Die Ladys von London - Lady Sophia und der charmante Gentleman - Rachael Anderson - E-Book

Die Ladys von London - Lady Sophia und der charmante Gentleman E-Book

Rachael Anderson

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Beschreibung

Auch am Ende ihrer dritten Ballsaison hat Sophia Gifford immer noch nicht den Mann gefunden, den sie aus vollem Herzen liebt. Um nicht als alte Junfger zu enden, nimmt sie den Heiratsantrag eines Verehrers an. Doch dann trifft sie plötzlich den charmanten Hugh Quinton wieder, den sie seit fast zehn Jahren nicht mehr gesehen hat. Ihre Gefühle für ihn sind aber immer noch so stark wie damals. Doch er wird durch seine zweifelhaften Geschäfte von der Londoner Gesellschaft, einschließlich ihrer Eltern, verachtet. Sophie sollte ihn nicht einmal als Ehemann in Betracht ziehen. Aber ihr Herz ist stärker als die Vernunft, und schon bald muss sie sich fragen, wie viel sie bereit ist, für die Liebe zu opfern ...

Für Leserinnen und Leser von Julia Quinn, Bridgerton und Georgette Heyer. Ein wahrer Lesegenuss für alle, die sich nach historischen Liebesromanen verzehren und in die Zeit des Regency wegträumen möchten.

"Lady Sophia und der charmante Gentleman" ist der dritte Band der romantischen Regency-Reihe von USA-Today-Bestsellerautorin Rachael Anderson.

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Inhalt

Cover

Grußwort des Verlags

Über dieses Buch

Titel

Widmung

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Fünfzehn

Sechzehn

Siebzehn

Achtzehn

Neunzehn

Zwanzig

Einundzwanzig

Zweiundzwanzig

Dreiundzwanzig

Vierundzwanzig

Fünfundzwanzig

Sechsundzwanzig

Epilog

Liebe Leser*innen

Danksagung

Über die Autorin

Weitere Titel der Autorin

Impressum

 

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Über dieses Buch

Auch am Ende ihrer dritten Ballsaison hat Sophia Gifford immer noch nicht den Mann gefunden, den sie aus vollem Herzen liebt. Um nicht als alte Jungfer zu enden, nimmt sie den Heiratsantrag eines Verehrers an. Doch dann trifft sie plötzlich den charmanten Hugh Quinton wieder, den sie seit fast zehn Jahren nicht mehr gesehen hat. Ihre Gefühle für ihn sind aber immer noch so stark wie damals. Doch er wird durch seine zweifelhaften Geschäfte von der Londoner Gesellschaft, einschließlich ihrer Eltern, verachtet. Sophie sollte ihn nicht einmal als Ehemann in Betracht ziehen. Aber ihr Herz ist stärker als die Vernunft, und schon bald muss sie sich fragen, wie viel sie bereit ist, für die Liebe zu opfern …

RACHAEL ANDERSON

DIELADYSVONLONDON

LADY SOPHIA UNDDER CHARMANTE GENTLEMAN

Aus dem Englischen vonFreya Rall

 

Für meine wundervollen Leser*innen

Danke

Eins

Stirnrunzelnd blickte Hugh Quinton auf die Zahlen hinunter, die in das vor ihm liegende Kontenbuch gekritzelt waren. Weitere zweihundert Pfund für den Schneider? Grundgütiger. Wie viel Kleidung besaß Lord Lister? Pflegte er womöglich die Gewohnheit, ein Hemd nach einmaligem Tragen fortzuwerfen? In diesem Fall wäre der Mann ein Narr, und mit Narren machte Hugh keine Geschäfte.

Er klappte das Kontenbuch zu und lehnte sich auf seinem Bürostuhl zurück. Ein unnötiger Kauf nach dem anderen. Eine griechische Urne für die sterblichen Überreste der Katze von Lady Lister. Dressierte Papageien für den Einführungsball der Tochter, importierte Spitze für die Vorhänge – und Hugh konnte kaum fassen, welche Summe einem fahrenden Quacksalber für ein Elixier gezahlt worden war, das angeblich jegliches Leiden zu heilen vermochte … offensichtlich abgesehen von Dummheit.

Hugh war versichert worden, der Besitz von Lord Lister bedürfe dringend seiner fachlichen Hilfe. Tatsächlich war die einzige Hilfe, derer es bedürfte, dass jemand dem Mann das Scheckbuch abnähme und ihn am Schulden machen hinderte.

Die Tür öffnete sich einen Spalt, und Hughs einziger Diener streckte den Kopf herein. Mit seiner hoch aufgeschossenen Statur, dem kurz geschorenen roten Haar, den Sommersprossen und den überlangen Armen erinnerte Park an einen unterernährten Affen. Wie er unterernährt aussehen konnte, war Hugh allerdings ein Rätsel – der Bursche stopfte täglich genug Essen für drei in sich hinein.

»Ein Viscount Knave ist hier, um Sie zu sprechen.« Park ließ eine Visitenkarte über seine Finger tanzen, wie es ein Straßenzauberer zu tun vermochte. Nur dass er sie nicht verschwinden ließ, sondern in die Luft schnippte und geschickt mit der anderen Hand auffing. Was Kartentricks anging, war der Mann ein Experte, und er konnte keine Visitenkarte überbringen, ohne irgendein Kunststück damit zu veranstalten.

Hugh legte die Stirn in Falten. »Kenne ich diesen Viscount Knave?« Der Name sagte ihm nichts.

»Woher soll ich das wissen? Ich führ doch nicht Buch über jeden Schnösel, den Sie treffen.«

Vor zwei Jahren war Park auf Hughs Türschwelle aufgetaucht, um sich auf die Stelle als Leibdiener zu bewerben. Seine unverfrorene Art hatte der schlaksige Kerl von Anfang an gehabt und darauf bestanden, er wolle schlicht »Park« genannt werden. Als »Edwin« klänge er wie ein stocksteifer Langweiler, der er definitiv nicht sei. »Park reicht völlig«, hatte er Hugh mit seinem unerschrockenen direkten Blick beschieden.

Hugh, der solchen Mumm zu schätzen wusste, hatte ihn vom Fleck weg engagiert. Es war die richtige Entscheidung gewesen. Auch wenn Park bisweilen etwas zu forsch sein mochte, war er einfallsreich, klug, loyal und ein Mensch, dem Hugh mittlerweile großen Respekt zollte. Außerdem verstand er sich aufs Kochen, wenn er es darauf anlegte. Er hatte Hugh sogar beigebracht, wie man ein Steak zubereitete.

Hugh schob Park das Kontenbuch hinüber. »Sie können Lord Knave hereingeleiten und das hier Lord Lister zurückbringen. Richten Sie ihm aus, mein einziger Rat ist, seine Ausgaben um mindestens fünfzig Prozent zu reduzieren. Den Besitz hat sein Verwalter gut im Griff. Mehr kann ich nicht für ihn tun.«

Grinsend tauschte Park die Visitenkarte gegen das Kontenbuch. »Mit so einem Burschen mal Tacheles zu reden ist mir immer ’ne Freude.« Er liebte es, Nachrichten dieser Art zu überbringen und die »Schnösel«, wie Park sie nannte, auf die rechte Größe zurechtzustutzen. Um den heißen Brei herumzureden, lag ihm nicht, lieber richtete er seine Botschaft mit seiner typischen Unverfrorenheit aus. In diesem Fall würde Hugh ihn daran auch nicht hindern.

Sobald Park gegangen war, nahm Hugh die Karte zur Hand und studierte den Namen. Lord Knave, Lord Knave, Lord Knave. Er konnte sich nicht entsinnen, einmal jemanden dieses Namens kennengelernt zu haben. Vielleicht handelte es sich um einen Freund eines einstigen Klienten, der im Gespräch Hughs Namen aufgeschnappt hatte. Je weiter sich Hughs Fähigkeiten herumsprachen, desto öfter geschah es, dass ihn völlig Fremde kontaktierten.

»Letzte Tür links, Mylord«, ertönte Parks Stimme vom Korridor. »Nein, nicht die. Die letzte.«

Hugh verdrehte die Augen. Unzählige Male hatte er Park eingeschärft, er solle ihre Gäste persönlich bis zur Bürotür geleiten, doch dazu ließ der Bursche sich nur selten herab. Eigentlich hätte Hugh ihm mit der Kündigung drohen sollen, wenn er nicht endlich gehorchte – andererseits würde das auch nichts bringen. Park wusste, dass er das niemals täte.

Ein hochgewachsener dunkelhaariger Mann betrat das Büro und unterzog Hugh einer raschen Musterung. Hugh tat es ihm gleich. Lord Knave war gut, aber nicht extravagant gekleidet und machte einen intelligenten Eindruck. Aus seiner Haltung sprach Selbstvertrauen – nicht Stolz oder Herablassung wie bei vielen Männern seines Standes –, bloß … Selbstvertrauen. Das wusste Hugh zu respektieren.

Er erhob sich und streckte die Hand aus. »Lord Knave, nehme ich an? Ich bin Hugh Quinton.«

»Ich hatte es mir bereits gedacht«, antwortete sein Besucher lächelnd.

Sie schüttelten einander die Hand, und Hugh wies auf den Stuhl vor seinem ausladenden Schreibtisch. »Bitte setzen Sie sich doch.«

Lord Knave ließ sich nieder und blickte sich im Zimmer um. Zweifellos fiel ihm der schäbige Zustand der Möbel ins Auge. Hugh störte es nicht. So abgenutzt Schreibtisch, Stühle und Bücherregale auch sein mochten, waren es doch robuste Stücke, die ihm über die zurückliegenden Jahre treue Dienste geleistet hatten. Anders als Lord Lister pflegte Hugh keine unnötigen Ausgaben zu tätigen.

»Einen interessanten Butler haben Sie da, Mr Quinton«, merkte Lord Knave an.

Hugh stützte die Ellbogen auf den Schreibtisch und verschränkte die Finger ineinander. »Als Butler würde ich Park nun nicht bezeichnen.«

»Wie würden Sie ihn denn bezeichnen?«

»Als Streuner oder eher als Tunichtgut, den ich zur Unterstützung bei diversen Aufgaben eingestellt habe, unter denen der Empfang von Gästen noch die geringste ist.«

Lord Knave nickte verstehend. »Eine Freundin von mir hat ebenfalls ein Herz für Streuner. Bloß dass sich das in ihrem Fall auf Tiere beschränkt.«

»Tiere machen vermutlich auch weniger Lärm und sind wohlerzogener als Park«, konstatierte Hugh trocken. »Was kann ich für Sie tun, Mylord?«

Lord Knave lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und presste für einen Moment die Lippen aufeinander, ehe er sprach. »Ich bin gekommen, um Sie zu einer sommerlichen Hausgesellschaft auf dem Anwesen meiner Familie in Oxfordshire einzuladen, die Anfang August stattfinden soll.« Das brachte er vor, als wäre es ein alltägliches Vorkommnis, dass ein Geschäftsmann auf eine Gesellschaft der Oberschicht eingeladen wurde – noch dazu ein fremder Geschäftsmann.

Hugh runzelte die Stirn. »Eine Hausgesellschaft, sagen Sie?«

»Ja.«

»Verzeihen Sie, Mylord, aber Sie kennen mich nicht, und wir verkehren definitiv nicht in denselben Kreisen. Was um alles in der Welt kann Ihr Beweggrund für eine solche Einladung sein?«

»Ich habe eine Aufgabe für Sie.«

Ah, da liegt der Hase im Pfeffer. »Was für eine Aufgabe?«

»Sie haben sich einen Ruf als glänzender und scharfsinniger Geschäftsmann erarbeitet. Ich hätte es gern, dass Sie als mein Gast an dieser Gesellschaft teilnehmen und in deren Verlauf die Geschäfte des benachbarten Gutes beurteilen – diskret, versteht sich. Eigentümer besagten Anwesens ist mein Schwiegervater, der, sagen wir, nicht ganz so scharfsinnig ist. Trotz seiner redlichen Bemühungen richtet er den Besitz zugrunde, und ich kann nicht länger zusehen, wie er sich und seine Familie in den Ruin treibt. Meine Hoffnung ist, dass Sie in dieser Angelegenheit behilflich sein können.«

Schon jetzt sah Hugh einige Schwierigkeiten an diesem Plan, einschließlich der Tatsache, dass er sich niemals auf irgendetwas einließ, ohne sich zuvor mit dem Eigentümer oder dem Besitz vertraut gemacht zu haben. Sein Ruf rührte von seinen zahlreichen Erfolgen her, und den würde er nicht aufs Spiel setzen, indem er sich einverstanden erklärte, einem Mann zu helfen, dem – wie Lord Lister – im Grunde nicht zu helfen war.

»Für eine vollständige Analyse bräuchte ich Zugang zu seinen Kontenbüchern und sämtlichen Vorgängen des Tagesgeschäfts über die zurückliegenden Jahre. Ich würde mich mit seinem Verwalter, seiner Haushälterin, seinem Butler und selbst seinen Pächtern unterhalten müssen. Mir ist schleierhaft, wie das vonstattengehen soll, während ich als Gast im Hause eines anderen weile.«

»Meine Frau und ich werden dafür sorgen, dass Ihnen alles zur Verfügung steht, was Sie brauchen«, erklärte Lord Knave.

Hugh war noch nicht ansatzweise überredet. »Für gewöhnlich begutachte ich die Bücher, bevor ich entscheide, ob meine Dienste im entsprechenden Fall von Wert sind.«

Darauf antwortete Lord Knave nicht gleich. Er wischte sich etwas – ein Staubkorn vielleicht? – von der Hose, ehe er aufblickte. »Im Augenblick kann ich Ihnen die Bücher nicht beschaffen, aber ich beantworte gern jegliche Fragen zu dem Besitz. In den letzten Jahren bin ich sehr vertraut damit geworden.«

Nun lehnte Hugh sich wieder zurück und verschränkte die Arme. »Ich nehme an, Ihren eigenen Besitz haben Sie gut im Griff?«

»Ja.«

»Hat es einen Grund, warum Sie nicht einschreiten?«

»Ich habe bereits getan, was ich konnte. Bei meiner Heirat mit Lady Knave hat meine Familie sich bereit erklärt, im Austausch gegen ein ungenutztes Stück Land aus seinem Besitz seine Schulden zu begleichen. Ich hatte gehofft, das würde ausreichen, um ihn auf einen wirtschaftlicheren Kurs zu bringen, doch in den letzten Jahren hat er sich darauf eingelassen, Parzellen an seine Pächter zu verkaufen. Während diese Einnahmen ihm zwar für eine Weile eine gute Rücklage waren, sind nun allerdings seine Pachteinkünfte geschrumpft, und er ist gezwungen, sich mit besagten Rücklagen über Wasser zu halten. Wenn es so weitergeht wie bislang, wird er schon nächstes Jahr wieder in die Schulden rutschen.«

Das überzeugte Hugh nun noch weniger von Lord Knaves Plan, wenn das überhaupt möglich war. Auch wenn der Mann offenkundig zum Wohle seines Schwiegervaters handelte, blieb in Geschäftsangelegenheiten nur wenig Raum für Mitgefühl. Gesunder Menschenverstand war da weit wichtiger, und es klang nicht so, als besäße der betreffende Gentleman davon viel.

»Was genau erwarten Sie von mir?« Hugh hatte schon vielen Grundbesitzern geholfen, doch Wunder konnte er nicht bewirken. Er konnte kein Geld aus dem Nichts herbeizaubern. »Wenn seine Einkünfte seine Ausgaben nicht mehr decken, sehe ich nicht, wie ich Ihnen von Nutzen sein könnte – abgesehen von der dringenden Empfehlung einer größtmöglichen Kostenminimierung.«

Lord Knave nickte bedächtig, doch seine entschlossene Miene verriet, dass er noch nicht zum Aufgeben bereit war. »Ob Sie helfen können oder nicht, bleibt abzuwarten. Ich möchte Sie bitten, mich nach Lynfield zu begleiten und sich selbst ein Bild von der Lage zu machen. Wir werden Sie für Ihre Mühen mehr als reichlich entschädigen. Kommen Sie, Mr Quinton. Sagen Sie zu, unsere kleine Hausgesellschaft zu besuchen und mir Ihre Einschätzung zu Talford Hall zu geben.«

Bei diesen Worten versteifte Hugh sich am ganzen Leib. Lynfield. Talford Hall. Diese Namen kannte er nur allzu gut. Reizende Gegend. Efeuumrankte graue Steinmauern, große Fenster, die den Blick auf üppige Gartenanlagen freigaben, und vier schlanke Schornsteine, die sich über den Dachfirst erhoben wie Wachtürme – so hatte er sie jedenfalls als junger Bursche wahrgenommen.

»Wer ist Ihr Schwiegervater?«

Hugh hatte in bewusst neutralem Tonfall gefragt, doch sobald Lord Knave »Mr John Gifford« geantwortet hatte, verkrampfte sich sein Kiefer, und seine Finger krümmten sich eisern um die Armlehnen seines Stuhls. Ein weiterer ihm wohlbekannter Name. Noch heute sah er den kalten, harten Glanz in den Augen des Mannes.

Als nicht einmal vierzehnjähriger Junge hatte Hugh seinen frisch verwitweten Vater einst beinahe täglich nach Talford Hall begleitet. Während sein Vater daran gearbeitet hatte, Mr Giffords Angelegenheiten zu ordnen und Strategien für mögliche zukünftige Investitionen zu entwerfen, war Hugh in der Küche oder den Außenanlagen sich selbst überlassen gewesen.

Es wäre zu einer sterbenslangweiligen Sache geworden, hätte er nicht gleich am ersten Nachmittag die älteste Tochter der Giffords kennengelernt. Sophie war nur wenige Jahre jünger als er, und mit ihrem wachen Verstand und freundlichen Wesen wuchs sie ihm gleich ans Herz. Rasch wurden sie enge Freunde, und an jenen Nachmittagen, an denen Hugh zu Besuch kam, gelang es ihr immer geschickter, ihrer Gouvernante zu entwischen. In den folgenden Wochen erlebten sie viele Abenteuer miteinander, wobei Hugh stets Sorge trug, vor der angekündigten Abfahrtszeit seines Vaters wieder in der Küche zu sein. Selbst in ihrem zarten Alter wussten Sophie und er bereits, dass es sich für die Tochter eines Adligen und den Sohn eines Advokaten nicht schickte, jegliche Form der Zuneigung zu entwickeln, und sei es bloß eine Freundschaft.

Eines verregneten Nachmittags gegen Ende jenes Sommers verlor Sophie am schlammigen Ufer eines Bachs einen ihrer Stiefel. Eine Ewigkeit suchten sie danach, und als der Stiefel unauffindbar blieb, erbot Hugh sich edelmütig, sie aus dem Wald nach Hause zu tragen. Ausgerechnet in jenem ungünstigen Moment wurden sie von Hughs Vater und Mr Gifford entdeckt.

Beide Kinder waren schlammverschmiert, nass bis auf die Haut und lachten übermütig. Mr Gifford warf nur einen Blick auf den entblößten Fuß seiner Tochter und entriss sie Hughs Armen. Ohne eine Erklärung abzuwarten, entließ er auf der Stelle Hughs Vater und schickte sie beide fort.

In der Folge hatte er Hughs Vater nicht nur die Bezahlung für die geleisteten Dienste verweigert, sondern zudem in Umlauf gebracht, Mr Jacob Quinton, der mehrere Grundbesitzer in der Gegend betreute und beriet, sei nicht länger vertrauenswürdig. Zum Jahresende war Hughs Vater gezwungen gewesen, sich anderswo seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

Das waren düstere Zeiten gewesen – Zeiten, die Hugh wohl kaum je vergessen oder vergeben würde.

Er schob seinen Stuhl zurück und erhob sich. »Es tut mir leid, dass Sie vergeblich gekommen sind, Mylord, aber ich kann Ihnen nicht helfen. Wenn Sie mir bitte folgen würden, ich bringe Sie noch zur Tür.«

Einen Augenblick lang wirkte Lord Knave überrascht, dann nickte er bedächtig, als verstünde er. »Nicht nötig. Ich finde selbst hinaus.«

Langsamen Schrittes begab er sich zur Tür des Büros, hielt jedoch mit der Hand am Türknauf inne und sah sich zu Hugh um. »Ich sollte Ihnen wohl mitteilen, dass mein Schwiegervater nicht der einzige Leidtragende sein wird, sollte der Besitz dem Ruin anheimfallen. Die Erbin ist meine Schwägerin Miss Sophia Gifford.«

Hugh bedachte seinen Besucher mit einem scharfen Blick. Auf Lord Knaves Zügen lag ein wissender Ausdruck, als sei ihm die gemeinsame Vergangenheit der Quintons und der Giffords bekannt. Hatte Sophie ihm davon erzählt? War sie der Grund, dass Lord Knave jetzt vor Hugh stand?

Der Gedanke ließ seine Wut etwas abflauen. Auf Sophie hätte er niemals zornig sein können.

Zu Beginn jenes Sommers war Hughs Welt eine dunkle und einsame gewesen, so kurz nach dem Verlust seiner Mutter. Er hatte nicht mit nach Talford Hall fahren wollen, hatte nirgendwohin fahren wollen. Doch sobald er Sophie begegnet war, hatte sich alles verändert. Ihr Lächeln hatte auch ihn zum Lächeln gebracht, ihre Schlagfertigkeit hatte ihn wieder das Lachen gelehrt, und ihre Tierliebe hatte sein Herz angerührt. Sie hatte sein Dasein erhellt, ihm vor Augen geführt, dass es noch immer überall Glück zu finden gab, und war zu seiner engsten Freundin geworden. Niemals hätte er sie im Stich lassen können.

Ihr Vater hingegen verdiente nichts als Verachtung.

Hinter seiner Stirn machte sich ein Stechen breit, und Hugh drückte sich mit Daumen und Zeigefinger auf die Nasenwurzel. Konnte er sich dazu überwinden, Mr Gifford zu helfen?

Nicht ihm würdest du helfen, sondern ihr.

Hugh ließ die Hand sinken und stieß ein frustriertes Seufzen aus. Verärgert starrte er den Mann an, der es ihm soeben unmöglich gemacht hatte abzulehnen.

Lord Knave zog ein gefaltetes Schreiben aus der Innentasche seines Jacketts und warf es auf den Schreibtisch. »Eine Einladung zu der Hausgesellschaft. Falls Sie es sich doch noch anders überlegen. Guten Tag!«

Hugh wartete, bis sein Besucher gegangen war, ehe er sich auf seinen Stuhl fallen und die Stirn auf seinen Handflächen ruhen ließ. Er starrte auf seinen Namen, der in eleganter, femininer Handschrift auf dem Schreiben notiert war. Hatte Sophie das geschrieben? Wusste sie, dass ihr Schwager sich mit seinem Ersuchen an Hugh wenden würde? Erinnerte sie sich überhaupt noch an ihren Kindheitsfreund?

Seufzend öffnete er die unterste Schublade seines Schreibtisches und hob mehrere Akten an, bis er diejenige fand, auf der Persönliches geschrieben stand. Obgleich er sich niemals als sentimental bezeichnet hätte, gab es doch eine Handvoll Briefe, von denen er sich nie hätte trennen können. Eine Notiz von seiner Mutter, kurz vor ihrem Tod verfasst. Ein Brief von seinem Vater, den er ihm kurz nach seiner Ankunft auf dem Internat geschickt hatte. Und ein Schreiben von … Sophie.

Er nahm das abgegriffene, verblasste Papier zur Hand und las die Worte, die er seit Jahren nicht betrachtet hatte. Dieser Brief hatte ihm Halt gegeben, als sein Vater das Haus, in dem Hugh bis dahin sein gesamtes Leben verbracht hatte, hatte aufgeben müssen, um einen Neuanfang zu versuchen.

Lieber Hugh,

ich musste mich gestern in Papas Büro schleichen, um Eure Anschrift in Erfahrung zu bringen. Ich kann nur hoffen, dass Ihr noch immer dort wohnt. Tatsächlich bin ich mir noch nicht einmal sicher, wie ich diesen Brief aufgeben soll, aber ich werde einen Weg finden.

Ich bin so wütend auf Vater für das, was er getan hat. Er hat mir auf abscheulichste Weise meinen besten Freund genommen, und das kann ich ihm nicht verzeihen – auch nicht die herzlose Entlassung Deines Vaters. Ich habe alles versucht, um es ihm zu erklären, doch er wollte nicht zuhören. Mir kommt es vor, als wäre das alles meine Schuld, bloß weil ich in diesem verflixten Schlamm stecken geblieben bin und meinen Stiefel verloren habe. Es tut mir so furchtbar leid.

Eine Brieffreundschaft werden wir nicht führen können, denn das würde Papa nur noch mehr erzürnen, aber ich musste Dich wissen lassen, dass ich Dich auf immer als meinen besten Freund betrachten werde. Du hast mir das Angeln und das Schwimmen beigebracht. Du hast mir geholfen, beim Reiten Mut zu finden und die höchsten Bäume zu erklimmen. Dank Dir scheue ich mich nicht mehr davor, Grashüpfer und Frösche zu fangen, auch wenn ich bei Schlangen weiterhin die Grenze ziehe – sie werden für mich immer widerliche, hinterhältige Kreaturen bleiben.

Du hingegen bist nicht im Geringsten widerlich oder hinterhältig. Du verkörperst das Beste im Menschen. Bleib immer, wie Du bist, und hör niemals auf, mich als Freundin zu betrachten. Ich werde es mit Dir ebenso halten.

Eines Tages, wenn das Schicksal es gut mit uns meint, werden wir einander vielleicht wieder begegnen. Darauf hoffe ich von ganzem Herzen.

Sophie

Hugh ließ den Brief auf seinen Schreibtisch fallen und wandte sich auf seinem hölzernen Drehstuhl zum Fenster seines Büros um. Sein kleines Londoner Stadthaus stand am Rande von Lambeth, nicht weit von den Vauxhall Gardens. In den umliegenden Straßen wohnten zahlreiche Kunsthandwerker, Angestellte und andere Geschäftsleute. Selbst im ewigen Nebel fühlte Hugh sich hier wohl. Hier gehörte er hin, nicht auf die andere Seite der Themse nach Mayfair oder St. James’s oder auch nur in die Upper Seymour Street, und gewiss nicht auf eine Hausgesellschaft auf dem Anwesen von Lord und Lady Knave.

Verflucht sollte sein elendes Gewissen sein.

Zwei

Sophia Giffords Zimmertür flog auf, und im Spiegel über ihrem Toilettentisch sah sie eine Wolke aus lilafarbenem Taft in Gestalt ihrer Mutter hereinwehen. Welch ein Anblick. Mrs Giffords goldene Locken waren erst zur Hälfte aufgesteckt, sodass sie ein wenig an einen nur halb geschorenen Pudel erinnerte. Offenbar war es ihr als wichtiger erschienen, mit ihrer Tochter zu sprechen, als ihre Toilette zu vollenden.

»Wie ich hörte, bist du abermals mit Mr Fawcett auf eine Ausfahrt verabredet«, verkündete sie in missbilligendem Tonfall.

Sophia streifte sich die Handschuhe über und musterte ein letztes Mal ihr Spiegelbild, um sicherzustellen, dass ihre blaue Velourshaube noch saß. Dieser spezielle, etwas silbrige Farbton dämpfte angenehm das Rot ihrer Haare und ließ ihre Augen eher bläulich als grün-braun erscheinen. Eine gute Wahl für eine Ausfahrt in den Hyde Park.

Sie blickte wieder zum Spiegelbild ihrer Mutter empor und nickte. »So ist es.«

Sophia glaubte, beinahe Dampf aus den Nasenlöchern ihrer Mutter schießen zu sehen. »Warum ermutigst du diesen Mann immer wieder?«

»Mr Fawcett ist ein angenehmer und freundlicher Mensch. Ich bin gern in seiner Gesellschaft.« Sie kniff sich in die Wangen, um etwas Farbe hervorzulocken, und erhob sich.

»Aber er hat keinen Titel und ein bestenfalls dürftiges Einkommen.«

Dessen war Sophia sich wohl bewusst. Ebenso war sie sich der Tatsache gewahr, dass sich nun bereits ihre dritte Londoner Saison dem Ende zuneigte und Mr Fawcett bislang der einzige Verehrer war, den zu heiraten sie sich auch nur im Entferntesten vorstellen konnte. Mit einer verheirateten jüngeren Schwester war Sophia unabänderlich eine alte Jungfer. Sollte Mr Fawcett nicht den entscheidenden Schritt tun, fürchtete sie, auch ihr restliches Leben ohne Gatten zubringen zu müssen.

»Das ist mir gleich«, erklärte sie deshalb. Wenigstens eines hatten die zurückliegenden drei Jahre sie gelehrt: nachdrücklicher für ihre Ansichten einzutreten. Wie verschüchtert sie dagegen einmal gewesen war.

»Aber in Kürze wird Lord Daglum eintreffen. Erst gestern Abend habe ich ihm gesagt, du würdest heute Vormittag daheim sein.«

Aus genau diesem Grund hatte Sophia am Morgen Mr Fawcett die Nachricht zukommen lassen, ob er in Erwägung ziehen würde, ihre Ausfahrt auf einen früheren Zeitpunkt zu verlegen. Seine Antwort hatte nicht lange auf sich warten lassen.

Mit dem größten Vergnügen.

Mr Fawcett

In der Tat, äußerst angenehm.

Sophia griff sich ihren Mantel. »Du wirst doch hier sein und Lord Daglum empfangen können, nicht wahr, Mutter? Ich bin mir sicher, er wird ohnehin lieber mit dir sprechen. Du bist um ein Vielfaches unterhaltsamer als ich.«

Es war keine Überraschung, dass ihre Schmeichelei auf taube Ohren traf. »Er kommt aber nicht, um mit mir zu sprechen. Er kommt, um mit dir zu sprechen.«

»Nein. Er kommt, um sich anzubiedern und einzuschmeicheln, mit dem alleinigen Ziel, meine Mitgift in die Finger zu bekommen. Es ist allseits bekannt, dass er sich an die Meistbietende zu verhökern gedenkt. Ich persönlich interessiere ihn keinen Deut.«

»Das ist nicht wahr. Erst gestern Abend hat er erwähnt, wie freundlich und elegant du seist, und sehnsüchtig den Wunsch geäußert, du hättest mich zu dem Hauskonzert begleitet. Außerdem besitzt er einen Titel, und seine Verbindungen sind denen von Mr Fawcett weit überlegen.«

Sophia verdrehte die Augen. »Lord Daglum ist im Augenblick an genau drei Dingen gelegen: seinem geliebten Araber, meinem Erbe und seiner Mätresse. In exakt dieser Reihenfolge.«

Ihre Mutter schnappte nach Luft. »Von solchen Dingen solltest du nichts wissen – geschweige denn darüber reden.«

»Nun, ich weiß aber davon«, entgegnete Sophia, »und lieber bleibe ich mein Lebtag allein, als einen Mann zu heiraten, der seinem Pferd größeren Wert beimisst als seiner Ehefrau.«

Verärgert verengte Mrs Gifford die Augen. »Das ist das Werk deiner Schwester, nicht wahr? Diese albernen Geschichten, die sie schreibt, haben dir den Unfug in den Kopf gesetzt, du könntest …«

Wie aufs Stichwort kam Prudence hereingerauscht. Ihre liebreizenden dunklen Locken hüpften nur so um ihre rosigen Wangen.

Nach einer flüchtigen Begrüßung ihrer Mutter ergriff sie Sophias Hände. »Soph, ich habe wundervolle Neuigkeiten. Knave und ich geben diesen Sommer eine Hausgesellschaft. Bitte sag, dass du mir bei der Ausrichtung helfen wirst. Wenn es ein Erfolg werden soll, brauche ich dich von Beginn an an meiner Seite, und ich wünsche mir so sehr, dass es ein Erfolg wird.«

»Ich sehe nicht, wie das möglich sein soll«, bemerkte ihre Mutter trocken. »Sophia wird mit der Planung ihrer Hochzeit beschäftigt sein und keine Zeit für Hausgesellschaften haben.«

Abermals verdrehte Sophia die Augen. Ihre Mutter wusste haargenau, dass Prudence eine Heirat zwischen Sophia und Mr Fawcett ebenso wenig wollte wie sie, wenn auch aus anderen Gründen.

Und tatsächlich erlosch das Lächeln ihrer Schwester. »Hat Mr Fawcett dir einen Antrag gemacht? Sag nicht, du hast Ja gesagt!«

Sophia warf die Hände in die Luft – sie hatte wahrlich genug von dieser Unterhaltung. »Nein, er hat mir keinen Antrag gemacht.«

»Woher dann dieser Unsinn mit den Hochzeitsplänen?«

»Sollte er ihr einen Antrag machen«, erklärte Mrs Gifford wenig hilfreich, »beabsichtigt sie voll und ganz, ihn anzunehmen – nicht dass euer Vater dem zustimmen würde.«

»Ich bin volljährig, Mutter. Ich brauche seine Zustimmung nicht.«

Damit allerdings hatte sie das Falsche gesagt, denn nun weiteten sich gleich zwei Augenpaare ungläubig. Prudence fand als Erste die Sprache wieder. »Wie kannst du auch nur daran denken, einen Mann zu heiraten, den du nicht liebst?«

»Also wirklich«, stieß ihre Mutter hervor. »Hör um Himmels willen auf, ihr solchen Unsinn in den Kopf zu setzen. Sophia hätte schon in ihrer ersten Saison Lord Ponsonby geheiratet, hättest du sie nicht mit diesem Gewäsch von Liebe davon abgebracht.«

»Also bitte, Mutter. Lord Ponsonby war alt genug, um mein Vater zu sein. Dass ich ihn abgewiesen habe, war nun wirklich nicht Prudence’ Verdienst.«

»Und eine Liebesheirat ist kein Unsinn«, setzte Prudence mit dem Blitzen der Überzeugung in den dunklen Augen hinzu. »Nach einer solchen Verbindung sollte eine jede Frau streben, besonders Sophia. Sie verdient dieses Glück mehr als jede andere.«

Mrs Gifford bedachte Prudence mit einem scharfen Blick. »Dass du dich in einen Mann von Stand, Vermögen und Ansehen verliebt hast, war ein reiner Glücksfall – auch wenn du diesem Ansehen gewiss keinen Vorschub geleistet hast mit deinem Beharren darauf, dieses … dieses Machwerk zu veröffentlichen.«

»Es nennt sich Liebesroman, und ich gedenke, noch weitere davon zu veröffentlichen. Vielleicht entscheiden dann auch mehr Frauen zugunsten der Liebe anstelle von gesellschaftlichen Verbindungen.«

»Deine Schwester allerdings will unglücklicherweise weder zugunsten des einen noch des anderen entscheiden. Oder ist dir entfallen, dass sie einen Mann zu heiraten plant, der weder vorteilhafte Verbindungen zu bieten hat noch ihr Herz anzurühren vermag? Mit Lord Daglum würde sie weit besser fahren.«

»Lord Wichtigtuer meinst du wohl«, murmelte Prudence.

»Wie bitte?«, sagte ihre Mutter.

»Mit ihm wäre Sophia ihr Leben lang unglücklich«, erklärte Prudence mit mehr Nachdruck. »Das würde ich niemals zulassen.«

Und so stritten die beiden sich weiter, während Sophia die Augen schließen und tief durchatmen musste, damit sie sie nicht anschrie, damit aufzuhören. Ihre Mutter und Schwester schienen zu glauben, sie wüssten, was für Sophia das Beste wäre, doch sie ertrug diese Kuppelei nicht länger. Es war an der Zeit, das alles ein für alle Mal hinter sich zu lassen.

»Mutter«, platzte sie schließlich heraus. »In Kürze wird Lord Daglum eintreffen, und dein Haar ist erst zur Hälfte aufgesteckt. Solltest du nicht …«

»Grundgütiger!« Mrs Giffords Hand flog zu ihrer Frisur. Ein Blick in Sophias Spiegel schickte sie mit abermals wild rauschenden Taftröcken aus dem Zimmer.

Sophia spürte einen Hauch von Erleichterung, doch als ihr Blick dem ihrer jüngeren Schwester begegnete, erwachte Argwohn in ihr. »Ich helfe dir gern später mit der Planung deiner Hausgesellschaft, Pru. Heute Vormittag habe ich eine Verabredung mit Mr Fawcett.«

Prudence pflanzte sich mit störrischer Miene auf Sophias Bett. »Mich wirst du nicht so leicht los wie Mutter.«

Etwas in der Art hatte Sophia bereits vermutet und seufzte innerlich. Prudence war schon immer ein Sturkopf gewesen.

»Du ziehst doch nicht ernsthaft in Erwägung, Mr Fawcett zu heiraten, oder?«

»Ich bin zweiundzwanzig, Pru«, sagte Sophia. »Er ist freundlich, angenehm, und ich glaube, dass er mich ehrlich gernhat. Was soll ich mir von einer Ehe darüber hinaus erhoffen?«

»Ach, ich weiß nicht.« Prudence’ Stimme troff vor Sarkasmus. »Liebe vielleicht? Glück? Seligkeit?«

»Ich sagte, was soll ich mir darüber hinaus erhoffen.« Sophias Tonfall war eher trocken als traurig. Sie hatte sich schon vor langer Zeit damit abgefunden, dass ihr Leben anders aussehen würde als das ihrer Schwester. »Ich bin nicht du und kann niemals hoffen, dir gleichzukommen. Für mich ist Mr Fawcett genug.«

»Du sprichst von ihm wie von einem bloßen Freund.«

»Das ist er auch. Ein sehr guter Freund.«

»Das ist doch keine Grundlage für eine Ehe.«

»Da muss ich dir widersprechen. In meinen Augen ist es sogar eine sehr gute Grundlage. Zählst du Knave etwa nicht zu deinen engsten Freunden?«

»Doch, sicher«, musste Prudence mit sorgenvoll gerunzelter Stirn eingestehen. »So habe ich das nicht gemeint. Du hast recht, Freundschaft ist von überragender Bedeutung, aber … Ich wünsche mir schlicht, dass du in deiner Ehe mehr hast als nur das. Ich wünsche mir, dass dir dasselbe vergönnt ist wie mir mit Knave.«

Sophia lächelte traurig. Tief in ihrem Inneren sehnte sie sich ebenfalls danach, doch nach drei Jahren vergeblicher Suche auf dem Heiratsmarkt war sie zu einer Einsicht gelangt: Sollte sie sich nicht mit etwas Geringerem als Liebe zufriedengeben, würde sie den Rest ihres Lebens als Gefangene ihrer Eltern verbringen und sich wie ein Kind behandeln lassen müssen.

»Sag mir eines, Pru«, entgegnete sie nun. »Ist es besser, einen guten Freund zu heiraten, oder in meiner jetzigen Lage zu verharren?«

Schon öffnete Prudence den Mund, schien jedoch gleich darauf zu erkennen, dass sie dagegen keine Argumente vorzubringen hatte, und presste stattdessen die Lippen aufeinander. Kurz darauf hakte sie nach: »Du bist fest entschlossen?«

»Das bin ich.«

»Würdest du mit deiner Zusage wenigstens bis nach meiner Hausgesellschaft warten?«

Beinahe hätte Sophia gelacht. »Also wirklich, Pru. Eine Hausgesellschaft kannst du auch bestens allein ausrichten. Dafür brauchst du mich nicht.«

»Aber natürlich – nun, ich würde es nicht per se brauchen nennen. Aber zwei Köpfe sind klüger als einer, oder etwa nicht? Mit dir wird es ein so viel größeres Vergnügen sein, Pläne zu schmieden.«

Darüber musste Sophia lächeln. Prudence hatte ihr schon immer das Gefühl gegeben, gebraucht zu werden, und dafür vergötterte sie ihre Schwester. Doch wenn Mr Fawcett tatsächlich zur Tat schreiten sollte – wie könnte sie ihn nur hinhalten? Es erschien ihr weder fair noch angemessen, so etwas von ihm zu verlangen.

»Ich könnte vorschlagen, erst später im Herbst zu heiraten. Auf diese Weise könnten die Hochzeitspläne bis nach deiner Hausgesellschaft warten.«

»Oh nein, das kommt nicht infrage. Damit wärst du verlobt!«

»Das ist für gewöhnlich der Fall, wenn man einen Heiratsantrag annimmt«, stellte Sophia trocken fest. »Ist das ein Problem?«

»Ja.«

»Mir will nicht einfallen, wieso.«

»Weil …« Einen Moment lang suchte Prudence sichtlich hektisch nach einem Grund, ehe ihr einfiel: »Weil Catherine damit als einziges Mitglied unserer Hausgesellschaft partnerlos dastünde … Wie unangenehm wäre das für sie.«

»Vielleicht solltest du dann deine Gästeliste erweitern«, schlug Sophia vor.

»Und vielleicht solltest du bis nach der Gesellschaft warten, ehe du dich mit Mr Fawcett verlobst. Schließlich kenne ich den Mann kaum. Willst du mir nicht wenigstens etwas Zeit gönnen, die Bekanntschaft mit ihm zu vertiefen, ehe du dich an ihn bindest?«

Sophia hob eine Augenbraue. »Du hattest bereits reichlich Gelegenheit, die ›Bekanntschaft mit ihm zu vertiefen‹, wie du es nennst, und dich stets entschieden, es nicht zu tun.«

»Mir war nicht klar, dass du ihn ernsthaft in Betracht ziehst.«

»Das tue ich.«

Prudence nickte zögernd. Zu ihren nächsten Worten schien sie sich zwingen zu müssen. »Da ich nun weiß, dass es dir ernst ist, werde ich mich nach Kräften bemühen …«

»… die Bekanntschaft zu vertiefen?«

»Äh … ja.« Abermals presste Prudence die Lippen aufeinander, diesmal jedoch sichtlich konsterniert. Kurz darauf wichen die Falten von ihrer Stirn, und sie sah ihrer Schwester in die Augen. Mit ihrer gewohnten Unverblümtheit fragte sie: »Ist es wirklich dein Wunsch, Mr Fawcett zu heiraten? Wenn du ehrlich mit Ja antworten kannst, werde ich dir nicht im Wege stehen. Solltest du das jedoch nicht können, dann flehe ich dich an, gib mir noch etwas Zeit – wenigstens bis Ende August.«

Sophia öffnete den Mund, um zu erwidern, sie wolle ihn tatsächlich heiraten, doch ihr Gewissen erlaubte ihr nicht, etwas auszusprechen, dessen Wahrheitsgehalt sie sich nicht sicher war. Mr Fawcett war ein guter Mann. Ebenso war er ein angenehmer Gesprächspartner und schätzte ihre Ansichten. Ihm machte es nichts aus, dass sie Tiere liebte und Sommersprossen hatte, und bisweilen brachte er sie zum Lachen. Er war genau die Art von Mann, die sie heiraten wollen sollte. Das Problem war nur: Wenn er ihr die Hand küsste, empfand sie nichts. Wenn sie dicht genug beieinandersaßen, dass ihre Schultern sich streiften, erwachte in ihr keine Sehnsucht nach mehr. Und wenn er sie anlächelte, spürte sie keine Schmetterlinge im Bauch oder sonst irgendeinen Unsinn, von dem Prudence in ihren Büchern schrieb. Auch wenn es für Sophia nicht wirklich nach Unsinn klang. Es klang … wundervoll.

»Das soll mir als Antwort genügen«, stellte Prudence mit einem spitzen Blick fest. »Heirate ihn nicht, Soph! Er ist nicht der Richtige für dich.«

»Und wenn kein Mann für mich der richtige ist?«, fragte Sophia leise und fasste damit endlich ihre größte Angst in Worte. »Ich will mehr als bloß Tiere, die ich umsorgen kann, Pru. Ich will einen Ehemann und Kinder.«

»Und all das sollst du auch bekommen«, versprach Prudence ihr mit Nachdruck. »Du musst dich nur noch ein wenig gedulden.«

Sophia schüttelte den Kopf. Den Glauben an Geduld hatte sie schon vor langer Zeit verloren. »Ich gedulde mich bereits in der dritten Saison. Jahr für Jahr rücke ich tiefer in die Ränge der alten Jungfern, und meine Aussichten schrumpfen. In all der Zeit war Mr Fawcett der Einzige, der ehrliches Interesse an mir gezeigt hat und den ich zufällig auch noch mag. Es wäre töricht von mir, ihn abzuweisen.«

Abermals wollte Prudence etwas einwenden, doch Sophia war noch nicht fertig. Mit erhobener Hand fuhr sie fort: »Nachdem das nun geklärt ist – wenn du Mr Fawcett ebenfalls zu deiner Hausgesellschaft einlädst, wird er vielleicht keine Notwendigkeit sehen, mir vor dem Ende der Saison einen Antrag zu machen. Damit hätten wir beide ein wenig Zeit gewonnen.«

Besonders zufrieden schien ihre Schwester mit diesem Kompromiss nicht zu sein, doch nach kurzer Überlegung nickte Prudence. »Wenn ich ihn kennenlernen soll, wirst du ihn wohl einladen müssen. Aber gefallen muss mir das noch lange nicht.«

Sophias leises Lachen wurde unterbrochen, als ein Dienstmädchen an die Tür klopfte. »Mr Fawcett für Sie, Miss«, verkündete sie mit einem raschen Knicks.

»Danke.« Sophia nahm ihr Schultertuch und ihr Retikül an sich und hielt an der Tür inne, um noch einmal ihre Schwester anzusehen. »Gib ihm eine Chance, Pru. Vielleicht überrascht er uns beide.«

Drei

Sechs Wochen später

Sophia hielt am Fuß der Treppe im Heim ihrer Schwester inne. Obgleich es guttat, wieder in ihrem Heimatdorf Lynfield in Oxfordshire zu sein, wo sie stets der tiefste Frieden erfüllt hatte, verspürte sie nun eine seltsame Unruhe, als die Stimmen aus dem Salon an ihr Ohr drangen. Etwas früher am Nachmittag war Mr Fawcett eingetroffen, und auch wenn die Hausgesellschaft offiziell erst tags darauf beginnen würde – wenn die letzten ihrer Freunde einträfen –, hingen schon jetzt lastende Erwartungen in der Luft.

Sie sah sich im prächtigen Empfangssaal von Radbourne Abbey um, dem Anwesen von Lord Knaves Eltern Lord und Lady Bradden. Abgesehen von der idyllischen Lage gleich neben dem Besitz ihrer eigenen Familie hatte Sophia vor allem der palladianische Stil stets mit Bewunderung erfüllt. Doch während sie nun den Luxus betrachtete, der sie hier umgab, fühlte sie sich wie so oft in den vergangenen drei Saisons – fehl am Platz. Sie zog das bescheidenere Talford Hall vor, den Sitz ihrer eigenen Familie mit seinen abgewetzten Möbeln, der quietschenden vierten Treppenstufe und ihrem Schlafzimmerfenster mit Blick auf die Stallungen.

Dort hätte sie auch für die Dauer der Hausgesellschaft geschlafen, hätte ihre Schwester nicht darauf beharrt, sie solle auf Radbourne bleiben – außerdem waren auf Talford ihre Eltern. Hier konnte sie immerhin ein wenig Abstand von den ständigen Gängeleien ihrer Mutter gewinnen und Dominicus reiten, wann immer es ihr gefiel.

Ach, wie sehr sie das Reiten liebte.

Sie war schwer versucht, sich in die Stallungen davonzustehlen und auf diese Weise dem Dinner zu entgehen, doch das würde Prudence ihr nie verzeihen.

Sophia strich sich mit beiden Händen über das Mieder ihres meergrünen Kleides – ihre Schwester hatte darauf bestanden, dass sie es heute trüge – und holte tief Luft. Also wirklich, warum war sie so nervös? Abgesehen von Prudence’ Schwiegereltern und ihrer eigenen Familie würde heute Abend nur Mr Fawcett zugegen sein. Ihre Nervosität sollte sie sich für morgen aufsparen, wenn der unliebsame Lord Daglum einträfe.

Sophia legte eine Hand auf ihren Bauch, um das Unwohlsein zu besänftigen, das sich dort eingenistet hatte, und atmete abermals tief durch. War Mr Fawcett der Grund für ihr Unbehagen? Ihre letzte Begegnung in London lag vier Wochen zurück, doch ihr kam es vor wie wenige Tage. Auch wenn sie ihn nicht so sehr vermisst hatte wie erhofft, hatte er ihr doch ein wenig gefehlt – nun ja, seine Gesellschaft, um genau zu sein.

Vielleicht musste sie ihn einfach nur wiedersehen. Sobald sie seine freundlichen Augen und sein herzliches Lächeln erblickte, würde sie sich gewiss sehr freuen.

Ja, genau so würde es geschehen.

Die Eingangstür schwang auf und sie erschrak, doch als sie den Butler ihre Eltern hereinbitten sah, lächelte sie erleichtert. Ihr Vater hatte darauf beharrt, er und seine Frau würden für die Dauer der Hausgesellschaft in der Behaglichkeit ihres eigenen Heims verweilen und zu den verschiedenen Aktivitäten herfahren, einschließlich des Dinners am heutigen Abend. Zu einem günstigeren Zeitpunkt hätten sie nicht eintreffen können: Nun musste Sophia den Salon nicht verspätet und allein betreten.

»Mutter, Vater. Wie geht es euch?«

»Wie ich sehe, bist du ebenfalls zu spät«, bemerkte ihre Mutter mit einem vorwurfsvollen Blick in Richtung ihres Gatten. »Mr Giffords Leibdiener ist erkrankt, und er war gezwungen, sich die Krawatte selbst zu binden. Zehn Versuche hat er für diesen erbärmlichen Knoten gebraucht.«

Sophias Mundwinkel zuckten. Es war in der Tat ein erbärmlicher Knoten. Sie ging zu ihrem Vater und machte sich an der Krawatte zu schaffen, zog hier ein wenig, straffte dort etwas und tat ihr Möglichstes, den Knoten etwas weniger traurig aussehen zu lassen.

»Ich denke, nun erscheinen wir alle zu modisch später Stunde – und Vater ist der Modischste von uns«, erklärte sie schließlich und klopfte ihm noch einmal auf die Brust.

Er reckte den Hals, um ihr Werk zu betrachten, dann drückte er ihr einen Kuss auf die Stirn. »Ich danke dir, mein liebes Mädchen. Du hast mich davor bewahrt, deine Mutter zu beschämen.«

Auch Sophias Mutter begutachtete den Krawattenknoten und ließ sich zu einem widerwilligen Nicken herab. »So ist es deutlich besser, Sophia. Und nun lasst uns hineingehen, ehe aus einer modischen eine unverzeihliche Verspätung wird.«

Der Butler ging ihnen voran und verkündete ihr Eintreffen im Salon. Suchend sah Sophia sich nach Mr Fawcett um, doch der erste Mann, den ihr Blick traf, verbannte jeglichen Gedanken an ihren Londoner Verehrer aus ihrem Kopf.

Dunkle Locken, ebenso dunkle Augen und eine solide Durchschnittsstatur. Irgendetwas hatte er an sich, das ihr sehr vertraut erschien – wie eine weit zurückliegende Erinnerung. Als er sich umwandte und sah, wie sie ihn anstarrte, lächelte er, und seine Lippen formten ein einziges Wort: »Sophie.«

Nur ein Mensch hatte sie je so genannt. Konnte es wirklich … »Hugh?« Das Flüstern war ihr entwischt, ehe sie es hatte überdenken können.

Sein Lächeln wurde breiter und ließ ein kleines Grübchen auf seiner linken Wange erscheinen, wobei sein linker Augenwinkel sich etwas mehr in Falten legte als sein rechter. In diesem Moment erblickte Sophia im Bild des vor ihr stehenden Mannes den Jungen, den sie einst gekannt hatte. Und – grundgütiger! – wie attraktiv war er geworden. Verschwunden waren die langen, schlaksigen Arme und das zu schmale Gesicht, stattdessen besaß er kräftige Kiefer und einen Körper, der sein Jackett aufs Erfreulichste ausfüllte. Sie rang den Impuls nieder, zu ihm zu stürzen und die Arme um ihn zu werfen.

Das war etwas, das die junge Sophie getan hätte. Heute war sie Sophia – eine reife Frau, die Sitte und Anstand wahren musste.

»Endlich bist du hier, Soph«, begrüßte Prudence sie. »Ich hatte gerade begonnen, mich zu fragen, was dich aufgehalten haben mochte.«

Sophia zwang sich, ihre Aufmerksamkeit von Hugh auf ihre Schwester zu richten, doch so sehr sie sich auch bemühte, sie konnte sich einfach nicht konzentrieren. »Ich, äh …« Warum war Hugh hier? Hatte er geschäftlich mit Lord und Lady Bradden zu tun oder … Was genau tat er überhaupt beruflich? Für sie war er immer nur der Sohn des Advokaten gewesen.

Knave trat vor. »Ich möchte Ihnen gern einen Bekannten von mir vorstellen. Mr Quinton, das sind meine Schwiegereltern Mr und Mrs Gifford und meine Schwägerin Miss Sophia Gifford. Mr Quinton ist auf meine persönliche Einladung hier.«