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XXL Leseprobe
Der Krieg ist niemals gerecht; Glück und Leid liegen nah beieinander.
Herbst 1684: Dem habsburgischen Befehlshaber Matthes fällt während der Belagerung Budapests ein stummer Junge in die Hände. Wie sich herausstellt, ist dieser jedoch eine junge Frau und alles andere als stumm. Aus Hass und Misstrauen erwachsen weitaus vielschichtigere Gefühle, doch der große Türkenkrieg kennt kein Erbarmen.
Matthes zieht erneut in die Schlacht und lässt Yana bei ihrem Onkel, dem armenischen Kaffeehausbesitzer, in Wien zurück.
Die junge Frau findet Erfüllung in der Rolle als Kaffeesiederin, doch gerade als sie anfängt, auf ein glückliches Leben und eine neue Liebe zu hoffen, schlägt das Schicksal erneut zu.
Wird sie ihre große Liebe, den mürrischen Hauptmann, jemals wiedersehen?
Ein aufrüttelnder historischer Roman, erzählt während des großen Türkenkrieges (1683-1699) in Europa. Eine Reise in die Zeit unserer Ahnen – für Jung und Alt.
„Die Kaffeesiederin“ ist ein eigenständiger historischer Roman. Fans von „Halbmondschatten“ können sich aber auf ein Wiedersehen mit liebgewonnenen Charakteren freuen.
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Veröffentlichungsjahr: 2017
TEIL I
Wien, Österreich
Mit einem lauten Donnern ließ Ruben den leeren Bierhumpen auf die schmutzige Theke krachen. Augenblicklich wurde es still in der spärlich beleuchteten Schenke Zur Traube. Keiner der Säufer und Taugenichtse wagte es, auch nur ein Wort zu sagen.
Dieses Loch von einer Wirtsstube widerte ihn an. Der üble Gestank von Schweiß und Erbrochenem kroch ihm in die Nase, vermischte sich mit abgestandener Luft und dem starken Rauch der Zigarren und Pfeifen.
Er blickte vermeintlich ruhig auf den leeren Krug vor sich, behielt dabei jedoch die kleinste Bewegung in seinem Umfeld im Auge. „Ich habe Euch gewarnt. Lasst die Frau in Ruhe“, knurrte er und starrte sein Gegenüber drohend an.
Der verlauste, erbärmlich stinkende Mann lachte hämisch auf. In der Rechten hielt er ein kurzes, dreckverkrustetes Messer. Mit der Linken presste er das verängstigte, blonde Mädchen so fest an sich, dass es einen erstickten Aufschrei von sich gab.
„Was will so ein dahergelaufener Bastard wie du mir schon drohen! Pah! Auf dich scheiß ich!“, spie der Schurke verächtlich aus.
Angewidert wischte sich Ruben, der noch immer an der Theke saß, die Spucke von seiner Jacke. Nun war das Maß endgültig voll. Mit einer raschen Bewegung zog er seinen Dolch, sprang elegant vom Hocker und forderte den ungehobelten Lustmolch zum Zweikampf heraus.
Erschrocken ließ dieser das Mädchen los, das sich sofort in die Arme ihres Vaters, bei dem es sich um den Wirt der Schenke handelte, flüchtete.
Ruben zögerte nicht lange und ging zum Angriff über. Sein Gegner parierte den ersten, überraschenden Hieb, fing sich unverzüglich nach seiner anfänglichen Verblüffung und stach mit seinem Messer zu, verfehlte jedoch sein Ziel.
Ruben war um einiges jünger und beweglicher als der Säufer, wich dessen Angriffen stets geschickt und nahezu elegant aus. Und allem Anschein nach war er auch um einiges nüchterner als sein Kontrahent.
„Dich mach ich fertig!“, schrie dieser außer Atem, mit hochrotem Gesicht und völlig in Rage.
Ruben konnte darüber nur lachen. Seine Miene blieb jedoch emotionslos und verschlossen. Der Zweikampf begann ihn allmählich zu langweilen, er wollte es hinter sich bringen. Mit einer raschen Bewegung wehrte er den nächsten Hieb ab, schlug dem Scheusal mit dem Knie in die Weichteile und zog ihm den Knauf seines Dolches über den Kopf. Sofort sackte der Lüstling in sich zusammen und blieb reglos auf dem Boden liegen.
Gemächlich steckte Ruben seine Waffe ein und blickte die gaffenden Männer in der Schenke finster an.
Der Verwundete stöhnte leise auf, er kam bereits wieder zu Bewusstsein.
Ruben schnaubte angewidert, trat an den Säufer heran und stieß ihm mit dem Fuß in den Schritt.
Der laute Schrei des Mannes war ihm eine Genugtuung. Der würde sich hüten, so bald wieder ein junges, anständiges Mädchen zu belästigen.
Ruben griff nach seinem Dreispitz auf dem Tresen, setzte ihn auf und blickte erneut in die Runde. Der Wirt, seine aufgelöste Tochter in den Armen, nickte ihm dankend zu. In den Gesichtern der Zecher konnte Ruben Bewunderung, Verblüffung und Argwohn erkennen. Er war ein Fremder und man mochte es nicht, wenn Fremde für Ärger sorgten. Er griff in seine Jackentasche und legte seine zwei letzten Münzen auf die Theke, ehe er wortlos die Spelunke verließ.
Erleichtert sog er die frische Luft ein und genoss für einen kurzen Moment die Ruhe.
Es war eine klare Vollmondnacht. Wie eine wunderschöne Perle hob der Mond sich vom dunklen Himmel ab.
Schmerzhaft krochen die Erinnerungen an sie in ihm hoch und drohten ihn zu zerfressen. Der Anblick des blonden, jungen Mädchens in den Fängen dieses Unholdes hatte ihn auf schmerzhafte Weise an Anna erinnert.
Schnell schüttelte er die Erinnerungen ab und konzentrierte sich stattdessen auf die Gassen, durch die er schritt.
Es war warm für eine späte Augustnacht, stellte er zufrieden fest und genoss den lauen Wind, der durch seine schulterlangen, blonden Haare wehte.
Er hatte bereits unzählige Gassen und Straßen durchquert, als ihn plötzlich das Gefühl beschlich, verfolgt zu werden. Seine Nackenhaare stellten sich auf und in der Regel konnte er sich auf seinen Instinkt verlassen. Er beschleunigte seinen Gang und versteckte sich in einer dunklen, stinkenden Seitengasse.
Schritte. Er hörte eindeutig Schritte.
Instinktiv hielt er den Knauf seines Dolches griffbereit und wartete gespannt auf seinen Angreifer. Als ihn die Schritte erreicht hatten, stellte er sich seinem Verfolger in den Weg und zog sogleich seine Waffe.
Der Unbekannte taumelte zurück, hielt beschwichtigend die Hände in die Höhe und sprach erschrocken: „Ho, mein Freund! Ich will Euch nichts anhaben!“
Ruben hielt den Dolch fest im Griff und musterte den dunkelhaarigen Unbekannten eingehend. Dieser war größer und kräftiger gebaut als er selbst. Seine Gestalt erinnerte Ruben in der Tat an die eines Bären. Bei einem Zweikampf wäre er mit Sicherheit der Unterlegene. Missmutig steckte er seine Waffe zurück.
„Wieso verfolgt Ihr mich?“, verlangte er zu erfahren.
Ein Lächeln breitete sich auf dem Gesicht des Fremden aus. „Ich habe Euch gesehen. Dort drüben in der Gaststube“, sagte der Bärenmann und deutete in die Richtung, aus der sie gekommen waren. „Ihr seid ein guter Kämpfer“, meinte er anerkennend und fuhr fort: „Ich suche Männer wie Euch. Mit Eurem Können und Eurer Courage. Ich möchte Euch ein Angebot machen.“
Ruben runzelte verwundert die Stirn. Obschon er dem Mann nicht traute, hatte dieser ihn neugierig gemacht. „Ich höre.“
„Nicht hier“, sprach der Dunkelhaarige und schlug mit einem wissenden Lächeln vor: „Solche Dinge besprechen sich besser bei einem guten Mahl. Kommt, ich lade Euch ein.“
Argwohn beschlich Ruben, ob dies nicht eine Falle war, in die er im Begriff war hineinzutappen. Erneut musterte er den Bärenmann, registrierte dessen hochwertige Kleidung, den sauber zurechtgestutzten Bart und befand, dass er keinen Mann vor sich hatte, der auf das Kopfgeld angewiesen war. Das Kopfgeld, das auf ihn, einen Vogelfreien, ausgesetzt war.
Er griff in die Innentasche seines alten, zerschlissenen Mantels und fühlte nichts als warme Luft. Er hatte doch tatsächlich sein letztes Geld versoffen. Nun ärgerte er sich über sich selbst. Wie tief er doch in so kurzer Zeit gesunken war! Beim Gedanken an ein warmes Essen lief ihm sofort das Wasser im Mund zusammen.
„In Ordnung. Aber nicht in dieses Loch von einer Wirtsstube“, brummte er zerknirscht.
***
„Noch zwei!“, rief der Bärenmann dem Wirt zu, nachdem Ruben den ersten Humpen in einem Zug geleert und sich gierig über das herrlich dampfende Fleisch und Gemüse hergemacht hatte.
„Ich bin übrigens Matthes“, stellte der Bär sich vor und streckte ihm die Hand entgegen.
„Ruben“, stellte er sich vor und ergriff die fein säuberlich manikürte Pranke des zufrieden dreinblickenden Mannes.