Selbstbewusstsein - Peter Lauster - E-Book
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Selbstbewusstsein E-Book

Peter Lauster

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Beschreibung

Ein starkes Selbstbewusstsein – ein erreichbarer Traum? »Ich schaff das nicht.« – »Ich bin nicht gut genug.« – »Keiner mag mich.« Selbstzweifel gehört für viele Menschen zur täglichen Routine wie der morgendliche Kaffee. Dabei bildet ein gesundes Selbstbewusstsein die Grundlage für unser Lebensgefühl, unsere Beziehungen und unsere physische und psychische Gesundheit. In diesem Ratgeber offenbart der renommierte Psychologe und Sachbuchautor Peter Lauster, dass ein schwaches Selbstbewusstsein kein unabwendbares Schicksal ist. Anhand von eindrücklichen Fallbeispielen zeigt er die positiven Auswirkungen eines gesunden Selbstbilds auf und motiviert mit praktischen Anleitungen dazu, das eigene Selbstbewusstsein gezielt aufzubauen. Der Sachbuch-Klassiker für sicheres Auftreten durch innere Stärke und mehr Selbstwert – für Fans von Stefanie Stahl, Sabrina Fleisch und Mark Manson. Was Sie erwartet: • Grundlegende Einführung in die menschliche Psyche und die Selbstwertproblematik • Einsicht in die negativen Auswirkungen von geringem Selbstbewusstsein durch konkrete Fallbeispiele • Verbesserung Ihres Selbstwertgefühls durch praktische Anleitungen • Wichtige Selbsterkenntnis durch das Beantworten von Fragebögen

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Seitenzahl: 168

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Über dieses Buch:

»Ich schaff das nicht.« – »Ich bin nicht gut genug.« – »Keiner mag mich.« Selbstzweifel gehört für viele Menschen zur täglichen Routine wie der morgendliche Kaffee. Dabei bildet ein gesundes Selbstbewusstsein die Grundlage für unser Lebensgefühl, unsere Beziehungen und unsere physische und psychische Gesundheit. In diesem Ratgeber offenbart der renommierte Psychologe und Sachbuchautor Peter Lauster, dass ein schwaches Selbstbewusstsein kein unabwendbares Schicksal ist. Anhand von eindrücklichen Fallbeispielen zeigt er die positiven Auswirkungen eines gesunden Selbstbilds auf und motiviert mit praktischen Anleitungen dazu, das eigene Selbstbewusstsein gezielt aufzubauen.

Über den Autor:

Peter Lauster wurde in Stuttgart geboren und studierte nach dem Abitur Psychologie, Philosophie, Kunst und Anthropologie an der Universität Tübingen. Im Januar 1971 begann er die freiberufliche Tätigkeit in eigener Praxis als beratender Psychologe und Buchautor. Seine psychologischen Sachbücher wurden in zwanzig Sprachen übersetzt. Die deutsche Gesamtauflage seiner Bücher beträgt über 5 Millionen.

Die Website des Autors: peterlauster.de/

Der Autor bei Facebook: www.facebook.com/peter.lauster

Das Diskussionsforum des Autors: peterlaustercommunity.de

Bei dotbooks veröffentlichte der Autor »Liebe – Psychologie eines Phänomens«, »Lassen Sie sich nichts gefallen«, »Selbstbewusstsein: Sensibel bleiben – selbstsicher werden«, »Wege zur Gelassenheit« und »Ausbruch zur inneren Freiheit« (dieser Titel ist auch als Hörbuch bei SAGA Egmont erhältlich).

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eBook-Neuausgabe September 2024

Dieses Buch erschien bereits 1974 unter dem Titel »Ausbruch zur inneren Freiheit« bei Bertelsmann

Copyright © der Originalausgabe 1974 Bertelsmannverlag

Copyright © der Neuausgabe 2024 dotbooks GmbH, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Montasser Medienagentur, München.

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Karol Kinal unter Verwendung eines Bildmotivs von Adobe

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (vh)

ISBN 978-3-98952-416-3

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dotbooks ist ein Verlagslabel der dotbooks GmbH, einem Unternehmen der Egmont-Gruppe. Egmont ist Dänemarks größter Medienkonzern und gehört der Egmont-Stiftung, die jährlich Kinder aus schwierigen Verhältnissen mit fast 13,4 Millionen Euro unterstützt: www.egmont.com/support-children-and-young-people. Danke, dass Sie mit dem Kauf dieses eBooks dazu beitragen!

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Dieses Sachbuch wurde vor dem Hintergrund einer bestimmten Zeit verfasst und wird von uns unverändert neu aufgelegt. Daher begegnen Sie in diesem eBook möglicherweise Begrifflichkeiten, Weltanschauungen und Verhaltensweisen, die wir heute als unzeitgemäß oder diskriminierend verstehen. Das gilt ebenfalls für die Quellen, auf die sich der Text bezieht. Diese Inhalte spiegeln nicht automatisch die Überzeugungen des Verlags wider oder die heutige Überzeugung der Autorinnen und Autoren, da sich diese seit der Erstveröffentlichung verändert haben können. Es ist außerdem möglich, dass dieses eBook Themenschilderungen enthält, die als belastend oder triggernd empfunden werden können. Bei genaueren Fragen zum Inhalt wenden Sie sich bitte an [email protected].

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Peter Lauster

Selbstbewusstsein

Sensibel bleiben – selbstsicher werden

dotbooks.

Vorwort

Die Ausprägung des Selbstbewusstseins ist eine zentrale Eigenschaft, die nicht angeboren ist, sondern die sich von der Kindheit an langsam entwickelt. Zunächst wird an Fallbeispielen gezeigt, wie sich ein geringes Selbstbewusstsein auswirken kann. In diesen Fallschilderungen können sich viele Leser mit ihren eigenen Problemen gespiegelt sehen. Dieser vorgehaltene Spiegel möchte wachrütteln, in Zukunft nicht mehr vor den eigenen Selbstwertproblemen durch Verdrängung zu fliehen.

Frustrationen (Enttäuschungen, seelische Verletzungen) zerstören systematisch die Selbstsicherheit im Laufe des Lebens. Nur etwa zehn Prozent der Menschen können sich wirklich frei und ohne Unterdrückung entfalten. Es ist psychologisch verständlich, dass Millionen Menschen aufgrund der Erziehungs- und Gesellschaftssituation Probleme mit ihrem Selbstbewusstsein haben. Würde man ein Jahr lang die Erziehungsweise von Eltern und Lehrern beobachten und jedes Lob und jeden Tadel zählen, könnte man entdecken, dass auf ein Lob etwa zehn tadelnde Bemerkungen oder gar Strafen kommen. Das geht an der Seele eines Kindes nicht spurlos vorbei und wirkt bis ins Erwachsenenalter nach. Warum das so ist und welche Auswirkungen es auf das eigene Selbstwertgefühl hat, wird psychologisch analysiert.

Je mehr Frustrationen ein Mensch im Laufe seines Lebens einstecken muss, umso unsicherer und ängstlicher wird er. Die Verhaltensforscher haben entdeckt, dass der Mensch auf diese Weise ›konditioniert‹ werden kann, was bedeutet, dass sich in seiner Psyche Prozesse abspielen, die seinem Verstand nicht zugänglich sind. Der Mensch glaubt zwar, in erster Linie über den Verstand zu leben, doch ist das ein Irrtum – er wird vielmehr von unbekannten Kräften in seiner Seele ›gelebt‹. Wenn der Leser diese Zusammenhänge kennen lernt, wird er sich selbst und seine Mitmenschen in Zukunft besser verstehen. Um das Selbstbewusstsein zu steigern, sollte der Leser nicht nur passiv lesen und darauf hoffen, dass durch die Lektüre ein überlegenes Selbstbewusstsein automatisch auf ihn ›zufliegt‹ und ihn nicht mehr verlässt. Er muss selbst aktiv werden und sollte die Denkanstöße, die das Buch vermittelt, in der Praxis realisieren.

Dieses Buch versucht im ersten Teil, Verständnis für die eigene Situation und die der Mitmenschen zu wecken – ein erster Schritt zum Aufbau eines größeren Selbstbewusstseins. Der zweite Schritt führt zur Analyse der individuellen Situation. An dieser Stelle wird zur Aktivität aufgefordert und zur Beschäftigung mit der eigenen Situation durch Selbstbefragung. Der letzte und schwierigste Schritt führt zur Veränderung des Bewusstseins und der bisherigen Einstellung. Das ›Programm für mehr Selbstsicherheit‹ erfordert zum Beispiel das Führen eines ›Problem-Tagebuchs‹.

Dieses Buch ist vor sechzehn Jahren erstmals erschienen. Es war viele Jahre im Buchhandel vergriffen. Vor dieser Neuausgabe stellte ich bei der Textredigierung fest, dass dieses Buch sehr pragmatisch orientiert ist, dass es also den Lesern in leicht verständlicher Form Wege und Methoden aufzeigt. Von diesem Ratgeberstil bin ich in meinen späteren Büchern abgerückt und mehr zu psychophilosophischen und gesellschaftskritischen Betrachtungen übergegangen. Insofern ist dieses frühe Buch grundlegender Art, denn es vermittelt notwendiges Basiswissen über die Psyche für diejenigen, die sich bisher mit Psychologie noch nicht befasst haben – und es liefert eine elementare Einführung in die psychischen Vorgänge der Selbstwertproblematik.

In diesem Buch werden die sehr komplizierten psychischen Zusammenhänge in ihre detaillierten Verästelungen hinein noch nicht weiter ausgeführt. Diese Vertiefung erfolgte in meinen späteren Büchern, die zwangsläufig die so wichtige Selbstwertproblematik immer wieder berühren, unter anderem das Durchsetzungsverhalten, die Gelassenheit und die Lebenskunst.

Köln, 1991

Peter Lauster

Kapitel 1

Was ist ›richtiges‹ und was ›falsches‹ Selbstbewusstsein?

Selbstbewusstsein ist eine Eigenschaft, die verschieden stark ausgeprägt ist. Da nur wenige Menschen ein starkes Selbstbewusstsein haben, besitzen sehr viele zu wenig davon und wünschen sich somit mehr Selbstsicherheit.

Auf den ersten Blick scheint die Selbstsicherheit, psychologisch gesehen, eine einfache Sache zu sein. Aber das ist sie nicht, weil diese Eigenschaft stark mit anderen Eigenschaften verknüpft ist.

Die Selbstsicherheit ist eine sehr zentrale Eigenschaft. Wenn man sich das Modell der Seele grob als ein Ringmodell vorstellt, sitzt die Selbstsicherheit in der Mitte, während sich andere Eigenschaften um sie herum gruppieren.

Das Ringmodell der Seele

Die Selbstsicherheit hängt stark mit Optimismus bzw. Pessimismus zusammen. Beides, Selbstsicherheit und Optimismus, sind Eigenschaften, die sich schon in früher Jugend entwickeln. Andere Eigenschaften reifen erst später aus, wie etwa die Menschenkenntnis. Aus diesem Grunde lassen sich diese Eigenschaften auch später leichter lernen, während die Selbstsicherheit viel schwieriger entfaltet werden kann.

Das ›Ringmodell der Seele‹ ist aus meinem Buch Der Persönlichkeitstest. Ein Test- und Beratungsprogramm zur Entfaltung Ihrer Persönlichkeit entnommen, in dem zehn wichtige Persönlichkeitseigenschaften vorgestellt werden. Überprüfen Sie einmal das folgende Beispiel. Stellen Sie gefühlsmäßig fest, ob sich die geschilderte Person hinsichtlich ihres Selbstbewusstseins ›richtig‹ oder ›falsch‹ verhält: Herr Berger kommt morgens ins Büro. Ein Kollege erzählt ihm, dass die anderen gestern noch in der Gastwirtschaft an der Ecke ein Bier getrunken hätten und das Gespräch auf ihn gekommen sei. Herr Berger lächelt. Der Kollege fragt: »Willst du nicht wissen, was über dich gesprochen wurde?« Er antwortet: »Wurde positiv über mich gesprochen, würde es mich freuen. Wurde jedoch negativ über mich gesprochen, was die Regel bei diesen Biergesprächen ist, würde es mich ärgern. Am besten, du erzählst mir gar nichts.«

Was halten Sie davon? Ist Herr Berger selbstbewusst? Diese Frage ist schwer zu beantworten. Herr Berger fühlt instinktiv, dass Klatsch sein seelisches Gleichgewicht beeinflussen könnte; deshalb möchte er lieber gar nichts über das Gespräch wissen – um nicht verletzt zu werden. Die Chance, eventuell durch etwas Positives erfreut zu werden, nutzt er nicht. Seine Selbstsicherheit ist also nicht sehr stark.

Hätte sich Herr Berger beidem Kollegen interessiert nach dem Klatsch erkundigt, gäbe es folgende Deutungsmöglichkeiten:

•Herr Berger ist selbstsicher und optimistisch. Er erwartet etwas Positives. Etwas Negatives würde ihn nicht erschüttern.

•Herr Berger ist nicht selbstsicher. Er will genau wissen, was man an ihm auszusetzen hat. Insgeheim hofft er jedoch auf etwas Positives, um sein geringes Selbstbewusstsein dadurch für einen Moment zu stärken.

Das Beispiel aus dem Berufsalltag zeigt, wie vielschichtig Reaktionsweisen sein können. Es zeigt auch, dass nur der Selbstsichere solch eine Klatschsituation souverän meistern kann. Der Selbstunsichere hingegen verstrickt sich in komplizierte Schutzmechanismen, denn er ist leicht verletzbar. Dadurch ist seine seelische Ausgeglichenheit in Gefahr. Eine ›schlechte Bewertung‹ seiner Person raubt ihm die gute Laune, kostet ihn seelische Kraft.

Die Mitmenschen spüren, ob Herr Berger selbstsicher ist. Halten sie ihn für selbstsicher, verschonen sie ihn mit schlechten Nachrichten, weil damit keine Wirkung erzielt werden kann. Wird Herr Berger jedoch für selbstunsicher gehalten, dann macht es vielen Menschen eine sadistische Freude, ihn aus dem Gleichgewicht zu bringen.

Das zeigt die schlimme Lage des Selbstunsicheren. Seiner Unsicherheit wird durch die Mitmenschen ständig neue Nahrung gegeben. Der vorgebrachte Klatsch macht den Unsicheren erneut unsicher – seine Unsicherheit wird bekräftigt. Die Mitmenschen bemerken sehr schnell die Unsicherheit und überfallen Herrn Berger in Zukunft bei jeder Gelegenheit mit negativem Klatsch. Dadurch wird Herr Berger noch unsicherer – er ist in einem Teufelskreis gefangen, aus dem er nur schwer wieder herausfindet.

Wer von der Meinung und Bewertung seiner Mitmenschen stark abhängig ist, findet nicht mehr die Kraft, seine Fähigkeiten voll zu entfalten; er ist zu sehr mit dem Problem seines Selbstwertgefühls beschäftigt. Das kostet so viel Kraft, dass für außerordentliche Leistungen keine Energie und auch kein Mut mehr vorhanden sind. Prüfen Sie nun ein anderes Beispiel. Was halten Sie hier von der Selbstsicherheit? Zwei Freunde (Herr Schmidt und Herr Rall) unterhalten sich.

Schmidt: »Ich habe eine Gehaltserhöhung erhalten.«

Rall: »Das war bei dir aber langsam Zeit. Ich habe beim Chef schon vor drei Monaten für meine Abteilung eine Gehaltserhöhung durchgedrückt.«

Schmidt: »Und du selbst?«

Rall: »Ich kann in meiner Firma so viel verdienen, wie ich will. Die können einfach nicht auf mich verzichten. Ich verstehe doch in diesem Laden am meisten von Datenverarbeitung. Die wissen genau, dass mir noch ganz andere Positionen offen stehen würden.«

Schmidt: »Du bist ein Glückspilz. Du hast dich eben rechtzeitig auf Datenverarbeitung umgestellt.«

Rall: »Ohne Organisationstalent nützt das alles nichts. Ich kann eben gut logisch denken. Und das gibt mir einen Vorsprung. Da müssen die anderen früher aufstehen, bevor mir einer etwas vormachen kann.«

Was halten Sie von diesem Gespräch? Ist Herr Rall selbstbewusst? Auf den ersten Blick scheint es so, denn Herr Rall wirkt sogar sehr selbstsicher – keine Spur von Unsicherheit. Herr Rall besitzt jedoch kein ›gesundes‹ Selbstbewusstsein; er gibt sich nur nach außen selbstsicher. Seine ›Selbstsicherheit‹ ist nämlich nicht viel mehr als Angeberei – Herr Rall erinnert eher an einen Großsprecher, einen Maulhelden. Er trägt dick auf und will imponieren, um seine innere Unsicherheit zu kaschieren.

Sicherheit als Fassade

Würde Herr Schmidt an der Oberfläche kratzen, würde er sehr schnell bemerken, dass sein Freund Rall unsicher und ängstlich und seine Sicherheit eine vorgespielte Fassade ist. Aber Herr Schmidt hat auch nur ein schwaches Selbstbewusstsein. Deshalb gibt er sich sehr bescheiden und höflich. Er will seinen Freund Rall nicht verletzen, weil er dann eine Missstimmung befürchtet – und das würde sein Selbstbewusstsein stark beeinträchtigen. Mit einem Freund in Streit zu geraten hieße ja, sich selbst als ›unverträglich‹ zu zeigen. Das kann er nicht mit seinem Selbstbild vereinbaren. Für einen Streit ist er nicht selbstsicher genug.

Das Beispiel zeigt die Auswirkungen mangelnder Selbstsicherheit. Wahrscheinlich haben Sie in Ihrem Bekanntenkreis auch schon einmal solch ein Verhalten beobachtet. Herr Rall ist mit seinem Imponiergehabe jedenfalls ein Beispiel für ›falsches‹ Selbstbewusstsein. Nun soll ein Fall von ›richtigem‹ Selbstbewusstsein beschrieben werden.

Herr Melcher ist bei Bekannten eingeladen. Er ist selbständiger Graphiker. Die anderen zehn Personen sind Beamte und Angestellte. Da er längere Haare hat und sehr frei auftritt, wird er sofort skeptisch und vorsichtig betrachtet.

Im Laufe der Diskussion ist Herr Melcher ziemlich schweigsam. Er hört aufmerksam zu und interessiert sich für die Gespräche der anderen. Herr Schneider besitzt kein sehr großes Selbstbewusstsein. Das kaschiert er durch besonders forsches und dominierendes Auftreten. Die Schweigsamkeit von Herrn Melcher macht ihn etwas unsicher. Dagegen kämpft er an, indem er versucht, Herrn Melcher zu provozieren.

Schneider: »Warum sind Sie so schweigsam, Herr Melcher?«

Melcher: »Ich höre zu.«

Schneider: »Die Graphiker haben‹s alle faustdick hinter den Ohren. Arbeiten Sie auch für die Werbung?«

Melcher: »Ich illustriere Kinderbücher und mache auch ab und zu eine Ausstellung.«

Schneider: »Sind Sie auch so ein Scharlatan wie die anderen modernen Künstler?«

An dieser Stelle könnte sich Herr Melcher ärgern. Wenn er ein geringes Selbstbewusstsein hätte, würde er unsicher werden durch die Provokationen des Herrn Schneider. Seine Unsicherheit könnte in ihm verschiedene Reaktionen auslösen, beispielsweise Demut, Resignation oder Aggressivität.

Da Herr Melcher jedoch ein tief verwurzeltes Selbstbewusstsein besitzt, wird er nicht unsicher, sondern bleibt sachlich und versucht, Herrn Schneider von seiner falschen Gesprächstaktik abzubringen. Er antwortet: »Wenige moderne Künstler sind Scharlatane. Für solche Zeitgenossen gibt es günstigere Gebiete, auf denen sie durch ihre Scharlatanerie erfolgreich sind und mehr Geld verdienen als auf dem Gebiet der Kunst.« Schneider: »Aber viele moderne Kunstwerke sind für mich einfach Blödsinn.«

Die Gefahr ist gebannt. Herr Schneider greift Herrn Melcher nicht mehr direkt an, sondern gibt jetzt eine Meinung von sich, über die diskutiert werden kann.

Herr Melcher hat aufgrund seiner Selbstsicherheit einen Angriff, der auf ihn persönlich gezielt war, ohne Spannungen abwehren können. Sein Selbstwertgefühl war so stabil, dass er sachlich reagieren konnte.

Vielleicht sind Sie von der Antwort Herrn Melchers sogar etwas enttäuscht. Sie ist weder witzig noch besonders schlagfertig. Herr Schneider ›bekam es auch nicht heimgezahlt‹. Wenn Sie eine solche Antwort insgeheim erwartet haben, zeigt das Ihre eigene Unsicherheit. Denn der Unsichere will stets triumphieren, er will Macht über die anderen gewinnen, er muss sein Selbstwertgefühl ständig durch Überlegenheit bestätigt sehen. Das aber ist keine ›richtige, gesunde‹ Selbstsicherheit. Der wirklich Selbstsichere muss nicht stets überlegen sein. Er kann anderen Menschen ohne Angst begegnen. Sein eigener Wert wird durch die Reaktionen der anderen nicht angetastet.

Die Angst vor sich selbst

Es gibt viele Arten der Angst. Die heimtückischste ist die Angst, die man vor sich selbst hat. Die Angst vor einem bestimmten Menschen oder die Angst vor einer drohenden Gefahr, wie zum Beispiel vor einer Feuersbrunst, sind klare Ängste, die sich gut beim Namen nennen lassen und dadurch an Schrecken bereits etwas verlieren.

Die Angst vor der eigenen Persönlichkeit ist schwieriger zu durchschauen und deshalb auch schwerer zu bekämpfen. Angst vor sich selbst hat der Selbstunsichere. Selbstbewusste Menschen haben diese Angst selten. Warum hat der unsichere Mensch Angst vor sich selbst? Der Unsichere wird mit sich selbst nicht richtig fertig. Er ist sich selbst ein Rätsel und hat keinen Mut, dieses Rätsel zu lösen.

Expansionsdrang

Die Selbstsicherheit hängt mit dem Expansionsdrang zusammen. Der Unsichere ist gehemmt, er kann seinen Expansionsdrang nicht entfalten. Der Expansionsdrang gliedert sich nach den Erkenntnissen des Arztes Dr. Schultz-Hencke in drei Gebiete:

•Besitzstreben,

•Sexualstreben,

•Geltungsstreben.

Es gibt Personen, die nur auf einem oder zwei Gebieten gehemmt sind. Viele sind jedoch auf allen drei Gebieten mehr oder weniger stark gehemmt. Der gehemmte Mensch hat Angst vor den Strebungen, die aus der Tiefe seiner Seele hochsteigen. Er fühlt sich von ihnen beherrscht und hat Angst, ihnen zu unterliegen.

Ein Beispiel für die Hemmung des Sexualstrebens soll zeigen, welchen Schaden die Angst vor den eigenen Impulsen und Strebungen anrichten kann.

Frau Liblar ist seit fünf Jahren verheiratet. Durch ihre Eltern hat sie auf dem Gebiet der Sexualität keine freie Erziehung erfahren. Außerdem war sie ein Einzelkind und wurde von ihren Eltern sehr behütet. Von dem ersten Mann, der sie nach monatelangem Werben zu sexuellem Verkehr brachte, bekam sie sofort ein Kind. Eine Abtreibung wurde aufgrund ihrer strengen Erziehung nicht erwogen; der Mann wollte sie auch heiraten. Die Gefühle für diesen Mann hielt Frau Liblar für Liebe, obwohl ihr die Verbindung weder sexuell noch seelisch besondere Glücks- und Geborgenheitsgefühle verschaffte.

Während der fünfjährigen Ehe verschlechterte sich ihre sexuelle Beziehung. Die kameradschaftliche Verbindung vertiefte sich jedoch, da ihr Mann charakterlich nicht schwierig war und sie sich seinen Wünschen leicht unterordnen konnte. Im Urlaub lernte Frau Liblar einen Mann kennen, der sie sexuell sehr stark erregte. Zum ersten Mal meldete sich ihre sexuelle Strebung mit voller Heftigkeit. Außerdem entwickelte Frau Liblar zu diesem Mann eine starke seelische Bindung, sodass sie zum ersten Mal in ihrem Leben wirklich liebte.

Lösungen des Problems

Wie ist diese Geschichte ausgegangen? Es gibt zwei des grundsätzliche Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit wäre die ungehemmte, selbstbewusste und richtige Lösung gewesen.

•Frau Liblar steht zu ihrer Liebe und lässt sich von ihrem Mann scheiden. Sie beginnt eine neue Ehe, die sie glücklich macht.

•Frau Liblar konnte den ersten Weg aufgrund ihres gehemmten Sexualstrebens nicht gehen. Die Angst vor dem Ausbruch ihrer unterdrückten Sexualität ließ sie zurückschrecken. Sie hatte nicht genug Selbstsicherheit, ihre Sexualität und ihre Gefühle zu entfalten. In Zukunft vermied Frau Liblar sogar jede Möglichkeit, mit einem Mann allein ein Gespräch zu führen. Sie hatte Angst davor, sich jemals wieder in einen Konflikt dieser Art zu bringen. Ihre Sexualstrebung blieb bis zum Ende ihres Lebens gehemmt. Sie lernte nie eine glückliche und befreiende Sexualität kennen.

Das Beispiel von Frau Liblar ist nichts Besonderes. Die meisten Ehen sind unglücklich und bleiben trotzdem erhalten, wenn einer oder beide Partner eine Hemmung des Sexualstrebens besitzen.

Persönlichkeitsmodell von S. Freud

Um die Angst vor der eigenen seelischen Struktur besser zu verstehen, ist das Persönlichkeitsmodell von Sigmund Freud, dem Begründer der Psychoanalyse, sehr nützlich.

Er unterscheidet drei Instanzen, die das Verhalten beeinflussen: das ES, das ICH und das ÜBER-ICH.

Das ES ist die elementarste Schicht; von hier aus entfaltet sich beispielsweise der Sexualtrieb. Das ICH ist für die Anpassung an die Forderungen der Realität und der Umwelt zuständig. Das ICH entscheidet also, ob sexuelle Strebungen entfaltet werden sollen. Das ICH kann jedoch nicht völlig frei entscheiden, da es unter dem Einfluss des ÜBER-ICH steht. Das ÜBER-ICH ist das Gewissen und repräsentiert die Normen der jeweiligen Gesellschaft und Kultur.

Das ICH jedes Menschen wird also von drei Seiten beeinflusst: vom ES (beispielsweise mit sexuellen Wünschen), vom ÜBER-ICH mit seinen programmierten Moralanschauungen und von der Umwelt mit ihren augenblicklichen Forderungen. – So wird das ICH von drei Seiten beeinflusst:

Das ICH kämpft in Freuds Modell mit zwei seelischen Instanzen (ES, ÜBER-ICH) und der Realität. Natürlich bleibt das ICH nicht immer Sieger. Ein markanter Satz von Freud lautet deshalb resignierend: »Der Mensch ist nicht Herr im eigenen Haus.«

Der Mensch hat Angst vor den Strebungen aus seiner ES-Schicht, fürchtet sich davor, ihnen zu unterliegen (siehe den Fall Frau Liblar), weil das Gewissen (ÜBER-ICH) eine Befriedigung – hervorgerufen etwa durch eine prüde Erziehung – nicht zulassen will. Diese Angst vor der Expansion der Strebungen führt zur Gehemmtheit. Die Gehemmtheit bleibt natürlich nicht ohne Folgen. Die Unterdrückung der Sexualstrebung führt im schlimmsten Fall zu einer Neurose (seelische Störung) und zu körperlichen Beschwerden (häufige Kopfschmerzen, Schlaflosigkeit, Hand- und Fußschweiß, Magenschmerzen, Herzklopfen usw.). Die Unterdrückung irritiert aber vor allem auf unbewusstem Wege die Selbstsicherheit.