Die Inflation schlagen - Hermann Simon - E-Book

Die Inflation schlagen E-Book

Simon Hermann

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Beschreibung

Sofortmaßnahmen gegen die Inflation! Nach Jahrzehnten der Stabilität erleben wir die höchsten Preissteigerungen seit den 1970er Jahren. Die Krise trifft Staat, Verbraucher und Unternehmen gleichermaßen. Für viele Firmen wird es künftig schwierig, die Gewinnlinie zu verteidigen. Deshalb ist es wichtig zu wissen, welche Effekte die Inflation auf den Gewinn hat, um dem drohenden Wertverlust gegenzusteuern. Sonst kann es schnell zu einer gefährlichen Schieflage kommen. Hermann Simon, der weltweit renommierte Experte für Preise, analysiert die entscheidenden Stellschrauben im Kampf gegen die Inflation und stellt konkrete Maßnahmen vor, die jedes Unternehmen sofort ergreifen kann. Zentral dabei ist ein kluges Preismanagement. Ebenso wichtig: Die Unternehmensleitung muss selbst in den Ring und alle Geschäftsbereiche wie Vertrieb, Finanzen, Einkauf, Produktion, Innovation und Personal einbeziehen. Nur wer den Wettbewerb, das Verhalten seiner Kunden und seinen Platz im Markt kennt, kann den notwendigen (Kultur-)Wandel im Unternehmen vorantreiben und die Zukunft sichern. Agil, konkret, effektiv. »Seitdem ich Hermann Simon 1979 zum ersten Mal traf, habe ich aus jeder weiteren Begegnung mit ihm neuen Gewinn gezogen.« Philip Kotler »Deutschlands bekanntester Managementberater.« Handelsblatt »Einer der weltweit führenden Unternehmensberater.« Financial Times

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HERMANN SIMON

Die Inflation schlagen

Agil, konkret, effektiv

Campus VerlagFrankfurt/New York

Über das Buch

Sofortmaßnahmen gegen die Inflation! Das Inflationsgespenst ist zurück. Nach Jahrzehnten der Stabilität erleben wir die höchsten Preissteigerungen seit den 1970er Jahren. Die Krise trifft Staat, Verbraucher und Unternehmen gleichermaßen. Für viele Firmen wird es künftig schwierig, die Gewinnlinie zu verteidigen. Deshalb ist es wichtig zu wissen, welche Effekte die Inflation auf den Gewinn hat, um dem drohenden Wertverlust gegenzusteuern. Sonst kann es schnell zu einer gefährlichen Schieflage kommen. Hermann Simon, der weltweit renommierte Experte für Preise, analysiert die entscheidenden Stellschrauben im Kampf gegen die Inflation und stellt konkrete Maßnahmen vor. Zentral dabei ist kluges Preismanagement – aber lange nicht alles. Ebenso wichtig: Die Unternehmensleitung muss selbst in den Ring und alle Geschäftsbereiche wie Vertrieb, Finanzen, Einkauf, Produktion, Innovation und Personal einbeziehen. Nur wer den Wettbewerb, das Verhalten seiner Kunden und seinen Platz im Markt kennt, kann den notwendigen (Kultur-)Wandel im Unternehmen vorantreiben und die Zukunft sichern. Agil, konkret, effektiv. »Seitdem ich Hermann Simon 1979 zum ersten Mal traf, habe ich aus jeder weiteren Begegnung mit ihm neuen Gewinn gezogen.« Philip Kotler»Deutschlands bekanntester Managementberater.« Handelsblatt»Einer der weltweit führenden Unternehmensberater.« Financial Times

Übersicht

Cover

Titel

Über das Buch

Inhalt

Impressum

Inhalt

Kapitel 1

Comeback des Inflationsgespenstes

Geldwert vs. Warenwert

Die aktuelle Inflation

Anhaltende Inflation

Inflation bei Lebensmitteln

Kapitel 2

Opfer und Profiteure der Inflation

Unternehmen und Management

Ein gravierendes Manko: fehlende Inflationserfahrung

Verbraucher und Inflation

Ausweichstrategien

Anlageverhalten

Private Finanzierung

Beschäftigung

Geändertes Kauf- und Preisverhalten

Staat und Inflation

Kapitel 3

Agilität steigern

Schnellstart der Inflation

Inflationstreiber Geldmenge

Agilität und Timing

Präemptives Pricing

Frequenz von Preisanpassungen

Kapitel 4

Gewinnwirkungen verstehen

Gewinnbegriffe

Nominaler vs. realer Gewinn

Scheingewinn

Economic Profit

Gewinn als Kosten

Gewinnlage

Gewinnverteidigung

Kapitel 5

Preise inflationsgerecht optimieren

Verhandelte und feste Preise

Variierende Inflationsrate und Nettomarktposition

Gewinnwirkungen

Kapitel 6

Kundennutzen steuern

Nutzensteigerung

Innovationen

Nutzenkommunikation

Zusatzservices

Garantien

Ungeeignete Instrumente

Kapitel 7

Im Wettbewerb führen

Schrittweise Preiserhöhungen

Konkurrenzreaktion

Preisführerschaft

Signaling

Kapitel 8

Pricing Power stärken

Pricing Power nach Branchen

Konkretisierung Pricing Power

Nachfragemacht

Offenlegung von Kosten

Schaffung von Pricing Power

CEO und Pricing Power

Kapitel 9

Digitalisierungschancen nutzen

Preistransparenz

Nutzentransparenz

Grenzkosten von Null

Kapitel 10

Taktisches Pricing anwenden

Preisgleitklauseln

Verträge ohne Preisgleitklauseln

Preisdifferenzierung

Less Expensive Alternative (LEA)

Preisdifferenzierung nach Produktkategorien

Verkleinerung der Packung

Preisschwellen

Rabatte

Information gewinnen

Kapitel 11

Innovative Preissysteme einführen

Dynamic Pricing

Mehrdimensionale Preissysteme

Erfolgsabhängige Preise

Bundling vs. Unbundling

Freemium

Preis von Null

Pay-per-use

Kapitel 12

Vertrieb als Speerspitze einsetzen

Zuständigkeiten

Kulturwandel

Leckagen stopfen

Incentivierung

Segmentierung

Kundenspezifische Pricing Power

Vertriebscontrolling

Kapitel 13

Finanzen priorisieren

Neue Aufgaben für das Finanzmanagement

Cash Management

Langfristige Investitionen

Herausforderung Economic Profit

Scheingewinne

Kapitel 14

Kosten senken

Betroffene von Kostensenkungen

Mengen und Preise

Zeitbedarf

Kostenstruktur und Risiko

Break-even-Menge

Kurssicherung

Kapitel 15

Was zu tun ist – ein Fazit

Bewusstsein schaffen

Gewinntransparenz herstellen

Funktionen zur Verantwortung rufen

Agilität erhöhen

Pricing Power stärken

Preismodelle umbauen

Digitalisierung nutzen

Vertrieb aufrüsten

Finanzen priorisieren

Kosten senken

Ein Fazit

Anmerkungen

1

Comeback des Inflationsgespenstes

2

Opfer und Profiteure der Inflation

3

Agilität steigern

4

Gewinnwirkungen verstehen

5

Preise inflationsgerecht optimieren

8

Pricing Power stärken

9

Digitalisierungschancen nutzen

10

Taktisches Pricing anwenden

11

Innovative Preissysteme einführen

12

Vertrieb als Speerspitze einsetzen

13

Finanzen priorisieren

14

Kosten senken

Über den Autor

Kapitel 1Comeback des Inflationsgespenstes

Das Inflationsgespenst ist zurück. Unternehmen und Verbraucher sind aufgeschreckt. Nach einem Jahrzehnt ungewöhnlicher Preisstabilität erleben wir die höchsten Preissteigerungsraten seit den 1970er Jahren. Vieles spricht dafür, dass die Inflation uns auf Jahre begleiten wird. Das stellt Unternehmen und die Verantwortlichen im Management vor Herausforderungen, mit denen sie nicht mehr vertraut sind. Denn die letzte Inflationswelle ähnlicher Größenordnung liegt mehr als vierzig Jahre zurück.

In diesem Buch möchte ich vor Augen führen, welch große Gefahr die Inflation für Verbraucher, Staat und vor allem für Unternehmen darstellt. Die Zusammenhänge und Konsequenzen sind dabei komplizierter, als man denkt. So kann die einfache Weitergabe von Kostensteigerungen an die nächste Wertschöpfungsstufe oder den Verbraucher ein gravierender Fehler sein. Man muss mögliche Reaktionen der Beteiligten und die Auswirkungen auf das Geschäftshandeln tiefgründig verstehen. Dieses tiefgründige Verständnis will ich dem Leser und der Leserin nahebringen. Ein besonderes Augenmerk gilt der Agilität. Denn die Inflation ist ruckartig eingetreten, täglich können sich wichtige Kosten und Preise ändern. Wenn man in dieser Situation nicht möglichst schnell und präzise Gegenmaßnahmen ergreift, kann das für ein Unternehmen existenzbedrohende Folgen haben. Warum das so ist, welche Maßnahmen in welchen Unternehmenseinheiten – abhängig von Branche und Produktart – heute geboten sind und was im Gegenteil vermieden werden sollte, ist Gegenstand dieses Buches. Für Marktanalysen und Fallbeispiele greife ich dabei immer wieder auf die umfassenden eigenen Erfahrungen mit Inflation und auf aktuelle Studien von Simon-Kucher & Partners zurück. Um die heutige Inflation zu verstehen, lohnt sich ein Blick zurück auf die vergangenen Jahrzehnte.

Die Zentralbanken streben im Allgemeinen eine jährliche Preissteigerungsrate von etwa 2 Prozent an. Dahinter steckt die Idee, dass ein leichtes Wachstum der Geldmenge und damit der Preise das Wirtschaftswachstum stimuliert. Und in der Tat beobachten wir in den meisten Ländern langfristig steigende Preise. Für einen ersten Überblick zeigt Abbildung 1.1 die Entwicklung des Verbraucherpreisindex in Deutschland von 1991 bis 2021.1 In diesem Zeitraum ist der Verbraucherpreisindex von 100 auf 166,6 gestiegen. Das entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Preissteigerungsrate von 1,72 Prozent. Dieser Wert liegt knapp unter der Zentralbankzielrate und wird im allgemeinen Verständnis als »Preisstabilität« interpretiert. Im Jahrfünft 2015 bis 2020 gab es in Deutschland sogar eine noch geringere Teuerung. Im Durchschnitt stiegen die Preise nur um 1,14 Prozent pro Jahr.

Doch selbst bei niedrigen Inflationsraten frisst die Zeit am Wert des Geldes. Die untere Kurve zeigt den kumulativen Wertverlust des Euro (beziehungsweise bis zu dessen Einführung im Jahr 1999 der D-Mark). In diesen dreißig Jahren ist ein Wertverlust von 40 Prozent eingetreten. Für ein Durchschnittsprodukt, das 1991 60 D-Mark kostete, muss man heute 100 Euro bezahlen. Eine jährliche Inflationsrate von 1,72 Prozent erscheint nicht hoch. Seit 1991 führte sie gleichwohl zu einer massiven Geldentwertung von mehr als einem Drittel.

Abb. 1.1: Verbraucherpreisindex für Deutschland von 1991 bis 2021, ausgehend von einem Indexwert von 100.

Quelle: eigene Darstellung.

Die in Abbildung 1.1 für Deutschland aufgezeigte Entwicklung war in ähnlicher Weise in den meisten hoch entwickelten Ländern zu beobachten. In manchen Ländern fiel die Geldentwertung sogar noch deutlich höher aus. So ist der Verbraucherpreisindex in den USA von 1991 bis 2021 um 99 Prozent gestiegen. Der US-Dollar hat in diesen drei Jahrzehnten fast die Hälfte seines Wertes verloren. Noch weitaus stärker fällt der Wertverlust des Dollar aus, wenn man bis zum Jahr 1971, in dem der Goldstandard aufgegeben wurde, zurückgeht. In Abbildung 1.2 ist die entsprechende Entwicklung des US-amerikanischen Verbraucherpreisindex dargestellt.

Abb. 1.2: Verbraucherpreisindex USA 1971 bis 2021, ausgehend von einem Indexwert von 100.

Quelle: eigene Darstellung.

Die Preise sind in diesen fünfzig Jahren um das 6,7-Fache gestiegen. Diese Steigerung entspricht einer durchschnittlichen jährlichen Inflationsrate von 3,87 Prozent, die anders als in Deutschland weit über der angestrebten Rate von 2 Prozent liegt. Wie die untere Kurve zeigt, ergab sich ein kumulativer Wertverlust des Dollars von 85,1 Prozent. Mit anderen Worten: Für ein Produkt, das 1971 14,90 Dollar kostete, muss man heute 100 Dollar auf den Tisch legen.

Eine Ausnahme von dem langfristigen Geldentwertungstrend bildet Japan, wo die Preise seit 1971 nur um 160 Prozent gestiegen und seit Mitte der 1990er Jahre sogar in der Tendenz gesunken sind. Selbst im Februar 2022, als die US-amerikanische Teuerungsrate auf 8,5 Prozent stieg, erreichte die japanische Inflationsrate nur 0,2 Prozent, und im Laufe des Jahres 2022 wurde ein Anstieg auf lediglich 2 Prozent erwartet. Allerdings gingen die Deflation bzw. die sehr niedrige Inflation mit einer Stagnation der japanischen Wirtschaft einher. Diese Entwicklung gilt unter Wirtschaftsfachleuten und Politikern als unerwünscht, da zu wenig oder kein Wachstum generiert wird, die Einkommen folglich nicht steigen, kaum neue Arbeitsplätze entstehen und die Innovation leidet. Gefährlich wird es allerdings, wenn die Inflationsraten aus dem Ruder laufen. Wenn Inflation und niedriges oder gar negatives Wachstum zusammen auftreten, wie das in den 1970er Jahren geschah, ist das die am wenigsten erwünschte Kombination, denn alles wird teurer, die Einkommen stagnieren oder sinken, so dass reale Kaufkraft und Lebensstandard der Bevölkerung leiden. Man spricht dann von Stagflation.

Geldwert vs. Warenwert

Was ist so gefährlich an überproportional steigenden Inflationsraten? An dieser Stelle ist ein kurzer Exkurs angebracht, der zum Verständnis von Inflation beiträgt. »Inflare« bedeutet im Lateinischen »aufblähen, ausweiten«. Im verbreiteten Verständnis bedeutet Inflation, dass die Waren teurer werden. In Wirklichkeit passiert jedoch genau das Umgekehrte. Nicht die Waren werden teurer, sondern das Geld verliert an Wert. Das heißt, das Geld verliert eine seiner wichtigsten Funktionen, nämlich die Wertaufbewahrungsfunktion.2 Diese Perspektive wird deutlich, wenn man den Wert der Ware in Gold und nicht in »Fiat-Money« misst. Als Fiat-Money bezeichnet man in Anlehnung an den biblischen Schöpfungsakt das von den Zentralbanken geschaffene Geld. In der Bibel schuf Gott die Welt aus dem Nichts, begleitet mit den Worten: »fiat lux« (»es werde Licht«). Und in ähnlicher Weise wird Geld im modernen System von den Zentralbanken »aus dem Nichts« geschaffen und ist damit beliebig vermehrbar. Inflation entsteht letztlich daraus, dass zu viel Geld auf eine zu geringe Warenmenge trifft. In Gold, das nicht beliebig vermehrbar ist, stellen sich Wertrelationen völlig anders dar. »Sie können heute 300 Laib Brot für eine Unze Gold kaufen, und Sie haben dies zu Christi Zeiten bekommen«, sagt Uwe Bergold vom Edelmetallhändler pro aurum.3 In Rom kostete vor 2 000 Jahren eine maßgeschneiderte Tunica etwa eine Unze Gold; heute bekommt man für eine Unze Gold einen Maßanzug.4 Der Preis des Kleidungsstückes hat sich in Gold gemessen über 2 000 Jahre nicht wesentlich verändert, gleiches gilt für das Brot. Die Aussage, dass der Wert einer Ware gleich geblieben sei, gilt natürlich nur für Produkte, deren Nutzen sich über die Zeit nicht wesentlich verändert hat; sie gilt nicht für Produkte wie die Dampflokomotive oder den Rechenschieber, die obsolet geworden sind und heute keinen Nutzen mehr bringen. Was sich in der Inflation verändert, ist der Wert des Fiat-Geldes. Dieser Wert nimmt ab. Aus solchen Überlegungen ergeben sich konkrete Konsequenzen für das Finanz- und Cashmanagement, auf die wir in Kapitel 13 zurückkommen.

Die aktuelle Inflation

Im Jahr 2021 kehrte die Inflation zurück und verschärft sich seitdem. Im April 2022 erreichte die jährliche Inflationsrate in den USA 8,5 Prozent, Deutschland lag mit einer Rate von 7,4 Prozent nur unwesentlich niedriger. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Inflation anhält. Selbst ein Zurückfallen in eine Stagflation im Stil der 1970er Jahre lässt sich nicht mit Sicherheit ausschließen. Damals waren die Ölkrisen von 1973 und 1978 die Auslöser. Für die Inflation der 2020er Jahre gibt es hingegen mehrere Ursachen:

Die Nachwirkungen der Finanzkrise von 2008 bis 2010

Covid-19 und die damit einhergehende Expansion der Geldmenge

Handelskonflikte, insbesondere zwischen USA und China

Unterbrechungen der globalen Lieferketten

Demografie, die zu Produktions- und Angebotsengpässen führt

und zuletzt die Ukraine-Krise.

All diese Faktoren wirken sich auf die Preise für Energie, Rohstoffe, Lebensmittel und in einer Art Kettenreaktion auf viele andere Produkte sowie Dienstleistungen aus.

Anhaltende Inflation

Eine wichtige Frage ist, ob die Inflation temporär ist oder auf lange Zeit anhalten wird? Als sich die ersten Preissteigerungen im Jahr 2021 zeigten, sprachen insbesondere die Zentralbanken, aber auch viele Makroökonomen von einem vorübergehenden Phänomen, dass durch Covid-19, Lieferengpässe und Störungen der globalen Supply Chain verursacht werde. Mit dem Verschwinden dieser Faktoren gehe auch der Inflationsdruck zurück.

Seit dem Frühjahr 2022 mehren sich jedoch die Stimmen, die eine länger anhaltende Inflation sehen. So sagte Agustin Carstens, Generaldirektor der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, »dass wir uns an der Schwelle zu einer neuen Inflationsära befinden. Die Kräfte hinter der hohen Inflation könnten noch einige Zeit anhalten.«5 Christian Nolting, Chief Investment Officer der Deutschen Bank, findet ein plastisches Bild: »The rhino in the room has been unleashed and may prove difficult to stop.«6 Karl von Rohr, Vorstand im selben Hause, hält sogar eine jährliche Inflationsrate von 10 Prozent für möglich.7 Vorausschauende Ökonomen wie Hans-Werner Sinn oder Thomas Mayer haben diese Entwicklung seit längerem prognostiziert und treffgenau zur Rückkehr der Inflation Bücher vorgelegt, die sich zu einer vertieften Behandlung mit der Inflationsproblematik aus makroökonomischer Sicht empfehlen.8 Im Frühjahr 2022 bestätigte Sinn seine Prognose: »Die Inflation ist da – und wird auch bleiben.«9 Als Begründung führt er an, dass die Erzeugerpreise in Deutschland im Jahresvergleich um 25,9 Prozent gestiegen seien und es dauere, bis diese Entwicklung auf den vorgelagerten Wertschöpfungsstufen bei den Endverbrauchern ankomme. Im Jahresvergleich sind die Erzeugerpreise für Getreide um 33 Prozent, für Kartoffeln um 88 Prozent und für Milch um 30 Prozent gestiegen.10 Parallel dazu zeigen sich die ersten Forderungen der Gewerkschaften. Die IG Metall verlangte im Frühjahr 2022 Lohnsteigerungen von 8,2 Prozent.11 Nicht weniger wichtig ist die Tatsache, dass die extrem aufgeblähte Geldmenge sich nicht kurzfristig zurückführen lässt, zumal die Zentralbanken bei Zinserhöhungen neue Gefahren sehen und deshalb zögerlich agieren.

Die Inflationsampel steht also auf tiefrot. Für Preisverantwortliche sollten alle Warnsignale ertönen. In dieser Situation kann man katastrophale Fehler machen, aber es gibt auch Chancen, relativ ungeschoren davonzukommen, indem man schnell agiert und das Richtige tut. In diesem Buch versuche ich, tiefer zu graben und Überlegungen anzustellen, die über die oft plakativen und oberflächlichen Aussagen zu Preis und Inflation hinausgehen. Als Negativbeispiel sei nur eine unreflektierte Überwälzung von Kostensteigerungen auf die Kunden genannt. Um in Unternehmen zu richtigen Entscheidungen zu kommen, bedarf es sowohl eines gründlichen Verständnisses der Zusammenhänge zwischen Kosten, Preisen und Inflation, als auch Klugheit im Timing und in der Gestaltung der Umsetzung.

Inflation bei Lebensmitteln

Die Inflation betrifft grundsätzlich alle Branchen. Das spiegelt sich im allgemeinen Verbraucherpreisindex wider. Doch dieser Index darf nicht als maßgebliche Leitlinie für unternehmerisches Handeln fungieren. Vielmehr kommt es auf die Konstellation der Ursachen im Einzelfall an. Das zeigen die folgenden Beispiele. Am stärksten wahrgenommen werden die Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln. Und in der Tat beobachtet man dort ungewöhnlich hohe Teuerungsraten. Am 21. Januar 2022 kostete ein Liter Heizöl bei Abnahme von 3 000 Litern 87 Cent, am 9. März 2022 stieg der Preis kurzfristig auf über 2 Euro. Die Stadtwerke Bonn haben bei unverändertem Grundpreis den Verbrauchspreis pro Kilowattstunde vom 1. Juni 2022 an um 5,46 Cent erhöht, das entspricht je nach Tarif 74 bis 80 Prozent.12

Abbildung 1.3 zeigt Preissteigerungen für ausgewählte Produkte im Lebensmittelbereich im März 2022 gegenüber dem Vorjahresmonat in Prozent. Die Preissteigerungen für diese Lebensmittel liegen weit über dem allgemeinen Inflationsindex. Insgesamt stiegen die Preise für Lebensmittel mit 6,2 Prozent deutlich geringer als die hier ausgewählten Produkte. Selbst ein Discounter wie Aldi, dessen Wettbewerbspositionierung auf niedrige Preise ausgerichtet ist, konnte sich der Notwendigkeit von massiven Preiserhöhungen nicht entziehen, wie Abbildung 1.4 belegt.

Abb. 1.3: Preissteigerungen in Deutschland für ausgewählte Lebensmittel im März 2022 gegenüber Vorjahresmonat, in Prozent.

Quelle: Destatis/Jessica von Blazekovic, Warum Lebensmittel teurer werden, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 20. April 2022, S. 17.

Abb. 1.4: Preissteigerungen bei ausgewählten Eigenmarken von Aldi zwischen Januar und März 2022.

Quelle: Stefanie Diemand, Gibt es bald keine billigen Lebensmittel mehr?, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2. April 2022, S. 20.

Die empirische Beobachtung, dass die Preissteigerungen von Produkt zu Produkt sehr unterschiedlich ausfallen, trifft auch auf andere Märkte zu. So hat Tesla im April 2022 den Listenpreis für das Model 3 von 42 990 Euro auf 49 990 Euro erhöht.13 Das entspricht einer Steigerung von 16,3 Prozent. Für den deutschen Käufer kommt hinzu, dass sich der von Staat und Herstellern gewährte Umweltbonus für E-Autos um 1 500 Euro reduziert. Rechnet man beides zusammen, so muss der Tesla-Käufer nach Umweltbonus statt bisher 33 990 Euro jetzt 42 490 Euro zahlen, das sind geschlagene 25 Prozent mehr. Am unteren Ende der Preisskala wird das Elektroauto Dacia Spring im Frühjahr 2022 zu einem Listenpreis von 20 940 Euro angeboten. Nach Abzug des Umweltbonus muss der Käufer nur 11 000 Euro zahlen. Dieser Ultraniedrigpreis führte zu einer solchen Welle von Bestellungen, dass Dacia im Frühjahr die Annahme neuer Aufträge vorübergehend einstellen musste.14 Auch das kann ein Effekt der Inflation sein. Das Dacia-Modell steht zwar nicht im direkten Wettbewerb mit dem Tesla-Model 3, aber Preissteigerungen bei teureren Produkten können bei den Verbrauchern sehr wohl zum Ausweichen auf deutlich billigere Produkte führen.

Aus diesen Preisvergleichen sind mehrere Schlussfolgerungen zu ziehen. Extreme Preissteigerungen wie bei Energie oder lebensnotwendigen Produkten belasten die Kaufkraft der Verbraucher sehr stark. Die aufgeführten Beispiele zeigen zudem, dass die allgemeine Inflationsrate nicht als Anhaltspunkt für Managemententscheidungen geeignet ist. Die aufgezeigten Preissteigerungen liegen weit über der allgemeinen Inflationsrate. Entsprechend muss es Produkte und Dienstleistungen geben, deren Preise deutlich weniger als die allgemeine Teuerungsrate steigen oder sogar sinken. Eine Betrachtung von Durchschnittswerten kann daher irreführend sein. Unterschiedliche Preissteigerungen verschieben Wettbewerbspositionen unter Umständen massiv. Es ist notwendig, die Preisentwicklungen und die Preistreiber für jedes einzelne Produkt zu verstehen, um zu richtigen Entscheidungen für dieses Produkt zu kommen.

Zusammenfassung

Zusammenfassung

Nach einem Jahrzehnt relativer Preisstabilität ist die Inflation zurück. Folgende Punkte seien festgehalten:

Selbst niedrige Inflationsraten führen langfristig zu einer starken Geldentwertung.

Diese erreichte in Deutschland seit 1991 beachtliche 40 Prozent, in den USA seit 1971 sogar 85 Prozent.

Die Kombination von niedrigen Inflationsraten und nachhaltigem Wirtschaftswachstum ist erwünscht und der Verbindung von Deflation und Stagnation vorzuziehen.

Seit 2021 hat die Inflation ruckartig angezogen und die höchsten Raten seit den 1970er Jahren erreicht.

Seitdem wirken zahlreiche Faktoren als Preistreiber. Selbst wenn einige davon nur temporär wirksam bleiben, ist mit einem längeren Anhalten der Inflation zu rechnen. Denn die aufgeblähte Geldmenge lässt sich nicht schnell abbauen.

Betrachtungen von einzelnen Produkten zeigen, dass sich die Preissteigerungen stark unterscheiden. Insofern muss jede Maßnahme gegen Inflation die Situation des einzelnen Produktes beachten und sich nicht von Durchschnittswerten leiten lassen.

Kapitel 2Opfer und Profiteure der Inflation

Wen trifft die Inflation? Wer sind die Betroffenen? Die einfache Antwortet lautet, dass alle betroffen sind, Verbraucher, Unternehmen und natürlich auch der Staat. Allerdings unterscheidet sich die Betroffenheit je nach Situation des einzelnen Akteurs. Es gibt Opfer und Profiteure. Verbraucher mit geringer Kaufkraft, deren lebensnotwendige Einkäufe sich stark verteuern, stehen auf der Verliererseite. Wohlhabende, die auf nicht lebensnotwendige Käufe verzichten können, leiden weniger unter steigenden Preisen. Schuldner profitieren von der Inflation, da sie ihre Schulden in entwertetem Geld zurückzahlen. Gläubiger hingegen finden sich in der Opferrolle, denn sie erhalten für ihre Forderungen einen verminderten Realwert zurück. Unternehmen, die hohe Pricing Power besitzen, können die gestiegenen Kosten auf ihre Kunden überwälzen, während Firmen mit schwacher Pricing Power den Kostenanstieg zu Lasten ihrer Gewinne absorbieren müssen oder sogar in die Verlustzone rutschen. Von steigenden Preisen profitieren auch Rohstoffförderer. Die Ölfirma BP hat im ersten Quartal 2020 dank »außergewöhnlicher« Preise ihren Gewinn mehr als verdoppelt, das beste Ergebnis seit mehr als zehn Jahren.1

Unternehmen und Management

Wie fühlen sich Unternehmen betroffen und wie verhalten sie sich, wenn die Inflation einsetzt? Dieser Frage ist Simon-Kucher & Partners zu Beginn der Inflation in einer Studie bei 367 deutschen Unternehmen, von denen 29 Prozent Konsumgüter und 71 Prozent Industriegüter herstellen, nachgegangen.2 Die Ergebnisse fielen für die beiden Sektoren unterschiedlich aus, wie Abbildung 2.1 zeigt.

Reaktion auf Inflation

Industriegüter

n=263

Konsumgüter

n=104

Bereits Preiserhöhung durchgeführt

46%

59%

Kostenanstieg wird im Preis weitergegeben

41%

38%

Kostenanstieg wird durch höhere Effizienz kompensiert

17%

28%

Nach Kunden differenzierte Preisanpassung

66%

51%

Keine Preiserhöhung bei signifikanten Mengenverlusten

27%

36%

Mehrfache Preiserhöhungen pro Jahr

24%

25%

Preisanpassungsklausel vorhanden

20%

k. A.

Abb. 2.1: Preisverhalten deutscher Unternehmen in der Inflation seit Februar 2022.

Quelle: Simon-Kucher 2022.

Kostensteigerungen werden demnach sowohl durch Preiserhöhungen als auch durch höhere Effizienz kompensiert. Im Falle der Industriegüter werden so 58 Prozent der Kostensteigerungen (41 Prozent durch Preise, 17 Prozent durch Effizienz) und bei Konsumgütern 66 Prozent (38 + 28) absorbiert. Ein weiteres Ergebnis der Studie zeigt, dass Preisanpassungen überwiegend nach Kunden differenziert erfolgen. Vor signifikanten Absatzverlusten in Folge von Preiserhöhungen schrecken bei Industriegütern mehr als ein Viertel, bei Konsumgütern sogar mehr als ein Drittel der befragten Firmen zurück. Rund jedes vierte Unternehmen passt die Preise unter inflationären Bedingungen mehrfach pro Jahr an. Wie wir weiter unten sehen werden, ist das ein sinnvolles Verhalten.

Ein gravierendes Manko: fehlende Inflationserfahrung

Die Rückkehr des Inflationsgespenstes stellt Unternehmen und ihr Management vor gewaltige und ungewohnte Herausforderungen. Das gilt keineswegs nur für die Marktseite, also Vertrieb und Marketing, sondern gleichermaßen für Funktionen wie General Management, Finanzen, Controlling, Produktion und Einkauf. Ein gravierendes Problem besteht darin, dass die gegenwärtige Managergeneration so gut wie keine Erfahrung mit hohen Inflationsraten besitzt. Der US-amerikanische Management-Guru Ram Charan weist pointiert auf diese Erfahrungslücke hin: »Nearly two generations of managers have literally no idea what it’s like to operate in an inflationary environment«, warnend fügt er hinzu: »Inflation consumes cash, eats margins and lulls managers into a false sense of security as inflated revenues rise. A company’s situation can erode very quickly, leading to takeover or bankruptcy.«3 Ein Automobilexperte sagt mir über die Zulieferbranche: »Diese Industrie hat 30 Jahre lang nur Preissenkungsklauseln entwickelt. Die können gar nicht mehr in Richtung Erhöhung denken.«

Die Zeiten ähnlich hoher Preissteigerungen, wie wir sie jetzt und wohl für längere Zeit erwarten müssen, liegen 40 bis 50 Jahre zurück. Abbildung 2.2 belegt dies anhand eines Vergleichs der jährlichen Inflationsraten von 1972 bis 1981 mit den Raten von 2012 bis 2021.

Abb. 2.2: Vergleich der jährlichen Inflationsraten von 1972 bis 1981 mit den Raten von 2012 bis 2021.

Quelle: eigene Darstellung.

Nimmt man den einfachen Mittelwert, so lag die durchschnittliche Inflationsrate in den 1970er Jahren bei 4,81 Prozent und in den 2010er Jahren bei 1,27 Prozent, mit anderen Worten knapp viermal so hoch.4 Dieser Vergleich verdeutlicht auf drastische Weise, dass Unternehmen in den 1970er Jahren unter völlig anderen Bedingungen arbeiteten als im gerade vergangenen Jahrzehnt. Doch die Erfahrungen aus jener Zeit sind nicht mehr präsent. Die Manager, die seinerzeit Verantwortung trugen, sind längst alle im Ruhestand oder verstorben. Die jetzige Managergeneration besitzt keine eigenen Inflationserfahrungen. Man kann zwar auf Literatur aus den 1970er Jahren zurückgreifen, in der Themen wie Preisüberwälzung, Scheingewinne etc. tiefgründig behandelt wurden, aber diese Lektüre kann eigene Erfahrungen nicht ersetzen.5 Eine andere mögliche Informationsquelle können Länder sein, in denen zurzeit hohe Inflationsraten grassieren. Ein Extrembeispiel ist die Türkei, in der sich die jährliche Geldentwertung im Bereich von mehr als 50 Prozent bewegt.6 Es kommt hinzu, dass die Übertragbarkeit eingeschränkt ist. In den 1970er Jahren waren die Ölpreisschocks von 1973 und 1978 die dominierenden, sich über eine Preis-Lohn-Spirale verstärkenden Ursachen. Die von der IG Metall erhobene Forderung einer Lohnsteigerung von 8,2 Prozent ist ein Vorbote dafür, »dass sich Inflationserwartungen, Löhne und Preise gegenseitig weiter aufschaukeln«.7