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15 Jahre auf der Bestseller-Liste: Das Sachbuch-Phänomen jetzt endlich auch als eBook! »Mehr zu lieben und weniger gleichgültig und stumpf durchs Leben zu gehen, darauf kommt es an.« Liebe kann Berge versetzen und Menschen aus schwersten Lebenskrisen heraushelfen. Ob sie vorübergehend ist oder ewig hält, eine Quelle intensiven Glücks ist oder eine Lektion in Verlust und Trauer, sie einschränkt oder die Freiheit des Einzelnen fördert – das beschreibt der beratende Psychologe Peter Lauster in seinem Weltbestseller. Dabei befreit Lauster das Thema Liebe von einengenden Mythen und bringt vorsichtige Hinweise, wie wir mit unserem Liebesgefühl und der damit verbundenen Verlustangst, Eifersucht, Verletzlichkeit, aber auch mit Sehnsucht, Freude und Fülle umgehen können. Mit einer Auflage von über 1 Million ist »Die Liebe« von Peter Lauster zu einem echten Sachbuch Klassiker avanciert – für Fans von Liv Strömqvist, Erich Fromm und Eva Illouz. Was Sie erwartet: • Entwickeln Sie Bewusstsein und Verständnis für die eigene Liebesfähigkeit • Bekennen Sie Mut zu emotionaler Ehrlichkeit und Offenheit • Lassen Sie sich zur Selbstreflextion anregen und nutzen Sie ihre subjektiven Erfahrungen als wichtige Grundlage zur Selbsterkenntnis • Erfahren Sie Liebe als Weg zu Glück, Zufriedenheit, Gesundheit und Weisheit Begeisterte LeserInnen: »Dieses Buch hat alle meine Erwartungen übertroffen! Ich habe aus diesem Buch Erkenntnisse gewonnen, die nicht nur meine Sichtweise auf die Liebe verändert haben, sondern meine Sichtweise auf das ganze Leben.« Amazon-Rezensentin »Kein Kitsch, keine Beschönigungen, keine Märchen, sondern die Quintessenz des Daseins in seiner ganzen Einfachheit und Klarheit.« Amazon-Rezensentin
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 271
Über dieses Buch:
Liebe kann Berge versetzen und Menschen aus schwersten Lebenskrisen heraushelfen. Ob sie vorübergehend ist oder ewig hält, eine Quelle intensiven Glücks ist oder eine Lektion in Verlust und Trauer, sie einschränkt oder die Freiheit des Einzelnen fördert – das beschreibt der beratende Psychologe Peter Lauster in seinem Weltbestseller.
Dabei befreit Lauster das Thema Liebe von einengenden Mythen und bringt vorsichtige Hinweise, wie wir mit unserem Liebesgefühl und der damit verbundenen Verlustangst, Eifersucht, Verletzlichkeit, aber auch mit Sehnsucht, Freude und Fülle umgehen können.
Über den Autor:
Peter Lauster wurde in Stuttgart geboren und studierte nach dem Abitur Psychologie, Philosophie, Kunst und Anthropologie an der Universität Tübingen. Im Januar 1971 begann er die freiberufliche Tätigkeit in eigener Praxis als beratender Psychologe und Buchautor. Seine psychologischen Sachbücher wurden in zwanzig Sprachen übersetzt. Die deutsche Gesamtauflage seiner Bücher beträgt über 5 Millionen.
Bei dotbooks veröffentlichte der Autor »Liebe – Psychologie eines Phänomens«, »Lassen Sie sich nichts gefallen«, »Selbstbewusstsein: Sensibel bleiben – selbstsicher werden«, »Wege zur Gelassenheit« und »Ausbruch zur inneren Freiheit« (dieser Titel ist auch als Hörbuch bei SAGA Egmont erhältlich).
Die Website des Autors: peterlauster.de
Der Autor bei facebook facebook.com/peter.lauster
Das Diskussionsformu des Autors: peterlaustercommunity.de
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eBook-Neuausgabe August 2024
Dieses Buch erschien bereits 1982 im Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg
Copyright © der Originalausgabe 1980 by Econ Verlag GmbH, Düsseldorf und Wien
Copyright © der Neuausgabe 2024 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Karol Kinal unter Verwendung eines Bildmotivs von Adobe
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (fe)
ISBN 978-3-98952-414-9
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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!
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Peter Lauster
Die Liebe
Psychologie eines Phänomens
dotbooks.
»Lieben – lieben, das ist es. Lieben ist alles.«
Ingeborg Bachmann
»Den Liebenden stäubt Mond
Ein sanftes Licht
Milchmild auf Meer.
Blütenreich
Ist ihr Tag,
Der Abend still,
Es stillt sie gut
Sternübersternt die Nacht.«
Albert Ehrenstein
Dieses Buch über die Liebe ist in einem sehr langwierigen Prozeß entstanden. Ich beschäftige mich mit der Klärung des Phänomens Liebe seit mehr als zwanzig Jahren. Sämtliche persönlichen Erfahrungen und wissenschaftlichen Erkenntnisse als forschender und praktizierender Psychologe versuche ich hier zu vereinigen. Dennoch ist dieses Buch kein wissenschaftlicher Bericht.
Die Liebe ist ein psychisches Phänomen und deshalb den spezifischen und heute bekannten naturwissenschaftlichen Forschungsmethoden nur äußerst schwer zugänglich. Das bedeutet jedoch nicht, daß über die Liebe deshalb nichts Allgemeingültiges ausgesagt werden könnte. Die Liebe erschließt sich uns über das Erlebnis. Erlebnisse lassen sich nicht im Labor mit Instrumenten messen – man kann über sie aber beschreibend berichten. Diese Beschreibungen sind selbstverständlich immer subjektiv. Aber im Subjektiven – diesem Trugschluß dürfen wir nicht verfallen – liegt nicht zwangsläufig Unwahrheit oder Verzerrung der Wirklichkeit. Wir sollten den Mut haben, zu unseren subjektiven Erfahrungen zu stehen, denn das Subjektive ist die Basis unseres persönlichen Erlebens.
Nachdem ich mich zwanzig Jahre selbst genau beobachtet habe und subjektive Beobachtungen von vielen Menschen aufgeschrieben habe, die letzten zehn Jahre als beratender Psychologe, glaube ich, daß es mir möglich ist, das Gemeinsame der subjektiven Erfahrungen und Erlebnisse zusammenzufassen und zu ordnen.
Ich stelle immer wieder fest, daß die Mehrzahl der Menschen in der Entfaltung ihrer Liebesfähigkeit gehemmt und blockiert ist. Ich möchte deshalb mit diesem Buch nicht nur an den Verstand appellieren und einen sogenannten »Wissensstoff« vermitteln, sondern vielmehr beim Leser einen Erkenntnisprozeß anregen. Ich möchte, daß Sie sich mit den Erkenntnissen auseinandersetzen, weil sie Sie persönlich ganz individuell etwas angehen. Die persönliche Betroffenheit von der Thematik Liebe sollte Sie anregen, dieses Buch subjektiv zu verarbeiten. Die einzelnen Worte und Thesen sind unbedeutend, wenn Sie ihnen keine persönliche Bedeutung für Ihr Leben geben können. Distanzieren Sie sich also nicht, indem Sie alles auf eine nur intellektuelle Ebene schieben. Ich möchte Sie ermuntern, Ihre eigenen Erfahrungen und Erlebnisse genauer zu beobachten und möchte einen subjektiven Erkenntnisprozeß auslösen, der Sie der eigenen Liebesfähigkeit näherbringt. Mehr zu lieben und weniger gleichgültig und stumpf durchs Leben zu gehen, darauf kommt es an.
Das Buch enthält keine einfachen oder gar bequemen Rezepte. Es verrät auch keine simplen Tricks, wie man andere schnell und problemlos in sich verliebt machen kann. Ich verstehe das Buch vielmehr als eine Anregung zur Selbstfindung. Es soll Mut machen, zu mehr seelischer Freiheit zu gelangen, häufiger und intensiver zu lieben als bisher.
Das Geheimnis der Liebe ist seelische Wachheit und Freiheit, das Geheimnis von Wachheit und Freiheit aber ist der Mut. Es ist viel Mut erforderlich, die eigenen Gefühle wach und vorurteilslos genau zu betrachten.
Ich möchte nicht »nur« Wissen vermitteln oder »Diskussionsstoff« liefern, ich möchte, daß Sie tiefer in die Thematik einsteigen. Die Liebe ist der Weg zu Glück, Zufriedenheit, Gesundheit und Weisheit. Wenn ich das mit dem Buch begreiflich machen kann, erfühlbar und erkennbar, dann ist dieses Buch nicht umsonst geschrieben. Es ist eine Liebeserklärung an die Liebe und das Leben. Das ist jedoch nicht genug, es möchte die Seele befreien und das Licht der Erkenntnis anzünden. In diesem Sinne ist es ein nützliches Buch.
Köln, März 1980
»Je weniger ich im ganzen an unsere Zeit glauben kann, je mehr ich das Menschentum verkommen und verdorren zu sehen meine, desto weniger stelle ich diesem Verfall die Revolution entgegen und desto mehr glaube ich an die Magie der Liebe.«
Hermann Hesse
In einer Buchhandlung finden Sie viele Bücher über Sexualität, aber nur sehr wenige Bücher über die Liebe. Die Sexualität wurde und wird wissenschaftlich von Medizinern und Psychologen erforscht, nicht jedoch die Liebe. Woran liegt das?
Als ich in den Jahren 1961 bis 1968 in Tübingen Psychologie studierte, dachte ich, daß ich auch etwas über die »Psychologie der Liebe« erfahren würde. In diesen sieben Jahren fand ich jedoch im Vorlesungsverzeichnis nie eine Ankündigung mit diesem oder einem ähnlichen Titel. Statt dessen drehte sich alles um Testpsychologie, experimentelle Wahrnehmungspsychologie, Statistik, klinische Psychologie, Werbepsychologie, Charakterologie, Entwicklungspsychologie, Betriebspsychologie usw.
Die Psychologie ist eine junge Wissenschaft, und sie ringt bis heute um ihre Anerkennung als »vollgültige Wissenschaft«. Ich hatte als Student immer das Gefühl, daß die Hochschulpsychologen die Psychologie als eine empirisch-experimentelle Wissenschaft, so etwa wie die Physik, zu etablieren versuchten. Hat die Psychologie das nötig? Über die Liebe habe ich in Tübingen so wenig gehört, weil man die Liebe nicht empirisch-experimentell untersuchen kann. Sie läßt sich nicht messen, testen oder quantitativ erfassen und in Computern verrechnen; deshalb ließ man in Tübingen als seriöser Wissenschaftler besser die Finger davon.
Weil sich die Liebe schwer messen läßt, existiert sie bis heute nicht in der psychologischen Forschung. Dies ist sehr bedauerlich, denn obwohl sie sich nicht messen läßt, so ist sie doch existent, und man kann sie untersuchen – allerdings nicht mit den sogenannten naturwissenschaftlichen Methoden. Über die Liebe muß man nachdenken, man muß sie erfahren und darüber beschreibend schreiben – so fällt sie in das Gebiet der philosophischen Psychologie, und gerade damit wollen die wissenschaftlich orientierten Psychologen wenig zu tun haben. Deshalb haben sich Psychologen zum Thema Liebe so wenig geäußert, obwohl sie natürlich zentral ins Gebiet der Seelenforschung gehört; wohin denn sonst? Ins Gebiet der Religion vielleicht? Mit der Seele und Liebe beschäftigt sie sich auch – aber eben »unwissenschaftlich«!
Ich will mich auf den folgenden Seiten mit der Liebe auseinandersetzen – wie ich meine, nicht unwissenschaftlich, aber auch nicht mit empirisch-statistischen Methoden. Ich will über die Liebe nachdenken und meine persönlichen Erfahrungen und Erlebnisse einbringen und selbstverständlich auch die Erlebnisse meiner Mitmenschen, die ich aus meiner Tätigkeit als beratender Psychologe mit eigener Praxis (seit 1971) sehr gut kenne.
In den vergangenen Jahren habe ich genau zugehört, was man mir über Liebe berichtet hat, ich habe aufmerksam gelesen, was im Namen der Liebe im Alltag geschieht, und ich habe mich immer wieder gefragt: Was ist hier wirklich Liebe und was ist gelogene Liebe? Was kommt unter dem Deckmantel der Liebe daher und ist das Gegenteil? Warum wird die Liebe so mißbraucht?
Wenn man genau hinschaut, dann ist sie ein zentrales psychisches Geschehen. Als Student interessierte ich mich für die Psychologie der Liebe, weil mich meine persönlichen Gefühle der Liebe stark absorbierten. Dann beobachtete ich, daß auch die anderen Menschen um dieses Thema kreisten, und ich lernte als Berater, daß psychische Schwierigkeiten und Störungen sich auf dieses zentrale Thema zurückführen lassen. Ich war also immer wieder gezwungen, mich unter verschiedenen Aspekten mit dieser Thematik auseinanderzusetzen.
Als beratender Psychologe versucht man, anderen zu helfen, mit ihrer Psyche besser zurechtzukommen. Man versucht, Ängste abzubauen, Selbstvertrauen zu stärken, seelisches Gleichgewicht aufzubauen, innere Ruhe zu vermitteln, Lebensmut zu erzeugen. Wie soll ich leben? Wie kann ich glücklicher werden? Warum bin ich depressiv? Warum werde ich nicht akzeptiert? Wie kann ich angstfreier und gelassener werden? Wie baue ich innere Spannungen ab? Wie kann ich freier werden?
Alle diese Fragen kreisen um seelisches Wohlbefinden und letztendlich, wie ich erst nach und nach erkannte, um die Liebe. Um diesen komplizierten seelischen Vorgang zu verstehen, kann man nicht einige schlagwortartige Sätze schreiben oder einen Artikel in einer Zeitschrift verfassen. Um das zu erklären, brauche ich über zweihundert Seiten und natürlich einen Leser, der aufgeschlossen mitdenkt. Aber es hat wenig Sinn, zu erwarten, daß ich ein mechanistisch-funktionelles Wissen vermittele, das die Liebe zu einer einfachen Sache macht, die mit dem Verstand erfaßt und dann manipuliert werden könnte.
Die Liebe ist keine Sache des Verstandes, sondern eine Angelegenheit des Gefühls. Sie können noch soviel über die Liebe lesen oder nachdenken, wenn es nur über den Verstand und das Denken aufgenommen wird, bleibt es für Sie ohne Wert. Die Liebe ist ein elementarer Zustand, der nicht vom Denken herbeizitiert werden kann.
Zunächst möchte ich mit den vielen Irrtümern und Mythen aufräumen, die mit der Liebe verbunden sind. Wenn diese Mythen weggeräumt werden, von jedem einzelnen in seiner persönlichen Lebenssituation, dann wird das Richtige plötzlich sichtbar. Das Richtige taucht für den einen nur kurz aus dem Nebel auf und verschwindet dann wieder. Für einen anderen ist die Klarheit da, und er kann sie auch festhalten. Das Leben ist sinnvoll, wenn die Liebe da ist, andernfalls ist das Leben voll Leid, Angst und Unsicherheit. Warum das so ist, versuche ich auf den folgenden Seiten ins Bewußtsein zu holen. Jeder kann die Wahrheit erkennen, und ich hoffe, daß es möglichst vielen gelingt, sie festzuhalten.
Sexualität und Liebe sind zwei Vorgänge, die zwar zusammengehören, die jedoch nicht miteinander verwechselt werden dürfen. Sexualität ist ohne Liebe möglich, und Liebe kann sich ohne Sexualität entfalten. Das ist eigentlich jedermann bekannt, und doch wird beides immer wieder durcheinandergeworfen.
Sigmund Freud, der Begründer der Psychoanalyse, hat der Entfaltung und Befreiung der sexuellen Triebenergie eine große Bedeutung für die seelische Gesundheit zugeschrieben. Die verdrängten sexuellen Triebimpulse, die so typisch für seine Zeit um die Jahrhundertwende und danach waren, sind ihm bei der Behandlung und Analyse seiner Patienten aufgefallen, und er hat der Sexualität im Seelenleben des Menschen den ihr gebührenden wichtigen Platz eingeräumt.
Er entdeckte eine revolutionäre Neuigkeit zur damaligen Zeit: daß bereits das Kind sexuelle Phasen durchläuft, die orale, anale und genitale Phase, und daß diese Phasen für das spätere Sexualleben des Erwachsenen von Bedeutung sind.
Sigmund Freud wirkte der Prüderie seiner Zeit entgegen, und er leistete so den entscheidenden Anstoß für die »Befreiung der Sexualität« in diesem Jahrhundert.
Vor allem Wilhelm Reich hat, auf Freud aufbauend, die Funktion der Sexualität für die Entstehung psychischer Störungen in den Mittelpunkt gestellt. Nach Reich ist die Ableitung sexueller Erregungsenergie durch den Orgasmus eine Voraussetzung für das körperliche und psychische Wohlbefinden, wogegen die aufgestaute Erregung zu Spannungszuständen führt, zur allgemeinen und speziellen Muskelverkrampfung, zu seelischer Gespanntheit sowie zu Frustrationsreaktionen. Das Fazit von Freud und Reich: Die volle sexuelle Befriedigung ist von großer Bedeutung für das seelische Wohlbefinden. Mangelnde sexuelle Befriedigung führt zum Aufbau von Frustrationsspannung. Freud glaubte, daß die Sublimierung des Sexualtriebs möglich sei, während Reich stärker biologisch orientiert war und die Triebbefriedigung für absolut notwendig hielt, um der Neurose oder Psychose zu entgehen. Sowohl Freud als auch Reich leisteten für die Befreiung (im Sinne von Anerkennung) der Sexualität wichtige Voraussetzungen, so daß nach dem Zweiten Weltkrieg der Liberalisierungsprozeß stetig fortschreiten konnte.
Pornographische Abbildungen und Prosatexte werden heute in der Bundesrepublik zugelassen. Junge Paare können auch ohne Trauschein eine Wohnung finden und zusammenleben. Die Homosexualität ist nicht mehr strafbar. Dies alles sind Symptome für eine allgemeine gesellschaftliche Liberalisierung.
Es wäre jedoch ein Trugschluß, zu glauben, daß die zunehmende Befreiung der Sexualität von Tabus den Einzelmenschen oder die Gesellschaft freier machten. Sicherlich ist sexuelle Selbstentfaltung eine wichtige Voraussetzung, sich als Individuum freier und wohler zu fühlen, aber dies ist nur ein Teil. Viele glaubten, daß die Befreiung der Sexualität ein so wichtiger und entscheidender Teil wäre, daß sich durch die Liberalisierung der Sexualität in der Gesellschaft die gesamten gesellschaftlichen Verhältnisse wandeln würden, nach der Formel: Die befreite Sexualität befreit die Gesellschaft.
Viele Psychotherapeuten waren in den vergangenen fünfzig Jahren mit Freud und Reich der Auffassung, daß die Befreiung der Sexualität den Patienten befreit und ihn gesund und entspannt macht, nach dem Motto: »Sexuelle Entfaltung macht das Individuum innerlich frei.« Das ist jedoch nicht der Fall, da die Sexualität nur einen Teil des Seelenlebens ausmacht und eine Teilentfaltung zwar positive Anstöße und Gesundungsprozesse auslösen kann, aber nicht automatisch den ganzen Menschen frei macht.
Wer nur seine Sexualität entfaltet und dabei seine seelische Liebesfähigkeit nicht gleichzeitig mit entwickelt, kann keine volle Befriedigung finden, und es bleibt ein Frustrationsrest bestehen. Warum das so ist und welche Folgen diese Tatsache für die Psyche hat, muß in einem späteren Kapitel noch näher erläutert werden.
Die Sexualität hat heute vor der Liebe eine Dominanz erreicht, so daß die eingangs erwähnte Trennung zwischen Liebe und Sexualität, aber auch die Bedeutung ihrer Gemeinsamkeit, nicht mehr richtig gesehen werden. Die Sexualität wird so wichtig genommen, daß sie oft mit Liebe verwechselt wird und daß geglaubt wird, ein sexuelles Erlebnis sei die Voraussetzung für die Liebe. Die Grenzen sind oft verwischt, so daß der einzelne nicht mehr weiß, ob er liebt oder nicht liebt.
Die Sexualität wird konsumiert wie jeder andere Genuß oder Reiz, aber sie wird nicht voll erlebt. Die Konsum-Mentalität ist eine innere Unfreiheit, weil sie zwanghaftes und süchtiges Verhalten hervorruft. Sexualkonsum zeigt keine Freiheit an und führt zu keiner inneren Befreiung, sondern baut, wo körperliche und seelische Spannung reduziert wird, an anderer Stelle neue seelische Spannung der Unausgefülltheit und Unzufriedenheit auf.
Mit dem Mythos »Sexualität macht frei« ist zwangsläufig der Mythos verbunden, daß mit der Lösung der sexuellen Probleme sich alle anderen Probleme auflösen. Das ist jedoch eine große und grobe Vereinfachung, die allerdings verständlich ist, denn für viele sind Sexualprobleme von großer Bedeutung, sie werden davon ganz in Anspruch genommen, und es entsteht so die Meinung: »Wenn ich diese Probleme gelöst habe, dann kann es für mich eigentlich gar keine Probleme mehr geben.«
Jeder, der eine befriedigende sexuelle Beziehung erlebt hat oder erlebt, weiß, daß damit natürlich nicht alle Probleme gelöst sind. Ein befriedigendes Sexualleben ist eine wichtige Sache, und kein Psychologe oder Psychotherapeut wird dem widersprechen, aber die Psyche und das menschliche Leben sind komplizierter. Wer Hunger hat, denkt nur daran, wie er seinen Hunger stillen kann, aber sobald der Hunger gestillt ist, eröffnen sich neue Probleme. Ich möchte noch einmal sagen, daß die Sexualität nur ein Teil ist, sicherlich ein quälender Teil, wenn er keine Erfüllung findet, aber aus diesem Teil heraus können nicht die gesamte Psyche und ihre Probleme erklärt und gelöst werden.
Um den Mythos zu zerstören: Wenn die Sexualprobleme gelöst werden, sind nicht alle Probleme gelöst. Um alle Probleme zu lösen, muß die Liebe hinzukommen, aber nicht nur die Liebe zu einem speziellen Sexualpartner, sondern eine generelle Liebe, eine Entfaltung der gesamten psychophysischen Liebesfähigkeit.
Die Sexualität ist eine biologische Funktion, die den Menschen auf die Natur zurückverweist. Er glaubt, mit dem Verstand alle Probleme lösen zu können, und meint, daß rationales Verhalten und Vorgehen die Krönung des Menschseins seien. Das ist ein großer Irrtum. Er ist jeden Tag aufs neue seinem Körper, der Biologie und dem Sexualtrieb ausgeliefert; er kann das verleugnen, verdrängen, verschieben oder davor zu fliehen versuchen – es bleibt immer nur ein Versuch, der Biologie und den neben dem Verstand liegenden Realitäten zu entkommen. Es gibt kein Entrinnen vor dem eigenen Körper und seinen Bedürfnissen. Die sexuelle Problematik kann durch keine Tricks und Abwehrmechanismen beseitigt werden. Jeder muß sich jeden Tag neu mit der Sexualität auseinandersetzen, weil sie jeden Tag als Triebpotential neu auf ihn zukommt. Die Sexualität drängt sich auf, deshalb wirkt sie so fordernd und problematisch. Es geht also nicht darum, einmal eine befriedigende sexuelle Entfaltung zu finden, sondern eine Konzeption zu haben, die die tägliche Problematik zu leben hilft, ohne zu glauben, daß damit alle Probleme gelöst würden. In dieser täglichen Problemsituation ist ein Prinzip enthalten, das dem Leben Richtung, Stabilität und Sinnerfüllung gibt: Das ist die Liebe.
Ohne Liebe lassen sich keine Sexualprobleme lösen. Nur die Liebe schafft die Voraussetzung dafür, daß die Sexualität an Schönheit, Klarheit und seelischer Freude gewinnt. Sexualität ohne Liebe ist schal und leer, sie macht eher melancholisch und depressiv als dynamisch und aktiv. Wenn die Aussage lautete: »Liebesprobleme gelöst – alle Probleme gelöst«, könnte ich diesem Satz schon eher zustimmen.
Die sexuelle Triebenergie sucht ihre Entladung sowohl beim Mann wie bei der Frau im Orgasmus. Insofern ist der Orgasmus ganz sicher das Ziel, auf das die sexuelle Funktion hinausläuft, die mit der biologischen Aufgabe der Fortpflanzung verbunden ist. Die Fortpflanzung wurde so geregelt, daß sie mit gesteigerten Lustgefühlen verbunden ist, ein Trick der Natur, damit die Arterhaltung keine lästige Pflicht ist, sondern ein Vergnügen. Lust wird eher gesucht als Pflicht, und in Fragen der Fortpflanzung geht die Natur auf »Nummer sicher«.
Der lustvoll und befriedigend erlebte Orgasmus gibt die beste Gewähr dafür, daß er wiederholt wird und die Spezies Mensch nicht ausstirbt. Auf das Aussterben ist keine Art angelegt, sondern auf optimale Fortpflanzung und Arterhaltung in einem möglichst gleichwertigen Lebensraum.
Die Erfüllung der sexuellen Aufgabe erfolgt unter biologischem Aspekt mit dem Orgasmus. Der Orgasmus ist also das Ziel der Sexualität, deren Aufgabe die Arterhaltung ist. Von Liebe wird hier nicht geredet, denn diese körperlichen Vorgänge sind nicht an Liebe gebunden. Wenn jedoch Liebe hinzukommt, um so besser, weil dann das sexuelle Erleben an Schönheit gewinnt.
Die Liebe sucht als Endziel der Entspannung nicht den Orgasmus, sondern sie findet ihre Befriedigung in jeder Form der seelischen und körperlichen Zuneigung. Die Liebe kann die Sexualität steigern und ein seelisches Glücksgefühl erzeugen, das ohne die Liebe nicht entstünde.
Es wurde mir immer wieder berichtet, daß das sexuelle Gesamterlebnis und schließlich der Orgasmus mit einem Partner, der nicht geliebt wird, weniger befriedigend empfunden wird als mit einem geliebten Partner. Wenn also die Liebe hinzukommt, kann die Gefühlstiefe und die Freude an der Sexualität gesteigert werden. Das weiß eigentlich jeder durch eigene Erfahrung, dennoch ist es wichtig, diese Tatsache festzuhalten und sich darüber weitere Gedanken zu machen.
Worauf es mir hier im besonderen ankommt, ist die Erkenntnis, daß der Orgasmus nicht das Ziel der Liebe, sondern der Sexualität ist und daß die Liebe nicht auf den Orgasmus ausgerichtet ist, sondern – anders als die Sexualität – eine breitere Funktion hat.
Sexualität hat von der Natur die Aufgabe erhalten, auf das Ziel »Orgasmus« hinzusteuern, während die Liebe nicht danach drängt. Liebe ist keine Bedingung für den Orgasmus und die Arterhaltung, sondern eine wunderbare Zugabe sowohl im Bereich der Sexualität als auch in jedem anderen Lebensbereich. Deshalb drängt die Liebe auch nicht auf den Orgasmus hin, sondern ist an dem sexuellen Triebgeschehen nur mitbeteiligt. Ihre Beteiligung ist aber von großer Bedeutung für das seelische Erleben, die seelische Befriedigung und das Lebensglück.
Vergleiche sind immer eine zweifelhafte Sache, dennoch versuche ich einen einfachen Vergleich, um mich plastischer verständlich zu machen. Die Liebe ist wie die Hefe im Kuchenteig, die bewirkt, daß der Teig aufgeht und der Kuchen besser schmeckt. Um den Hunger mit Kalorien zu stillen, ist die Hefe also nicht erforderlich. Anders ausgedrückt: Die Liebe ist ein Zusatz, ein Katalysator für die Seele, der dem Gesamtvorgang der Sexualität, der zuallererst ein biologischer Triebvorgang ist, zur vollen Schönheit und Blüte verhilft.
Diese Katalysatorwirkung hat die Liebe nicht nur bei der Sexualität, sondern auch in jedem anderen Lebensbereich. Ich kann meine Arbeit verrichten, um Geld zu verdienen; wenn jedoch die Liebe zur Arbeit hinzukommt, fühle ich mich wohler. Ich kann den Kontakt zu Mitmenschen als eine berufliche oder soziale Aufgabe ansehen, wenn jedoch die Liebe zu meinen Mitmenschen hinzukommt, fühle ich mich glücklicher. Ich kann einen Waldspaziergang machen, um für ausreichende Bewegung zu sorgen und Sauerstoff zu tanken, wenn ich jedoch die Bäume, die Gerüche, die Luft und die Abendstimmung mit meinen Sinnen liebend aufnehme, fühlt sich nicht nur der Körper erfrischt, sondern auch die Seele, und ich fühle mich glücklicher als zuvor.
Die Liebe ist ein generelles Prinzip, das zu allen Erlebensvorgängen hinzukommen kann. Alle Lebensvorgänge laufen auch ohne Liebe ab, der Orgasmus ist auch ohne Liebe möglich, ich werde auch ohne Liebe ausreichend mit Sauerstoff versorgt, ich kann auch ohne Liebe meine Pflicht erfüllen und ohne Liebe für Frau und Kinder sorgen, Politik betreiben, Autofahren oder mit meinem Nachbarn reden. Und die meisten Menschen leben im Alltag auf diese Weise funktional, ohne den Zusatz der Liebe zu anderen und sich selbst. Viele leben sogar mit dem Zusatz Haß und Verachtung – um diese beiden Begriffe als Gegensatz der Liebe zu wählen. Ein Leben ohne Liebe, ja sogar mit Haß, ist möglich und weit verbreitet. Ein Orgasmus ist auch möglich, wenn man den Sexualpartner haßt; so sicher funktioniert die Sexualität im Dienst der Arterhaltung.
Mit der Beschreibung der ersten drei Mythen über die Liebe wurde deutlich, daß Liebe und Sexualität sich zwar verbinden können, aber nicht müssen. Die Loslösung der Liebe von der Sexualität ist für das weitere Verständnis der Liebe (als eine psychische Erscheinung) die Voraussetzung.
In den letzten fünfzehn Jahren bestand der Ehrgeiz vieler Buchautoren (Psychiater, Psychologen, Mediziner oder Journalisten) darin, das Wissen über sexuelle Techniken der Luststeigerung zu vermehren. Ich habe nichts gegen Kenntnisse dieser Art einzuwenden, es stört mich jedoch, wenn ein solches Buch den Begriff »Liebe« im Titel führt, denn mit Liebe haben diese Techniken wenig zu tun. Vor allem können ausgefallene und »raffinierte« Stellungen die Liebe keineswegs steigern.
Es ist ein weitverbreiteter Irrtum unter Männern, daß die Beherrschung bestimmter Stellungs- oder Stimulierungstechniken die Partnerin besonders nachhaltig befriedigen könnte. Dabei gehen Männer von der irrigen Meinung aus, auf diese Weise würde eine Frau »sexuell hörig«.
Die sogenannte sexuelle Hörigkeit, wenn es sie überhaupt gibt, ist meist keine sexuelle Hörigkeit, sondern eine Bindung an die Persönlichkeit und Autorität des Partners. Sie entsteht nicht auf der sexuellen Basis auf Grund von besonderen Stimulierungstechniken, sondern ist eine Form der leidenschaftlichen Liebe, verbunden mit Unterordnungsbereitschaft und Autoritätsgläubigkeit; dabei spielt auch eine Neigung zum Masochismus hinein.
Doch egal, worauf die »sexuelle Hörigkeit« auch beruhen mag, wichtig ist, daß diese Art der Abhängigkeit für beide Teile nichts Erstrebenswertes ist, denn Abhängigkeit sollte nicht das Ziel einer Beziehung von zwei Menschen sein. Abhängigkeit bringt immer Leid, Schmerz, Kummer und Angst mit.
Ein Mann, der diese Abhängigkeit von einer Frau für sich selbst anstrebt oder sie von einer Frau erwartet, steht am Ende immer vor größeren Problemen, als er erwartet oder erhofft hat. Die Abhängigkeit oder Hörigkeit einer Frau ist zunächst für ein schwaches Selbstbewußtsein eine stärkende Empfindung, aber das Interesse erlahmt sehr schnell, wenn das Selbstbewußtseinsdefizit seine Schmeicheleien erhalten hat. Die aufgebaute Hörigkeit wird dann zu einer abstumpfenden Gewohnheit und allmählich lästig.
Wenn jemand glaubt, daß er allein durch besondere sexuelle Technik diese Hörigkeit erzeugen könnte, so unterliegt er einem Irrtum, und er wird immer wieder enttäuscht werden. Wenn er sich auf die Technik konzentriert, dann setzt er seinen Verstand ein, er versucht, etwas zu leisten, Maßstäbe zu erfüllen, und die Sexualität wird so zu einer körperlichen Gymnastikübung degradiert. Durch den Einsatz des Verstandes, des Ehrgeizes und des Denkens wird das Gefühl weggedrängt oder gar ausgeschaltet, ich meine jetzt nicht nur das Körpergefühl, denn sexuelle Empfindungen sind sehr wohl vorhanden, sondern das Gefühl der Zuneigung, Wärme, Liebe, Geborgenheit, Bewunderung, Respekt, verbunden mit Mitgefühl, Hingabe und Selbstaufgabe.
Ich möchte auf keinen Fall so verstanden werden, als würde ich sexuelle Techniken der Luststeigerung verurteilen, für falsch oder gar »sündhaft« halten. Das wäre ein Rückfall in eine glücklicherweise überwundene Prüderie, aber ich beobachte immer wieder die Überschätzung der sexuellen Technik auf Grund des Glaubens, daß Technik Liebe erzeugen könnte oder Liebe bewahren könnte. Auf diesen Irrtum möchte ich hinweisen, damit jeder erkennen kann, daß es in einer Partnerschaft, die man aufbauen oder bewahren möchte, nicht in erster Linie auf sexuelle Technik ankommt, sondern auf die Liebe.
Wo in einer Beziehung Liebe ist, spielt die sexuelle Stimulierung keine dominierende Rolle, denn die Sexualität ergibt sich von allein, ohne daß der Verstand mit seinen gelernten Programmen etwas hinzutun müßte. Aus der Liebe heraus und nur aus ihr heraus ergibt sich von selbst die in der jeweiligen Situation angebrachte sexuelle Technik. Die Liebe ist schöpferisch, und sie findet im richtigen Moment das Richtige.
Geht man nur vom Verstand und dem gelernten Wissen oder der erlernten Erfahrung bei einem Partner aus und möchte das Wissen, die Technik anwenden, kann sich keine schöpferische Atmosphäre entfalten, weil man Regeln befolgt, sich wiederholt, und wo Regeln und Wiederholungen ablaufen, kann sich nichts Schöpferisches entwickeln, und das gesamte sexuelle Verhalten und Erleben bleibt überschattet von Routine, Gewohnheit, Banalität und Langeweile.
Wenn sich Liebe entfaltet und alle Technik vergessen wird und der Mensch mit seinen Sinnen wach auf den Augenblick reagiert, dann kann er sich schöpferisch in den Augenblick fallen lassen und sich freuen, wie auch der andere schöpferisch von der Situation bestimmt wird, nicht von einem technischen Lernprogramm, mag es noch so raffiniert und subtil durchdacht sein.
Wenn ein Mensch durch den Wald geht, mit einer Anleitung in der Hand, wie der Wald zu betrachten ist, auf welche Geräusche er zu achten hat, wie er die Weichheit des Mooses zu empfinden hat und welche Empfindungen das Ertasten der Baumrinde hervorbringen kann, dann empfinden wir das ganz spontan als lächerlich und dumm. Aber im sexuellen Bereich, der mit viel Angst und Dunkelheit verbunden ist, glauben wir, durch das Lesen einer Technikanleitung zu einem befriedigenden Erlebnis zu kommen.
Sie machen in der Regel nur einen Waldspaziergang, wenn Ihnen der Wald etwas gibt, wenn Sie es mögen, durch den Wald zu gehen, wenn Ihre Sinne offen sind. Genauso sollte es mit der Sexualität sein. Das Wichtigste ist, alles zu lieben, was mit dem eigenen und fremden Körper zu tun hat, ein spontan positives Verhältnis zu den Körperempfindungen und zu dem anderen Körper zu haben, selbstverständlich verbunden mit viel Liebe für seine Individualität, seine Persönlichkeit, seine Einzigartigkeit, dann ergibt sich die schöpferische Freude aus jeder einzelnen Wahrnehmung und Empfindung von selbst.
Es ist die Meinung weit verbreitet, daß Verliebtsein, Liebe und Sexualität eine Sache der Jugend sei und allenfalls bis zum vierzigsten oder fünfzigsten Lebensjahr im Leben eine Rolle spielte. Das ist natürlich ganz falsch, denn Verliebtsein und Liebe sind prinzipiell an kein Alter geknüpft. Selbst die Sexualität, die an alternde Körperfunktionen gebunden ist, ist in der Regel bis zum sechzigsten, siebzigsten und mitunter bis zum achtzigsten Lebensjahr funktionsfähig.
Dennoch ist für viele Menschen die Liebe in der Jugend anders als im Alter, denn in der Jugend ist sie neu und frisch, die Liebesfähigkeit beginnt sich zu entfalten, und in dieser Zeit neuer Erfahrungen werden Liebe und Sexualität besonders stark empfunden. Die Intensität der Empfindungen ist für viele in der Jugend stärker als mit zunehmendem Alter, da die meisten Menschen in einer Partnerschaft leben, in der die Liebe abgestumpft ist und die Sexualität eine uninteressante Gewohnheit geworden ist. Sie halten dennoch an der Partnerschaft fest mit der resignierenden Meinung, daß das »eben der Lauf der Dinge« sei.
Ist die Liebe eine psychische Energie, die sich entfaltet oder abstumpft? Die Liebesfähigkeit ist die Fähigkeit, die Außenwelt und auch sich selbst mit wachen Sinnen positiv wahrzunehmen. Die Voraussetzungen für die spätere partnerschaftliche Fähigkeit zum Lieben wird schon in der frühen Kindheit und Jugendzeit entwickelt, wenn der Sexualtrieb noch nicht ausgereift ist. Das Kind gebraucht seine Sinne, es liegt im Gras und nimmt die Gerüche der Wiese in allen Details wahr, es schaut in den Himmel auf die ziehenden Wolken und streichelt mit den Händen die Baumrinde, es läßt die feuchte Erde durch die Finger gleiten und geht selbstvergessen in diesen Empfindungen auf. Die Liebe zur Welt, zum Sonnenschein und zum Regen entwickelt sich über die sinnliche Erfahrung. Würden diese Erfahrungen ausbleiben, wäre die Sensitivität unterentwickelt, könnte später die Liebe zu einem Partner und zur Sexualität nicht in ihrer ganzen Reichhaltigkeit entfaltet werden, und die Sexualität wäre auf eine sachliche Triebfunktion beschränkt.
Die Liebeserfahrungen der frühen Jahre werden mit der ganzen Breite der Sinne gemacht, weil noch die Sensitivität aus der Kindheit einfließt. Der Erwachsene in den Großstädten der Industriegesellschaften wird jedoch meist Jahr um Jahr unsensitiver. Er geht täglich an seinen Arbeitsplatz, in die Fabrikhalle oder ein muffiges Büro, seine Sinne stumpfen mehr und mehr ab. Als Erwachsener, als Student und Berufstätiger wird er von seinen Sinnen entfremdet, denn was zählt, sind Leistung, Sachlichkeit, Intellekt, Erfolg – das Fühlen, die Emotionen sind eher störend und werden abgewertet und verdrängt. Das Gehirn des erwachsenen berufstätigen Menschen ist voll von Gedanken an Geld, Konsum und Erfolg. Alles kreist um den eigenen Status, um Konkurrenz zu anderen, um Vermögen, Kranken- und Altersabsicherung, um Erziehung der Kinder zur Leistung, um Sicherheit der Kinder und der Zukunft. Wenn das Gehirn voll ist mit diesen Inhalten, die sich täglich zwanghaft wiederholen, wird die Sensitivität und die damit verbundene Liebe zu den Wahrnehmungen vernachlässigt und beiseite geschoben. Der sensitive, liebende Kontakt geht so nach und nach verloren, sowohl zu der Natur, die uns umgibt, wie auch zum Partner, der nicht als Natur gesehen wird, sondern als Ehepartner mit bestimmten Aufgaben und Pflichten.
Die Wahrnehmungsfähigkeit stumpft im täglichen Einerlei ab, denn die Gedanken kreisen immer um dieselben Probleme wie Erfolg, Leistung, Konsum und Sicherheit. In dieser Stumpfheit, Eintönigkeit und Gleichförmigkeit erschöpft sich der Mensch, und er fühlt sich gestreßt von seinen Zwangsgedanken, die täglich gleich sind und deshalb ermüdend wirken und ihn nicht erfrischen und beleben können.
Der Mensch spürt, daß er mehr und mehr seine Lebendigkeit verliert, daß er seelisch stirbt, daß seine Liebesfähigkeit stirbt, und er wird darüber bitter und immer verhärteter. Deshalb ist die Liebe im Alter anders als in der Jugend. Mit zunehmendem Alter sind viele nicht mehr fähig, auf Grund ihrer Stumpfheit sensitiv wahrzunehmen, und so ist für Verliebtsein und Liebe kein Platz mehr. Die Liebesfähigkeit läßt nach mit der Unfähigkeit, mit den Sinnen neu und frisch wahrzunehmen.
Es ist mir wichtig, daß verstanden wird, daß dies kein natürlicher, unvermeidlicher Alterungsprozeß ist, sondern eine Frage der Lebensführung. Ein Sechzigjähriger, der sensitiv ist, der seiner Umwelt aufmerksam mit positiver Einstellung zugewandt ist und täglich sich selbst und die anderen mit neuen Augen wahrnimmt, ist selbstverständlich genauso liebesfähig wie ein Jugendlicher, denn nur der Körper altert und nicht die Seele. Die Seele bleibt immer jung, wenn sie meditativ und sensitiv ist. Deshalb muß die Liebe im Alter nicht anders sein als in der Jugend. Sie kann genauso frisch, intensiv und beglückend sein wie in der Jugend – sofern die Seele nicht abgestumpft ist.