmal, während ich mich in Thorkilds Ruder legte, dachte ich, wie närrisch ich war, nach Hause zu gehen, denn in Northumbrien wimmelte es von meinen Feinden, aber das Schicksal trieb mich voran, und als wir endlich in die weite Mündung des Humber einfuhren, war meine Kehle wie zugeschnürt.

Durch den dichten Regen war nichts zu erkennen als ein flaches, schlammiges Ufer und Weidenzweige, die in den Untiefen verborgene Wasserläufe anzeigten, und dichte Teppiche von Fingertang und Blasenalgen, die in dem grauen Wasser trieben, aber das war der Fluss, der nach Northumbrien floss, und ich wusste in diesem Moment, dass ich die richtige Entscheidung getroffen hatte. Hier war meine Heimat. Nicht Wessex mit seinen satteren Feldern und sanfteren Hügeln. Wessex war gezähmt worden, der König und die Kirche hatten es sich untertan gemacht, doch hier oben zogen wildere Vogelschwärme durch die kälteren Lüfte.

«Von hier kommst du also?», fragte Hild, als sich die Ufer des Flusses einander annäherten.

«Mein Land liegt ganz oben im Norden», erklärte ich ihr. «Hier ist Mercien.» Ich deutete auf das südliche Flussufer. «Und dort ist Northumbrien.» Ich zeigte ans andere Ufer. «Northumbrien erstreckt sich bis ins Land der Barbaren.»

«Barbaren?»

«Schotten», sagte ich und spuckte über die Reling. Vor den Dänen waren die Schotten unsere ärgsten Feinde gewesen. Immerzu waren sie südwärts in unser Land vorgestoßen, aber dann waren sie, wie wir auch, von den Nordmännern überfallen worden, und dadurch war die Bedrohung durch sie schwächer geworden, wenn sie auch nicht ganz erloschen war.

Wir ruderten die Ouse hinauf, und unsere Gesänge begleiteten die Ruderschläge, während wir zwischen Weiden und Erlen dahinglitten, vorbei an Wiesen und Wäldern, und Thorkild nahm, jetzt, wo wir nach Northumbrien einfuhren, den geschnitzten Hundekopf vom Steven, damit das zähnefletschende Untier die Geister des Landes nicht erschreckte. An diesem Abend kamen wir unter einem blassen Himmel nach Eoferwic, der Hauptstadt von Northumbrien, den Ort, an dem mein Vater hingemetzelt worden war, an dem ich zum Waisen geworden und Ragnar dem Älteren begegnet war, der mich großgezogen und mich die Liebe zu den Dänen gelehrt hatte.

Ich ruderte nicht, als wir uns der Stadt näherten, denn ich hatte mich schon den ganzen Tag am Ruder geplagt, und Thorkild setzte einen anderen an meine Stelle. Ich stand im Bug und betrachtete den Rauch, der über den Dächern aufstieg, und dann wanderte mein Blick nach unten auf das Wasser, und ich sah die erste Leiche. Es war ein Junge, vielleicht zehn oder elf Jahre alt, und er war mit Ausnahme eines Tuchs um die Hüften nackt. Ihm war die Kehle durchgeschnitten worden, doch die klaffende Wunde blutete nicht mehr, denn sie war schon ganz von der Ouse ausgewaschen worden. Sein langes Haar driftete wie Seegras unter dem Wasser.

Wir sahen noch mehr Leichen vorbeitreiben, bis wir nahe genug an der Stadt waren, um Männer auf dem Festungswall zu erkennen. Es waren zu viele Männer, Männer mit Speeren und Schilden, und an der Landestelle waren noch mehr Männer, Männer in Kettenhemden, Männer, die uns aufmerksam beobachteten, Männer mit gezogenen Schwertern. Also rief Thorkild einen Befehl, und unsere Ruder blieben gehoben, und Wasser tropfte von den bewegungslosen Ruderblättern. Das Schiff drehte sich in die Strömung, und ich hörte die Schreie aus der Stadt.

Ich war wieder zu Hause.

Eins

Thorkild ließ das Schiff hundert Schritt stromabwärts treiben und dann in der Nähe einer Weide mit dem Bug aufs Ufer laufen. Er sprang hinunter, schlang zur Sicherung des Schiffes ein Tau aus gedrehtem Robbenfell um den Stamm der Weide und kletterte nach einem angstvollen Blick auf die bewaffneten Männer, die uns aus der Entfernung beobachteten, eilig wieder an Bord. «Du», er deutete auf mich, «finde raus, was dort los ist.»

«Dort gibt’s Ärger», sagte ich. «Musst du noch mehr wissen?»

«Ich muss wissen, was mit meinem Lagerhaus ist», sagte er und nickte in Richtung der Bewaffneten, «und ich habe keine Lust, sie zu fragen. Also machst du es.»

Er hatte mich dazu bestimmt, weil ich ein Krieger war und weil es ihn nicht bekümmern würde, wenn ich umkäme. Die meisten seiner Ruderleute konnten kämpfen, aber er vermied möglichst jede Auseinandersetzung, denn das Blutvergießen und der Warenhandel vertragen sich nicht gut. Die bewaffneten Männer kamen nun am Ufer entlang auf uns zu. Es waren sechs, doch sie näherten sich zögerlich, denn Thorkild hatte zweimal so viele Leute auf dem Schiff, und alle trugen Äxte und Speere.

Ich zog mir das Kettenhemd über, wickelte den prächtigen Helm mit dem Wolfskopf aus, den ich von einem dänischen Schiff vor der walisischen Küste erbeutet hatte, gürtete mich mit Schlangenhauch und Wespenstachel und sprang in dieser schweren Kriegsrüstung unbeholfen ans Ufer. Ich rutschte auf dem abschüssigen Hang aus, klammerte mich an ein paar Nesseln fest, fluchte über das Brennen und stieg bis zum Uferpfad hinauf. Ich war schon früher hier gewesen. Über diese ausgedehnte Uferweide hatte mein Vater den Angriff auf Eoferwic geführt. Ich setzte den Helm auf und rief Thorkild zu, er solle mir einen Schild zuwerfen. Das tat er, und gerade als ich auf die sechs Männer zugehen wollte, die inzwischen stehen geblieben waren und mich mit gezogenen Schwertern beobachteten, sprang hinter mir Hild ans Ufer. «Du hättest auf dem Schiff bleiben sollen», sagte ich zu ihr.

«Dort bleibe ich nicht ohne dich», sagte sie. Sie trug die Ledertasche, die unser ganzes Gepäck darstellte und wenig mehr enthielt als einige Kleidungsstücke zum Wechseln, ein Messer und einen Wetzstein. «Wer sind sie?», fragte sie und meinte damit die sechs Männer, die immer noch fünfzig Schritte entfernt waren und es nicht eilig hatten, den Abstand zu verringern.

«Lass es uns herausfinden», sagte ich und zog Schlangenhauch.

Die Schatten waren inzwischen lang geworden, und das Zwielicht hatte den Rauch der Kochfeuer über der Stadt in Purpur und Gold getaucht. Krähen flogen zu ihren Nestern, und in einiger Entfernung erkannte ich Kühe, die auf dem Weg zum abendlichen Melken waren. Ich ging auf die sechs Männer zu. Ich trug ein Kettenhemd, hatte einen Schild und zwei Waffen, Armringe und einen Helm, der drei gute Kettenhemden wert war. Meine Erscheinung schreckte die sechs Männer, und sie warteten eng zusammengedrängt auf mich. Alle hatten ihr Schwert gezogen, doch ich sah, dass sich zwei von ihnen Kruzifixe um den Hals gehängt hatten, und nahm daher an, dass sie Sachsen waren. «Wenn ein Mann nach Hause kommt», rief ich ihnen auf Englisch zu, «will er nicht von Schwertern empfangen werden.»

Zwei von ihnen waren schon älter, in den Dreißigern, und beide waren vollbärtig und trugen ein Kettenhemd. Die anderen vier waren mit einem Lederharnisch angetan und wesentlich jünger, allenfalls siebzehn oder achtzehn, und die Schwerter wirkten in ihren Händen so unpassend, wie sich in meinen der Griff eines Pfluges ausgenommen hätte. Sie mussten annehmen, dass ich ein Däne war, denn ich war von einem dänischen Schiff gekommen, und sie mussten wissen, dass sechs von ihnen einen Dänen töten konnten, aber sie wussten genauso gut, dass ein dänischer Krieger in voller Rüstung mit Leichtigkeit mindestens zwei von ihnen umbringen konnte, bevor er selber starb. Also waren sie erleichtert, als ich sie auf Englisch ansprach. Und sie waren verwundert. «Wer seid Ihr?», rief mir einer der älteren Männer zu.

Ich antwortete nicht, aber ich ging immer weiter in ihre Richtung. Wenn sie sich in diesem Moment entschlossen hätten, mich anzugreifen, hätte ich entweder schmählich fliehen müssen oder ich wäre umgekommen, dennoch ging ich mit zuversichtlichem Schritt weiter, hielt meinen Schild gesenkt und ließ die Spitze meines Schwertes im Gras schleifen. Dass ich nicht antwortete, hielten sie für Überheblichkeit, doch in Wahrheit war es bloße Verwirrung. Ich hatte mir vorgenommen, hier auf keinen Fall unter meinem eigenen Namen aufzutreten, denn Kjartan oder mein betrügerischer Onkel sollten nicht wissen, dass ich nach Northumbrien zurückgekehrt war. Aber mein Name galt auch etwas, und mich überkam die närrische Versuchung, die sechs Männer damit zu beeindrucken. Doch dann fiel mir etwas noch Besseres ein. «Ich bin Steapa von Defnascir», verkündete ich, und für den Fall, dass dieser Name hier unbekannt war, prahlte ich ein bisschen: «Ich bin der Mann, der Svein vom Weißen Pferd in sein kühles Grab geschickt hat.»

Der Mann, der mich nach meinem Namen gefragt hatte, tat einen Schritt rückwärts. «Ihr seid Steapa? Der in Alfreds Diensten steht?»

«Genau der.»

«Herr», sagte er und senkte seine Klinge. Einer der jüngeren Männer berührte sein Kruzifix und fiel auf ein Knie. Ein dritter Mann schob sein Schwert in die Scheide, und die anderen taten vorsichtshalber das Gleiche.

«Und wer seid Ihr?», verlangte ich zu wissen.

«Wir dienen König Egbert», sagte einer der älteren Männer.

«Und die Toten?», fragte ich und deutete auf den Fluss, auf dem eine weitere Leiche in der leichten Strömung vorbeitrieb. «Wer sind sie?»

«Dänen, Herr.»

«Ihr bringt Dänen um?»

«Das ist Gottes Wille», sagte er.

Ich zeigte auf Thorkilds Schiff. «Dieser Mann ist ein Däne und dennoch ein Freund. Werdet Ihr auch ihn töten?»

«Wir kennen Thorkild, Herr», sagte der Mann, «und wenn er in Frieden kommt, wird er am Leben bleiben.»

«Und ich?», erkundigte ich mich. «Was habt Ihr mit mir vor?»

«Der König wird Euch sehen wollen, Herr. Er wird Euch für die große Schlacht gegen die Dänen ehren.»

«Diese Art von großer Schlacht?», fragte ich verächtlich und zeigte mit Schlangenhauch auf einen Toten im Fluss.

«Er wird Euch für den Sieg über Guthrum ehren, Herr. Ist es wirklich wahr, dass Guthrum besiegt wurde?»

«Es ist wahr», sagte ich. «Ich war dort.» Dann wandte ich mich um, steckte Schlangenhauch in die Scheide und winkte Thorkild zu. Er band sein Schiff los und ließ stromaufwärts rudern. Ich rief ihm über das Wasser hinweg zu, dass sich die Sachsen Egberts gegen die Dänen erhoben hatten, ihm diese Männer aber Sicherheit versprachen, wenn er in Frieden käme.

«Was würdest du an meiner Stelle tun?», rief Thorkild zurück. Seine Männer sorgten mit kleinen Ruderschlägen dafür, dass das Schiff nicht von der Strömung weitergetrieben wurde.

«Fahr flussabwärts», rief ich auf Dänisch, «such dir ein paar kampferprobte Dänen und warte, bis du weißt, was hier vor sich geht.»

«Und du?», wollte er wissen.

«Ich bleibe hier», gab ich zurück.

Er wühlte in einem Beutel und warf dann etwas in meine Richtung. Es glitzerte im abnehmenden Tageslicht und verschwand gleich darauf zwischen den Butterblumen, die auch im Dämmerlicht die Wiese noch gelb erstrahlen ließen. «Das ist für deinen Rat», rief er, «und mögest du lange leben, wer auch immer du bist.»

Dann wendete er, und das ging nur mühselig vonstatten, denn sein Schiff war fast so lang wie die Ouse breit, doch er war erfahren genug, und bald ruderten ihn seine Männer flussabwärts und aus meinem Leben. Ich entdeckte später, dass Thorkilds Lagerhaus geplündert und der einarmige Däne, der es bewacht hatte, abgeschlachtet und seine Tochter vergewaltigt worden war. Mein Rat war also die Silbermünze wert gewesen, die Thorkild mir zugeworfen hatte.

«Ihr habt ihn weggeschickt?», fragte mich einer der bärtigen Männer vorwurfsvoll.

«Ich habe Euch gesagt, er ist ein Freund.» Ich bückte mich und fand schließlich den Shilling im Gras.

«Und wie habt Ihr von Alfreds Sieg erfahren?», fragte ich.

«Ein Priester ist gekommen, Herr», sagte er, «und er hat es uns erzählt.»

«Ein Priester?»

«Aus Wessex, Herr. Den ganzen Weg von Wessex ist er gekommen. Er hatte eine Botschaft von König Alfred zu überbringen.»

Ich hätte mir denken können, dass Alfred die Nachricht von seinem Sieg über Guthrum im ganzen sächsischen England verbreiten wollte. Es stellte sich heraus, dass Alfred überallhin, wo Sachsen lebten, Priester gesandt hatte, und diese Priester brachten die Nachricht von Wessex’ Sieg und dass dieser Triumph Gott und der Schar seiner Heiligen zu verdanken sei. Einer dieser Priester war auch zu König Egbert nach Eoferwic geschickt worden, und er hatte die Stadt nur einen Tag vor mir erreicht, und mit seiner Ankunft nahm der Irrsinn seinen Anfang.

Der Priester war zu Pferd gekommen und hatte dafür sein Klerikergewand hinter dem Sattel zu einem Bündel zusammengerollt. Er war durch das dänisch besetzte Mercien von einem sächsischen Haus zum nächsten geritten. Die mercischen Sachsen hatten ihm geholfen, weiterzukommen, ihn jeden Tag mit einem ausgeruhten Pferd versorgt und ihn an den größeren dänischen Befestigungen vorbeigeführt, bis er schließlich die Hauptstadt von Northumbrien erreicht hatte und König Egbert die schöne Kunde bringen konnte, dass die Westsachsen die Große Armee der Dänen geschlagen hatten. Doch was auf die northumbrischen Sachsen fast noch größeren Reiz ausübte als der Sieg selbst, war die hanebüchene Behauptung, der Heilige Cuthbert sei Alfred im Traum erschienen und habe ihm gezeigt, wie er diesen Sieg erringen könne. Angeblich hatte Alfred den Traum während des Winters gehabt, in dem er sich mit einer Handvoll sächsischer Flüchtlinge in Æthelingæg vor den Dänen versteckt hatte. Diese Geschichte traf auf die Sachsen König Egberts wie ein gut gezielter Jagdpfeil, denn es gab nördlich des Humber keinen Heiligen, der inniger verehrt wurde als Cuthbert. Cuthbert war der Abgott Northumbriens, der heiligste Christ, der jemals in diesem Landstrich gelebt hatte, und es gab keinen frommen sächsischen Haushalt, in dem nicht täglich zu ihm gebetet wurde. Die Vorstellung, dass es dieser glorreiche Heilige des Nordens gewesen war, der Wessex geholfen hatte, die Dänen zu schlagen, trieb König Egbert so schnell den Verstand aus wie die näher kommende Sense das Rebhuhn aus dem Nest. Er hatte jedes Recht, über Alfreds Sieg erfreut zu sein, und zweifellos hatte er es satt, seine Regierung unter dänischer Aufsicht führen zu müssen, doch er hätte dem Priester danken und dann dafür sorgen sollen, dass er den Mund hielt. Am besten hätte er ihn wie einen Hund in den Zwinger gesperrt. Doch stattdessen hatte er bei Wulfhere, dem Erzbischof von Eoferwic, eine Dankesmesse bestellt, die in der größten Kirche der Stadt abgehalten werden sollte. Wulfhere war kein Dummkopf, und so hatte er augenblicklich ein schweres Fieber bekommen und war zur Erholung aufs Land gereist. Doch ein Narr namens Pater Hrothweard nahm seinen Platz ein und ließ Eoferwics große Kirche von seiner Predigt widerhallen, in der er behauptete, der Heilige Cuthbert sei vom Himmel herabgestiegen, um die Westsachsen zum Sieg zu führen. Und diese unsinnige Geschichte hatte die Sachsen von Eoferwic davon überzeugt, dass Gott und der Heilige Cuthbert dabei waren, ihr Land von den Dänen zu erlösen. Und so hatte das Töten angefangen.

All das erfuhr ich auf dem Weg in die Stadt. Ich erfuhr auch, dass kaum hundert dänische Kämpfer in Eoferwic gewesen waren, weil Graf Ivarr die anderen auf einen Zug nach Norden mitgenommen hatte, um ein schottisches Heer zu stellen, das über die Grenze vorgestoßen war. Seit Menschengedenken hatte es keinen derartigen Vorstoß gegeben, doch in Südschottland regierte ein neuer König, der geschworen hatte, Eoferwic zu seiner Hauptstadt zu machen. Also war Graf Ivarr mit seinem Heer nordwärts gezogen, um den Schotten eine Lektion zu erteilen.

Ivarr war der eigentliche Herrscher im südlichen Northumbrien. Wenn er sich hätte König nennen wollen, hätte ihn niemand daran hindern können, doch es war für ihn vorteilhaft, einen verlässlichen Sachsen auf dem Thron sitzen zu haben, der die Steuern einzog und dafür sorgte, dass die sächsischen Getreuen friedlich blieben. Ivarr konnte sich unterdessen dem widmen, worin seine Familie am besten war: Er konnte Krieg führen. Er war ein Lothbrok, und es war ihr besonderer Stolz, dass kein Lothbrok je im Bett gestorben war. Sie starben kämpfend mit dem Schwert in der Hand. Ivarrs Vater und einer seiner Onkel waren in Irland umgekommen, während Ubba, der dritte der Lothbrok-Brüder, bei Cynuit unter meinem Schwert gefallen war. Und jetzt zog Ivarr, der jüngste Schwert-Däne einer kriegsvernarrten Sippe, gegen die Schotten und hatte geschworen, ihren König versklavt und in Ketten nach Eoferwic zu bringen.

Ich dachte, dass sich kein Sachse, der bei klarem Verstand war, gegen Ivarr erheben würde, dessen Grausamkeit der seines Vaters in nichts nachstand. Aber Alfreds Sieg und die Behauptung, der Heilige Cuthbert habe ihn herbeigeführt, hatte in Eoferwic die reine Tollheit ausbrechen lassen. Und Pater Hrothweard nährte sie noch mit seinen Predigten. Lauthals verkündete er, Gott, der Heilige Cuthbert und eine Heerschar von Engeln würden vom Himmel herabkommen und die Dänen aus Northumbrien vertreiben. Meine Ankunft sorgte nur dafür, dass der Wahn sich noch steigerte. «Gott hat Euch gesandt», sagten die Männer, die mich vom Schiff hatten kommen sehen, immer wieder, und sie riefen den Leuten zu, dass ich Svein getötet habe. Während wir uns einen Weg zum Palas bahnten, folgte Hild und mir eine wachsende Schar Menschen. Es ging durch enge Straßen, auf denen immer noch die dunklen Flecken des dänischen Blutes zu sehen waren.

Ich war früher schon einmal im Palas von Eoferwic gewesen. Es war ein römischer Bau aus guten, hellen Steinen. Das Ziegeldach, das nun an vielen Stellen mit rußgeschwärztem Stroh geflickt war, ruhte auf mächtigen Säulen. Den Boden hatten einst ebenfalls gebrannte Steine bedeckt, die Bilder der römischen Götter zeigten, doch nun war davon kaum noch etwas zu sehen, und die wenigen Stellen, die noch übrig waren, bedeckten Binsen, auf denen das Blut des Vortages erstarrt war. In der großen Halle stank es wie in einem Schlachthof, und die lodernden Fackeln, die den tiefen Raum erhellten, erfüllten die Luft mit beißendem Rauch.

Der neue König Egbert entpuppte sich als der Neffe des alten Königs Egbert, und er hatte genau den gleichen verschlagenen Gesichtsausdruck und den launisch verzogenen Mund wie sein Onkel. Nun aber wirkte er verängstigt, während er auf das hölzerne Podest am Ende der Halle kam, und das war auch kein Wunder, denn der verrückte Hrothweard hatte einen Sturm entfesselt, und Egbert musste wissen, dass sich Ivarrs Dänen rächen würden. Doch Egberts Anhänger hatten sich von der Begeisterung anstecken lassen und waren überzeugt, Alfreds Sieg sei nur der Vorbote der endgültigen dänischen Niederlage und meine Ankunft ein weiteres Zeichen des Himmels. Ich wurde nach vorne geschoben, und laute Rufe kündigten dem König mein Kommen an. Er betrachtete mich verwirrt, und seine Verwirrung steigerte sich noch, als eine Stimme, eine vertraute Stimme, meinen Namen rief. «Uhtred! Uhtred!»

Ich sah mich um und erkannte Pater Willibald.

«Uhtred!», rief er nochmals vor lauter Freude, mich zu sehen. Egbert ließ einen finsteren Blick von mir zu Willibald wandern. «Uhtred!», sagte der Priester, ohne den König zu beachten, und dann umarmte er mich.

Pater Willibald war ein guter Freund und ein guter Mensch. Er war Westsachse und einst Alfreds Flottenpriester gewesen, und nun hatte ihn das Schicksal dazu auserwählt, den northumbrischen Sachsen im Norden die frohe Botschaft von Ethandun zu bringen.

Der Lärm im Saal verstummte. Egbert versuchte, die Führung zu übernehmen. «Euer Name», sagte er, nachdem er entschieden hatte, meinen Namen nicht gehört zu haben.

«Steapa!», rief einer der Männer, die uns in die Stadt begleitet hatten.

«Uhtred!», verkündete Willibald mit leuchtenden Augen.

«Ich bin Uhtred von Bebbanburg», gab ich zu, außerstande, meine Täuschung länger aufrechtzuerhalten.

«Der Mann, der Ubba Lothbrokson getötet hat!» Willibald versuchte bei diesen Worten meine rechte Hand in die Höhe zu ziehen, um zu zeigen, dass ich ein Held war. «Und der Mann», sprach er weiter, «der bei Ethandun Svein vom Weißen Pferd zu Fall gebracht hat!»

In zwei Tagen, so dachte ich, würde Kjartan der Grausame wissen, dass ich in Northumbrien war, und in drei würde mein Onkel Ælfric von meinem Kommen erfahren haben, und wenn ich nur eine Unze Verstand besessen hätte, wäre ich sofort aus dem Saal verschwunden und hätte mich zusammen mit Hild genauso schnell Richtung Süden davongemacht, wie sich Erzbischof Wulfhere aus Eoferwic abgesetzt hatte.

«Ihr wart in Ethandun?», fragte mich Egbert.

«Ich war dort, Herr.»

«Was ist geschehen?»

Sie hatten die Erzählung von der Schlacht schon aus Pater Willibalds Mund gehört, doch das war die Sicht eines Priesters, durchsetzt mit Gebeten und den Schilderungen von Wundern. Nun lieferte ich ihnen, was sie wirklich hören wollten, und das war die Erzählung eines Kriegers, die von toten Dänen und der Schlacht mit dem Schwert handelte, und die ganze Zeit unterbrach mich ein Priester mit blitzenden Augen, struppigem Haar und wildem Bart mit seinen Halleluja-Rufen. Ich vermutete, das sei Pater Hrothweard, der Priester, der in Eoferwic das Blutbad ausgelöst hatte. Er war jung, kaum älter als ich, und seine kraftvolle Stimme und sein herrisches Auftreten wurden durch seine Leidenschaft noch gesteigert. Jedes Hallelujah wurde von einem Speichelschauer begleitet, und kaum hatte ich beschrieben, wie die geschlagenen Dänen den großen Hügel von Ethandun hinunterflüchteten, drängte sich Hrothweard vor und wandte sich an die Menge. «Das ist Uhtred!», rief er und stieß mir seinen spitzen Zeigefinger in die Rippen, die von meinem Kettenhemd geschützt wurden. «Uhtred von Northumbrien, Uhtred von Bebbanburg, ein Dänentöter, ein Gotteskrieger! Und er ist zu uns gekommen genau wie der Heilige Cuthbert zu Alfred in seiner Bedrängnis! Das ist ein Zeichen des Allmächtigen!» Die Menge jubelte, der König wirkte verängstigt, und Hrothweard, nur allzu bereit, sich in seinen Wahn zu steigern, trat der Schaum vor den Mund, als er zu beschreiben begann, wie in naher Zukunft jeder Däne in Northumbrien hingemetzelt würde.

Es gelang mir, mich unauffällig von Hrothweard zu entfernen, indem ich mich immer weiter in den Hintergrund des Podestes schob. Dort packte ich Pater Willibald an seinem mageren Genick und schob ihn in einen Durchgang, der zu den Privaträumen des Königs führte. «Ihr seid ein Tölpel», knurrte ich, «Ihr seid ein Earsling. Ihr seid ein idiotischer, dampfender Scheißhaufen, das seid Ihr. Ich sollte Euch hier und jetzt aufschlitzen und Eure nutzlosen Gedärme an die Schweine verfüttern.»

Willibald öffnete den Mund, und dann schloss er ihn vollkommen hilflos wieder.

«Die Dänen werden bald zurück sein», sagte ich ihm voraus, «und dann gibt es das nächste Blutbad.»

Erneut öffnete und schloss er den Mund, doch er brachte keinen Ton heraus.

«Daher werdet Ihr jetzt Folgendes tun», sagte ich. «Ihr werdet die Ouse überqueren und so schnell nach Süden gehen, wie Euch Eure Beine nur tragen können.»

«Aber es ist doch alles wahr», jammerte er.

«Was ist alles wahr?»

«Dass uns der Heilige Cuthbert den Sieg geschenkt hat!»

«Nein, das ist natürlich nicht wahr», schnappte ich. «Das hat Alfred erfunden. Glaubt Ihr wirklich, dass ihm der Heilige Cuthbert in Æthelingæg erschienen ist? Warum hat uns Alfred dann damals nichts von dem Traum gesagt? Warum hat er dann bis nach der Schlacht gewartet, um uns davon zu erzählen?» Ich hielt inne, und Pater Willibald gab einen erstickten Laut von sich. «Er hat gewartet», beantwortete ich meine eigene Frage, «weil es gar nicht passiert ist.»

«Aber …»

«Er hat es erfunden!», knurrte ich. «Weil er in Northumbrien die Führung im Kampf gegen die Dänen gewinnen will. Er will König von Northumbrien werden, versteht Ihr das nicht? Und nicht nur von Northumbrien. Ich bin sicher, er hat ausreichend Dumme wie Euch gefunden, die auch nach Mercien gehen und behaupten, ein verdammter Heiliger der Mercier sei ihm im Traum erschienen.»

«Aber so war es», unterbrach er mich und fuhr nach meinem verständnislosen Blick fort. «Ihr habt recht! Der Heilige Kenelm hat in Æthelingæg zu Alfred gesprochen. Er ist ihm im Traum erschienen, und er hat Alfred gesagt, dass er siegen wird.»

«Nein, das hat er nicht», sagte ich mit aller Geduld, die ich aufbringen konnte.

«Es ist die Wahrheit!», beharrte er. «Alfred selbst hat es mir erzählt! Das ist Gottes Werk, Uhtred, ein wahrhaftiges Wunder.»

Ich packte ihn an den Schultern und drückte ihn gegen die Wand. «Ihr habt die Wahl, Pater», sagte ich. «Ihr könnt Eoferwic verlassen, bevor die Dänen zurückkommen, oder Ihr könnt Euren Kopf zur Seite neigen.»

«Ich kann was?», fragte er verwirrt.

«Euren Kopf zur Seite neigen», sagte ich, «dann verschließe ich Euch mit dem Daumen das Ohr, sodass der ganze Unsinn zum anderen Ohr herausfällt.»

Doch er ließ sich nicht überzeugen. Die Nachricht von Gottes Ruhmestat, die sich wie ein Lauffeuer in Ethandun verbreitet hatte, das durch die Lüge über den Heiligen Cuthbert weiter angefacht worden war, überstrahlte bald ganz Northumbrien, und der arme Willibald war überzeugt, dass er gerade den Beginn großer Ereignisse miterlebte.

An diesem Abend wurde ein Fest veranstaltet. Es war eine traurige Angelegenheit, bei der gesalzene Heringe, Käse, hartes Brot und schales Bier gereicht wurden und bei der Pater Hrothweard in einer leidenschaftlichen Rede erneut behauptete, Alfred von Wessex habe mich geschickt, seinen größten Krieger, um die Verteidigung der Stadt zu übernehmen, und die himmlischen Heerscharen würden herabsteigen und Eoferwic beschützen. Dazu rief Willibald unablässig Hallelujah und glaubte den ganzen Unsinn. Erst am nächsten Tag, als trüber Regen und grauer Nebel die Stadt einschlossen, regten sich bei ihm erste Zweifel daran, dass die Ankunft von Schwert-Engeln wirklich unmittelbar bevorstand.

Viele Leute verließen die Stadt. Gerüchte über dänische Kriegerverbände, die sich im Norden sammelten, machten die Runde. Doch Hrothweard verkündete unbeirrt weiterhin seine Narrheiten und führte eine Prozession Priester und Mönche durch die Stadt, die Reliquien und Banner trugen. Inzwischen hatte jedoch jeder Mensch mit nur einem kleinen bisschen Verstand begriffen, dass Ivarr vermutlich wesentlich früher auftauchen würde als der Heilige Cuthbert mit einer himmlischen Schar. König Egbert schickte einen Boten nach mir aus, der mich zu einem Gespräch holen sollte, doch ich glaubte, dass Egberts Schicksal besiegelt war, und deshalb leistete ich der Aufforderung nicht Folge. Egbert würde sich allein durchschlagen müssen.

Genau wie ich mich allein durchschlagen musste, und ich wollte die Stadt verlassen, bevor Ivarrs Zorn sich darauf entlud. Im Gasthaus Crossed Swords, das in der Nähe des nördlichen Stadttors lag, fand ich meine Rettung in Gestalt eines Dänen namens Bolti. Er hatte das Massaker überlebt, weil er mit einer Sächsin verheiratet und von der Familie seiner Frau versteckt worden war. Er sah mich in dem Gasthaus und fragte, ob ich Uhtred von Bebbanburg sei.

«Das bin ich.»

Er setzte sich zu mir, neigte respektvoll seinen Kopf in Hilds Richtung und bestellte dann mit einem Fingerschnippen bei einem Wirtsmädchen Bier für uns. Bolti war dick und kahl, sein Gesicht war von Pockennarben übersät, seine Nase war schon einmal gebrochen, und aus seinen Augen sprach die Angst. Seine beiden Söhne, beide Halbsachsen, drückten sich hinter seinem Rücken herum. Ich schätzte den einen auf etwa zwanzig Jahre und den anderen fünf Jahre jünger. Beide trugen Schwerter, und keiner schien sich mit den Waffen recht wohl zu fühlen. «Ich kannte Graf Ragnar den Älteren», sagte Bolti.

«Ich kannte ihn auch», sagte ich, «aber an dich erinnere ich mich nicht.»

«Als er das letzte Mal auf der Windviper gesegelt ist», sagte er, «habe ich ihm Taue und Ruderschäfte verkauft.»

«Hast du ihn betrogen?», fragte ich höhnisch.

«Ich habe ihn gemocht», erwiderte er heftig.

«Und ich habe ihn geliebt», sagte ich, «weil er für mich zum Vater geworden ist.»

«Das weiß ich», sagte er, «und ich erinnere mich an dich.» Dann verstummte er und warf einen Blick auf Hild. «Du warst sehr jung», sprach er dann weiter und sah wieder mich an, «und du warst mit einem schmächtigen dunkelhaarigen Mädchen zusammen.»

«Also erinnerst du dich wirklich an mich», sagte ich und unterbrach mich, denn unser Bier wurde gebracht. Mir fiel auf, dass Bolti, obwohl er Däne war, ein Kreuz um den Hals trug, und er hatte meinen Blick bemerkt.

«In Eoferwic», sagte er und berührte das Kreuz, «muss ein Mann dafür sorgen, dass er am Leben bleibt.» Er zog seinen Kragen auf, und ich sah, dass er darunter Thors Hammeramulett verbarg. «Am liebsten töten sie Heiden», erklärte er.

Ich zog mein eigenes Hammeramulett aus meinem Wams. «Sind viele Dänen inzwischen Christen geworden?», fragte ich.

«Ein paar», sagte er widerwillig. «Willst du zu dem Bier etwas essen?»

«Ich will wissen, warum du mit mir redest», sagte ich.

Er wollte die Stadt verlassen. Er wollte seine sächsische Frau, seine beiden Söhne und zwei Töchter möglichst weit wegbringen, bevor die Dänen ihre blutige Rache nahmen, und er wollte, dass ihn ein erfahrener Kämpfer beschützte. Er sah mich mit jämmerlicher Miene und hoffnungslosem Blick an und hatte keine Ahnung, dass das, was er wollte, genau das Gleiche war, was ich wollte. «Und wo willst du hin?», fragte ich.

«Nicht nach Westen», sagte er, und ein Schauer überlief ihn. «In Cumbrien stirbt man jetzt zu leicht.»

«In Cumbrien stirbt man immer zu leicht», sagte ich. Cumbrien war der Teil Northumbriens, der auf der anderen Seite der Hügel an die irische See grenzte. Es wurde von Schotten aus Strath Clota, von Nordmännern aus Irland und von Britonen aus dem nördlichen Wales überfallen. Einige Dänen hatten sich in Cumbrien niedergelassen, aber es waren nicht genug, um die wilden Einfälle und die Verwüstungen aufzuhalten.

«Ich will nach Dänemark», sagte Bolti, «aber es gibt keine Kriegsschiffe.» Die einzigen Schiffe, die noch in Eoferwic vor Anker lagen, gehörten sächsischen Händlern, und wenn irgendwer versuchen würde, loszusegeln, würden ihn die dänischen Schiffe abfangen, die bestimmt in der Mündung des Humber lagen.

«Also?», fragte ich.

«Also will ich Richtung Norden», sagte er, «und mich Ivarr anschließen. Ich kann dich bezahlen.»

«Und du glaubst, ich kann dich bei der Durchquerung von Kjartans Land schützen?»

«Ich glaube, mit Ragnars Sohn an meiner Seite bin ich besser dran als ohne ihn», gab er zu, «und wenn die Leute erfahren, dass du mit mir unterwegs bist, werden sich uns weitere Männer anschließen.»

Also ließ ich mich von ihm bezahlen, und ich forderte sechzehn Shilling, zwei Stuten und einen schwarzen Hengst, und als er den Preis des Hengstes hörte, wurde Bolti ganz blass. Ein Mann hatte den Hengst durch die Straßen geführt und ihn feilgeboten, und Bolti kaufte das Tier, weil seine Angst, in Eoferwic in der Falle zu sitzen, vierzig Shilling wert war. Das schwarze Pferd war im Kampf erprobt, was bedeutete, dass laute Geräusche es nicht schreckten und es sich mit einem Schenkeldruck lenken ließ, sodass ein Mann die Hände für Schild und Schwert frei hatte und das Tier dennoch leiten konnte. Der Hengst war von einem der Dänen erbeutet worden, die in den letzten Tagen abgeschlachtet worden waren, und niemand kannte seinen Namen. Ich nannte ihn Witnere, das bedeutet Quälgeist, und das passte, denn er mochte die beiden Stuten nicht und versuchte bei jeder Gelegenheit, nach ihnen zu schnappen.

Auf den Stuten sollten Willibald und Hild reiten. Ich hatte zu Pater Willibald gesagt, er solle nach Süden gehen, doch seine Angst war inzwischen so groß, dass er darauf bestand, bei mir zu bleiben. So ritten wir an dem Tag nach meinem Treffen mit Bolti alle zusammen auf der Römerstraße nordwärts. Ein Dutzend Männer schloss sich uns an. Unter ihnen waren drei Dänen und zwei Nordmänner, denen es gelungen war, sich während Hrothweards Blutbad zu verstecken, alle anderen waren Sachsen, die der Rache Ivarrs entkommen wollten. Alle waren bewaffnet, und Bolti gab mir Geld, um sie zu bezahlen. Ihr Entgelt war nicht hoch, es reichte gerade, um Essen und Bier zu bezahlen, doch ihre Anwesenheit würde die Wegelagerer an der langen Straße abschrecken.

Ich war versucht, nach Synningthwait zu reiten, wo Ragnar und seine Leute ihr Land hatten, doch ich wusste, dass ich dort nur wenige Männer antreffen würde, da die meisten mit Ragnar in den Süden gezogen waren. Einige von ihnen waren inzwischen bei Ethandun gefallen, und die anderen waren noch immer bei Guthrum, dessen geschlagenes Heer in Mercien geblieben war. Guthrum und Alfred hatten Frieden geschlossen, und Guthrum hatte sich sogar taufen lassen, was Willibald als Wunder betrachtete. Daher würden nur sehr wenige Krieger in Synningthwait sein, und es war kein Ort, an dem ich Schutz vor den mörderischen Absichten meines Onkels oder vor Kjartans Hass finden konnte. Ohne rechten Plan für meine Zukunft überließ ich mich meinem Schicksal und setzte auf Bolti, den ich nordwärts begleitete, dorthin, wo uns Kjartans Land wie eine bedrohliche Wolke erwartete, die sich auf unseren Weg gesenkt hatte. Dieses Land zu durchqueren bedeutete, dass wir eine Abgabe zahlen mussten, und diese Abgabe war gesalzen. Nur mächtige Männer wie Ivarr, der mehr Krieger anführte, als Kjartan Gefolgsleute hatte, konnte den Fluss Wiire überqueren, ohne etwas zu zahlen. «Du kannst es ja verschmerzen», reizte ich Bolti. Seine beiden Söhne führten Packpferde, die meiner Vermutung nach mit lauter Münzen beladen waren, die sie in Stoff eingewickelt hatten, damit sie nicht klimperten.

«Ich kann es nicht verschmerzen, wenn er mir meine Töchter nehmen will», sagte Bolti. Er hatte Zwillingstöchter von zwölf oder dreizehn Jahren, genau im richtigen Alter, um verheiratet zu werden. Sie waren klein, dick, hellhaarig, stupsnasig und unmöglich auseinanderzuhalten.

«So etwas macht Kjartan also?», fragte ich.

«Er nimmt sich, was er will», sagte Bolti säuerlich, «und junge Mädchen gefallen ihm, obwohl ich vermute, dass er noch lieber dich in die Finger bekommen würde.»

«Und warum vermutest du das?», fragte ich ihn ausdruckslos.

«Ich kenne die Geschichten», sagte er. «Sein Sohn hat wegen dir ein Auge verloren.»

«Er hat sein Auge verloren», sagte ich, «weil er der Tochter Ragnars die Kleider vom Leib gerissen hat.»

«Aber er beschuldigt dich.»

«Das tut er», stimmte ich zu. Wir waren damals alle noch Kinder gewesen, aber die Verletzungen aus der Kindheit können lange weiterschwären, und ich zweifelte nicht daran, dass mir Sven der Einäugige zum Ausgleich für sein eines Auge liebend gern alle beide herausreißen würde.

Also wandten wir uns westlich in die Hügel, als wir in die Nähe Dunholms kamen, um Kjartans Männern auszuweichen. Es war Sommer, doch ein kühler Wind hatte niedrige Wolken und feinen Regen herangetrieben, sodass ich froh war, mein ledergefüttertes Kettenhemd zu tragen. Hild hatte die kleinen Metallringe mit Wollfett aus frischen Fellen eingerieben, und so rostete das Metall kaum. Auch meinen Helm und die Klingen meiner Schwerter hatte sie eingefettet.

Wir kamen auf einem ausgetretenen Pfad höher, und in einiger Entfernung folgte uns eine weitere Gruppe, und auf der feuchten Erde waren frische Hufspuren zu erkennen, die verrieten, dass dieser Weg nicht lange zuvor von anderen benutzt worden war. Dass dieser Pfad so viel benutzt wurde, hätte mich zum Nachdenken bringen sollen. Kjartan der Grausame und Sven der Einäugige lebten von den Abgaben, die sie sich von Reisenden bezahlen ließen, und wenn sie nicht zahlten, wurden die Reisenden ausgeraubt, versklavt oder umgebracht. Kjartan und sein Sohn mussten wissen, dass die Leute versuchten, ihnen auf den Hügelpfaden auszuweichen, und ich hätte wachsamer sein sollen. Bolti fürchtete sich nicht, denn er vertraute mir einfach. Er erzählte mir, wie Kjartan und Sven durch Sklavenhandel reich geworden waren. «Sie nehmen jeden, Däne oder Sachse», sagte er, «und verkaufen alle in das Land über dem Wasser. Wenn man Glück hat, kann man einen Sklaven zurückkaufen, aber der Preis ist sehr hoch.» Er warf einen Blick auf Pater Willibald. «Die Priester bringt er alle um.»

«Das tut er?»

«Er hasst die ganzen Christenpriester. Er hält sie für Hexer, also lässt er sie halb eingraben und von den Hunden zerfleischen.»

«Was hat er gerade gesagt?», fragte mich Willibald und lenkte seine Stute zur Seite, bevor Witnere sie beißen konnte.

«Er hat gesagt, dass Kjartan Euch töten wird, wenn er Euch gefangen nehmen kann, Pater.»

«Mich töten?»

«Er wird Euch an seine Hunde verfüttern.»

«Gütiger Gott», sagte Willibald. Er war unglücklich, fühlte sich verloren so weit entfernt von zu Hause, und in der fremdartigen Landschaft des Nordens fühlte er sich unbehaglich. Hild dagegen schien hier glücklich zu sein. Sie war neunzehn Jahre alt und ertrug geduldig die Mühsal, die das Leben ihr aufbürdete. Sie stammte aus einer reichen, westsächsischen Familie, die zwar nicht zum Adel zählte, doch genug Land besaß, um gut zu leben. Aber Hild war das jüngste von acht Kindern, und ihr Vater hatte sie dem Dienst an der Kirche versprochen, weil ihre Mutter bei ihrer Geburt fast gestorben war und er das Überleben seiner Frau der Gnade Gottes zuschrieb. Also war Hild, deren eigentlicher Name Schwester Hildegyth lautete, mit elf Jahren zu den Nonnen von Cippanhamm geschickt worden und hatte bei ihnen gelebt, abgeschlossen von der Welt, betend und Garn spinnend, spinnend und betend, bis die Dänen gekommen waren und sie zur Hure gemacht hatten.

Noch immer jammerte sie im Schlaf, und ich wusste, dass sie ihre Erniedrigung nicht vergessen hatte, doch nun war sie glücklich, aus Wessex fort zu sein und fort von den Leuten, die sie immerzu mahnten, ihr Leben wieder Gott zu weihen. Auch Willibald hatte sie dafür gerügt, ihr heiliges Dasein aufgegeben zu haben, doch ich hatte ihm gesagt, bei der nächsten Bemerkung dieser Art würde ich ihm den Bauchnabel mit dem Messer erweitern, und seitdem hatte er geschwiegen. Nun saugte Hild jeden neuen Eindruck mit dem Staunen eines Kindes auf. Ihr bleiches Gesicht war von der Sonne mit einem goldenen Schimmer überzogen worden, der zu ihrem Haar passte. Sie war eine kluge Frau, zwar nicht die klügste, die ich gekannt habe, aber doch voll scharfsichtiger Weisheit. Mein Leben währt nun schon lange, und ich habe erkannt, dass manche Frauen Last und Ärger bringen und manche angenehme Gefährtinnen sind, und Hild gehörte zu den angenehmsten, die ich je kannte. Vielleicht lag es daran, dass wir Freunde waren. Wir verbrachten auch die Nächte miteinander, doch Liebe war nicht zwischen uns, und sie wurde unablässig von ihren Schuldgefühlen verfolgt. Das alles behielt sie für sich und vertraute es nur ihren Gebeten an, und im hellen Licht des Tages konnte sie lachen und sich an einfachen Dingen erfreuen, doch wenn die Dunkelheit der Nacht sie umfing und sie mit ihren langen Fingern leise jammernd ihr Kruzifix umklammerte, wusste ich, dass sie spürte, wie Gott mit langen Krallen nach ihrer Seele griff.

Wir ritten also in die Hügel, und ich war zu sorglos, und so sah Hild die Reiter als Erste. Es waren neunzehn, die meisten von ihnen im Lederwams, doch drei trugen Kettenhemden. Sie schwärmten hinter uns aus, und da wusste ich, dass sie uns wie eine Schafherde vor sich hertreiben würden. Unser Weg folgte einer Hügelflanke, die zu unserer Rechten bis zu einem reißenden Fluss steil abfiel, und obwohl wir in das Tal flüchten konnten, würden wir unausweichlich langsamer sein als die Männer, die uns nun auf dem Pfad folgten. Sie versuchten nicht, den Abstand zu verringern. Sie sahen, dass wir bewaffnet waren, und wollten es nicht auf einen Kampf ankommen lassen, sie wollten einfach nur sicherstellen, dass wir weiter Richtung Norden auf unser Schicksal zutrotteten, wie immer es auch aussehen mochte. «Kannst du sie nicht durch einen Kampf ausschalten?», verlangte Bolti zu wissen.

«Dreizehn gegen neunzehn?», hielt ich ihm vor. «Ja», sagte ich dann, «wenn die dreizehn kämpfen würden, aber das werden sie nicht.» Ich deutete auf die Schwertkämpfer, die Bolti für unsere Begleitung bezahlt hatte. «Sie taugen dazu, Wegelagerer abzuschrecken», fuhr ich fort, «aber sie sind nicht so dumm, gegen Kjartans Männer zu kämpfen. Wenn ich ihnen sage, dass sie kämpfen sollen, werden die meisten zum Feind überlaufen und mit ihm deine Töchter teilen.»

«Aber …», setzte er an, doch dann verstummte er, denn nun hatten wir vor Augen, was uns erwartete. Wo der Fluss reißend hinabstürzte, öffnete sich ein breiteres Tal, und dort lag ein ansehnliches Dorf, in dem eine Brücke, die aus kaum mehr als einer einfachen, riesigen Steinplatte bestand, einen größeren Fluss überspannte, den ich für den Wiire hielt. In dem Dorf war eine Menschenmenge versammelt, und ich sah, dass sie von Männern bewacht wurde. Die Reiter, die uns folgten, kamen nun etwas näher, doch sie hielten an, als ich anhielt. Ich sah den Hügel hinab. Das Dorf war zu weit entfernt, um erkennen zu können, ob Kjartan oder Sven unter den Leuten waren, doch ich konnte davon ausgehen, dass die Männer im Tal aus Dunholm gekommen waren und dass einer von den beiden Herren Dunholms ihr Anführer war. Bolti kreischte vor Schreck auf, doch ich beachtete ihn nicht.

Zwei weitere Wege führten von Süden auf das Dorf zu, und ich vermutete, dass auch sie von Reitern bewacht wurden, deren Aufgabe es war, Reisende abzufangen. Sie hatten ihre Beute zum Dorf getrieben, und diejenigen, die nicht imstande waren, die Abgabe zu zahlen, wurden gefangen genommen. «Was wirst du jetzt tun?», fragte Bolti vor Angst zitternd.

«Ich werde deine Haut retten», sagte ich, und dann sagte ich zu einer seiner Zwillingstöchter, sie solle mir den schwarzen Leinenschal geben, den sie als Gürtel trug. Sie band ihn los und gab ihn mir mit bebender Hand. Ich schlang mir den Stoff um den Kopf, bedeckte meinen Mund, die Nase und die Stirn, und dann bat ich Hild, ihn festzustecken. «Was hast du vor?», jammerte Bolti.

Ich machte mir nicht die Mühe, ihm zu antworten. Stattdessen stülpte ich meinen Helm über den Schal. Die Wangenstücke waren eng angepasst, sodass mein Gesicht nun nur noch eine Maske aus glänzendem Metall über einem schwarzen Schädel war. Allein meine Augen waren noch zu sehen. Ich zog Schlangenhauch halb aus der Scheide, um sicher zu sein, dass mein Schwert leicht zur Hand sein würde, dann trieb ich Witnere ein paar Schritte vor. «Ich bin jetzt Thorkild der Lepröse», erklärte ich Bolti. Der Schal ließ meine Stimme dumpf und verschwommen klingen.

«Wer bist du?», fragte er und starrte mich an.

«Ich bin Thorkild der Lepröse», sagte ich, «und du und ich werden jetzt mit ihnen verhandeln.»

«Ich?», hauchte er mit versagender Stimme.

Mit einer Geste bedeutete ich allen, sich weiterzubewegen. Die Gruppe, die uns bis an diese Stelle getrieben hatte, war wieder Richtung Süden unterwegs, vermutlich, um nach den nächsten Reisenden zu suchen, die versuchten, Kjartans Kriegsrotte zu umgehen.

«Ich habe dich bezahlt, damit du mich beschützt», sagte Bolti verzweifelt.

«Und ich werde dich beschützen», sagte ich. Seine sächsische Frau heulte wie bei einer Beerdigung, und ich knurrte sie an, damit sie ruhig war. Dann ließ ich ein paar hundert Schritt vor dem Dorf halten und wies alle außer Bolti an, auf uns zu warten. «Nur du und ich», erklärte ich Bolti.

«Ich glaube, du solltest alleine mit ihnen verhandeln», sagte er, und dann fing er an zu kreischen. Er kreischte, weil ich seinem Pferd einen Schlag aufs Hinterteil versetzt hatte, sodass es losgaloppierte. Ich holte ihn sofort ein. «Denk dran», sagte ich, «ich bin Thorkild der Lepröse, und wenn du verrätst, wer ich in Wirklichkeit bin, bringe ich dich um, genau wie deine Frau und deine Söhne, und anschließend verkaufe ich deine Töchter als Huren. Wer bin ich?»

«Thorkild», stammelte er.

«Thorkild der Lepröse», sagte ich. Wir waren inzwischen in dem Dorf, eine mitleiderregende Ansammlung niedriger Steinhütten mit Torfdächern. Wenigstens dreißig oder vierzig Menschen wurden auf dem Dorfplatz bewacht, und auf einer Seite, in der Nähe der Brücke aus dem großem Stein, standen ein Tisch und Bänke auf einer Wiese. Zwei Männer saßen an dem Tisch und hatten einen Krug Bier vor sich stehen, das alles sah ich, doch in Wahrheit bemerkte ich nur eines.

Den Helm meines Vaters.