Die letzte Kiya 2: Nachtkrone - Alexandra Lehnert - E-Book
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Die letzte Kiya 2: Nachtkrone E-Book

Alexandra Lehnert

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Beschreibung

**Royal Vampires – Trage die Krone der Nacht!** Nach einem schrecklichen Ereignis fällt es Lilya enorm schwer, sich in ihrem neuen Dasein als Vampirprinzessin zurechtzufinden. Besonders der Argwohn, den ihr die Bewohner des Schlosses entgegenbringen, setzt ihr zu. Da helfen auch die rauschenden Bälle und die luxuriösen Kleider nicht, denn leider kann ihr Dimitri, die Liebe ihres Lebens, genau jetzt nicht zur Seite stehen. Er muss seinen Verpflichtungen als Thronfolger nachgehen. Nach und nach kommen ihr grausame Geschichten über die Vampirrasse und vor allem ihren Kronprinzen zu Ohren, die ihr bisheriges Weltbild erschüttern. Plötzlich ist sich Lilya nicht sicher, ob Dimitri überhaupt der Mann ist, den sie kennen und lieben gelernt hat … Eine ganz besondere Vampirgeschichte  In der dramatischen-düsteren Vampir-Reihe entführt Alexandra Lehnert ihre Leser in das außergewöhnliche Leben der royalen Vampire. Eine großartige Fantasy-Trilogie mit der perfekten Mischung aus Spannung und einer atemberaubenden Liebesgeschichte. //Leserstimmen: »Suchtgefahr!! Absolut Grandios« »Eine Geschichte mit Gänsehautfeeling« »Vampire mal anders«// //Alle Bände der dramatisch-düsteren Vampir-Reihe: »Die letzte Kiya«: -- Die letzte Kiya 1: Schattenerbe   -- Die letzte Kiya 2: Nachtkrone   -- Die letzte Kiya 3: Blutthron » Royal Legacy«: -- Royal Legacy 1: Prinzessin der Schatten   -- Royal Legacy 2: Krone der Blutkönigin  Diese Reihe ist abgeschlossen.// 

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Alexandra Lehnert

Die letzte Kiya 2: Nachtkrone

**Royal Vampires – Trage die Krone der Nacht!**Nach einem schrecklichen Ereignis fällt es Lilya enorm schwer, sich in ihrem neuen Dasein als Vampirprinzessin zurechtzufinden. Besonders der Argwohn, den ihr die Bewohner des Schlosses entgegenbringen, setzt ihr zu. Da helfen auch die rauschenden Bälle und die luxuriösen Kleider nicht, denn leider kann ihr Dimitri, die Liebe ihres Lebens, genau jetzt nicht zur Seite stehen. Er muss seinen Verpflichtungen als Thronfolger nachgehen. Nach und nach kommen ihr grausame Geschichten über die Vampirrasse und vor allem ihren Kronprinzen zu Ohren, die ihr bisheriges Weltbild erschüttern. Plötzlich ist sich Lilya nicht sicher, ob Dimitri überhaupt der Mann ist, den sie kennen und lieben gelernt hat …

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Vita

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© privat

Alexandra Lehnert, geboren im April 1995 im wunderschönen Franken, entdeckte ihre Leidenschaft fürs Lesen und Schreiben bereits in ihrer Kindheit. Nach dem Abitur hat sie eine Ausbildung zur Steuerfachangestellten abgeschlossen, merkte jedoch schnell, dass sie in dem Bürojob nicht glücklich werden würde. Die heute 24-Jährige macht nun eine Ausbildung zur Erzieherin und taucht in ihrer Freizeit am liebsten in fremde Welten ein.

Für den Mann, der mich jeden Tag zum Lachen bringt.

1. Kapitel

Lilya

»Du musst die Beine weiter öffnen, damit du einen besseren Stand hast.«

Brav hörte ich auf Anas Rat und änderte meine Position. Prompt folgte die nächste Belehrung.

»Vergiss dadurch aber nicht die Haltung deines Oberkörpers. Du bist viel zu unkonzentriert!«

»Ich gebe ja mein Bestes«, gab ich stöhnend zurück. Ich war fix und fertig. Seit gefühlten Stunden trainierte ich mit Ana den Schwertkampf. Wir hatten es zumindest vor. Die richtige Haltung brachte mich bereits an meine Grenzen. Ana hatte mir zu Beginn der Nachhilfestunden vor ein paar Tagen ein Schwert in die Hand gedrückt und mir befohlen, sie einfach mal so anzugreifen, wie ich das aus dem Instinkt heraus machen würde. Das Ergebnis war absolut lächerlich und beschämend gewesen. Offenbar war ich in vielen Bereichen sehr talentiert, doch das Führen eines Schwertes zählte nicht dazu. Ich war deshalb wahnsinnig froh, dass ich nun doch mit Ana und nicht mit Dimitri trainierte. Vor ihm wollte ich nicht so schwach wirken.

Als ich es ablehnte, mit Dimitri zu üben, und mir stattdessen Ana aussuchte, hatte ich aber nicht damit gerechnet, dass meine Freundin so eine strenge Lehrerin sein würde.

»Wir müssen dringend an deiner Fitness arbeiten. Ich dachte, das Cheerleading hätte dich etwas fitter gemacht.«

Ungläubig sah ich sie an. »Ist das dein Ernst? Ich bin in einem kleinen Kerker eingesperrt gewesen und habe mich während der Zeit in Sibirien nicht viel um meine Fitness kümmern können. Seit wir hier in Kanada sind, ist mein Quartier zwar etwas größer, doch ich habe anderes im Kopf als Sport«, versuchte ich mich zu rechtfertigen.

Auch wenn Ana mich ganz schön triezte, war ich dankbar, dass ich dadurch etwas Abwechslung von meinem derzeitigen langweiligen Alltag bekam, der sich nach wie vor hauptsächlich in meinem Zimmer abspielte. Dimitris Vorschlag, dass ich wenigstens regelmäßig in die Turnhalle könnte, hatte ich deshalb nur zu gerne angenommen.

»Ein Monat ohne Sport versetzt dich also in einen solchen Zustand?« Die Ironie in ihrer Stimme war nicht zu überhören.

Ich konnte kaum fassen, wie sehr sich diese Ana von der Frau unterschied, mit der ich mich in New York angefreundet hatte.

Normalerweise wäre mir ihre Stichelei gleichgültig, doch mein Vampyrblut geriet trotzdem in Wallung. In manchen Situationen fing es plötzlich an, in mir zu brodeln, als wäre ich eine Schwangere, die unter ihren Hormonen litt.

»Welchen Zustand meinst du?«, fragte ich, stieß die freie Hand nach vorn und katapultierte Ana so von mir weg. Sie landete unsanft am anderen Ende der Halle, kam aber schnell wieder auf die Beine.

»Sieh an, jetzt schummelst du«, stellte sie kopfschüttelnd fest. »Ich meine die Tatsache, dass du ohne deine besonderen Fähigkeiten hoffnungslos verloren wärst.«

Ich zuckte mit den Schultern. »Ich habe nun mal diese Kräfte, wieso sollte ich sie nicht nutzen?«

Ana kam mit verschränkten Armen auf mich zu. »Erstens, weil du noch nicht geübt mit ihnen bist, und zweitens, weil sie dich auslaugen und du irgendwann in Ohnmacht fällst, wenn du dich überanstrengst. Wenn das der Fall ist, wirst du dir hinterher wohl wünschen, dich auch so ordentlich verteidigen zu können.«

»Schon gut, ich hab’s verstanden«, meinte ich in versöhnlichem Ton. Ich wollte nicht zugeben, dass die kurze Machtdemonstration ausgereicht hatte, um mich deutlich zu schwächen. Obwohl ich im Gegensatz zum Schwertkampf bei meinen besonderen Kräften mehr Fortschritte machte, war ich auch dort noch lange kein Profi. Mehrere Stunden hatte ich bereits mit Soley trainiert, mich auf die Energie in mir zu konzentrieren und sie kontrolliert einzusetzen, ohne mich dabei zu überanstrengen. Obwohl sie keine kognitiven Fähigkeiten hatte, war sie eine besonders gute Lehrerin.

»Gut, dann lass uns weitermachen.«

»Können wir erst eine Pause machen?«, bat ich und setzte mich, ohne eine Antwort abzuwarten, auf den Boden. Das schwere Schwert legte ich neben mir ab. Ein normales Menschenmädchen könnte es keine fünf Minuten führen.

»Schon wieder?«

»Ich dachte, ich sei freiwillig hier«, erwiderte ich trotzig und sah zu Ana hoch, die die Hände in die Hüften gestemmt hatte. Sie trug ähnlich wenig wie bei unserem ersten gemeinsamen Cheerleadertraining. Nur dass die hautenge Sporthose, die sie abgesehen von einem Sport-BH anhatte, dieses Mal bis über die Knie reichte.

»Du hast mich gebeten, eine Kriegerin aus dir zu machen, also beschwer dich nicht, wenn ich dich hart rannehme.«

»Wer hat dich denn so hart rangenommen, als du das Kämpfen gelernt hast?«, fragte ich, um von mir abzulenken.

Für einen Moment verfinsterte sich ihr Blick, ehe sie seufzte und sich neben mir niederließ. »Mein Vater.«

»Er muss ein guter Lehrer gewesen sein, wenn du jetzt so überragend mit dem Schwert umgehen kannst«, mutmaßte ich.

Sie nickte und ihre Mundwinkel hoben sich leicht. »Normalerweise wird eine Djiya nicht im Kämpfen trainiert, doch ihm war es egal, ob ich eine Frau bin oder nicht. Mein Vater hat vor seinem Tod die Sondereinsatztruppe zum Schutz der Krone geleitet und galt als der beste Schwertkämpfer der Welt.«

Während sie sprach, sah sie zu Boden und wickelte eine Haarsträhne aus ihrem Zopf um den Finger. Eine für sie völlig untypische Geste. Ich ging davon aus, dass ihr Vater getötet wurde, und das tat mir sehr leid für sie. Irgendwie hatten alle meine neuen Freunde bereits große Verluste in ihrem Leben erlitten.

»Mein Vater war nur daran interessiert, sein Wissen weiterzugeben, und behandelte mich oft wie ein Junge. Meine Kindheit verbrachte ich fast ausschließlich mit Jungs und ich war nie der Typ Mädchen, der sich von Kerlen nur anhimmeln lässt. Stattdessen kämpfte ich lieber mit ihnen.« Sie schaute auf und zwinkerte mir zu.

Dass ausgerechnet sie, die meiner Meinung nach der Inbegriff von Weiblichkeit war, wie ein Junge großgezogen worden war, konnte ich mir nur schwer vorstellen. Doch ihre kriegerischen Leistungen sprachen definitiv dafür.

»Wieso ist es eigentlich so ungewöhnlich, einer Frau das Kämpfen beizubringen? Ist das nicht irgendwie Diskriminierung, wenn eine Djiya so behandelt wird?«

Ana starrte mich einen Moment stumm an, bevor sie lauthals zu lachen anfing. »Diskriminierung …«, wiederholte sie lachend. »Frag das mal einen Siyo.«

»Wieso?«

»Es ist dir vielleicht schon aufgefallen, aber die Kiye und Siye werden von Frauen regiert, die Djiye dagegen von Männern. Das ist unsere Tradition. Und das spiegelt sich auch in unseren Völkern wider. Wäre ich eine Siya, hätte ich laut Gesetz mehr zu sagen als mein Mann.«

»Mit Gleichberechtigung habt ihr es nicht so, was?«, bemerkte ich und setzte im Geiste das Thema auf die Liste der Dinge, die ich als Königin ändern wollte.

Ana zuckte mit den Schultern. »Nun, man muss bedenken, wann ich geboren wurde. In den Sechzigerjahren hatten Frauen bei den Menschen auch nicht so viel zu sagen wie heute. Nur sind Djiye bis jetzt sehr rückschrittlich, was die Gleichberechtigung angeht. Und weil unsere wichtigsten Jobs mit den Muskeln ausgeführt werden, heißt das noch lange nicht, dass sie ausschließlich Männersache sind. Ich bin das beste Beispiel dafür.«

Plötzlich sprang sie auf, schnellte herum und warf ihr Schwert durch die Halle. Noch ehe ich den Kopf drehen konnte, um zu schauen, worauf sie gezielt hatte, erklang Gelächter hinter mir und jemand klatschte.

»Korrekt, Ana macht ihren Job vermutlich besser als jeder Djiyo«, meinte Dimitri mit einem Seitenblick auf das Schwert, das neben seinem Kopf in der Wand steckte. »Langsam machst du Soley im Zielen Konkurrenz, dabei nimmt sie Pfeil und Bogen und kein klobiges Schwert.«

»Gibt es einen Grund, wieso du unsere Trainingseinheit unterbrichst?«, fragte Ana, ohne auf sein Kompliment einzugehen. Dimitri zog das Schwert aus der Wand und kam auf uns zu. Er reichte es Ana, doch sein Blick ruhte auf mir.

Sofort stieg eine angenehme Wärme in mir auf.

»Ich komme, um meine Freundin zum Essen abzuholen.«

Seine Worte lösten ein leichtes Kribbeln in meinem Magen aus. Er hatte mich schon häufiger als seine Freundin bezeichnet, doch seit meiner Entführung war es das erste Mal, dass er mich so nannte. In den vergangenen Tagen hatten wir nicht ganz so viel Zeit zusammen verbracht, da er anscheinend einige Dinge im Schloss regeln musste, doch das Abendessen und die Nacht, beziehungsweise der frühe Morgen, gehörten stets uns.

Meinen gewohnten Tagesrhythmus hatte ich größtenteils abgelegt. Auch wenn jeder hier zu einer unterschiedlichen Zeit ins Bett ging, bevorzugten es viele Vampyre, die Nacht zum Tag zu machen. Dimitri und ich schliefen meistens erst ein, wenn am Horizont längst die Sonne aufgegangen war.

Er streckte die Hand nach mir aus und ich griff dankbar danach. Mit Schwung zog er mich hoch, sodass ich gegen seine Brust prallte. Starke Arme umschlangen mich und seine Lippen trafen meine.

»Ich hab dich vermisst, meine Schöne.«

»Ich dich auch, mein Hübscher«, gab ich schmunzelnd zurück. »Glücklicherweise hat Ana eben nicht deinen Kopf getroffen. Das wäre ein bedauernswerter Verlust.«

Er schnaubte. »Damit hätte sie die Hand gegen den erhoben, den sie eigentlich beschützen sollte. Das würde sie niemals wagen. Ihre Beinahetreffer machen mir keine Angst.« Grinsend drehte er den Kopf in Anas Richtung, die mit verschränkten Armen neben uns stand. Mit hochgezogenen Augenbrauen musterte sie Dimitri.

»Ist das so? Wäre dir das Schwert noch nähergekommen, hätte deine Prinzessin nun möglicherweise einen Herzinfarkt erlitten. Das wollte ich nicht riskieren.«

»Gute Entscheidung.« Dimitris Blick wanderte wieder zu mir. »Also lass uns was essen gehen. Du musst hungrig sein, nachdem dich dieses Mannweib fertiggemacht hat.«

Ich öffnete den Mund, um ihn zu bitten, die Sticheleien sein zu lassen, als er mich plötzlich von sich stieß und Anas Schwerthieb auswich. Bei der Bewegung schnappte er sich mein Schwert vom Boden und ging geradewegs in den Gegenangriff. Nachdem ich auf dem Hintern gelandet war, wurde ich wieder einmal Zeuge, wie Dimitri und Ana versuchten, sich gegenseitig die Köpfe abzutrennen.

»Verdammt, hört endlich auf mit dem Kindergarten!«, schimpfte ich gespielt und stand wieder auf. Ich musste mir eingestehen, dass ich ihre Bewegungen mit großen Augen verfolgte. In keinem Film hatte ich jemals jemanden so kämpfen sehen. Es wirkte, als wären sie mit ihren Waffen verbunden. Ich würde wohl nie verstehen, welche Leidenschaft Djiye für das Kämpfen hegten. Rangeleien und Machtkämpfe lagen ihnen offenbar im Blut und waren für sie unter Freunden so normal wie für andere Brettspiele.

Ich überlegte, erneut meine Kräfte einzusetzen, um die beiden voneinander zu trennen, als Dimitri mit erhobenen Händen vor Ana zurückwich.

»Das Oberhaupt der Vampyre hat gesprochen!«, rief er und Ana verdrehte lachend die Augen. »Gute Ausrede, um keine Niederlage wegstecken zu müssen.«

»Ach komm, ich kann doch keine Frau vernichtend schlagen.« Er zog Ana zu sich heran und drückte ihr einen Kuss auf die Wange.

»Ihhhh, Hilfe!«, rief sie und riss sich los. Mit einem vor Ekel verzogenen Gesicht wischte sie sich über die Wange, was sowohl Dimitri als auch mich zum Lachen brachte. »Jetzt rettet dich auch keine königliche Immunität mehr.«

Schnell flüchtete Dimitri vor ihr und rannte auf mich zu. Mein Lachen erstarb und ich unterdrückte einen Schrei, als er kurz abbremste, um mich zu packen und über seine Schulter zu werfen, ehe er mit mir aus der Halle eilte. Ich sah nur noch, wie Ana dastand, ihr Schwert kreisen ließ und mir lächelnd hinterherwinkte.

2. Kapitel

Lilya

Nach unserem gemeinsamen Abendessen wollte Dimitri, dass ich ihn zu einer Besprechung mit Ana und Soley begleite. Ich war bisher noch nicht dabei gewesen, obwohl es bei diesen Treffen vermutlich hauptsächlich um mich ging. Hätte Dimitri nicht vorgeschlagen, dass ich heute mitkommen sollte, hätte ich bald darauf bestanden.

Er führte mich aus meinem Zimmer und einen langen Flur entlang, den ich bereits kannte, da man von hier auch zur Turnhalle gelangte. Dass es überall deutlich gemütlicher aussah als im Schloss in Sibirien, war mir sofort aufgefallen. Die Wände waren voll mit Gemälden und Tuchbehängen. Auf dem Steinboden lag ein Teppich, der unsere Schritte dämpfte.

»Und hier hat meine Mutter gelebt?«, fragte ich und betrachtete wie immer beim Vorbeilaufen die Personen auf den Bildern. Offensichtlich handelte es sich um Vampyre aller Rassen.

»Ja. Ich vermute, dass auch du hier geboren wurdest. Soley hat mir erzählt, dass deine Eltern dein wahres Alter verheimlicht haben, sodass niemand wissen konnte, dass du reinblütig bist. Du wurdest geboren, während ich bei euch im Schloss gelebt habe.«

»Du hast damals hier gelebt?«, fragte ich verblüfft. Das überraschte mich wirklich.

»Ja, ist eine lange Geschichte. Hat mit dem komplizierten Verhältnis zu meinem Bruder zu tun«, meinte er knapp.

»Verstehe … Aber es ergibt doch keinen Sinn, dass ich in der Zeit geboren worden sein soll? Oder hast du nicht mitbekommen, wie sie schwanger war? In der Regel sieht man so was.«

Dimitri legte die Stirn in Falten. »Du hast recht. Aber inzwischen glaube ich, dass ich es gesehen habe, mich aber nicht mehr daran erinnern kann.«

Fragend sah ich ihn an. »Wie meinst du das?«

»Deine Mutter muss ihre Fähigkeit genutzt haben, Erinnerungen zu verändern. Dadurch hat jeder ihren Babybauch und dich vergessen.«

Ich blieb stehen und dachte über seine Worte nach. »Sie hat jeden vergessen lassen, dass sie schwanger war? Achtundvierzig Wochen lang? Auch mit so einer Fähigkeit stelle ich mir das ziemlich kompliziert vor.«

Dimitri war ebenfalls stehen geblieben und grinste mich an. »Ach Lya, es gibt einen Grund, warum alle Vampyre die Kiye fürchten. Deine Mutter war so viel stärker, als sie in der Öffentlichkeit gezeigt hat.«

Das hatte ich bisher nicht gewusst. Tatsächlich hatte ich mich aber schon gefragt, wieso meine Familie systematisch ausgelöscht worden war. Ja, wir hatten besondere Fähigkeiten, doch empfand ich sie als nicht sonderlich Angst einflößend. Meine Telekinese machte mich nicht unbesiegbar. Meine Kräfte hatten Grenzen und ich war nach wie vor angreifbar.

»Aber wie kann es sein, dass ich mich wieder an alles erinnere? Die Erinnerungen, die sie mir genommen hat, sind seit meiner Erweckung wieder da«, warf ich ein.

Irritiert sah er mich an. Dieses Detail schien Soley ihm bisher nicht erzählt zu haben. Zugegeben, ich war mir nicht sicher, ob ich mich tatsächlich an alles erinnerte, aber ich vermutete, es war ein Großteil.

»Was für Erinnerungen?«, fragte er und ich erklärte ihm kurz, dass Anisya mich als Kind besucht und mir einen Teil ihrer Erinnerungen übertragen hatte.

»Was? Wenn sie dich alles vergessen ließ, dann …« Er stockte. »Natürlich. Das hat Soley dir vermutlich überhaupt nicht erzählt, da es für sie logisch ist.«

»Was meinst du?«

»Du bist eine Kiya. Eure mentale Stärke ist eure größte Waffe. Als sie deine Erinnerungen nahm, warst du ein schwaches Kind. Doch je näher du der Erweckung kamst, desto stärker wurden deine psychischen Kräfte. Du hast es geschafft, die Barriere zu durchbrechen, hinter der die Erinnerungen verschlossen waren.«

»Das heißt, unsere Kräfte wirken bei der eigenen Art nicht?«

Er zuckte die Schultern. »Offensichtlich nicht. Über die Fähigkeiten deiner Familie ist im Detail wenig bekannt. Sie haben immer ein Mysterium daraus gemacht, wozu sie alles in der Lage sind.«

Dimitris Antwort befriedigte mich nicht. Wie sollte ich mehr über mich und meine Rasse erfahren, wenn niemand Genaueres wusste? Möglicherweise würden die Fähigkeiten der Kiye für immer ein großes Mysterium bleiben. Es gab niemanden mehr aus meiner Familie, den ich hätte fragen können. Es bestand nur die Möglichkeit, dass meine Mutter mir in ihren Erinnerungen hilfreiche Antworten hinterlassen würde. Doch auch sie hätte nicht vorhersagen können, welche Fähigkeiten ich entwickeln würde. Wie gerne hätte ich mit jemandem aus meiner eigenen Rasse über meine Kräfte geredet. Jemandem, der es nachvollziehen konnte, wie es war, über geheime Fähigkeiten zu verfügen. Sowohl die Siye als auch die Djiye wussten bereits vor ihrer Erweckung, was auf sie zukam. Ich hatte es nicht gewusst, unabhängig davon, ob ich als Vampyr oder Mensch aufgewachsen war.

***

Das Zimmer, das ich kurz darauf hinter Dimitri betrat, wirkte auf mich wie ein Konferenzraum. Soley saß mit Ana an einem großen Tisch, doch es war noch jemand bei ihnen. Ein Djiyo saß neben Ana und mir klappte der Mund auf, als ich ihn erkannte.

Ich war ihm bereits einmal begegnet. Es war damals im Mineral Wells State Park gewesen, als Dimitri und ich uns geküsst hatten.

»Ist überhaupt noch jemand in meinem Umfeld kein Vamypr?«, fragte ich ein wenig genervt. Ich wusste nicht, wie ich mit dieser Erkenntnis umgehen sollte.

Ana lachte leise und sprang auf, um mich zu umarmen. »Nun, es lässt sich wohl nicht bestreiten, dass du in letzter Zeit mehr Bekanntschaft mit Vampyren als mit Menschen machst.«

»Offensichtlich.«

»Das ist übrigens Sascha, Dimitris bester Freund und mein Ehemann«, stellte sie lächelnd den gut aussehenden Mann vor, der sich nun ebenfalls von seinem Platz erhoben hatte und mir eine Hand entgegenstreckte. Zaghaft griff ich danach und schüttelte sie.

»Es freut mich, nun offiziell Eure Bekanntschaft zu machen, Prinzessin«, meinte er höflich.

»Ähm, ebenso.«

Ana stieß ihrem Mann in die Seite. »Sie ist meine Freundin und Dimitris Partnerin, also Schluss mit der extremen Höflichkeit.«

Mit zusammengekniffenen Augen sah Sascha seine Frau an. »Das hat immer noch sie zu entscheiden.«

»Ich gebe Ana recht. Bitte, ich halte von diesem ganzen Prinzessinnenkram sowieso nichts«, erklärte ich, um die Diskussion über Formelles und die Anrede zu beenden. Anschließend wandte ich mich an Dimitri. »Hast du heimlich deine Freunde in mein Leben geschleust?« Es war für mich schon schwer genug gewesen zu akzeptieren, dass er mir mit Ana etwas vorgemacht hatte. Abgesehen von all den anderen Geheimnissen.

Er schüttelte den Kopf. »Nur Ana. Ich wollte sichergehen, dass du in der Uni in Sicherheit bist. Alles andere war nicht geplant.«

»Ach?« Ich runzelte die Stirn. »Wie lange wäre das ganze Theater noch gegangen, wenn Valentin mich nicht gefunden hätte?«

Dimitris Blick huschte zu seinen Freunden. »Nicht mehr lange. Ich hatte beschlossen, dir die Wahrheit zu sagen. Wir waren uns nur noch nicht einig, auf welche Art und Weise das am besten geschehen sollte.«

»Nun, dass ich von deinem Bruder entführt wurde, hat dir das unangenehme Gespräch auf jeden Fall erspart, was?«, erwiderte ich leicht bissig. Eigentlich hatte ich ihm verziehen, dass er mir so viel verheimlicht hatte, doch noch hatte ich nicht komplett mit dem Thema abgeschlossen.

Dimitri fuhr sich nervös durch die Haare. Gequält verzog er das Gesicht. »Lya, ich hätte dieses Gespräch nur zu gerne in Kauf genommen, wenn ich dir damit die Wochen in Valentins Gewalt hätte ersparen können. Es tut mir so leid, mein Handeln war einfach nur egoistisch.«

Mein Blick fiel auf Soley, die still am Tisch saß. »Mir tut es auch leid. Doch nicht für mich. Ich wünschte, du hättest eher versucht sie zu retten«, meinte ich mit einem Nicken in ihre Richtung. Im Gegensatz zu mir hatte sie in Sibirien viel mehr gelitten.

Dimitri folgte meinem Blick und nickte ernst. »Ich weiß.«

Soley drehte den Kopf in unsere Richtung. Der Ausdruck in ihren grünen Augen war nicht anklagend, sondern schlicht traurig. »Hört auf mit dem Thema. Niemand von euch kann die Zeit zurückdrehen, also lasst uns über die Zukunft und nicht mehr über die Vergangenheit reden.«

Da konnten wir ihr nicht widersprechen.

»Wie sieht meine Zukunft denn aus? Will Valentin mich noch zu seiner Königin machen?«, fragte ich in die Runde und setzte mich neben Soley.

Dimitri ballte die Hände zu Fäusten und nahm neben mir an der Stirnseite des Tisches Platz. »Das kann er gerne versuchen.«

»Ein Teil der Pläne ändert sich nicht. Wir werden gekrönt werden. Allerdings nicht zu Valentins Bedingungen«, beantwortete Soley meine erste Frage. »Der Ältestenrat ist informiert und die Krönung wird voraussichtlich in einem Monat erfolgen. Dann wirst du auch offiziell der Welt präsentiert. Zumindest der Welt der Vampyre.«

Ich runzelte die Stirn. Ich verstand nach wie vor das ganze System nicht.

»Wer wird gekrönt? Wir drei?«, fragte ich und machte eine Bewegung, die Dimitri, Soley und mich einschloss. Alle Anwesenden nickten. »Was sagt der Rat dazu, dass nun Dimitri anstatt Valentin gekrönt wird?« Es konnte doch nicht so egal sein, ich war der Meinung gewesen, dass es strenge Regeln gab.

Soley beantwortete nach einem Moment der Stille meine Frage. »Dimitri ist von seinen Eltern als rechtmäßiger Thronerbe eingesetzt worden. Dementsprechend ist das kein Problem. Wie genau Valentin König werden wollte, weiß ich nicht. Ich habe nie persönlich mit den Vertretern des Rates gesprochen.« Sie sah Hilfe suchend zu Dimitri. »Du hast sie informiert, dass Lilya und ich nun hier sind. Wie haben sie reagiert?«

Dimitri zuckte die Schultern. »Du kennst doch den Rat, er ist nicht besonders gesprächig. Sie haben nur verlauten lassen, dass sie alle Ältesten informieren und sich demnächst hier einfinden. Und so wie es klang, ginge mit der Krönung alles in Ordnung. Alles Weitere erfahren wir wohl noch.«

Seine Antwort befriedigte mich nur bedingt. »Und bis dahin? Werde ich wie bei Valentin solange versteckt – nur mit dem Unterschied, dass mein Gefängnis etwas nobler ist?«

Dimitri verzog das Gesicht. »Nenn es nicht so. Wir können nicht jedem vertrauen und selbst Valentin hat darauf geachtet, dass kein Wort über dich seine Schlossmauern verlässt. Du musst dich jetzt erst einmal an deine neuen Kräfte gewöhnen, ehe wir die Bevölkerung auf dich loslassen können.«

»Ich dachte, ich wäre hier in Sicherheit.« Fragend sah ich in die Gesichter der anderen. Offenbar waren sie sich diesbezüglich nicht so sicher. »Oder etwa nicht?«

Dimitri legte eine Hand auf meine Schulter und lächelte mich aufmunternd an. »Doch, das bist du auch. Aber ich werde kein Risiko mehr eingehen.«

***

Nach einer Stunde verabschiedeten wir uns schließlich von den anderen. Wir waren bei dem Gespräch nicht zu neuen Erkenntnissen gelangt und häufig hatte ich keine Ahnung gehabt, wovon sie eigentlich sprachen. Ich sollte das Oberhaupt der Vampyre werden und dabei fühlte ich mich wie ein kleines unwissendes Kind. Ich wusste nicht, wie lange es wohl dauern würde, bis ich endgültig im Bilde war.

Dimitri machte sich mit mir auf den Weg zurück in mein Zimmer, damit wir uns noch ein wenig in Ruhe unterhalten konnten. Eigentlich wollte ich aber nur allein sein. Es war einfach zu viel auf einmal. Meine Laune hatte ihren Tiefpunkt erreicht und auch Dimitri wirkte irgendwie von Minute zu Minute abweisender.

»Ich habe keine Ahnung, wie es weitergehen soll. Meine Mutter und mein leiblicher Vater sind tot. Meine gesamte Rasse ist ausgelöscht, es gibt niemanden, der mir irgendwas über meine Kräfte sagen kann.« Traurig ließ ich den Blick über die Bilder schweifen, die ich vorhin noch neugierig betrachtet hatte. Das alles waren Personen, die vermutlich zu einer Zeit gelebt hatten, als es noch mehr von meiner Art gegeben hatte.

»Du wirst sie selbst erforschen. Ihr und eure Kräfte seid so individuell, dass dir ohnehin keiner mehr dazu sagen könnte.«

»Trotzdem wäre es in so einem Moment hilfreich, eine Mutter um Rat fragen zu können – und nicht nur jemanden zu haben, der dir in deinen Träumen sinnlose Erinnerungen hinwirft.«

Wir betraten meine Gemächer und ich steuerte direkt die graue Couch an. Ich fühlte mich seelisch total ausgelaugt und das wirkte sich irgendwie auch auf meinen Körper aus. Matt ließ ich mich auf die Polster fallen. Dimitri blieb vor der Couch stehen.

»Deine Mutter hat dir die Erinnerungen bestimmt nicht nur zum Spaß geschenkt. Irgendeinen Nutzen wirst du aus ihnen noch ziehen.«

»Hoffen wir es. Ich weiß nicht, was von mir erwartet wird. Wie soll ich ein Volk führen, das sich im Krieg befindet? Die ganze Situation ist so schon schwer genug«, jammerte ich.

Dimitri lachte trocken. »Du denkst, du hast es schwer? Was soll ich denn dazu sagen? Ich muss Pläne schmieden, wie ich meinen eigenen Bruder umbringen kann. Der Bruder, der unsere Eltern, unsere kleine Schwester und meine Verlobte getötet hat«, meinte er bitter.

Ich biss mir auf die Lippe. Es war das erste Mal, dass ich von einer Schwester hörte. Ein schlechtes Gewissen machte sich in mir breit. Ich heulte hier herum und dabei hatte er es offenbar deutlich schwerer als ich. Ich hatte meine Familie immerhin noch. Zumindest die Familie, bei der ich aufgewachsen war. Ich weinte einer hinterher, die ich niemals kennengelernt hatte. Dimitri griff nach der Kette um seinen Hals und umklammerte den Ring seiner Mutter. Ein trauriger Ausdruck trat in sein Gesicht.

»Dimitri, es tut mir so leid.« Ich stand auf und ging vorsichtig auf ihn zu. Er schaute auf und lächelte mich zaghaft an.

»Ist schon in Ordnung.« Er griff nach meiner Hand und zog mich an sich. Ich schlang die Arme um ihn und schmiegte mich an seine Brust. Er strich mir zärtlich mit der rechten Hand über den Rücken.

Nach einer Weile löste ich mich von ihm und sah zu ihm auf. Ich nahm sein Gesicht in beide Hände und streckte mich, um ihn sanft auf die Lippen zu küssen. Der Kummer in seinen Augen verschwand, als er sich mit mir auf die Couch fallen ließ und mich stürmisch küsste.

3. Kapitel

Lilya

»Ich wusste gar nicht, dass du eine Schwester hattest.«

Dimitris Worte von vorhin beschäftigten mich noch immer. Ich lag mit dem Kopf auf seiner Brust und hörte, wie sein Herz bei der Erwähnung seiner Schwester schneller schlug.

Er seufzte. »Ihr Name war Valeria und sie war gerade einmal sieben Jahre alt und noch sterblich, als er sie tötete. Das ist selbst für Menschen ein viel zu frühes Alter zum Sterben, aber für unsereins ist das gar nichts. Sie war doch noch ein Kind.«

Er schluckte und bei den Worten wurde mir das Herz schwer.

»Ich habe sie sehr geliebt, auch wenn ich kaum Zeit mit ihr verbringen konnte, da sie geboren wurde, als ich durch die Welt gereist bin. Sie war für ihr junges Alter äußerst schlagfertig und sehr lebhaft. Sie war der kleine Sonnenschein der Familie und wurde von unseren Eltern richtig verwöhnt. Da sie weiblich war, kam sie allerdings nicht für die Thronfolge infrage. Valentin muss in ihr trotzdem eine Bedrohung gesehen haben. Er hat sie im Stillen gehasst. Und als er unsere Eltern tötete, hat er sie einfach mit abgeschlachtet.«

»O Dimitri, das tut mir so unendlich leid.«

Er zwang sich zu einem Lächeln. »Es ist okay. Ich kann nichts mehr tun, um sie zurückzuholen. Ich kann nur dafür kämpfen, dass nicht noch mehr sterben werden. Ich hätte ihn töten können, doch ich habe gezögert. Diesen Fehler werde ich nie wieder begehen. Wenn ich das nächste Mal meinem Bruder in einem Kampf gegenüberstehe, werde ich ihn zur Strecke bringen und alle rächen, die er auf dem Gewissen hat. Meine Eltern, Wladimir und Wasilisa, meine geliebte Schwester Valeria, meine Verlobte Natascha, Soleys Eltern und deine Familie«, meinte er ernst. Ich wusste, er würde alles daransetzen, um seine Worte wahr zu machen.

»Ihr habt miteinander gekämpft?«

»Ja, einmal ging es wirklich um Leben und Tod. Damals griffen er und seine Männer dieses Schloss an und deine Mutter starb bei dem Angriff. Im anschließenden Kampf mit Valentin habe ich gewonnen und es wäre nicht unehrenhaft gewesen, meinen Bruder in der Situation zu töten. Doch ich habe es nicht über mich gebracht.« Sein Blick begegnete meinem und ich erkannte die Schuldgefühle darin.

Ich griff nach seiner Hand und drückte sie. »Im Gegensatz zu Valentin bist du eben kein Monster. Dir bedeutet Familie etwas, weshalb du dein letztes Familienmitglied nicht einfach umbringen konntest.«

Dimitri seufzte. »Trotzdem, ich hätte nicht zögern dürfen, dann wären viele andere nicht gestorben. Valentin meidet seitdem direkte Kämpfe mit mir und hat nie wieder einen Fuß nach Kanada gesetzt. Er weiß, dass ich ihn in einem fairen Kampf immer schlagen würde.«

»Ich bin sicher, du bekommst noch die Gelegenheit, ihn aufzuhalten.« Ich blickte ihn aufmunternd an und tatsächlich hoben sich seine Mundwinkel leicht.

»Das hoffe ich.«

»Wie viele Djiye stehen eigentlich hinter dir?« Soley hatte mir erzählt, dass die meisten von ihnen Valentin folgten, da sie seine Weltanschauung teilten.

»Genug. Einige von ihnen leben hier im Schloss, ein anderer Teil ist auf der ganzen Welt verstreut. Doch die Einzigen, denen ich immer zu einhundert Prozent vertraut habe, waren Sascha, Ana und ihr Bruder Boris.«

Überrascht sah ich ihn an, als mich die Erinnerungen von dem Mann im Hotel einholten. »Boris ist Anas Bruder? Er ist im Gegensatz zu ihr irgendwie kein sehr geselliger Zeitgenosse, kann das sein? Du kannst ihm sagen, dass er mich ruhig netter hätte behandeln können. Ich bin vor Angst fast gestorben.«

Dimitri verkrampfte sich und sah mich traurig an.

»Würde ich gerne machen, aber er ist tot.«

»Oh« war meine erste Reaktion auf diese Neuigkeit. Ich biss mir auf die Lippe und fügte noch hinzu. »Tut mir leid, das wusste ich nicht.«

Er schüttelte den Kopf und fuhr sich nervös mit den Fingern durch die Haare. »Ist schon in Ordnung. Du konntest es nicht wissen. Er starb im Misala bei Valentins Angriff. Ein paar Angestellte des Hotels auch.«

Bedrückt schaute ich zur Seite und spielte mit einer Haarsträhne. Die Nachricht über Boris’ Tod betrübte mich. Ich hatte ihn nicht sonderlich gemocht, was auf Gegenseitigkeit beruht haben musste, aber er hatte immerhin alles getan, um mich zu beschützen. Meinetwegen hatte Dimitri nun einen guten Freund und Ana ihren Bruder verloren. Hatte sie deshalb in den letzten Tagen eine verbissenere und ernstere Seite gezeigt, als ich in New York kennengelernt hatte?

»Das ist meine Schuld«, flüsterte ich.

Dimitri schlang die Arme um mich und zog mich an die Brust. »Sag so etwas nicht. Niemand kann etwas dafür.«

»Doch. Er konnte mich noch nicht einmal leiden und trotzdem hat er meinetwegen Elenas und sein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt. Sie und Ana haben seinen Tod sicher nicht gut verkraftet.«

»Du hast es sofort gemerkt, oder? Die Verbindung zwischen ihm und Elena, meine ich.«

Ich nickte und Dimitri seufzte.

»Sie haben sich vor ein paar Jahrzehnten kennengelernt, als wir im Misala abgestiegen waren. Jeder hat bemerkt, dass sie zueinanderpassen, nur die beiden nicht. Ich denke, Elena hatte sich gewünscht, dass er bei ihr bleiben oder zurückkommen würde, aber er tat es nicht. Ich wusste, dass er sie sehr mochte, aber er war so schrecklich pflichtbewusst, dass er mich niemals einer Frau wegen verlassen hätte. Unabhängig davon, ob ich es ihm erlaubt hätte oder nicht. Jetzt ist es zu spät und er ist gestorben, weil er sich mal wieder mehr um meine Angelegenheiten als um sein eigenes Leben gekümmert hat. Wenn also jemand schuld ist, dann bin ich es. Ich war so egoistisch und habe die Wochen unbeschwert mit dir verbracht, obwohl es so gefährlich und nur eine Frage der Zeit war, bis wir entdeckt wurden.«

Ich lehnte mich zurück und sah ihn an. Sein Blick war voller Selbstzweifel und Schuldgefühle. Ich wollte nicht, dass er sich die Schuld gab. Auf seinen Schultern lastete genug Verantwortung. Sanft strich ich ihm über die Wange und streckte mich dann, um ihn zu küssen. Zuerst sanft und dann immer stärker. Ich klammerte mich an ihn und gab mich dem Kuss hin. Ungestüm presste er die Lippen auf meine, als brauchte er es wie die Luft zum Atmen.

Nach einigen Augenblicken löste er sich von mir. »O Lya, was würde ich nur ohne dich machen?«

Ich fühlte schon das breite Lächeln auf meinem Gesicht. »Mehr Zeit außerhalb des Bettes verbringen …«

***

Der fast wolkenlose Nachthimmel ließ auch heute freie Sicht auf den Mond und die Sterne. Wir machten es uns jeden Tag oder, besser gesagt, jede Nacht auf dem Balkon bequem, ehe wir uns ins Bett zurückzogen, wenn die Sonne aufging. Dimitri hatte Polster besorgt, die wir auf dem Balkon ausgelegt hatten, um ein gemütliches Nest unter freiem Himmel zu erhalten. Ich liebte diese Momente der Zweisamkeit. Meistens lagen wir nur still beieinander und genossen die Nähe des anderen.

Ich sah sehnsüchtig zum Himmel, als ich Dimitris Blick auf mir spürte. »Warum starrst du immer mich an?«, fragte ich schmunzelnd und löste den Blick vom Nachthimmel.

Er stützte den Kopf auf seine Hände. »Du bist schöner als der Mond.«

»Wieso vergleichst du mich immer mit dem Mond?«

»Weil er für deine Rasse steht«, erklärte er.

Überrascht musterte ich ihn. »Wirklich?«

»Die Siye stehen für die Sonne und die Kiye für den Mond. Ihr erleuchtet jede Dunkelheit und so wie der Mond die Gezeiten der Meere bestimmt, leitet ihr alle Vampyre.«

Mir klappte der Mund auf. »Wow. Und wofür steht ihr?«

Er grinste und ich überlegte einen Moment. »Mars?«, tippte ich und er nickte.

»Der Planet des Feuers.«

Ich verzog die Lippen zu einem breiten Lächeln. »Ja, das passt zu dir«, überlegte ich laut.

Ich kuschelte mich an ihn und blickte wieder hoch zum Mond.

»Glaubst du, dass du hier glücklich werden kannst?«

Dimitris Frage brachte mich dazu, ihn wieder anzuschauen.

»Woher soll ich das wissen, wenn ich mein Zimmer erst ein paar Mal verlassen habe?« Ich kuschelte mich näher an ihn und legte den Kopf auf seiner Brust ab. Gedankenverloren malte ich kleine Kreise auf seine Haut. »Aber falls du auf etwas anderes hinauswillst, kann ich es bejahen. Ich fühle mich in deiner Nähe geborgen. Du bist mein sicherer Hafen und mein Zuhause, wo auch immer wir sein mögen. Du machst mich glücklich, nicht irgendein Ort.«

Einige Zeit verging, ohne dass Dimitri antwortete. Er hatte den Kopf in die Kissen sinken lassen und starrte in den Nachthimmel.

»Gibt es einen Grund für diese Frage?«, hakte ich nach.

Er seufzte und lenkte den Blick aus dunkelbraunen Augen auf mich. »Nein, ich habe nur gerade daran gedacht, dass ich Angst davor habe, was passiert, wenn du dich hier nicht einlebst.«

Ich runzelte die Stirn. »Denkst du, ich finde die Leute in diesem Schloss total unsympathisch und möchte sofort wieder nach Hause? Ich müsste mich wohl damit abfinden, mein Zuhause existiert nicht mehr – und selbst wenn, könnte ich nicht mehr zurück.« Als mir die Bedeutung meiner Worte bewusst wurde, spürte ich einen Kloß im Hals. Es war nach wie vor sehr unwirklich, was mir widerfahren war, und ich hatte keine Ahnung, wie lange es dauern würde zu realisieren, dass das alles echt war.

»Es tut mir leid«, flüsterte Dimitri, der bemerkt haben musste, was in mir vorging. Mit einer Hand strich er mir zärtlich über die Wange.

Ich versuchte mich an einem Lächeln. Seine Miene verriet nicht, ob es mir besonders gut gelang. »Das muss es nicht. Du hast mich nur ein paar Wochen angelogen. Meine Familie dagegen mein ganzes Leben lang.«

»Vermutlich wussten sie nicht, wie sie es dir schonend beibringen sollen. Genauso wie ich.«

Ich sah ihm an, dass er nach wie vor Schuldgefühle hatte, und das wollte ich nicht. Wie könnte ich ihn für etwas verurteilen, was er nur tat, weil er mich liebte? Dass er dadurch das Wesentliche aus den Augen verlor und Valentins Männern ermöglichte, an mich heranzukommen, war inzwischen unwichtig. Ich hatte lange Gespräche mit Ana zu dem Thema geführt und war zu dem Schluss gekommen, dass ich damit abschließen sollte.

»Ich weiß.«

Auch wenn ich Dimitri verziehen hatte, blieb die Ungewissheit mit meiner Familie. In mir brannte der Wunsch nach Antworten. Ich wollte unbedingt mit ihnen reden und erfahren, was sie über mich wussten. Ich war ihnen nicht böse, dass sie mir verheimlicht hatten, dass ich nicht ihre leibliche Tochter war. Dimitri hatte recht. Sie würden ihre Gründe gehabt haben und vermutlich keine Ahnung, wie sie es mir erklären sollten. Doch ich wollte einfach mit ihnen reden.

»Würdest du mir dabei helfen, meine Familie aufzuspüren?«, fragte ich deshalb nach einer Weile.

Dimitri seufzte und der Ausdruck in seinen braunen Augen wurde ernst. »Natürlich, aber erst wenn es sicher genug ist.«

4. Kapitel

Dimitri

»Können wir jetzt erst mal mit solchen Themen aufhören?«, bat ich und war erleichtert, als sie nickte.

Die Stimmung zwischen uns war schon wieder viel zu angespannt, wie ich fand. Man sollte meinen, dass die innere Unruhe in mir nachlassen müsste, jetzt, wo wir im sicheren Kanada waren. Doch der Schein trog. Wir waren nirgendwo wirklich in Sicherheit. Hier waren nur die Mittel einfacher, uns zu verteidigen.

»Was hast du den ganzen Tag getrieben?«, fragte sie mich und ich kämpfte gegen den Drang, aufzustöhnen. Ich wollte auch nicht über mich und meinen Alltag reden.

»Nichts Spannendes. Hauptsächlich Gespräche geführt, die die Zukunft des Schlosses betreffen. Wie lief dein Training mit Ana?« Ich kannte Ana lange genug, um mir die regelmäßigen Trainingsstunden bildlich vorzustellen. Lilyas Wangen färbten sich bei der Erinnerung daran leicht rötlich.

»Ich glaube, sie wartet darauf, dass ich mal Fortschritte mache«, gestand sie kleinlaut.

Ich lachte leise und zog Lya enger an mich. »Keine Angst, das dauert seine Zeit. Aber irgendwann wirst du sie um Längen schlagen, da bin ich mir sicher.«

Sie entwand sich meinem Griff und sah mich mit großen Augen an. »Ich dachte, dass Djiye die besten Schwertkämpfer der Welt sind? Wie könnte eine Kiya dann besser sein?«

»Nun, wenn du die nötige Erfahrung hast, werden deine Schnelligkeit und Ausdauer zum Sieg führen. Djiye gelten als die besten Schwertkämpfer, da sie von klein auf trainieren. Den Kiye drückt man normalerweise kein Schwert in die Hand. Sie werden im Gegensatz zu uns nicht für einen Krieg gerüstet. Der Ehrgeiz einer Kiya ist allerdings nicht zu übertreffen, deshalb wirst du alles schaffen, was du dir vornimmst.«

»Du und deine übertriebenen Komplimente.« Lya kicherte und bei dem Klang wurde mir sofort warm ums Herz.

»Das meine ich ernst. Und selbst wenn du im Kampf mal nicht weiterkommst, wird dich deine Telekinese retten.« Ich konnte mir ein breites Grinsen bei der Vorstellung, wie sie meinen Bruder wohl aus dem Fenster befördert hatte, nicht verkneifen. Nach wie vor wusste ich nicht alles über die Geschehnisse in Sibirien, doch das hatte sie mir erzählt. Was hätte ich dafür gegeben, es mit anzusehen!

»Wenn mich der Einsatz nur nicht so sehr schwächen würde«, meinte sie missmutig.

»Keine Sorge, auch das wird besser werden. Verlange nicht zu viel von dir selbst.« Ich griff über sie hinweg nach der Flasche voller Blut, die ich ihr mitgebracht hatte. Bisher hatte sie sie nicht angerührt, weshalb ich sie ihr in die Hand drückte. »Das hilft gegen die Schwäche, also warum zögerst du es andauernd hinaus, Blut zu trinken?«

Sie schürzte die Lippen und drehte die Glasflasche in der Hand. »Du trinkst doch auch nicht so viel.«

»Ich bin auch nicht frisch erwacht.«

»Hm.« Als sie keine Anstalten machte zu trinken, schraubte ich den Deckel für sie ab.

»Du hast bisher nicht erzählt, woher das Blut eigentlich kommt.« Ihre blauen Augen musterten mich fragend.

»Wenn du darauf bestehst, stelle ich dir jeden Spender persönlich vor, sobald wir alle Formalitäten hinter uns haben und du dich frei im Schloss bewegen kannst.« Ich sagte das so nebenbei, in der Hoffnung, sie würde es in nächster Zeit dabei belassen, doch das bezweifelte ich. Wenn es nach mir ginge, würde ich Lilya nicht in die Nähe der Menschen dieses Schlosses lassen, doch wie lange würde es dauern, bis sie genau das verlangte?

In der vergangenen Woche konnte ich sie größtenteils in ihrem Zimmer halten, doch das würde nicht mehr ewig so weitergehen. Sie würde bald Antworten verlangen. Es wäre töricht, zu glauben, dass sie ihre Sympathie für Menschen schnell verlieren würde, nur weil sie jetzt als Vampyr lebte. Ich hatte vor, ihretwegen einige Umstrukturierungen durchzuführen, doch ehrlich gesagt wusste ich nicht, wo ich anfangen sollte.

***

Nachdem Lilya doch noch das Blut getrunken hatte, verließen wir unser Quartier auf dem Balkon und machten uns auf den Weg ins Bett. Die letzten Tage waren wir länger wach geblieben, doch ich sah Lilya an, dass sie sehr erschöpft war. Ihr Körper wollte immer noch an ihrem alten Rhythmus festhalten.

In einem meiner T-Shirts krabbelte sie schließlich ins Bett und klopfte auf die freie Seite neben sich. Ich setzte mich zu ihr und küsste sie. Ehe der Kuss zu leidenschaftlich wurde, löste ich mich jedoch wieder von ihr.

»Warum hast du noch deine Sachen an?«, fragte sie und schob mein T-Shirt nach oben.

»Ich muss leider zu einer wichtigen Besprechung.«

Sanft schob ich ihre Hand wieder weg, woraufhin sie einen Schmollmund zog. »Ich dachte, das wäre arbeitsfreie Zeit.«

»Tut mir leid. Ich komme so schnell zurück, wie ich kann«, versprach ich und hauchte einen Kuss auf ihre Stirn.

***

Jedes Mal, wenn ich Lilya allein ließ, hatte ich ein schlechtes Gewissen. Am liebsten würde ich sie keine Sekunde mehr aus den Augen lassen, doch das war lächerlich. Ich ließ sie rund um die Uhr von meinen besten Leuten bewachen, das musste als Schutz reichen. Immerhin konnte ich sie schlecht für den Rest ihres Lebens in einen goldenen Käfig sperren.

Erst jetzt fiel mir der starke Kontrast zu meinem Verhalten in den USA auf. Damals hatte ich weniger Probleme, sie allein zu lassen, obwohl sie dort lange nicht so sicher war. Vermutlich war es die vorherrschende Anonymität, die ein Gefühl von Sicherheit vermittelt hatte. Wir waren gemeinsam durch eine Stadt gelaufen, die so viele Einwohner hatte, dass wir einfach irgendwie untergegangen waren. Trotzdem wurde sie letztendlich aufgespürt.

Doch auch wenn meine Sorge um Lilya übermächtig war, seit ich sie einmal verloren hatte, spürte ich hier die großen Unterschiede zwischen uns. In Texas und New York waren wir ein scheinbar ganz normales frisch verliebtes Pärchen gewesen, aber hier im Schloss würden wir eine andere Rolle einnehmen. Ich war wieder der Kronprinz mit dem verrückten Bruder und Lilya das verlorene Kind von Anisya. Keine Ahnung, wie mein Bruder es geschafft hatte, dass kein Sterbenswörtchen über Lilyas Auftauchen in der Vampyrwelt die Runde gemacht hatte, doch sobald sie gekrönt wurde, würden die Medien sich auf sie stürzen. Die letzte Kiya. Ich konnte die Schlagzeilen bereits vor mir sehen.

Im Geiste war ich immer noch bei Lilya, als ich erneut den Besprechungsraum betrat. Soley, Ana und Sascha waren bereits dort, so wie Michail, Alexander, Felix, Vladimir und Iwan – fünf Wächter, die ebenfalls mein Vertrauen genossen. Stanislaw, ein weiterer Vertrauter, hielt währenddessen bei Lilya Wache. Die letzten Tage war ich damit beschäftigt gewesen, interne Angelegenheiten im Schloss zu regeln. Ich war einige Jahre nicht hier gewesen und musste mir erst einmal einen Überblick verschaffen.

»Unser Prinz beehrt uns ja doch mit seiner Anwesenheit«, kommentierte Ana schmunzelnd mein Zuspätkommen. Ich setzte mich auf den Stuhl am Tischende und ließ den Blick über die Anwesenden schweifen. »Also wollen wir direkt anfangen?«

***

Zwei Stunden später waren wir nicht näher an der Lösung unserer Probleme. Ganz oben auf der Tagesordnung stand Lilyas Sicherheit. Es gab einige neue Überwachungsmöglichkeiten, in die mich die Jungs bereits eingewiesen hatten, doch meine größte Sorge konnten sie nicht beheben. Die Angst, dass sich einer meiner Männer gegen mich verschwor und für Valentin arbeitete. Für alle Anwesenden würde ich meine Hand ins Feuer legen, doch das hatte ich auch mal über Andrej gesagt. Und letztendlich war er derjenige, der Lilya meinem Bruder auslieferte.

Das Problem eines möglichen Verrats konnten wir nur lösen, indem Lilya es schaffte, sich selbst zu verteidigen. Dann wäre sie zumindest keine leichte Beute mehr. Zudem galt es, so viel wie möglich über ihre Fähigkeiten geheim zu halten. Valentin und seine Männer wussten darüber Bescheid, doch es wäre trotzdem besser, es nicht an die große Glocke zu hängen.

In nächster Zeit stand noch ein Treffen mit dem Ältestenrat bezüglich der Krönung aus. Bisher wusste ich nicht, ob ich Lilya dazu mitnehmen sollte. Eigentlich war sie das Oberhaupt der Vampyre, es wäre nur logisch, sie überall teilhaben zu lassen. Doch inwieweit verstand sie unsere Welt überhaupt? Bei der vorherigen Besprechung hatte ich ihr angesehen, dass sie sich völlig fehl am Platz fühlte. Ich konnte ihr alles über uns erzählen, aber all das blieb vorerst fremd für sie.

Da die Ältesten vermutlich an ihrer Teilnahme an diesem Gespräch interessiert waren, stellte sich die Frage aber eigentlich nicht. Ich sollte vorher eine Geschichtsstunde mit Lilya abhalten. Eine Führung durch das Schloss war ebenfalls überfällig.

Nachdem ich noch ein paar andere Dinge erledigt hatte, machte ich mich auf den Weg zu Sascha. Ana war wieder zu Lilyas Wache eingeteilt und ich wollte heute durchmachen, weshalb ich meinen besten Freund besuchte, der im Gegensatz zu vielen anderen um diese Uhrzeit auch noch wach sein müsste. Die Sonne war längst aufgegangen und es war bereits neun Uhr. Zwischen sechs und zehn Uhr war die Zeit, in der die meisten Vampyre schliefen.

***

Ich klopfte an die Tür von Saschas und Anas Gemächern und prompt wurde aufgemacht. Wie erwartet war Sascha noch nicht im Bett. Er trug genauso wie ich ein schwarzes T-Shirt und schwarze Jeans.

»Ist etwas passiert?«, fragte er stirnrunzelnd.

»Darf ich dich nicht ohne Grund besuchen?« Schmunzelnd schob ich mich an ihm vorbei und steuerte geradewegs die Couch an.

Leicht irritiert schloss Sascha die Tür und kam mir hinterher. »Natürlich.«

»Ich dachte, wir nutzen die frauenfreie Zeit, um über ein paar Dinge zu sprechen«, erklärte ich, nachdem wir es uns gemütlich gemacht hatten.

»Ich nehme an, du sprichst jetzt nicht von meinem Job, sondern deiner Beziehung.« Nach all den Jahren kannte mich Sascha einfach besser als irgendjemand sonst. Ich nickte.

»O Mann. Für solche Gespräche brauchen wir wohl einen Drink.« Er stand auf und holte zwei Gläser aus dem Schrank, die er mit etwas Whiskey füllte. Sascha war eigentlich nicht der Typ, der Alkohol für irgendetwas brauchte. Die letzten Wochen hatten wohl auch bei ihm Spuren hinterlassen. Er setzte sich wieder mir gegenüber und reichte mir ein Glas. Ich trank einen Schluck und genoss das kurze Brennen in der Kehle, ehe ich das Glas auf dem Couchtisch abstellte.

»Ich habe schreckliche Angst, was passiert, wenn sie ihre Rolle als Kronprinzessin offiziell einnimmt.« Noch nie habe ich meine Sorgen Sascha gegenüber so offengelegt. Er schien ebenfalls nicht zu wissen, was er davon halten sollte, und brauchte einige Zeit, um zu antworten.

»Nun, du kannst nicht verhindern, dass sie bald im Mittelpunkt stehen wird und eure Beziehung sehr kritisch beäugt wird. Es bringt nichts, sich jetzt schon verrückt zu machen. Lass es doch einfach auf dich zukommen«, riet er.

Ich setzte zu einer Antwort an, als es klopfte und daraufhin direkt die Tür aufgerissen wurde. Stanislaw stand im Türrahmen. Sein besorgter Gesichtsausdruck ließ mich reflexartig aufspringen.

»Anastasija hat mich gebeten, euch sofort zu informieren, dass Prinzessin Lilya nicht mehr in ihrem Zimmer ist.«

»Sie ist was?!« Die Panik brachte mein Herz zum Rasen. Ich ließ den Wächter seine Neuigkeiten nicht mehr wiederholen, sondern rannte los.

5. Kapitel

Lilya

Eine Stunde zuvor …

Ohne Dimitri neben mir fand ich einfach keine Ruhe. Einige Zeit hatte ich mich im Bett hin und her gewälzt, doch der Schlaf wollte nicht eintreten. Irgendwann gab ich es auf und kletterte aus dem Bett. Ich schlüpfte in meine Jogginghose, zog Dimitris Oberteil aus und wechselte es gegen eins von meinen. Lächelnd vergrub ich die Nase im Stoff von Dimitris T-Shirt und atmete seinen Geruch ein, ehe ich es aufs Bett warf und wieder auf den Balkon ging. Anstatt mich in unsere Kuschelecke zu legen, trat ich ans Geländer. Kühler Nachtwind strich über meine erhitzte Haut.

Ich hätte das Blut nicht kurz vorm Schlafen trinken sollen. Es setzte eine Energiewelle in mir frei und vertrieb jegliche Müdigkeit. Wie eine Droge rauschte die Flüssigkeit durch die Adern. Obwohl ich mich nach dem Trinken von Blut so lebendig fühlte, wurde mein schlechtes Gewissen den Spendern gegenüber immer größer. Angeblich starb niemand für das Blut, doch bedeutete dies auch, dass es den Menschen besser ging als in Sibirien?

Ich verabscheute es, in meinem Zimmer eingesperrt zu sein, und dachte häufiger darüber nach, einfach durch die Tür nach draußen zu stürmen. Wer auch immer dort draußen Wache schob, würde sich mit Sicherheit so leicht überrumpeln lassen wie die Wächter Valentins. Warum also sollte ich es nicht wagen? Was würde Dimitri dann tun? Mir weiterhin Zimmerarrest erteilen wie einem kleinen Kind? Ich hatte die Gefangenschaft in Sibirien überstanden, dann würde ich auch verkraften, was mich hier in Kanada erwarte. Wieso also hielt Dimitri mich von allem fern? Hatte er nicht das Feuer gesehen, das in meinem Inneren loderte?

Zaghaft beugte ich mich über das Geländer und versuchte abzuschätzen, wie weit oben ich mich befand. Obwohl die Dämmerung noch auf sich warten ließ, erkannte ich in der Tiefe eine kleine freie Fläche direkt unter mir, ehe Büsche und Bäume in den Wald mündeten.

Ich vermutete, dass der Balkon in circa zehn Metern Höhe lag. Ob ich einen Sturz aus dieser Höhe überleben würde? Valentin hatte ich aus einem ähnlich hohen Stockwerk befördert und er hatte es vermutlich überstanden.

Als hätte das Blut mich waghalsiger gemacht, kletterte ich todesmutig auf die breite Mauer und streckte die Arme aus. Es war ein berauschendes Gefühl. Ich fühlte mich frei wie ein Vogel, während der Wind um mich wehte. Bei einem weiteren Blick nach unten verspürte ich keinerlei Angst, sondern entwickelte eine verrückte Idee. Wer sagte, dass ich den Weg durch die Tür wählen musste, wenn ich die Gegend erkunden wollte? Ich starrte in die Tiefe und beschloss, es zu riskieren. Zaghaft setzte ich einen Fuß vor in die Luft und stand nun einbeinig in luftiger Höhe. Dann schloss ich die Augen und sprang.

***

Begeistert rannte ich durch den Wald und ließ alle Eindrücke auf mich wirken. Der Morgen graute und immer mehr Licht drang durch das dichte Blätterdach.

Meine Geschwindigkeit war unglaublich. Mit einer ungewohnten Leichtigkeit lief ich durchs dichte Gestrüpp und fing an zu lachen. Es war überwältigend.

Der Sprung vom Balkon war lebensmüde gewesen, aber ich hatte ihn mir zugetraut und war mir sicher gewesen, dass mein Gefühl mich nicht täuschen und in den Tod springen lassen würde. Und dieses Gefühl hatte recht behalten. Wie eine Katze war ich sanft auf den Füßen gelandet.

Kurze Zeit später lichtete sich der Wald etwas und ich konnte Wasser rauschen hören. Ich folgte dem Geräusch und gelangte schließlich an einen Fluss, der links und rechts nur von kahlem Felsgestein gesäumt war. Das Wasser rauschte sprudelnd flussabwärts. Neugierig folgte ich der Strömung, um zu erkunden, wo sie mündete. Es dauerte nicht lange, bis das Rauschen lauter wurde, und schließlich konnte ich erkennen, wohin das ganze Wasser floss.

Sprachlos bewunderte ich das Bild, das sich mir bot. Ich stand auf einer Klippe und nur wenige Meter neben mir stürzten die reißenden Fluten in die Tiefe. Dort, wo sie aufprallten, sammelten sie sich in einem großen Becken und mündeten dann erneut in einen Fluss. Deutlich langsamer strömte das überschüssige Wasser durch die Bäume, bis ich den Flussverlauf nicht mehr sehen konnte.

Ein atemberaubendes Naturschauspiel, das vermutlich versteckt vor den Augen sich hierher verirrender Touristen lag. Ich war aber immer noch nah am Schloss, was mir ein Blick über die Schulter verriet. Ich konnte es gut erkennen, auch wenn ich bereits deutlich weiter weg war als angenommen. Nie hatte ich mich so frei gefühlt wie in diesem Moment. Ich war allein. Ganz allein in der Wildnis Kanadas und es war ein unbeschreibliches Gefühl.

Niemals hätte ich gedacht, so etwas einmal zu erleben.

Vorsichtig stellte ich mich ganz an den Rand der hohen Klippe und blickte über die Baumwipfel hinweg. Endlose Weiten erstreckten sich vor mir. Ich schloss die Augen, um die Umgebung mit allen Sinnen zu entdecken. Der Wind wehte durch meine Haare und ich atmete die frische Luft ein.

Plötzlich vernahm ich einen schrillen Schrei neben dem Tosen des Wasserfalls. Ich öffnete die Augen und versuchte auszumachen, woher er gekommen war. In dem Moment hörte ich eine Jungenstimme etwas Unverständliches rufen.

Mein Blick wanderte die Klippe entlang und schließlich konnte ich eine Gestalt auf der anderen Seite des Wasserfalls ausmachen, die am Abgrund kniete. Ich wandte mich nach links und rannte einige Schritte in ihre Richtung. Der Fluss trennte mich jedoch von der Person, weshalb ich wieder etwas flussaufwärts lief, um eine Stelle zu finden, an der ich ihn überqueren konnte. Würde ich direkt an der Klippe versuchen, auf die andere Seite zu gelangen, würden mich die Wassermassen sofort in den Abgrund reißen.

Aufgeregt lief ich am Ufer entlang und fand schließlich eine Stelle, an der sich große Felsen durch die gesamte Breite des Flusses zogen. Die Strömung war durch die Hindernisse an dieser Stelle besonders stark, doch ich wollte nicht noch mehr Zeit verlieren.

Vorsichtig kletterte und sprang ich von Stein zu Stein. Die Oberfläche war feucht und rutschig, weshalb ich besonders aufpassen musste, nicht in den Fluss zu fallen. Auf dem letzten Stein rutschte ich mit einem Fuß weg und landete auf dem Hintern. Und dann bis zu den Knien im eiskalten Wasser, aber ich konnte verhindern komplett abzurutschen.

Fluchend rappelte ich mich wieder auf und überwand mit einem Sprung den Abstand zum anderen Ufer. Trotz meiner inzwischen geringeren Temperaturempfindlichkeit waren die nassen Füße mehr als unangenehm. Ich achtete jedoch nicht weiter darauf, sondern rannte geradewegs zurück zum Wasserfall, wo ich die fremde Gestalt erspähte.

Als ich näherkam, konnte ich auch erkennen, dass es sich um einen jungen Mann handelte, der die Klippe hinab rief: »Halte dich weiterhin gut fest, Emma. Ich komme dich holen!«

»Bitte hilf mir, Liam. Ich kann mich nicht mehr länger … festhalten!«, hörte ich eine junge Mädchenstimme panisch aufschreien.

»Was ist passiert?«, fragte ich atemlos, als ich hinter dem Jungen zum Stehen kam. Überrascht, weil er mich anscheinend nicht kommen gehört hatte, drehte er sich um und starrte mich dann mit offenem Mund an.

»Was …?«, fing er an, brachte aber keinen vollständigen Satz zustande.

Ich stellte mich neben ihn und warf einen Blick den Abgrund hinunter, wo sich ein kleines Mädchen einige Meter unter uns an einen Felsvorsprung klammerte.

Ohne nachzudenken drehte ich mich um und fing an, zu ihr hinabzuklettern.

Als ich sie fast erreicht hatte und nach ihrer Hand griff, schaute sie hoch und blickte mir direkt in die Augen. Blankes Entsetzen erschien auf ihrem Gesicht und sie fing wieder an zu schreien. Dieses Mal jedoch offenbar meinetwegen und nicht wegen ihrer misslichen Lage.

»Nimm meine Hand«, sagte ich so beruhigend wie möglich und griff erneut nach ihr. Sie versuchte, vor mir zurückzuweichen, und verlor vor Schreck den Halt.

Instinktiv stieß ich mich von der Felswand ab, bekam ihr Handgelenk zu fassen und zog sie im Fallen in die Arme.

»Emma, neinnnn!«, hörte ich noch den Jungen schreien, als ich mit dem Rücken auf der Wasseroberfläche aufschlug.

Die Luft wurde aus meinen Lungen gepresst, als wir von eiskaltem Wasser umfangen wurden. Ich klammerte Emma an mich und das Adrenalin setzte meine Vampyrkräfte frei.

Plötzlich war das Wasser … verschwunden und ich schlug hart mit dem Rücken auf felsigem Boden auf. Emma keuchte in meinen Armen und spuckte Wasser. Kraftlos und orientierungslos blieb ich liegen, als sie sich von mir losriss und schwankend auf Liam zulief. Dieser starrte verblüfft in meine Richtung und schloss das Mädchen dann in die Arme.

Was zur Hölle ist hier los?!

»Gott sei Dank, dir geht es gut«, flüsterte er und drückte ihr einen Kuss aufs blonde Haar, das triefnass ganz dunkel wirkte.

»O Bruderherz, ich dachte, ich sterbe.« Schluchzend presste sie sich an ihn.

»Du musst aus den nassen Sachen raus. Ich bring dich nach Hause.«

Er warf mir einen skeptischen Blick zu. Ich lag nach wie vor erschöpft am Boden und kämpfte mit der Ohnmacht. Unfähig, mich zu bewegen, versuchte ich zu realisieren, was passiert war.

Hatte ich uns gerade teleportiert? Das war eigentlich völlig unmöglich, doch wie sollte ich sonst erklären, wie wir eben aus dem Fluss zurück an den Abgrund gekommen waren? Offensichtlich war ich wirklich zu unglaublichen Dingen fähig.

Stöhnend rollte ich mich auf die Seite und versuchte mich aufzusetzen. Ich zitterte unaufhörlich am ganzen Körper, wofür nicht nur das eiskalte Wasser verantwortlich sein konnte.

»Was ist mit …?«, fragte Emma und deutete zaghaft auf mich.

»Es kommt schon klar«, meinte er abfällig.

Es? Die Tatsache, dass sie hier mitten in der Einöde waren und über mich Bescheid wussten, bedeutete wohl, dass sie aus dem Schloss kamen.

Liam warf seine Jacke zu Boden, zog seinen Pullover aus und stülpte ihn Emma über, nachdem er ihr aus den nassen Sachen geholfen hatte. Der Pulli war ihr natürlich viel zu groß und reichte bis zu den Knien.

Dann nahm er seine Schwester an die Hand, bückte sich, um seine Jacke wieder aufzuheben, und drehte sich zur Seite, woraufhin ich ein Tattoo auf seinem rechten Handgelenk bemerkte. Es handelte sich um eine Lilie, die anstelle von einem Band von einer Krone umschlossen wurde. Verblüfft starrte ich auf die Tätowierung und etwas in meinem Kopf machte Klick. Ich hatte es nie live gesehen und doch kannte ich dieses Symbol – beziehungsweise seine Bedeutung. Es war das Wappen der Kiye. Meiner Familie.

»Woher hast du es?«

Er erstarrte, als ich ihn direkt ansprach. Verstand aber offensichtlich nicht, was ich meinte.

»Das Tattoo«, erklärte ich. »Woher hast du es?«

Er ließ Emmas Hand los und starrte mich finster an.

»Ich verstehe die Frage nicht. Das habt ihr mir doch verpasst.«

»Wir?« Verwirrt setzte ich mich auf. Sichtlich verärgert ballte er die Hände zu Fäusten und machte einen Schritt auf mich zu.

»Ja, verdammt. Ihr! Ihr verfluchten Vampyre!«

Ich schluckte schwer. Der Hass in den blauen Augen des Jungen war nicht zu übersehen. Was hatten die Vampyre ihm nur angetan?

Es machte mich traurig, wie schlecht er offenbar von mir dachte. Bis vor ein paar Wochen war ich doch selbst noch ein Mensch gewesen. Das hatte ich zumindest gedacht.

Während Emma schreckliche Angst vor mir zu haben schien, wirkte Liam völlig unbeeindruckt. Interessiert musterte ich ihn. Er war noch recht jung. Ich schätzte ihn auf mein Alter. Die Entschlossenheit in seinem Blick ließ ihn jedoch älter wirken. Mein Blick fiel auf seinen nackten Oberkörper. Liam war ein Mensch und natürlich nicht so muskulös wie Dimitri, doch man erkannte trotzdem, dass er sehr sportlich war. Er musste meinen Blick bemerkt haben, denn er schlüpfte schnell wieder in seine Jacke und zog den Reißverschluss zu.

»Ich habe weder dir noch einem anderen Menschen je etwas getan. Also hör auf von irgendwelchen Vampyren auf mich zu schließen.« Wütend rappelte ich mich auf und warf ihm einen eiskalten Blick zu. »Vor ein paar Wochen hat mich eine Gruppe Jugendlicher angegriffen und versucht mich zu vergewaltigen. Ein Vampyr hat mich vor ihnen gerettet. Doch deshalb sind auch nicht alle Menschen für mich gestorben.« Ich deutete auf Emma, die sich hinter Liam versteckte. »Falls du es noch nicht bemerkt hast, ich habe soeben deiner kleinen Schwester das Leben gerettet! Ich finde, ein Danke wäre eher angebracht als irgendwelche Vorwürfe.«

Meine Worte schienen Liam verunsichert zu haben. Irritiert blickte er von mir zu seiner Schwester und fuhr sich nervös mit einer Hand durchs dunkelblonde Haar. Dann trat jedoch wieder ein gefühlloser Ausdruck in sein Gesicht. Er holte tief Luft und schien sich auf eine weitere verbale Attacke vorzubereiten, als er plötzlich erstarrte und einen Punkt hinter mir fixierte.