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Mit diesem Buch erhalten Sie das E-Book inklusive! Gewinn: der Preis des Überlebens »Gewinnmaximierung ist das Gegenteil von Verschwendung«, sagt Hermann Simon. Umso erstaunlicher ist es, dass mehr als 80 Prozent der Unternehmen, die derzeit in den USA an die Börse gehen, noch nie Gewinn gemacht haben. Auch in Deutschland gibt es nur wenige Gewinn-Stars, dabei ist der echte Gewinn nach Steuern die wichtigste Zielgröße im Management. Denn Gewinne, davon ist Simon überzeugt, sind die Kosten des Überlebens und schaffen neuen Wert. In seinem Buch bringt er Klarheit in den Dschungel der Gewinnbegriffe und Bilanzrechnungen. Er beleuchtet die Performance zahlreicher Unternehmen und Branchen im internationalen Vergleich und geht auf die wichtigsten Gewinntreiber ein: Preis, Absatz und Kosten. Aus seiner scharfsinnigen Analyse leitet Simon praktische Konsequenzen ab und bietet den ersten Leitfaden für eine am Gewinn orientierte, nachhaltige Unternehmensführung!
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Seitenzahl: 328
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Hermann Simon
Am Gewinn ist noch keine Firma kaputtgegangen
Campus VerlagFrankfurt/New York
Über das Buch
Mit diesem Buch erhalten Sie das E-Book inklusive! Gewinn: der Preis des Überlebens »Gewinnmaximierung ist das Gegenteil von Verschwendung«, sagt Hermann Simon. Umso erstaunlicher ist es, dass mehr als 80 Prozent der Unternehmen, die derzeit in den USA an die Börse gehen, noch nie Gewinn gemacht haben. Auch in Deutschland gibt es nur wenige Gewinn-Stars, dabei ist der echte Gewinn nach Steuern die wichtigste Zielgröße im Management. Denn Gewinne, davon ist Simon überzeugt, sind die Kosten des Überlebens und schaffen neuen Wert. In seinem Buch bringt er Klarheit in den Dschungel der Gewinnbegriffe und Bilanzrechnungen. Er beleuchtet die Performance zahlreicher Unternehmen und Branchen im internationalen Vergleich und geht auf die wichtigsten Gewinntreiber ein: Preis, Absatz und Kosten. Aus seiner scharfsinnigen Analyse leitet Simon praktische Konsequenzen ab und bietet den ersten Leitfaden für eine am Gewinn orientierte, nachhaltige Unternehmensführung!
Vita
Hermann Simon ist der einzige Deutsche, der in die »Thinkers50 Hall of Fame« der weltweit wichtigsten Managementdenker aufgenommen wurde. Der Entdecker der »Hidden Champions«, der unbekannten Weltmarktführer und ihrer Erfolgsrezepte, war Professor für Marketing an den Universitäten Bielefeld und Mainz. Es folgten Stationen in Harvard und Stanford, am MIT und INSEAD, an der Keio Universität in Tokio und der London Business School. 1985 gründete Simon die Unternehmensberatung Simon-Kucher & Partners und entwickelte sie zum Weltmarktführer für Preisberatung mit heute 39 Büros weltweit. Der international gefragte Redner stammt aus einem Dorf in der Eifel. Er ist Autor zahlreicher Bücher, die in 27 Sprachen übersetzt wurden. Bei Campus erschienen u.a. »Hidden Champions – Aufbruch nach Globalia« (1996/2012), »Preisheiten« (2013/2015) und seine Autobiografie »Zwei Welten, ein Leben« (2018).
Vorwort
Kapitel 1Gewinn – was ist das?
Gewinndefinitionen
Gewinne als Kosten
Erweiterte Gewinnbegriffe
Rendite
Nominaler vs. realer Gewinn
Gewinn und Opportunitätskosten
Gewinn und Risiko
Gewinnermittlung
Gewinn und Wertschöpfung
Gewinn und Liquidität
Cashflow
Free Cashflow
Gewinn ist Gewinn
Zusammenfassung
Kapitel 2Auf der Suche nach Gewinn
Überschätzte Gewinne
Unterschätzte Aktienrendite
Fehlwahrnehmungen und ihre Folgen
Gewinnwüste Deutschland
Internationaler Vergleich
Österreich und Schweiz
Umsatzrenditen nach Branchen
Renditen im Handel
Eigenkapitalrenditen
Renditen der Hidden Champions
Deutsche Gewinn-Stars
Deutsche Großunternehmen: Umsatz hoch, Gewinn niedrig
Globale Superstars
Zusammenfassung
Kapitel 3Das Ziel
Ziele in der Praxis
Zielkonflikte
Volumen- und Marktanteilsziele
Digitalisierung
Wettbewerbsorientierung
Gewinnziele
Langfristige Gewinnmaximierung
Shareholder Value
Ziele und Incentives
Zusammenfassung
Kapitel 4Ethik des Gewinns
Überlegenheit des Kapitalismus
Gewinn und Freiheit
Gewinn, Ethik, Anstand
Corporate Social Responsibility
Die Rolle des Internet
Gewinne moralisch bedenklich?
Gewinn und Intellektuelle
Tabu und Transparenz
Ist Gewinnmaximierung notwendig?
Shareholder- vs. Stakeholder-Value
Gewinn in guten und in schlechten Zeiten
Gewinn, Sinn, Motivation
Enttäuschung am Ende
Zusammenfassung
Kapitel 5Diagnose und Therapie
Falsche Ziele
Gewinnorientierung nach Ländern
Gewinnorientierung nach Branchen
Kenntnis von Umsatz und Gewinn
Veränderung der Ziele
Berichtswesen
Kommunikation
Terminierung von Zielen
Chief Profit Officer
Zielkonflikte
Falsche Incentives
Aktien statt Optionen
Falsche Branche
Five Forces
Überkapazitäten
Verzettelung
Überbetonung langfristiger Orientierung
Deutschlandspezifische Gewinnschwächen
Dominanz reifer Branchen
Scaling-up-Schwäche
Gesamtverantwortung des Vorstandes
Mitbestimmung
Weiche Banken
Die Rolle des Finanzamtes
Negative Wortbesetzung
Zusammenfassung
Kapitel 6Gewinntreiber Preis
Besonderheiten des Preises als Gewinntreiber
Schnelle Einsetzbarkeit und Reaktion
Aufmerksamkeit für den Preis
Komplexität von Preissystemen
Preis vs. Absatz
Gewinnelastizität des Preises
Gewinnmaximaler Preis
Marxistische Preise
Preisdifferenzierung und Gewinn
Psychologie des Preises
Premiumstrategie
Niedrigpreisstrategie
Internet, Preis, Gewinn
Neue Preismetriken
Preis und Shareholder Value
Pricingprozess
Was bringt besseres Pricing?
Zusammenfassung
Kapitel 7Gewinntreiber Absatz
Besonderheiten des Absatzes als Gewinntreiber
Autonomes vs. preisinduziertes Absatzwachstum
Mehr Absatz, weniger Gewinn
Weniger Absatz, mehr Gewinn
Gewinnelastizität des Absatzes
Der gewinnmaximale Absatz
Marktpenetration
Effektiverer Vertrieb
Überkapazitäten abbauen
Digitalisierung
Neue Produkte
Less Expensive Alternative
Internationalisierung
Diversifikation
Yield-Management
Serviceerweiterung
Unbundling von Services
Vom Produkt- zum Systemangebot
Naturalrabatte
Absatz und Shareholder Value
Zusammenfassung
Kapitel 8Gewinntreiber Kosten
Besonderheiten der Kosten als Gewinntreiber
Gewinnelastizität der Kosten
Fixe vs. variable Kosten
Kosten und Preisuntergrenzen
Kosten und Break-even-Menge
Kostenstruktur
Economies of Scale und Erfahrungskurve
Grenzkosten von Null
Kostenmanagement
Kostenkultur
Mitarbeitereinbindung
Management-Commitment
Effektivität: Kosten-Nutzen-Analyse
Blindleistung ausmerzen
Effizienz und Produktivität
Zulieferer
Digitalisierung
Arroganz vermeiden
Kosten und Krisen
Zusammenfassung
Epilog
Hermann Simon
Anmerkungen
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Register
Gewinne sind die Kosten des Überlebens. Wenn ein Unternehmen auf Dauer keine Gewinne erzielt, wird es früher oder später zu Grunde gehen. Jedes Jahr passiert das Tausenden von Unternehmen.
Wann muss ein Unternehmen Insolvenz anmelden? Diese Pflicht tritt ein, wenn fällige Verbindlichkeiten nicht beglichen werden können, das Unternehmen also zahlungsunfähig ist. Illiquidität ist allerdings nur Anlass, nicht Ursache der Insolvenz. Die wirkliche Ursache für den Bankrott liegt darin, dass ein Unternehmen Verluste einfährt. Verlust zu machen bedeutet, dass mehr an Ressourcen hineingesteckt wird, als an Wert herauskommt, ein auf Dauer für private Unternehmen unhaltbarer Zustand.
Ein Unternehmen zu gründen ist nicht allzu schwer. Die größere Herausforderung besteht darin, es dauerhaft profitabel zu führen. Nur eines von zehn Start-ups hält längerfristig durch, neun gehen innerhalb der ersten drei Jahre nach Gründung pleite. Woran liegt das? Vordergründig an fehlender Liquidität. Letztlich jedoch an mangelnden Gewinnaussichten. Gründern sei deshalb die Notwendigkeit des Gewinnmachens ins Stammbuch geschrieben.
Gewinn ist und bleibt das alleinige Kriterium für den nachhaltigen Erfolg und die Überlebensfähigkeit von Unternehmen. Gewinn ist der Pfeiler, der ein Unternehmen trägt. Man sollte also erwarten, dass viel über Gewinn geschrieben wird. Wie ein Blick auf amazon.de und amazon.com zeigt, gibt es jedoch kein Buch explizit zum Thema Gewinn. Das vorliegende Buch ist das erste, das sich ausschließlich diesem Thema widmet. Es beleuchtet die schillernden und vielfältigen Facetten des Gewinnphänomens wie Begrifflichkeiten, Rentabilitäten, Ziele, Ethik, Ursachen und Gewinntreiber. Die Inhalte resultieren dabei gleichermaßen aus meinen Erfahrungen als Wissenschaftler und als Praktiker. Vielleicht lässt sich das komplexe Konstrukt Gewinn nur ausloten, wenn man beide Seiten kennt. Anhand zahlreicher Fallstudien und Zitate zeige ich auf, dass Gewinn nicht nur eine ökonomische, sondern auch eine zutiefst emotionale Seite hat. Manchmal endet ein Unternehmerschicksal tragisch, weil das Gewinnmotiv vernachlässigt wurde. »The first ethical responsibility of a business leader is to make a profit«, sagte mir Nitin Nohria, Dean der Harvard Business School.
Nicht zuletzt aufgrund solcher Erfahrungen beziehe ich einen eindeutigen Standpunkt und lasse an meiner Überzeugung, dass Unternehmer mit Entschiedenheit gewinnorientiert arbeiten sollten, keinen Zweifel. Ich halte Gewinnmaximierung für ein probates Ziel. Denn sie ist das Gegenteil von Verschwendung. Mit diesem Buch will ich Unternehmern und Managern sowie solchen, die es werden wollen, den wichtigsten Faktor für dauerhaften Erfolg ans Herz legen. Denn am Gewinn ist noch keine Firma kaputtgegangen.
Bonn, im Frühjahr 2020
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Hermann Simon
Gründer und Honorary Chairman von Simon-Kucher & Partners
»Ich bin für Gewinnmaximierung!« Wenn Sie in weiten Kreisen der Gesellschaft Empörung auslösen und die Menschen gegen sich aufbringen wollen, dann erweist sich diese Aussage als höchst effektiv. Es ist dabei ziemlich egal, ob Sie Lehrer, Ärzte, Juristen oder Beamte vor sich haben, von den wirtschaftskritischeren Fraktionen der Politologen, Soziologen oder Philosophen ganz zu schweigen. Natürlich sind auch die meisten Angestellten und Arbeiter gegen Gewinnmaximierung. Und selbst bei Managern und Unternehmern werden Sie keineswegs auf generelle Zustimmung treffen. Es gibt kaum ein brisanteres Reizwort als »Gewinnmaximierung«. Manche Menschen bringt allein schon das Wort Gewinn in Rage.1 Noch schlimmer ist allenfalls der Begriff Shareholder Value. Die Maximierung des Gewinns und erst recht des Shareholder Values wird von vielen außenstehenden Betrachtern als die Wurzel aller wirtschaftlichen Übel angesehen. Gewinnmaximierung und Shareholder Value, so die Kritiker, seien verantwortlich für die Ausbeutung von Ressourcen und Mitarbeitern, für ungleiche Verteilung von Einkommen und Vermögen, für die Verlagerung von Arbeitsplätzen in Niedriglohnländer und von Firmensitzen in Steueroasen, und für viele weitere Missstände. Dabei ist, wie gesagt, Gewinnmaximierung im Kern nichts anderes als das Gegenteil von Verschwendung, man kann auch sagen »die Minimierung von Verschwendung«.
Dieser Kritik steht die Auffassung der theoretisch fundierten Betriebswirtschaftslehre gegenüber, dass Unternehmen in der Marktwirtschaft nach Gewinnmaximierung streben sollen, weil sie andernfalls Gefahr laufen, im Wettbewerb unterzugehen. Der BWL-Klassiker Einführung in die Allgemeine Betriebswirtschaftslehre von Wöhe, Döring und Brösel bekräftigt diese Position in der 26. Auflage und grenzt sich damit deutlich von den Kritikern der Gewinnmaximierung ab.2 Die Autoren betonen nachdrücklich, dass der Gewinn als Entgelt für die Übernahme des unternehmerischen Risikos nur den Eigentümern eines Unternehmens zustehe. Gewinn sei nämlich genau das, was übrig bleibe, wenn das Unternehmen alle vertraglich vereinbarten Ansprüche von Mitarbeitern, Lieferanten, Banken, sonstigen Gläubigern und des Staates befriedigt habe.3 Der Gewinn ist also eine Residualgröße, die ausschließlich den Eigentümern gehört. Denn sofern alle Ansprüche von Dritten abgegolten sind, kann niemand weitere Forderungen gegen das Unternehmen erheben.
Diese unbestreitbare Definition von Gewinn wird keineswegs allgemein akzeptiert. Das belegt eine Aussage des früheren französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy, der sich dafür aussprach, »dass die Unternehmen ihre Gewinne ungefähr zu jeweils einem Drittel auf die Aktionäre, die Investitionen und die Beschäftigten verteilen«.4 Es sei nicht zu akzeptieren, dass die Eigentümer den vollen Gewinn einsteckten. Das ist so, als würde man sagen, es sei inakzeptabel, wenn die gesamte Lohnsumme an die Mitarbeiter ginge und andere Anspruchsgruppen nicht an den Löhnen partizipierten. Aber offenbar kommen solche unhaltbar populistischen Aussagen beim Publikum gut an.
Eine aufschlussreiche Sichtweise, die auf Peter Drucker zurückgeht, interpretiert Gewinne als Kosten.6 »Profit is the cost of survival« – Gewinne sind die Kosten des Überlebens, sagt Drucker. Seiner Auffassung nach stecken im Gewinn drei Kostenarten:
Kosten des Kapitals,
Kosten des unternehmerischen Risikos und
Kosten der Zukunft zur Sicherung von Arbeitsplätzen und Pensionen.
Demgemäß sollte der Gewinn nicht als Restgröße, die am Ende des Geschäftsjahres hoffentlich ein positives Vorzeichen trägt, verstanden werden, sondern Gewinne seien wie Kosten von vornherein einzukalkulieren, um das Überleben des Unternehmens zu sichern.
Mehr Verwirrung als Transparenz stiften die zahlreichen Begriffe, die zur Bezeichnung von gewinnbezogenen Größen genutzt werden. Dazu zählen Ergebnis, Jahresüberschuss, Jahresergebnis, Periodenergebnis, Konzernergebnis, Bilanzgewinn, Betriebsgewinn, Gewinnvortrag, Rohergebnis, Resultat, Profit oder Earnings. Zudem verstärken Adjektive wie kalkulatorisch, betriebswirtschaftlich, operativ, gewöhnlich, neutral, vorläufig, nominal, real inflationsbereinigt, außerordentlich oder Wortgebilde wie Konzerngewinn, Gruppengewinn usw. die Verständnisprobleme.7 Noch verwirrender wird es durch die Einbeziehung beziehungsweise Nichteinbeziehung von Zinsen, Steuern, Abschreibungen und weiteren Größen. Es gibt den buchhalterischen Gewinn (Accounting Profit), der die Erträge und Aufwendungen, beziehungsweise beim Betriebsgewinn die Umsätze und Kosten, in der (Betriebs-)Buchhaltung erfasst. Daneben existieren Gewinnkonzepte wie »Normal Profit« (Normaler Gewinn) und »Economic Profit« (Ökonomischer Gewinn),8 welche die Opportunitätskosten des Kapitals, also die entgangenen Erlöse aufgrund nicht wahrgenommener Alternativen, einbeziehen.
In Presseberichten und Diskussionen wird oft nicht präzise gesagt, welcher Gewinn gemeint ist. Im Finanzwesen haben sich Gewinnkennzahlen eingebürgert, die mit der obigen Gewinndefinition als Residualgröße nichts gemein haben. Man ist geneigt, von gezielten Vernebelungstaktiken zu sprechen. Laien fällt es folglich schwer, die verschiedenen Gewinnbegriffe zu verstehen und auseinanderzuhalten. Die verbreitete Konfusion und Fehlwahrnehmungen der tatsächlichen Gewinnsituation von Unternehmen sind zumindest teilweise auf diesen Begriffswirrwarr zurückzuführen.
Es ist nicht das Anliegen dieses Buches, die Komplexität der bilanziellen Gewinnermittlung umfassend und vertieft darzustellen. Diesbezüglich sei auf Spezialliteratur verwiesen.9 Ich will gleichwohl die gebräuchlichsten Gewinnbegriffe kurz erläutern und Lesern so zumindest einen Überblick vermitteln. Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass man stets fragen sollte, welche Größen erfasst oder ausgeschlossen werden, wenn von »Gewinn« die Rede ist.
Folgende Begriffe sind verbreitet:
Gewinn nach Steuern (Earnings after Tax, abgekürzt EAT): Man spricht auch von Nettogewinn. Im deutschen Handelsgesetzbuch heißt dieser Gewinn Jahresüberschuss. Der Nettogewinn ist der letztlich relevante Gewinn, denn nur diesen Betrag dürfen die Anteilseigner oder der Unternehmer behalten.
Gewinn vor Steuern (Earnings before Tax, abgekürzt EBT): Diese Gewinnzahl enthält die zu zahlenden Einkommensteuern, es handelt sich also nicht um echten Gewinn im Sinne des Behaltens.
Gewinn vor Zinsen und Steuern (Earnings before Interest and Tax, abgekürzt EBIT): Diese Kennzahl wird oft als operatives Ergebnis bezeichnet, wobei die Handhabung nicht einheitlich ist. Wenn die Verschuldung und damit auch die Zinszahlungen hoch sind, fällt der EBIT-Wert deutlich eindrucksvoller als die Kennzahl EAT (Gewinn nach Steuern) aus. Das ist ein Grund, warum sich EBIT in den Geschäftsberichten von Unternehmen großer Beliebtheit erfreut.
Gewinn vor Zinsen, Steuern und Amortisation (Earnings before Interest, Taxes and Amortization, abgekürzt EBITA): Diese Kennzahl umfasst im Wesentlichen den Gewinn vor Finanzergebnis, außerordentlichem Ergebnis, Steuern und Firmenwertabschreibungen. EBITA ist weniger gebräuchlich als EBIT und EBITDA. Beispiele für Unternehmen, die in ihrer Ergebnisrechnung EBITA berichten, sind REWE oder Sonova, ein Hidden Champion bei Hörgeräten.
Gewinn vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisation (Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization, abgekürzt EBITDA). Hier wird der Gewinn im Vergleich zum EBIT um Abschreibungen auf materielles Vermögen, zum Beispiel Maschinen und Gebäude, erhöht. Auch diese Kennzahl wird häufig als operatives Ergebnis bezeichnet. Manchmal wird sie zusätzlich um außergewöhnliche Aufwendungen und Erträge bereinigt. Man spricht dann vom bereinigten EBITDA. Mit Gewinn im Sinne unserer eingangs definierten Größe EAT hat die Kennzahl EBITDA nichts mehr zu tun. Die Bewertung bei Unternehmenskäufen wird häufig als Vielfaches von EBIT oder EBITDA ausgedrückt. Für das EBITDA spielen nicht nur Abschreibungen auf Anlagen eine Rolle, sondern gelegentlich machen die Abschreibungen auf die Firmenwerte von übernommenen Unternehmen, den sogenannten Goodwill, sogar größere Beträge aus.
Abbildung 1.1 stellt den Zusammenhang zwischen den verschiedenen Ebenen des »Gewinns« dar.
EAT (Jahresüberschuss)
+ Steueraufwand
- Steuererträge
= EBT (Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit)
+ Zinsaufwand und sonstiger Finanzaufwand
- Zinsertrag und sonstiger Finanzertrag
= EBIT (operatives Ergebnis)
+ Abschreibungen auf das Anlagevermögen
- Zuschreibungen zum Anlagevermögen
= EBITDA
+ außergewöhnliche Aufwendungen
- außergewöhnliche Erträge
Abb. 1.1: Zusammenhang zwischen verschiedenen Ebenen des »Gewinns«
Diese Ausführungen zeigen, wie wichtig es ist, genau auf den jeweils verwendeten Gewinnbegriff zu achten. Andernfalls kann man leicht getäuscht oder in die Irre geführt werden.
Der Phantasie der Gewinnanreicherung und -aufblähung scheinen keine Grenzen gesetzt. Ein Handelsblatt-Redakteur schrieb mir: »Ich bin regelmäßig auf Jahresbilanzpressekonferenzen. Die Manager werfen inzwischen mit allerlei Kennzahlen um sich, die vermutlich Misserfolge verschleiern sollen, zum Beispiel eine EBITDAR-Marge (R steht hier für Restrukturierungskosten). Manchmal klingen die Größen so, als seien sie für eine Bilanzpräsentation frisch erfunden worden. In der New Economy sind uns Finanzchefs stolz mit der ›Burnrate‹10 ihres Unternehmens als Erfolgsfaktor gekommen. Das hat dazu geführt, dass ich verwirrt war und tatsächlich angefangen habe zu glauben, Gewinn sei eher ›nice-to-have‹ als ›must have‹.«11 Diese Aussagen bezogen sich auf die New-Economy-Blase der frühen 2000er Jahre. Doch knapp 20 Jahre später zeichnen sich erneut ähnliche Tendenzen ab. »Verluste sind wieder ›sexy‹«, schreibt die Wirtschaftswoche, und mehr als 80 Prozent der Unternehmen, die derzeit in den USA an die Börse gehen, haben noch nie Gewinn gemacht.12
Der Fahrdienstanbieter Uber ging am 10. Mai 2019 an die Börse. Im Jahr 2018 fiel nach gängiger Rechnung ein Verlust von 3,8 Milliarden Dollar an. Uber präsentierte einen »Core Platform Contribution Profit« von 940 Millionen Dollar. Der Bürovermieter WeWork13 erwirtschaftete im selben Jahr bei einem Umsatz von 1,8 Milliarden Dollar einen Verlust von 1,9 Milliarden Dollar. Als neue Metrik ließ man sich ein »Community-Adjusted EBITDA« einfallen, das beispielsweise Marketingaufwand ausschloss. Bei einem Verlust von 420 Millionen Dollar berichtete der Rabattanbieter Groupon ein »Adjusted Consolidated Segment Operating Income« von 61 Millionen Dollar. Auch hier wurden die Anwerbekosten für neue Kunden nicht berücksichtigt, da sie Investitionen in die Zukunft seien.14
Unter dem ironischen Titel »Gewinn vor Kosten« beschreibt der FAZ-Redakteur Georg Giersberg die moderne Tendenz, die tatsächliche Gewinnmisere zu schönen: »In manchen Jahren steht da (beim Gewinn, Anm. d. Verfassers) nur eine mickrige oder völlig unbefriedigende Zahl. Dann entwickeln Unternehmen viel Phantasie. Da werden die Steuern und die Zinsen wieder zum Nettogewinn hinzugerechnet oder auch die Abschreibungen. Und wenn dann immer noch keine vorzeigbare Größe herauskommt, rechnet man sogenannte Sondereinflüsse oder Einmalaufwendungen auch noch hinzu. Man korrigiert den Gewinn so lange um fast beliebige Größen nach oben, bis am Ende eine Zahl herauskommt, die einen im Vergleich mit der Konkurrenz gut aussehen lässt. Über die wahre Ertragssituation des Unternehmens sagt dieser Wert aber nichts mehr aus.«15 Und Giersberg schreibt auch: »Viele Unternehmen halten EBITDA für relevant. Ich halte das für eine völlig aussagelose Kennziffer. Wer nicht einmal die Abschreibungen verdient, der betreibt Substanzverzehr und steuert damit doch mit großer Sicherheit in den Abgrund.«16
Bisher haben wir nominale buchhalterische Gewinne betrachtet. Das heißt, die Gewinnkennzahlen werden in laufenden Geldeinheiten in der Finanzbuchhaltung ausgewiesen. Bereinigt man den nominalen Gewinn um die Inflation, so spricht man von realem Gewinn. In Zeiten vergleichsweise niedriger Inflationsraten, wie wir sie in den 25 Jahren seit 1994 erlebt haben, halten sich die Abweichungen zwischen nominalen und realen Gewinnen in Grenzen. In diesem Zeitraum lag die jährliche Inflationsrate nur in vier Jahren über 2 Prozent, hingegen in 14 Jahren bei 1,5 Prozent oder darunter. Ganz anders war es in den 1970er Jahren. Im Zeitraum von 1971 bis 1982 erreichte die Geldentwertung in acht Jahren mehr als 5 Prozent pro Jahr.
Nehmen wir an, ein Unternehmen erziele 100 Millionen Euro Umsatz und einen Nachsteuergewinn von 10 Millionen Euro. Der Maschinenpark, dessen Anschaffung 50 Millionen Euro gekostet habe, werde über fünf Jahre abgeschrieben und danach auf einen Schlag ersetzt. Die jährlichen Abschreibungen betragen demnach 10 Millionen Euro. Das Geschäft laufe über die fünf Jahre konstant, das heißt, der Umsatz und der nominale Gewinn sollen von Jahr zu Jahr unverändert 100 beziehungsweise 10 Millionen Euro betragen. Wie wirkt sich nun eine fünfprozentige Inflation, bei der die Maschinen jedes Jahr um 5 Prozent teurer werden, aus? Der Ersatz des Maschinenparks nach fünf Jahren kostet demnach nicht 50, sondern 63,8 Millionen Euro. In Höhe der Differenz von 13,8 Millionen ist ein sogenannter »Scheingewinn« entstanden. Man kann den Sachverhalt auch anders ausdrücken. Der reale Gewinn geht jedes Jahr um 5 Prozent zurück. Im fünften Jahr wird bei einem nominalen Gewinn von 10 Millionen Euro nur noch ein realer Gewinn von 7,8 Millionen Euro erzielt. Die Firma hätte ihre steuermindernden Abschreibungen über die fünf Jahre um insgesamt 13,8 Millionen Euro erhöhen müssen, um »real«, das heißt in Kaufkraft gemessen, gleich gut dazustehen wie ohne Inflation.
Die Besteuerung ist auf nominale Gewinne ausgerichtet. Scheingewinne unterliegen also der Besteuerung, ohne dass ihnen eine reale Wertsteigerung entspricht. Steuermindernde Abschreibungen können nur auf die Anschaffungskosten, jedoch nicht auf die Wiederbeschaffungskosten vorgenommen werden. Bezüglich weiterer Auswirkungen der Inflation, zum Beispiel der Frage der Überwälzbarkeit von Kostensteigerungen auf Preise, verweisen wir auf Spezialliteratur.17 In Zeiten hoher Inflationsraten sollten Firmen die Verteidigung des realen Gewinns anstreben und sich nicht von Scheingewinnen blenden lassen.
Eines der Grundgesetze der Ökonomie besagt, dass Gewinn und Risiko positiv korrelieren. Das heißt, höhere Gewinnchancen gehen mit höherem Risiko einher. Hieraus ergibt sich eine einfache Entscheidungsregel. Bei vorgegebenem Gewinn wähle man die Geschäftsalternative, die mit dem geringsten Risiko verbunden ist. Umgekehrt ziehe man bei vorgegebenem Risiko die Alternative mit dem höchsten Gewinn vor. Für seine bahnbrechende Arbeit zu diesem Thema, die er im Jahre 1952 schrieb, erhielt Harry M. Markowitz 1990 den Nobelpreis. Markowitz zeigt, dass man durch Diversifikation ein günstigeres Gewinn-Risiko-Profil erreichen kann als durch eine einzelne Anlage.24 Der Grundansatz von Markowitz wurde später durch zahlreiche Modelle erweitert. Unter diesen ist das auf William F. Sharpe zurückgehende Capital Asset Pricing Model, abgekürzt CAPM, das bekannteste.25 Dieses Modell befasst sich mit der Frage, welcher Teil des Gesamtrisikos eines Investitionsobjekts sich nicht durch Diversifikation beseitigen lässt, und erklärt, wie risikobehaftete Anlagemöglichkeiten im Kapitalmarkt bewertet werden.
In der Praxis ist die bilanzielle und steuerliche Gewinnermittlung ein schwieriges Unterfangen. Dies liegt daran, dass viele Faktoren, die in den Gewinn einfließen, mit Unsicherheiten behaftet und schwer zu bewerten sind. Wie hoch ist zum Beispiel eine sachgerechte Abschreibung auf Firmenwerte? Wie werden zukünftige Risiken, die sich über die Bilanzposition Rückstellungen gewinnmindernd auswirken, bewertet? Wie sind bei fortlaufenden Projekten periodengerechte Abgrenzungen zu treffen? Dies sind nur einige der zahlreichen Bewertungsfragen, die in der praktischen Gewinnermittlung auftreten und die vielfältigen bilanziellen und steuerlichen Regeln unterliegen.
In diesem Buch beschäftigen wir uns nicht vertieft mit derartigen Problemen oder den erweiterten Gewinndefinitionen, sondern wir konzentrieren uns auf den »echten« Gewinn. Das ist, wenn nicht anders angegeben, der Gewinn nach Steuern.
Ein Unternehmen kauft Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe von Zulieferern sowie vielerlei Leistungen wie beispielsweise Beratung, Werbeunterstützung oder Facility Management von Dienstleistern ein. Zieht man vom Umsatz den Wert dieser Zukäufe ab, so ergibt sich die Wertschöpfung des Unternehmens. Diese Kennzahl drückt aus, wieviel Wert das Unternehmen durch seinen Produktions- und Dienstleistungsprozess den Zukäufen hinzufügt. Die Differenz wird deshalb als Wertschöpfung bezeichnet (englisch Value Added). Die Wertschöpfung besteht im Wesentlichen aus vier Komponenten: den Löhnen, den Zinsen, den Steuern und dem Gewinn. Bilanziell spricht man auch vom Rohergebnis, wobei dieses noch weitere Komponenten enthalten kann. Kleine Unternehmen weisen im Bundesanzeiger oft nicht den Umsatz, sondern dieses Rohergebnis aus. Die Wertschöpfung bildet die Basis für die Mehrwertsteuer (englisch Value Added Tax, abgekürzt VAT). Die Summe der Wertschöpfungen aller Unternehmen eines Landes ergänzt um Investitionen und staatliche Leistungen ergibt das Bruttoinlandsprodukt (BIP). Gelegentlich werden die Umsätze großer Unternehmen mit den BIPs kleiner Länder verglichen. Solche Vergleiche sind so wenig sinnvoll wie Vergleiche von Äpfeln mit Birnen, denn es wird Wertschöpfung mit Umsatz verglichen. In jedem Falle sind aber die Gewinne eine Komponente der Wertschöpfung. Das gilt auf Unternehmens- wie auf Landesebene.
Gewinn und Liquidität sind zwei verschiedene Dinge. Liquidität bezeichnet die Fähigkeit eines Unternehmens, seine fälligen Zahlungsverpflichtungen zu begleichen. Kann eine Firma Bankrott gehen, obwohl sie profitabel ist? Die Antwort lautet »ja«. Wenn am Tage der Fälligkeit keine Liquidität vorhanden ist, um die Verbindlichkeit zu begleichen, dann muss die Geschäftsleitung Insolvenz anmelden, egal wie hoch der Gewinn ist. Umgekehrt ist Liquidität keineswegs gleichbedeutend mit Gewinn. Amazon, 1994 gegründet, hat über zwanzig Jahre nur Verluste beziehungsweise marginale Gewinne eingefahren. Ähnlich verlief es bei der 1999 gegründeten Firma Salesforce.com, die über 18 Jahre einen kumulierten Verlust von 339 Millionen Dollar einfuhr. Dennoch und trotz hoher Investitionen hatten Amazon und Salesforce.com nie Liquiditätsprobleme. In solchen Situationen kann ein Unternehmen seine Verpflichtungen allerdings nicht aus dem Cashflow bedienen, sondern muss ständig Geld von außen in Form von Krediten oder Kapitalerhöhungen zuführen. Auch von einer Muttergesellschaft können Liquiditätslücken geschlossen werden. So hat Opel von 1999 bis 2016 kumulative Verluste von 19 Milliarden Dollar angehäuft, konnte aber dank General Motors bis zum Verkauf an die Groupe PSA überleben.26 Solange Banken, Aktionäre oder Muttergesellschaften bereit sind, einem Unternehmen neue Finanzmittel zur Verfügung zu stellen, gefährdet eine schlechte Gewinnsituation die Liquidität nicht.
Der umgekehrte Fall, in dem ein Unternehmen profitabel wirtschaftet, aber Liquiditätsprobleme hat, kann ebenfalls vorkommen, ist allerdings seltener. Mit der Rechnungstellung wird ein Umsatz verbucht und gewinnwirksam. Solange der Kunde nicht zahlt, leidet trotz des Gewinns die Liquidität. Bei langfristiger Betrachtung ist die Kombination von Gewinn und Illiquidität allerdings unwahrscheinlich.
Manche Liquiditätsvorgänge wie Aus- oder Einzahlungen sind nicht gewinnwirksam. Wenn ein Kredit zurückgezahlt wird, fließt zwar Geld aus dem Unternehmen, aber der Gewinn wird nicht berührt. Es handelt sich um eine sogenannte Bilanzverkürzung, da auf der Aktivseite die Kasse um den ausgezahlten Betrag kleiner wird und auf der Passivseite die Verbindlichkeiten entsprechend reduziert werden. Auch die Aufnahme eines Kredites als solche hat zunächst keine Auswirkung auf den Gewinn. Die Verbindlichkeiten steigen, und in gleicher Höhe fließt Geld in die Kasse, es findet eine Bilanzverlängerung statt. Der Gewinn bleibt unberührt, solange bis die ersten Zinsaufwendungen fällig werden. Auch wenn Forderungen beispielsweise aus Lieferungen und Leistungen von Kunden beglichen werden, hat das keinen Einfluss auf den Gewinn. Hier findet ein Aktivtausch statt. Die Position Forderungen wird kleiner, die Position Kasse wird größer.
Umgekehrt gibt es gewinnwirksame Vorgänge, ohne dass Geld fließt oder die Liquidität berührt wird. Zu dieser Kategorie gehören Abschreibungen, bei denen die Auszahlung zum Zeitpunkt der Anschaffung des Investitionsgutes stattgefunden hat, die Verrechnung als gewinnmindernder Aufwand (Kosten) aber in späteren Perioden erfolgt. Die Auflösung von Rückstellungen führt hingegen zur Gewinnsteigerung, falls die für zukünftige Verpflichtungen gebuchten Beträge nicht voll benötigt werden. Eine liquiditätswirksame Einzahlung ist mit diesem Vorgang nicht verbunden.
Liquidität wird oft mit der Luft zum Atmen verglichen. Dieser Vergleich ist durchaus treffend. Wenn man keine Luft mehr bekommt, ist man in wenigen Minuten tot. Und genauso ist es bei der Liquidität. Ein Tag ohne Zahlungsfähigkeit kann das Ende des Unternehmens bedeuten. Gewinn hingegen entspricht eher einem Nahrungsergänzungsmittel. Auf dieses kann man unter Umständen mehrere Jahre verzichten. Irgendwann wird der Mangel jedoch bedrohlich.
Die gebräuchlichste Kennzahl zur Liquidität ist der sogenannte Cashflow (Kapitalzufluss). In der einfachsten Definition ist Cashflow die Differenz zwischen Einzahlungen und Auszahlungen einer Periode. Der Cashflow kann positiv oder negativ sein. Bei der indirekten Methode zur Ermittlung des Cashflows geht man vom Nettogewinn (Jahresüberschuss) aus und addiert diejenigen Aufwendungen hinzu, die nicht mit Auszahlungen verbunden sind. Die wichtigste Position dieser Art sind die Abschreibungen. Cashflow wird deshalb in einfacher Form auch als Nettogewinn plus Abschreibungen definiert. Umgekehrt kann es, wie dargestellt, gewinnsteigernde Vorgänge geben, die keine Einzahlungen bewirken (zum Beispiel Warenverkauf auf Ziel). Solche Vorgänge erhöhen den Cashflow nicht. Die Kennzahl Cashflow/Umsatz wird als Cash-Flow-Marge bezeichnet.
Ein wichtiges Verfahren zur Berechnung der Vorteilhaftigkeit von Investitionen ist die bereits erwähnte Kapitalwertmethode. Der Kapitalwert entspricht der Summe der mit dem sogenannten Kalkulationszinsfuß abdiskontierten Cashflows.27 Dabei repräsentiert der Kalkulationszinsfuß die Rendite der relevanten Alternativinvestition. Der Grundgedanke ähnelt dem oben dargestellten Economic-Profit-Konzept. Ist der Kapitalwert positiv, dann wird mehr als die Alternativrendite verdient. Verwendet man die WACC als Kalkulationszinsfuß, so wird in diesem Falle ein Economic Profit erzielt.
In der Praxis kursieren zahlreiche Cashflow-Varianten. Es ist deshalb ähnlich wie beim Gewinn ratsam, immer nach der genauen Definition zu fragen. Große Bedeutung in der Berichterstattung gegenüber dem Kapitalmarkt (Banken, Investmentfonds, Aktionären, Analysten) und für Investoren generell hat der sogenannte Free Cashflow (FCF). Hierbei handelt es sich um den frei verfügbaren Cashflow. Er ergibt sich aus dem Operativen Cashflow plus dem Cashflow aus Investitionstätigkeit. Er verdeutlicht, wie viel Geld für die Dividenden der Aktionäre beziehungsweise Gesellschafter oder für eine fällige Rückführung der Fremdfinanzierung verbleibt. Der Free Cashflow ist für Kapitalgeber ein Indikator für die Finanzierungskapazität eines Unternehmens. In Zeiten enger Finanzierungskapazitäten, etwa bei starkem Wachstum, verdient der FCF höchste Beachtung. Jeff Bezos, der Gründer von Amazon, bringt dies pointiert zum Ausdruck: »Percentage margins are not one of the things we are seeking to optimize. It’s the absolute dollar free cash flow per share you want to maximize, and if you can do this by lowering margins, we would do that. Prioritizing free cash flow will allow you to experiment and innovate quickly.«28 In diesem Sinne reflektiert der Free Cashflow den finanziellen Spielraum eines Unternehmens, ein insbesondere in den frühen Phasen enorm wichtiger Faktor.
Die FCF-Geschichte zweier Gruppen von Internetunternehmen ist äußerst aufschlussreich.29 Bei der ersten Gruppe handelt es sich um die »älteren« Firmen Google, Apple, Facebook und Amazon. Google war beim FCF nie signifikant negativ. Bei Apple verhielt es sich ähnlich. Facebook war nur in den zwei Jahren 2007 und 2008 FCF-negativ. Bei Amazon summierte sich der negative FCF in den Jahren von 1999 bis 2001 auf 813 Millionen Dollar, was im Verhältnis zum Umsatz wenig war. Insgesamt hatten diese vier Unternehmen in ihren Anfangsjahren einen negativen FCF von etwa 1 Milliarde Dollar. Ganz anders sieht es bei den jüngeren Unternehmen Tesla, Uber, Lyft und Snap aus. Diese sogenannten »Cash Burners« haben bis 2019 bereits 23,9 Milliarden Dollar »verbrannt«. Dahinter stehen 22 Jahre mit FCF-Defiziten. Im Jahre 2019 erzielen 84 Prozent der Firmen, die an die Börse gehen, keinen Gewinn.30 Ob die investierten Summen plus ein die Kapitalkosten deckender Gewinn jemals an die Investoren zurückfließen werden, ist insofern eine mehr als berechtigte Frage. Dass solche Firmen dennoch Geld bekommen und – zwar über Jahre und oft riesige Summen – lässt sich aus den Hoffnungen der Kapitalgeber erklären. Nicht selten steht dahinter ein genialer Verkäufer des Konzeptes. Ein markantes Beispiel ist Adam Neumann, der missionarische Gründer von WeWork.
Dem Free Cashflow wird eine starke Wirkung auf den Shareholder Value (Marktkapitalisierung) beigemessen. Ein Vorteil des Free Cashflows besteht darin, dass er durch Bilanztricks praktisch nicht manipuliert werden kann.31Eine direkte Aussage zum Gewinn enthalten Kennzahlen wie Cashflow oder Free Cashflow nicht.