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Unmittelbar nach dem Fall der Berliner Mauer beginnen Bürger*innen eigenmächtig mit der Begrünung eines Teils des ehemaligen Grenzstreifens zwischen den Bezirken Prenzlauer Berg im Osten und Wedding im Westen. Damit schaffen sie die Grundlage für einen Park, um dessen Fertigstellung die folgenden 25 Jahre gerungen wird – eine Zeit, in der sich bürgerschaftliches Engagement in Partizipationsverfahren erschöpft und gesellschaftliche wie räumliche Polarisierungen zunehmen. Was die detaillierte Rekonstruktion der Geschichte des Mauerparks veranschaulicht, findet über den lokalen Kontext hinaus seine Entsprechung an vielen Orten Berlins wie auch in anderen Städten: Es geht um die Grenzen der repräsentativen Demokratie.
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Seitenzahl: 119
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Berliner Hefte zu Geschichte und Gegenwart der Stadt #2
Die Legende vom Sozialen Wohnungsbau
Ulrike Hamann, Sandy Kaltenborn (Hg.)
2., überarbeitete Auflage (E-Book)
Die Wohnungsfrage ist seit einiger Zeit zurück im gesellschaftlichen Diskurs: die Frage nach einer Wohnraumversorgung für diejenigen, die durch einen boomenden Immobilienmarkt nichts gewinnen. Dazu gehören auch die Menschen, die bei uns Zuflucht suchen. Den Forderungen nach einem Mehr an Sozialem Wohnungsbau wird aber nur bedingt nachgekommen: Der Neubau wiegt die Zahl der durch den Ablauf der Bindungen verloren gehenden Sozialwohnungen nicht auf. Doch taugt das Fördersystem des Sozialen Wohnungsbaus überhaupt dazu, langfristig niedrige Mieten zu garantieren?
Dieses Heft räumt mit Missverständnissen auf und erklärt, warum der Soziale Wohnungsbau in seiner bundesdeutschen und Berliner Ausprägung eine Legende ist. Statt einer nachhaltigen Wohnraumversorgung für einkommensschwache Haushalte ging es bisher vor allem um Wirtschaftsförderung und private Eigentumsbildung. Grund genug, sich mit dem Prinzip des Sozialen Wohnungsbaus und der Schwierigkeit, diesen zu reformieren, auseinanderzusetzen.
Die dritte, überarbeitete Auflage der Druckfassung der Legende vom Sozialen Wohnungsbau bietet neben aktualisierten Zahlen und Inhalten im Text von Andrej Holm eine zusätzliche Einführung der Herausgeber*innen Ulrike Hamann und Sandy Kaltenborn, welche die mietenpolitischen Veränderungen der letzten Jahre in Berlin reflektiert.
Vorwort zur dritten, überarbeiteten Auflage
Ines Schaber • Florian Wüst
Die Legende geht weiter …
Ulrike Hamann • Sandy Kaltenborn
Die Legende vom Sozialen Wohnungsbau
Ulrike Hamann • Sandy Kaltenborn
(Un)sozialer Wohnungsbau
Schwerpunkt der Berliner Verdrängungsdynamik
Andrej Holm
1. Berlin auf dem Weg in die Wohnungsnot
2. Sozialer Wohnungsbau
3. Berliner Kostenmietwahnsinn
Leseempfehlungen
Ines Schaber • Florian Wüst | Dezember 2020
Die Legende vom Sozialen Wohnungsbau, der zweite Band der inzwischen acht Titel umfassenden Berliner Hefte zu Geschichte und Gegenwart der Stadt, erschien im August 2016, musste innerhalb kürzester Zeit nachgedruckt werden und war selbst in der zweiten Auflage der Druckfassung seit gut zwei Jahren vergriffen. Um diesen Zustand zu beenden, entschieden wir uns zu einer Neuauflage des Heftes, verbunden mit einer inhaltlichen wie formalen Aktualisierung.
Die Veröffentlichung der Legende vom Sozialen Wohnungsbau folgte dem Anliegen, einer möglichst breiten Leser*innenschaft zu vermitteln, wie das Fördersystem des Sozialen Wohnungsbaus in Deutschland strukturell organisiert ist, warum sich dieses primär als ein Mittel der Wirtschaftsförderung und der privaten Eigentumsbildung beschreiben lässt und welche Auswirkungen sich daraus für die Situation der Mieter*innen vor allem in Berlin ergeben. Zudem ging es uns darum, die Arbeit der mietenpolitischen Initiativen, wie in diesem Fall Kotti & Co, mit dem Mittel eines Berliner Heftes so zu unterstützen, dass sie damit in der politischen Debatte agieren können.
Die Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin im September 2016, vor der die Erstauflage des Heftes erschienen war, ergab eine rot-rot-grüne Regierungskoalition. Deren Koalitionsvereinbarung artikulierte – als Ergebnis eines engen Kommunikationsprozesses mit den Initiativen – eine Reihe ambitionierter wohnungspolitischer Ziele unter der Überschrift Bezahlbares Wohnen für alle1. Zusätzlich bestärkt durch die Ernennung Andrej Holms zum Staatssekretär für Wohnen herrschte Aufbruchsstimmung. Doch der nach nur wenigen Wochen durch eine Medienkampagne erzwungene Rücktritt Holms im Januar 2017 zeigte umgehend, in welchen Machtkampf man hier eingetreten war, und welche Provokation es darstellte, dass ein ausgewiesener Gentrifizierungsexperte und Fürsprecher der Mieter*innen eine politische Leitungsfunktion übernommen hatte. In seiner kurzen Zeit an der Spitze der Senatsverwaltung für Stadt-entwicklung und Wohnen konnte Holm zumindest einen Prozess anstoßen, der nicht auf der Vorlage eines fertigen Gesetzesentwurfs zur Reform des Sozialen Wohnungsbaus in Berlin seitens der Verwaltung, sondern auf der Formulierung von Eckpunkten beruhte, die mit Vertreter*innen der Initiativen besprochen und gemeinsam weiterentwickelt werden sollten – ein legislativer Reformprozess unter Beteiligung und Mitwirkung der aktiven Sozialmieter*innen.
Wo stehen wir heute in Bezug auf unser damaliges Anliegen? Was hat sich hinsichtlich der Sicherung der schrumpfenden Sozialwohnungsbestände getan? Wurde aus der Geschichte des Sozialen Wohnungsbaus etwas für die Zukunft gelernt? Aber auch: Was veränderte sich für die Initiativen, die sich neben dem bestehenden Protest auf der Straße in Konsultationen mit Politik und Verwaltung begeben haben? Was bedeutet deren von vielen Seiten respektierte Diskursmacht angesichts der Tatsache, dass in demokratischen Gesellschaften soziale Veränderungen über Gesetze geregelt werden?
Diesen Fragestellungen gehen die Herausgeber*innen Ulrike Hamann und Sandy Kaltenborn in einer neu verfassten Einleitung nach, welche die Entwicklungen der letzten fünf Jahre aus ihrer Sicht beschreibt. Ihre Einleitung der Erstausgabe haben wir ohne Änderungen übernommen. Andrej Holms Text (Un)sozialer Wohnungsbau. Schwerpunkt der Berliner Verdrängungsdynamik bietet aktualisierte Zahlen und Grafiken, und wurde vom Autor an verschiedenen Stellen modifiziert und ergänzt. Außerdem beinhaltet diese Ausgabe einige neue Abbildungen und Leseempfehlungen.
Zweifelsohne haben sich die Kräfteverhältnisse ein wenig verschoben. Ein Zeichen hierfür sind die Schritte hin zu einer gemeinwohlorientierteren Ausrichtung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Als Teil dessen wurde 2016 die Wohnraumversorgung Berlin – Anstalt öffentlichen Rechts (WVB AöR) gegründet. Diese Institution ist der Senatsverwaltung für Stadt-entwicklung und Wohnen nachgeordnet und u.a. dafür zuständig, politische Leitlinien zu entwickeln, zu evaluieren und fortzuschreiben, um den (sozialen) Versorgungsauftrag der kommunalen Unternehmen und die dortige Mieter*innenmitbestimmung zu verbessern. Dass Ulrike Hamann von Kotti & Co im April 2020 als Vorstandsmitglied der WVB AöR berufen wurde, ist nicht zuletzt ein Erfolg der nunmehr vor fast zehn Jahren begonnenen Mieter*innenproteste in Berlin. Auch das Initiativenforum Stadtpolitik Berlin (IniForum) steht für eine Institutionalisierung der aktiven Mitsprache und gegenseitigen Vernetzung der stadt- und mietenpolitischen Initiativen.
Unabhängig von diesen Veränderungen sowie den erstrittenen Maßnahmen gegen den ‚Mietenwahnsinn‘ lässt sich feststellen, dass eine grundlegende Reform des Sozialen Wohnungsbaus in Berlin nach wie vor nicht eingelöst ist. So erscheint es uns weiterhin notwendig, die unsozialen Systemfehler des Sozialen Wohnungsbaus in Deutschland sowie dessen besonderer Berliner Ausprägung kenntlich zu machen und in den Kontext der gegenwärtigen Situation zu stellen. Dieses Heft steht für eine Praxis, die, wie Hamann und Kaltenborn am Ende ihrer Einführung vom Juli 2016 schreiben, für „eine gute Geschichte des Wohnens jenseits des Marktes“ kämpft. Deshalb freuen wir uns sehr, hiermit die Neuauflage der Legende vom Sozialen Wohnungsbau vorlegen zu können.
Wir danken den Herausgeber*innen Ulrike Hamann und Sandy Kaltenborn sowie Andrej Holm für ihre Arbeit an der Aktualisierung des Heftes, für ihr immer inspirierendes politisches Insistieren und ihren unermüdlichen Einsatz für eine Stadt für alle. Wir danken auch den Personen, die diese Fassung mitgestaltet haben: Gabi Rada bearbeitete die Bilder und Fotografien, das Layout erhielt in Zusammenarbeit mit Athena Javanmardi einen weniger dichten Satzspiegel.
Für die finanzielle Unterstützung möchten wir uns bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung herzlich bedanken – dort besonders bei Anastasia Blinzov und Stefan Thimmel, die das Projekt der Neuauflage wie der ebenfalls von der Rosa-Luxemburg-Stiftung geförderten Übersetzung ins Englische mit großer Offenheit und Begeisterung begleiteten.
Die dritte, überarbeitete Auflage der Legende vom Sozialen Wohnungsbau erscheint gleichzeitig als ePub und PDF bei EECLECTIC, und ist dort zukünftig auch als englische E-Book-Fassung erhältlich. Unser Dank gilt Janine Sack für die fortwährend gute Zusammenarbeit zwischen EECLECTIC und den Berliner Heften zu Geschichte und Gegenwart der Stadt.
1 Vgl. Berlin gemeinsam gestalten. Solidarisch. Nachhaltig. Weltoffen., Koalitionsvereinbarung zwischen Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) Landesverband Berlin und Die Linke Landesverband Berlin und Bündnis 90/Die Grünen Landesverband Berlin für die Legislaturperiode 2016-2021, Berlin, 8. Dezember 2016, S. 21–30.
Ulrike Hamann • Sandy Kaltenborn | Dezember 2020
Seit der Veröffentlichung der Legende vom Sozialen Wohnungsbau 2016 hat sich einiges in der Berliner Stadt- und Mietenpolitik verändert. Während große Teile der Stadt von finanzialisierten Immobilienunternehmen aufgekauft werden, lässt eine umfassende Reform des Sozialen Wohnungsbaus weiter auf sich warten. Soweit, so bekannt. Jedoch konnten in den letzten Jahren nicht unerhebliche Wohnungsbestände re-kommunalisiert werden: 2019 überstieg die Anzahl der von den landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften angekauften Wohnungen mit über 11.900 die von ihnen neu gebauten Wohnungen um fast zwei Drittel.1
Am Kottbusser Tor, dem Ursprungsort und Hauptaktionsraum der Mietergemeinschaft Kotti & Co, wurden bereits im Jahr 2017 Bestände des Sozialen Wohnungsbaus kommunalisiert (300 Wohnungen) und damit eine der Kernforderungen der Initiative ein Stück weit erfüllt. Ein großer Teil der Wohnungen (ca. 1.000) ist jedoch nach wie vor in der Hand des großen Finanzmarktkonzerns Deutsche Wohnen, einer einstigen Tochter der Deutschen Bank. Es handelt sich dabei um Bestände der ehemaligen Gemeinnützigen Siedlungs- und Wohnungsbaugesellschaft (GSW), des mit 60.000 Wohnungen einst größten landeseigenen Wohnungsunternehmens, das 2003 unter dem rot-roten Senat und der Ägide des Finanzsenators Thilo Sarrazin privatisiert und an börsennotierte Unternehmen für 450 Millionen € verkauft worden war. Wegen dieser Privatisierung der Sozialwohnungen zuungunsten der Mieter*innen und der wohnungspolitischen Steuerungsmöglichkeit fordert Kotti & Co seit langem die Rekommunalisierung der Wohnungen – im Zweifelsfall auch als Enteignung der Deutsche Wohnen. Die Begründung lautet, dass die Wohnungen, wie in diesem Heft ersichtlich, bereits abgezahlt wurden und eine Enteignung dann möglich ist, wenn sie dem Allgemeinwohl dient.2Seit 2018 organisiert sich zu dieser Forderung eine Initiative, die private Wohnungskonzerne, die in Berlin mehr als 3.000 Wohnungen besitzen, per Volksentscheid enteignen will. Sie heißt Deutsche Wohnen & Co enteignen.3Zur Zeit geht die Initiative in die zweite Phase: die Sammlung der Unterschriften für einen Volksentscheid ab Frühjahr 2021. Kotti & Co unterstützt die Initiative.
Gleichwohl wurde von Kotti & Co immer thematisiert, dass die Übertragung der Wohnungen an ein kommunales Unternehmen nicht ausreicht, um Mitbestimmungsrechte zu sichern. Doch wie wollen und können eigentlich Mieter*innen in Großsiedlungen mitbestimmen, die oft über wenig Erfahrung von Teilhabe, über wenig Einkommen und akademische Bildung verfügen und nicht immer eine gemeinsame Sprache sprechen? In einer solch marginalisierten Nachbarschaft funktioniert Mitbestimmung womöglich anders als in einer klassischen Genossenschaft oder auch in alternativen Hausprojekten. Kotti & Co hat daher eine Selbstuntersuchung und ein Organizing-Projekt mit dem Titel Re-Kommunalisierung Plus angelegt.4 Dessen zweite Phase ist abgeschlossen, eine dritte und letzte ausstehend.
Kotti & Co konnte bereits mit ihrer Besetzungsaktion und einer Konferenz zum Sozialen Wohnungsbau im Berliner Abgeordnetenhaus 2012 die Mieterhöhungen von 0,13 €/qm für 35.000 Sozialwohnungen in Großwohnsiedlungen stoppen. 2016 wurden mit dem neuen Koalitionsvertrag der rot-rot-grünen Regierung die regulären Mieterhöhungen für sämtliche – damals noch über 110.000 – Sozialwohnungen in der Bindung ausgesetzt.5 Gleichzeitig wird um die Reform des Sozialen Wohnungsbaus in zähen Arbeitsgesprächen mit der Verwaltung gerungen, und kurz vor dem Ende der aktuellen Legislatur erscheint die Zukunft des Sozialen Wohnungsbaus weiterhin ungelöst.
Wie komplex die Situation aktuell ist, lässt sich anhand der jüngsten Entwicklungen am Kottbusser Tor6 beschreiben: Bei der neuen Eigentümerin des 2017 größtenteils kommunalisierten Neuen Kreuzberger Zentrums (NKZ), der landeseigenen Gewobag, konnte ein Mieterrat und ein Nachbarschaftsraum durchgesetzt werden. Zuvor hatte der Investor Gijora Padovicz einen Teil des westlichen Flügels des NKZs gekauft, die dortigen Wohnungen verbleiben also in Privatbesitz. Ende 2020 kaufte die Gewobag zusätzliche 120 Wohnungen am südlichen Kottbusser Tor, die einem Immobilienfonds gehörten. Auch hier engagiert sich ein Anfang des Jahres 2020 neu gewählter Mieterrat (Mieterrat Südblöcke) für die Mieter*innenrechte und die Fortsetzung der Kommunalisierung. Denn wie erwähnt, befinden sich die restlichen etwa 1.000 Wohnungen auf der Südseite des Kottbusser Tores im Besitz der Deutsche Wohnen. Diese hat die Aufwendungsdarlehen teilweise vorzeitig zurückgezahlt und damit erreicht, dass die Sozialbindungen über die nächsten Jahre sukzessive auslaufen. Es ist damit zu rechnen, dass die Deutsche Wohnen mit Bindungsende die seit 2012 eingefrorenen Mieten wieder erhöht, die Wohnungen modernisiert oder versucht, sie in Eigentumswohnungen umzuwandeln.
Insgesamt wurde – auch durch den Druck der vielen mietenpolitischen Initiativen und der wachsenden Bewegung in Berlin – die Politik stärker auf den Erhalt bezahlbaren Wohnraums ausgerichtet. So wirkt seit November 2020 die zweite Phase eines ‚Mietendeckel‘ genannten Gesetzes (MietenWoG Bln), das die Mieten begrenzt und in der zweiten Phase sogar überhöhte Mieten senkt.7 Bitterer Fakt ist jedoch, dass Sozialwohnungen davon ausgenommen sind. Für die Sozialwohnungen gelten nach wie vor andere Gesetze, auch wenn einige Abmilderungen inzwischen durchgesetzt werden konnten, wie im Folgenden beschrieben wird.
Schon 2015 wurde der durch ein Bündnis von Mieter*inneninitiativen angestoßene Mietenvolksentscheid mit einem Kompromiss vorzeitig beendet, der deutliche Auswirkungen auf die Situation der Sozialmieter*innen hat. Dieses am 1. Januar 2016 in Kraft getretene Gesetz, das Wohnraumversorgungsgesetz (WoVG Bln), gibt Sozialmieter*innen mit wenig Einkommen die Möglichkeit, nicht mehr als 30% ihres Einkommens für die Bruttowarmmiete zu bezahlen. Wenn die Miete mitsamt den kalten und warmen Betriebskosten über 30% des Nettohaushaltseinkommens beträgt, kann ein Mietzuschuss beantragt werden. Damit ist zwar noch nicht die wesentliche Forderung von Kotti & Co erfüllt, die Sozialmieten zu senken, allerdings ist deren Bezahlbarkeit theoretisch gewährleistet. Nur das Antragsprozedere wurde immer wieder von Kotti & Co als zu bürokratisch kritisiert, sodass neue Hürden entstehen.8
Die Zahl der Sozialwohnungen nimmt weiterhin ab. Inzwischen sind es nur noch 89.000. Denn die Wohnungen sind nur so lange gebunden, wie die Eigentümer*innen ihre Aufwendungsdarlehen an das Land Berlin zurückzahlen. Seit einigen Jahren zahlen einige private wie auch kommunale Eigentümer*innen ihre Kredite vorzeitig ab bzw. schulden aufgrund der günstigen Zinsen auf dem Kapitalmarkt um. Durch diese vorzeitige ‚Ablösung‘ sind die Sozialwohnungen nur noch zwölf Jahre in der sogenannten Nachbindung. Danach können die Eigentümer*innen damit machen, was die Mietgesetze hergeben: Sie können die einstmals hochsubventionierten Wohnungen in Eigentumswohnungen umwandeln, die Mieten nach Mietspiegel erhöhen oder durch Modernisierung die Mieter*innen vertreiben. Dieser ‚Schwund‘ an Sozialbindungen wurde zwischen 2016 und 2020 nicht durch den Neubau von Sozialwohnungen aufgefangen.9
Am System des Sozialen Wohnungsbaus in Berlin lassen sich noch etliche Schrauben drehen, um nicht nur dem Problem der Mietsteigerungen entgegenzuwirken, sondern die Sozialmieten, die im oder über dem Mietspiegeldurchschnitt liegen10, langfristig zu senken. Ein Faktor, der die Mieten höher ausfallen lässt, als dies nötig wäre, sind die sogenannten Entschuldungsgewinne, die Eigentümer*innen ermöglichen, Kapitalkosten auf bereits getilgte oder anderweitig entfallene Fremdmittelanteile geltend zu machen.
Dass man mit der Senatsverwaltung über diese Entschuldungsgewinne überhaupt sprechen kann, mag an sich schon ein Fortschritt sein, heißt allerdings nicht, dass hier ein Konsens einfach wäre. Die bisherigen Ergebnisse der Reform des Sozialen Wohnungsbaus in Berlin fallen auch aus diesen Gründen weit hinter die Versprechungen der geltenden Koalitionsvereinbarung zurück, was Kotti & Co mehrmals öffentlich kritisiert hat.11 In dem langwierigen Prozess manifestiert sich die strukturelle Ungleichheit, die der Zusammenarbeit von Initiativen mit Politik und Verwaltung im Bemühen um gleiche Augenhöhe eingeschrieben ist: Auf der Seite des Senats arbeiten sich ganze Fachabteilungen, auf der Seite der Initiativen einige wenige Ehrenamtliche an den Vorschlägen der jeweils anderen Seite ab.