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Die 18-jährige Anna kann es nicht fassen: Eigentlich wollte sie nur gemeinsam mit ihren Freunden das Feriencamp genießen, da wird sie Hals über Kopf von einem Formwandler in Gestalt eines Fuchses in die fremde Welt Moluur entführt. Völlig entgeistert erfährt sie, dass sie eigentlich Prinzessin Blianna aus dem Hause Lentis ist. Laut einer Prophezeiung soll sie die verfeindeten Clans in Moluur vereinen und als Königin ein neues Zeitalter einleiten. Doch Anna gerät in die Fänge des kaltherzigen Prinzen Shilar und soll ihn heiraten, um so seinen Herrschaftsanspruch zu festigen. Zum Glück gelingt es seinem Konkurrenten, dem charismatischen Prinzen Aiden, Anna zu befreien. Sie glaubt, Shilar entkommen zu sein, als dieser jedoch ein teuflisches Druckmittel offenbart: Er hat Annas Freunde aus der Menschenwelt in seiner Gewalt. Anna ist hin- und hergerissen. Mithilfe eines gewagten Plans versucht sie, ihre Freunde zu retten.
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Veröffentlichungsjahr: 2016
Die AutorinJennifer Heine, geboren 1987 in Leverkusen, zog 2006 ins schöne Münsterland. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Pferdewirtin und arbeitete danach an der Dortmunder Rennbahn als Reiterin. 2009 erblickte ihr Sohn das Licht der Welt. Die Pferdeliebhaberin schulte um zur Bürokauffrau und arbeitet seitdem in einem Bauunternehmen als Buchhalterin. Gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten und ihrem Sohn wohnt die Autorin heute im Leverkusener Stadtteil Schlebusch. Schreiben bedeutet für sie, mit jedem Wort in eine andere Welt einzutauchen und ihrer Phantasie freien Lauf zu lassen. Am liebsten liest sie Fantasy-Geschichten mit Herzblut und historische Romane.
Das BuchEine unschuldige Prinzessin in den Fängen eines machthungrigen Prinzen Die 18-jährige Anna kann es nicht fassen: Eigentlich wollte sie nur gemeinsam mit ihren Freunden das Feriencamp genießen, da wird sie Hals über Kopf von einem Formwandler in Gestalt eines Fuchses in die fremde Welt Moluur entführt. Völlig entgeistert erfährt sie, dass sie eigentlich Prinzessin Blianna aus dem Hause Lentis ist. Laut einer Prophezeiung soll sie die verfeindeten Clans in Moluur vereinen und als Königin ein neues Zeitalter einleiten. Doch Anna gerät in die Fänge des kaltherzigen Prinzen Shilar und soll ihn heiraten, um so seinen Herrschaftsanspruch zu festigen. Zum Glück gelingt es seinem Konkurrenten, dem charismatischen Prinzen Aiden, Anna zu befreien. Sie glaubt, Shilar entkommen zu sein, als dieser jedoch ein teuflisches Druckmittel offenbart: Er hat Annas Freunde aus der Menschenwelt in seiner Gewalt. Anna ist hin- und hergerissen. Mithilfe eines gewagten Plans versucht sie, ihre Freunde zu retten.
Jennifer Heine
Die Lilienprinzessin
Fantasyroman
Forever by Ullsteinforever.ullstein.de
Originalausgabe bei Forever. Forever ist ein Digitalverlag der Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin September 2016 (1) © Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2016 Umschlaggestaltung: ZERO Werbeagentur, München Titelabbildung: © FinePic® Autorenfoto: © privat ISBN 978-3-95818-136-6 Hinweis zu Urheberrechten Sämtliche Inhalte dieses E-Books sind urheberrechtlich geschützt. Der Käufer erwirbt lediglich eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf eigenen Endgeräten. Urheberrechtsverstöße schaden den Autoren und ihren Werken, deshalb ist die Weiterverbreitung, Vervielfältigung oder öffentliche Wiedergabe ausdrücklich untersagt und kann zivil- und/oder strafrechtliche Folgen haben. In diesem E-Book befinden sich Verlinkungen zu Webseiten Dritter. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass sich die Ullstein Buchverlage GmbH die Inhalte Dritter nicht zu eigen macht, für die Inhalte nicht verantwortlich ist und keine Haftung übernimmt.
»Los, los, Kinder. Raus mit euch!«, Mrs Millers Stimme dröhnte aus den Lautsprechern des Busses und trieb die jungen Menschen vor mir gnadenlos zur Eile. Ich warf einen Blick auf die Person auf dem Sitz neben mir, und beobachtete für einen kurzen Augenblick meine beste Freundin Nele, die seelenruhig weiterschlummerte. Auch als ich sie anstupste, reagierte sie kaum. Dennoch musste ich es weiter versuchen, denn Mrs Miller war leicht reizbar. »Nel! Verdammt, werd wach und schnapp dir deine Tasche«, zischte ich leise, doch sie rührte sich nicht. »Nel …«, setzte ich abermals an, wurde jedoch von Mrs Miller unterbrochen.
»Ms Johnsen, würden Sie bitte aufstehen und den Bus verlassen? Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«
Wie von der Tarantel gestochen schoss meine beste Freundin in ihrem Sitz hoch, schnappte sich ihre Tasche und verließ den Bus, ohne mich anzusehen. Kopfschüttelnd nahm ich meine eigene Tasche, hing sie mir über die Schulter und folgte ihr nach draußen.
Als ich aus dem Bus trat, umfing mich sofort die beruhigende Atmosphäre des Waldes. Im Gegensatz zu der Stadt, in der wir lebten, war es hier totenstill – keine Autos, kein Gehupe, einfach das pure Nichts. Lediglich das Gekreische der Jungen und Mädchen um mich herum störte die Harmonie, ebenso wie der laufende Motor des Reisebusses, der seine Abgase in die Natur stieß. Doch dieser würde bald verschwinden.
Ich atmete tief aus und gab mir Mühe, alles um mich herum so weit auszublenden, dass ich nur noch die Geräusche des Waldes wahrnahm. Dann ging ich zu Nele und stellte mich neben sie.
»Warum hast du mich nicht geweckt?« Sie rammte mir ihren Ellenbogen in die Seite, kaum dass ich neben ihr zum Stehen kam. Ich zuckte bloß mit den Schultern und ignoriere ihre bissige Ader, die gerade wieder einmal in vollem Ausmaß in Erscheinung trat. Es war sinnlos, in solchen Situationen mit ihr zu diskutieren, denn das würde sie nur weiter anstacheln. Genau das hatte ich in den letzten zehn Jahren unserer Freundschaft gelernt. Nele war stur, rechthaberisch und trotz ihres glamourösen Auftretens ein richtiger Trampel. Dennoch war sie meine beste Freundin und ich liebte sie wie eine Schwester.
»Anna, Mensch! Schau doch mal, wer wieder da ist!«
Ich kniff die Augen zusammen. Wieder stieß sie ihren Ellenbogen in meine Richtung, doch dieses Mal fing ich ihn ab, ehe sie mich treffen konnte. »Lass den Scheiß, klar? Ich bin nicht aus Stein. Sag mir lieber, wen du meinst?«, sagte ich so leise wie möglich, denn Mrs Miller hielt wieder ihre berühmte Willkommen im Camp-Rede, bei der sie unter gar keinen Umständen unterbrochen werden sollte.
Nele deutete auf einige Jungs, die etwas abseits der Menge zusammenstanden, und ich folgte ihrem Fingerzeig. »Da sind Thomas und Matthew.«
Wieder zuckte ich mit den Schultern. Jungs interessierten mich nicht. Jedes Mädchen in unserer Schule hatte bereits einen festen Freund, nur mich ließ das andere Geschlecht vollkommen kalt. Nele war im Gegensatz zu mir ein wahrer Magnet, was Jungs betraf. Mit ihrem langen hellbraunen Haar und den braunen Augen verkörperte sie alles, was sie benötigte, um als klassische texanische Südstaaten-Schönheit durchzugehen. Ihre Klamotten waren immer vom Feinsten und ungeschminkt verließ sie erst gar nicht das Haus. So war es schon damals gewesen, als wir uns vor zehn Jahren hier im Camp kennengelernt hatten.
Die damals achtjährige Nele wurde wegen ihrer Designergummistiefel gehänselt, und als sie weinend in ihrem Zelt verschwand, war ich ihr gefolgt. Ich hatte ihr einen meiner Discounterstiefel gegeben und mir dafür einen von ihr über den Fuß gezogen. Von diesem Tage an waren wir beide unzertrennlich. Dass wir in derselben Stadt wohnten, erfuhren wir erst nach dem Camp, und dass wir dieselbe Schule besuchten, war auch mehr als ein glücklicher Zufall.
»Ms Kerrigan und Ms Johnsen, ihr beide bezieht wie im letzten Jahr Hütte Nummer vier.«
»Yes!«, stieß Nele siegreich hervor und streckte mir ihre hochgehaltene Hand entgegen. »Ghettofaust, meine Liebe, Ghettofaust!«
Grinsend schlug ich ein. Dabei passte Ghettofaust so gar nicht zu Neles kecker Art.
»Komm, wir holen uns unser restliches Gepäck.« Schon hatte sie mich gepackt und zum Bus geschleift, vor dem unsere Koffer und Reisetaschen nebeneinander standen. Zielsicher griff ich nach meiner blauen verschlissenen und uralten Reisetasche, und auch Nele fand Kleiderschrank ausnahmsweise gleich auf Anhieb. Manche Dinge änderten sich eben nie. Wie in den vergangenen Jahren wunderte ich mich darüber, wie viele Klamotten sie mitschleppte. Ihr Reisekoffer wurde von mir daher liebevoll Kleiderschrank genannt.
Während sich Nele abmühte, ihr Hab und Gut durch die Massen von Jungen und Mädchen zu ziehen, sah ich mich nach unserer Hütte um.
Das Camp befand sich etwa drei Stunden nordöstlich von Dallas am Rand des Ouachita National Forest im Zentrum des Bundesstaates Arkansas. Der typische Kiefern-Eichen-Wald war rund um das Camp so dicht bewachsen, dass die Sonne kaum eine Chance hatte, durch die dichten Kronen hindurch zu brechen. Die einzige Lichtung befand sich dort, wo unsere Hütten standen. Als das Camp vor mehreren Jahren errichtet wurde, waren die hochgewachsenen Kiefern gefällt und damit für uns Jugendliche ein Ort gezaubert worden, an dem wir uns wohlfühlen konnten. Zwölf gemütliche Holzhütten und die große Gemeinschaftshütte sorgten dafür, dass die Vegetation rund um das Camp weiterhin ihren natürlichen Gang nehmen konnte. Vom ersten Tag an hatte ich mich hier wohl gefühlt und schon nach meinem ersten Sommer im Camp hatte ich gewusst, dass es nicht der letzte sein würde.
Schnaufend kam Nele neben mir zum Stehen. »Ich kann jetzt schon nicht mehr.«
»Du hättest nicht so viel einpacken sollen, Sweetheart. Jedes Jahr sag ich dir dasselbe. Doch hörst du jemals auf mich?« Fragend hob ich eine Augenbraue.
Nele schüttelte erschöpft den Kopf. »Nein.«
»Dann bist du selbst schuld.« Ich schulterte meine Tasche und lief los. Aus dem Augenwinkel sah ich meiner Freundin dabei zu, wie sie sich weiterhin abmühte, und konnte mir ein schadenfrohes Grinsen nicht verkneifen. Aber wie war das noch gleich? Ich hätte genauso gut mit einem Baum sprechen können. Im Endeffekt wäre dasselbe dabei herausgekommen, nämlich genau das Gegenteil von dem, was ich meinte.
So nahm ich die zwei Stufen von Hütte Nummer vier auf einmal, öffnete die Tür und blieb wie vom Blitz getroffen stehen. Mit einem Mal kochte mein Blut, als würde flüssige Lava durch meine Adern und Venen hindurchrinnen und ich traute meinen Augen kaum. Das konnte doch unmöglich echt sein. Zwei-, dreimal kniff ich die Augen feste zusammen, und als ich sie ein letztes Mal öffnete, war der Flur vor mir leer, und die Erkenntnis, dass ich wirklich durchgeknallt war, zum Greifen nahe.
»Was ist los, Anna?«
Ich drehte mich zu Nele um, die nun dicht hinter mir stand. »Ich dachte, ich hätte gerade einen Fuchs gesehen. Hier im Flur!«
Nele lachte. »Das fängt ja gut an. Weißt du noch, als du letztes Jahr meintest, die Raben würden mit dir sprechen? Und das Jahr davor, als du nicht reiten wolltest, weil das Pferd dir gesagt hat, es habe Rückenschmerzen? Und davor …«
Ich hob die Hand und unterbrach meine Freundin. »Ja, ja. Ist ja schon gut. Ich hab verstanden.«
Nele seufzte resigniert. »Ich weiß, dass du einen super Draht zu Tieren hast, aber ernsthaft, Anna, du solltest das Camp dieses Jahr definitiv zum Entspannen nutzen, ehe das College losgeht!« Sie schob sich an mir vorbei in unser Zimmer und ließ Kleiderschrank mitten im Eingang stehen. Dann warf sie sich aufs Bett und seufzte laut. »Ich jedenfalls werde die nächsten drei Wochen genießen und ich rate dir dringend, dass du das ebenfalls machst!«
Nachdem wir schweigend unsere Kleidung in den Schränken verstaut hatten, zogen wir die Campkleidung über, die jeder Teilnehmer auf seinem Bett liegen hatte: ein hellbraunes Poloshirt und eine dazu passende dunkelbraune kurze Hose, beides mit dem Camplogo und unserem Namen bestickt. Dieses Outfit mussten wir während des Tages und während aller Aktivitäten, die das Campleben betrafen, tragen. Anschließend band ich mir meine hellblonden Haare zu einem hochsitzenden Pferdeschwanz und schlüpfte in meine ausgelatschten flachen Sommersneakers. Noch nie hatte ich mich großartig um mein Äußeres gekümmert, weil es mir einfach egal war. Für mich waren andere Dinge wie Freunde, Ehrlichkeit und meine Familie wichtiger als Kleidung und Make-up.
Als ich einen Blick auf Nele warf, musste ich lachen. Sie hatte ihr Campoutfit aufgepimpt und nun schmeichelte es ihrer schlanken Figur ungemein. Dennoch würde sie aus allen anderen hervorstechen wie eine exotische Frucht. Sie war eben das genaue Gegenteil von mir.
»Was?«, fragte sie achselzuckend. »Dieses Jahr muss mich Matthew einfach beachten!« Sie warf ihre langen Haare elegant zurück und setzte ihr verführerischstes Lächeln auf.
»Komm runter, Träumerle. Ich hab Hunger und ich will mich für die Aktivitäten eintragen.« Ich öffnete die Tür und ging, ohne auf sie zu warten, nach draußen.
Auf dem kreisrunden Platz vor unserer Hütte tummelten sich bereits etwa zwanzig andere Mädchen und Jungen. Das Alter der Campbewohner lag zwischen acht und achtzehn Jahren, somit zählten Nele und ich in diesem Jahr zu den Ältesten und hatten mehr Freiheiten als die Jüngeren. Was nicht bedeutete, dass wir machen durften, was wir wollten. Ganz im Gegenteil.
»Nimmst du wieder Reiten?«, wollte Nele wissen, nachdem sie mich wider Erwarten schnell eingeholt hatte.
»Ich weiß nicht. Vielleicht. Eigentlich hatte ich vor, dieses Jahr etwas Kreatives zu machen.«
Nele brach sofort in schallendes Gelächter aus, was einige der Umstehenden dazu brachte, sich zu uns umzudrehen.
»Ernsthaft? Anna! Du bist die mit den zwei linken Händen. Die ungeschickteste Person, die ich kenne.«
Ich warf ihr einen bösen Blick zu und hoffte, dass dieser Antwort genug sei. Doch sie lachte weiter.
»Ach, komm schon, lass mir doch auch mal meinen Spaß«, kicherte sie.
Eingeschnappt drehte ich um und ging in Richtung der Haupthütte.
»Och, Anna. Komm schon. Du weißt doch, dass ich dich lieb habe.«
Weiterhin ignorierte ich meine beste Freundin und griff mir einen der Flyer, in denen die diesjährigen Aktivitäten angepriesen wurden. Malen, Bogenschießen, Football, Reiten und, und, und. Wie sollte ich mich da entscheiden können? In den letzten Jahren hatte ich mir hauptsächlich mit Sport die Zeit vertrieben. Zu allem, wozu ich meinen Kopf benötigte, hatte ich den größtmöglichen Abstand gehalten. Mit Kopfsachen hatte ich so meine Probleme.
»Ännnnaaa Banäännaaa!«, quengelnd zog Nele meinen Spitznamen in die Länge. Ich drehte mich zu ihr um und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Es tut mir leid, okay?«
Gespielt beleidigt drehte ich den Kopf zur Seite und zuckte mit den Schultern. »Okay.«
Nele stieß einen spitzen Freudenschrei aus und umschlang mich mit ihren Armen. Verdammt. Ich konnte ihr einfach nie wirklich böse sein. »Du bist die Beste!«
Vorsichtig löste ich ihre Arme aus meinem Nacken. »Also, welcher Gruppe willst du beitreten?«
Nele nahm sich meinen Flyer. »Ich mache dort mit, wo auch Matthew mitmacht, ist doch klar.«
Ich verdrehte die Augen. Ging es noch ungenauer? »Und wo macht Matthew mit?«, fragte ich entsprechend missmutig. Wirklich, dass ich ihr immer alles aus der Nase ziehen musste, ging mir langsam, aber sicher auf die Nerven.
»Ich denke, dass er wie im letzten Jahr Football wählt.«
Ich warf einen Blick über ihre Schulter und winkte Matthew zu uns, der nun ebenfalls umgezogen aus seiner Hütte trat. »Fragen wir ihn doch einfach.«
Nele wurde bleich und drehte sich langsam zu ihm um. Als sie ihn erblickte, wechselte ihre Gesichtsfarbe schlagartig von weiß zu knallrot und sie strich sich verlegen die Haare aus der Stirn.
»Hey, Anna. Alles fresh?«
Ich lächelte und schloss Matthew in die Arme. »Klar, alles super. Wie war das Jahr ohne uns?«
Er fuhr sich mit einer Hand durch sein dichtes schwarzes Haar. »War ganz okay. Aber ich hab euch echt vermisst.« Jetzt fiel sein Blick auf Nele und sein Mund verzog sich zu einem verführerischen sexy Lächeln. »Hey, Nel.«
»Matt.«
Ich verdrehte die Augen. »Nun los. Macht schon!«
Matthew warf mir einen fragenden Blick zu und Neles Ellenbogen traf mich unsanft in die Seite.
»Das geht doch schon seit vorletztem Jahr so«, erklärte ich. »Ihr schmachtet euch an, doch keiner wagt den ersten Schritt.« Ich machte eine ausholende Handbewegung. »Nun los, umarmt euch, küsst euch, liebt euch!«
Ehe einer der beiden protestieren konnte, drehte ich mich um und ließ sie an Ort und Stelle stehen. Vor der großen Gemeinschaftshütte traf ich auf Thomas, der mir einen fragenden Blick zuwarf und auf Matt und Nele deutete.
»Wie hast du das angestellt?«
»Ich hab ihnen freundlich mitgeteilt, dass ich unter gar keinen Umständen ein weiteres Jahr Lust darauf habe, mir ihre Turtelei anzusehen.«
Thomas lachte laut. »Gut gemacht, Anna. Matt lag mir in den letzten Wochen ständig mit Nele in den Ohren. Ich hatte wirklich Angst, ich müsste dieses Jahr schon wieder mit einem geknickten besten Freund heimfahren.« Er räusperte sich. »Und? Was machen wir zwei, während sich die beiden amüsieren?«
Ich zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht. Eigentlich wollte ich dieses Jahr mal etwas Neues ausprobieren.«
»Das trifft sich gut. Ich nämlich auch. Irgendwas Kreatives.«
Meine Stirn kräuselte sich argwöhnisch. »Ernsthaft?«
Thomas nickte. »Ernsthaft. Malen oder mit den Jüngeren basteln.«
»Dann lass uns doch mal schauen.«
Gemeinsam sahen wir uns die verschiedenen Stände in der großen Halle an, und hörten den Teamern zu, die uns etwas über die einzelnen Aktivitäten berichteten. Nachdem wir uns entschieden hatten, setzten wir uns zufrieden mit einem kalten Eistee in der Hand auf die Stufen vor dem Gebäude.
»Tja, doch wieder etwas Sportliches.«
»Jo. Hab auch etwas anderes erwartet.«
Ich hatte mich letztendlich für Bogenschießen und Schnitzen entschieden. Thomas nahm ebenfalls Bogenschießen und wie Matt Football.
»Was wohl Matt und Nele machen?«
»Keine Ahnung. Ich geh mich jetzt vor dem Essen nochmal frisch machen. Wir sehen uns dann später.« Ich erhob mich und machte mich auf den Weg zu unserer Hütte.
***
Nach dem Abendessen zog ich mich hinter unsere Hütte zurück. Den ersten Abend im Camp verbrachte ich meist alleine in der Natur. Das war für mich in den letzten Jahren zu einem festen Ritual geworden. Ich genoss die Stille, und die Minuten nach dem Abendessen gehörten zu den wenigen an denen die anderen Camper zufrieden und ruhig in ihren Zimmern saßen. Es waren die wenigen Minuten, in denen das Camp nicht von kreischenden und lachenden Kindern dominiert wurde.
Da Nele, Matt, Thomas und ich zu den Älteren zählten, wurden wir dem Wachdienst zugeteilt. Zwar glaubte ich nicht daran, dass hier irgendetwas bewacht werden musste, aber so waren nun mal die Regeln. Thomas und Matt waren heute Abend die Ersten und Nele begleitete die beiden. Sie hatte mich erst gar nicht gefragt, ob ich ebenfalls mitkommen würde, denn ich hätte so oder so nein gesagt.
Fröstelnd zog ich mir eine dünne Decke über die Schultern und winkelte meine Knie an. Es war eine stille Nacht in der nur das Rascheln der Blätter und das Rauschen des nahegelegenen Baches zu hören war. Ein Rascheln klang jedoch nicht, als würde es von Blättern erzeugt werden, und ließ mich daher aufhorchen. Ich konzentrierte mich auf das Geräusch und konnte es direkt mir gegenüber zwischen den Büschen ausmachen. Mit den Augen suchte ich das dunkle Gebüsch ab, doch konnte zunächst nichts erkennen. Erst als sich darin tatsächlich etwas bewegte, zuckte ich erschrocken zusammen. Meine Schultern bebten vor Anspannung und ich wäre beinahe von den Stufen gefallen, als ein Fuchs durch die Blätter trat.
Er setzte sich wenige Meter von mir entfernt auf die Hinterpfoten und starrte mich an, während seine Rute hin und her zuckte. Wirklich. Der Fuchs starrte mich aus braunen Augen heraus fragend an. Normalerweise kam ich gut mit Tieren klar, hatte so etwas wie einen sechsten Sinn, daher wusste ich auch, dass dieser Fuchs kein gewöhnliches Tier war. Er war größer als die Füchse, die ich kannte. Ebenso war generell bekannt, dass Füchse scheue Tiere waren. Dieser hier jedoch saß vor mir und betrachtete mich, als würde er mich kennen. Von Panik und Argwohn keine Spur. Dass er hier im Nationalpark war, verwunderte mich ebenfalls. Hier lebten nämlich eigentlich keine Füchse.
»Hey, mein Schöner. Genießt du auch den schönen Abend?«, fragte ich ihn. Da ich keine Antwort erwartete, lehnte ich mich zurück und schloss die Augen.
»Nein, eigentlich nicht. Es ist viel zu kalt. Außerdem bin ich hier, um Euch mitzunehmen, Ms Anna.«
Ich riss die Augen auf und sah mich um. »Wer hat das gesagt? Wer ist da?«
»Na ich!«, kam es aus der Richtung, in welcher der Fuchs saß.
»Oh Mann, jetzt werde ich auch noch verrückt.«
»Nein, werdet Ihr nicht.«
Meine Augen hefteten sich auf den Fuchs. »Hast du gerade mit mir gesprochen?«
Er nickte, wobei er leicht amüsiert mit den Ohren zuckte. »Ja, das habe ich.«
Erschrocken versteifte ich mich. »Jetzt drehe ich voll durch.«
Der Fuchs erhob sich und überbrückte mit zwei Sätzen den Abstand zwischen uns. »Ms Anna, Ihr werdet nicht verrückt. Mein Name ist Fox und ich bin gekommen, um Euch nach Hause zu bringen. Zurück in Eure Heimat Moluur.«
Schnell sprang ich auf die Beine und versuchte, den größtmöglichen Abstand zwischen mich und den Fuchs zu bringen. »Oh, nein, nein, nein. Irgendwas läuft hier gerade schief. Du verarschst mich doch, oder? Ich bin in Dallas zu Hause!«
»Ms Anna, beruhigt Euch doch.«
Mein Verstand setzte aus und ich lachte hysterisch auf. »Ein Fuchs, der mit mir redet. Ich glaube, ich spinne!«
»Ms Anna.«
»Und der Fuchs hat sogar Ahnung davon, was Anstand bedeutet«, wisperte ich. War es wieder ein Streich meiner Phantasie oder existierte das sprechende Tier wirklich?
»Ms Anna. Bitte! Hört mir zu!«, herrschte mich der Fuchs mit dem einfallslosen Namen Fox an und stoppte damit meine aufkommende Hysterie abrupt. Wieder heftete sich mein Blick auf ihn. Er atmete tief durch und ich musste plötzlich kichern, weil seine Ohren dabei so merkwürdig wackelten.
Er warf mir jedoch lediglich einen bösen Blick zu, ohne auf mein Kichern einzugehen. »Ms Anna. Wir müssen uns beeilen. Das Portal bleibt nicht mehr lange offen und Prinz Shilar erwartet Euch bereits.«
»Du bist wirklich echt?«, fragte ich, noch immer an meinem Verstand zweifelnd, und streckte die Hand nach ihm aus.
Der Fuchs verdrehte die Augen und trat einen Schritt zurück. »Ms Anna …«
»Einfach nur Anna«, unterbrach ich ihn.
»Anna. Wir müssen jetzt wirklich los.« Er klang plötzlich sehr drängend und seine Rute zuckte nervös.
»Aber wohin?«
»Wir müssen nach Moluur. Wie ich bereits sagte, erwartet Prinz Shilar Eure Anwesenheit.«
Verwirrt schüttelte ich den Kopf. Ja, es stand fest: Mein Verstand setzte jetzt vollkommen aus. Wieso sollte ich sonst mit einem Fuchs sprechen können? Oder war ich vielleicht doch eingeschlafen und träumte? Wenn ich wirklich träumte, war es ein merkwürdiger Traum, doch weil es für mich das Logischste war, nahm ich an, dass es so war. Also beschloss ich kurzerhand, dem Fuchs zu folgen. »Also gut. Muss ich irgendwas mitnehmen?«
Fox entspannte sich ein wenig. »Nein, in Moluur werdet Ihr alles vorfinden, was Ihr benötigt. Wir sollten uns jetzt aber auf den Weg machen.« Sein Blick verfinsterte sich, als er sich erhob und in Richtung Wald deutete. »Kommt, Anna. Hier geht es lang.«
Ich folgte ihm durch das Gebüsch und war erstaunt, als dahinter ein helles Licht erschien. Es sah aus wie ein großer Kreis aus Neonröhren und in seinem Inneren drehte sich eine Spirale aus flüssigem Gold und Silber. Das war also das Portal, von dem er gesprochen hatte. Ich musste zugeben, dass ich wirklich merkwürdige Träume hatte. »Da müssen wir durch?«
Fox nickte. »Genau. Wollt Ihr zuerst?«
»Wie soll ich es machen? Einfach reinlaufen oder eher rennen, wie bei Harry Potter und dem Gleis neundreiviertel?«
Fox legte den Kopf schief. »Was ist ein Gleis neundreiviertel?«
»Du kennst Harry Potter nicht?« Fassungslos starrte ich den Fuchs an. Wie konnte es sein, dass meine Traumgestalt Harry Potter nicht kannte?
Er schüttelte den Kopf. »Lauft einfach darauf zu und haltet nicht an. Das ist alles.«
»Okay. Also doch wie bei Harry Potter«, murmelte ich leise und setzte vorsichtig ich einen Fuß vor den anderen. Als meine Zehenspitzen die ersten Wirbel berührten, kribbelte es, und ich musste ein Lachen unterdrücken. Ich wagte mich weiter vor und genau in dem Moment, als ich mit einem Bein im Portal stand, rief jemand meinen Namen.
»Anna? Anna? Wo bist du?«
Es war Nele und da wurde mir schlagartig bewusst, dass ich nicht träumte. Dass das hier der Realität entsprach. Dass ich kurz davor stand, in ein Portal zu steigen und dass das Tier neben mir wirklich mit mir gesprochen hatte. Panisch wollte ich einen Schritt zurückweichen, doch Fox ahnte es bereits und sprang mich von hinten an, so dass wir gemeinsam durch das Portal fielen. Als mein Körper von den goldenen und silbernen Wirbeln umschlossen wurde, nahm das Kribbeln zu und alles um mich herum wurde schwarz.
***
Als ich wieder zu mir kam, zwitscherten um mich herum Vögel und selbst durch meine geschlossenen Lider konnte ich erkennen, dass die Sonne hoch am Himmel stand. Wie lange war ich ohnmächtig gewesen? Und viel wichtiger: Wo zur Hölle war ich?
»Wann wird sie erwachen?«, flüsterte eine weibliche Stimme links neben mir und ich unterdrückte den Drang zusammenzuzucken. »Ich meine, sie schläft schon, seit ihr durch das Portal gekommen seid, Fox.«
Aha! Der Fuchs war also auch hier. Der würde noch was erleben!
»Tamsi, lass ihr Zeit. Der Übergang ist beim ersten Mal immer schwer.«
Die Frau mit dem Namen Tamsi schnaubte. »Es ist ihr zweiter Übergang, Fox! Ihr Zweiter!«
Nun schnaubte auch Fox ungehalten. »Bei ihrem ersten Übergang war sie drei Monate alt, Tamsi, drei Monate, nicht Jahre! Es ist ein Unterschied, ob du es mitbekommst, oder ob du ein Baby bist, das den ganzen Tag verschläft. Das weißt du ganz genau!«
Daraufhin kam keine Antwort von Tamsi. Ich verhielt mich noch einige Sekunden still, ehe ich meine Neugier nicht mehr zurückhalten konnte und es wagte, mich zu bewegen. Stöhnend hielt ich mir die Hand vor die Augen, als ich mich mühselig aufsetzte. Jeder Muskel in meinem Körper fühlte sich wund und überanstrengt an, ganz so, als wäre ich einen Marathon gelaufen. »Fox?«
Beinahe sofort legten sich große, warme Hände um meinen Nacken und halfen mir, eine aufrechte Position zu finden. Hatte der Fuchs schon vorher Arme gehabt? »Anna. Geht es Euch gut?«
Ich senkte meinen Arm und wagte es, meine Augen langsam zu öffnen. Das sollte ich jedoch sofort bereuen. »Es ist viel zu hell«, stöhnte ich angestrengt mit tränenden Augen.
Fox legte seine Arme um meinen Oberkörper und drehte mich weg vom Licht. »Jetzt könnt Ihr die Augen langsam öffnen. Die Sonne liegt nun in Eurem Rücken«, flüsterte er leise.
Als ich meine Augen dann endlich öffnete, schaute ich in das Gesicht eines Wesens, das aussah wie ein Fuchs, aber auch irgendwie wie ein Mensch. Erschrocken krabbelte ich einige Meter rückwärts und ignorierte dabei die Schmerzen in meinen Gliedern. »Was bist du?«, stieß ich verwirrt hervor.
Der Fuchsmann vor mir verdrehte seine großen braunen Augen und seine Fuchsohren wackelten. »Mein Name ist Fox und ich bin ein Talaari. Willkommen in Moluur, Anna.«
»Bitte? Ein was?« Ich verstand nur Bahnhof.
»Ein Talaari. Ich bin ein Tierwesen oder Gestaltwandler, wie Ihr in Eurer Welt sagen würdet. Ich kann meine Gestalt wandeln. Mal sehe ich aus wie jetzt, dann wieder wie ein normaler Fuchs. Aber ich kann auch sehr menschlich aussehen. Das dort drüben ist meine Freundin Tamsi.« Er deutete hinter mich. »Tamsi ist eine Pferdewandlerin.«
Ich warf einen Blick über seine Schulter und starrte die Pferdefrau an. »Ach du heilige Scheiße!«
Ihre langen Haare hingen ihr bis weit über den Rücken, die Ohren waren eindeutig die eines Pferdes. Ihr Gesicht jedoch war so anders als das von Fox. Ihre Augen wirkten ein wenig zu groß und die linke Gesichtshälfte war stellenweise behaart. So etwas hatte ich noch nicht gesehen. Es war so grotesk, dass ich ängstlich zusammenzuckte.
»Hallo, Ms Anna«, grüßte Tamsi mich und deutete eine Verbeugung an. Dabei wackelten ihre Pferdeohren, als würde sie eine Fliege vertreiben wollen.
»Wo bin ich hier?«, wisperte ich. Das war doch sicher alles nur ein Traum und gleich würde ich aufwachen. Ich kniff mich selbst in den Oberarm und ja, verdammt! Es tat höllisch weh.
Fox verdrehte wieder einmal die Augen. »Anna, das hier ist echt. Glaub mir. Ihr träumt nicht.«
»Aber was mache ich hier?«, kreischte ich, während mich eine ungeheure Panik überkam.
»Ihr seid eine Moluuri, Anna. Es war schon immer Eure Bestimmung hierher in Eure Heimat zurückzukehren.«
Fassungslos starrte ich ihn an. Entweder war es ein ganz, ganz schlechter Traum oder aber ich war bei der versteckten Kamera und gleich würde jemand »Überraschung« schreien. Und bitte, ich sollte eine was sein? Eine Malaari? Was sollte das nun wieder bedeuten? Nicht nur, dass ein Fuchsmann und eine Pferdefrau vor mir saßen, nein. Jetzt war ich auch noch eine verdammte Mücke!
»Ich bin also eine Mücke! Schön, und wieso habe ich mich noch nie verwandelt? Was kann eine Malaari überhaupt?«
Die Pferdefrau lachte laut auf und auch Fox grinste.
»Moluuri, Anna. Nicht Malaari oder Mücke!«, lachte Fox, ehe er wieder ernst wurde und sich räusperte. »Ein Moluuri ist ein Mensch, der neben einigen besonderen Fähigkeiten auch Magie beherrscht. Hier auf Moluur hat jede moluurische Familie ihre eigenen Stärken und Schwächen. Dabei kommt es darauf an, aus welchem Clan der jeweilige Moluuri stammt.«
Ich lehnte mich zurück und starrte den Fuchsmann an. Er wollte mich doch sicher veralbern. »Nicht im Ernst, oder?«
Tamsi schnaubte. »Ich hab dir doch gesagt, dass wir sie früher hätten zurückbringen sollen. Sie versteht überhaupt nichts.«
Fox schüttelte den Kopf. »Der Zeitpunkt war genau richtig. Sie ist jetzt beinahe achtzehn und ihre Kräfte werden in Kürze erwachen.«
»Moment«, unterbrach ich die beiden. »Ich bin schon achtzehn. Seit vier Wochen.«
Fox schüttelte den Kopf. »Nein. Ihr werdet erst in wenigen Wochen achtzehn. Als Ihr auf die Erde geschickt wurdet, haben wir mit Eurem Alter ein wenig geschummelt.«
Meine Augen wurden groß. »Aber …«
Tamsi hielt eine Hand in die Höhe. »Hört uns doch zu. Wir versuchen, Euch gerade alles zu erklären, doch Ihr unterbrecht uns ständig. Dabei gibt es so viel, was Ihr wissen müsst. Hört uns einfach zu, okay?«
Skeptisch sah ich von Tamsi zu Fox. Ich wollte eigentlich überhaupt nichts wissen, dennoch beschloss ich, ihren Ausführungen zu folgen. Auch wenn ich es nicht wirklich glauben wollte, so befand ich mich nun in einer fremden Welt. Im Hinterkopf hatte ich die Sache mit dem Traum jedoch noch nicht vollständig abgehakt. »Okay. Dann fangt an.«
»Es gibt drei große Moluuri-Familien, die ihre jeweiligen Clans leiten. Die Darkanov im Norden, die Kalkuri im Westen und die Lentis im Osten. Die Darkanov werden auch die Schattenseher genannt. Sie sind auf den Tod spezialisiert und wachen über die Toten. Zudem reinigen sie dunkle Orte von bösen Energien und beherrschen die dunkle Magie. Ganz im Gegensatz zu den Kalkuri, die mit der Natur im Einklang leben und als hervorragende Heiler gelten. Sie sind die grünen Magier Moluurs und dafür verantwortlich, dass das Land grünt. Der dritte Clan ist der Clan der Lentis. Sie sind die weißen Magier und Tierversteher. Sie können die Gestalt ihres Seelentieres annehmen, gelten allgemeinhin als gutmütig und vertrauensselig«, erklärte Fox. »Ebenso verfügen sie über die Macht.«
»Ja? Weiter! Was ist die Macht?«, fragte ich, als Fox nicht weiter darauf einging, es mich aber brennend interessierte.
Fox legte den Kopf schief und überlegte den Bruchteil einer Sekunde, ehe er antwortete. Seine Stimme klang jedoch anders. Irgendwas verschwieg er mir.
»Die Macht kennt keiner so genau. Sie wird innerhalb des Clans von Lentis zu Lentis weitergegeben. Viele Gerüchte kursieren über die Macht, doch nur die Lentis selbst wissen, was davon stimmt und was nicht. Ich glaube, dass es eigentlich nur eine winzige Sache ist, die von den anderen Clans hochgepuscht wurde.«
»Und was bin ich? Welchem Clan gehöre ich an?«, wollte ich wissen. Wenn es stimmte, was Fox sagte, wollte ich es unbedingt wissen. Ein wenig kam ich mir vor, wie bei Veronica Roths Die Bestimmung. Durfte ich mir auch aussuchen, welcher Fraktion ich angehören wollte?
»Bei welchem Clan würdet Ihr denn gerne sein?«, kam Tamsis Gegenfrage, und ich überlegte kurz.
»Da ich schon immer einen guten Draht zu Tieren hatte, kann ich mir nur vorstellen, eine Lentis zu sein«, sagte ich, ohne lange darüber nachzudenken.
Fox grinste. »Ja, da muss ich Euch zustimmen.«
»Also bin ich eine?«
»Ihr gehört dem Clan der Lentis an. Eure Intuition hat Euch nicht getäuscht.«
»Ich besitze also theoretisch die Macht?«, fragte ich Fox nervös. Ich konnte es immer noch nicht ganz glauben, in was ich da hineingeraten war. Es war alles so unwirklich.
Fox nickte langsam. »Davon ist auszugehen. Aber wir sollten nichts überstürzen. Tamsi und ich begleiten Euch jetzt erst einmal zu Prinz Shilar.«
»Wer ist dieser Prinz Shilar?«
Die Pferdefrau setzte sich neben mich und ich widerstand dem Drang, von ihr wegzurutschen oder ihr über den Kopf zu streicheln.
»Prinz Shilar aus dem Hause Darkanov ist der Sohn von König Sullivan, unserem aktuell regierenden König.« Tamsi sah mich an. »Bei uns in Moluur war es lange Zeit so, dass die Clans abwechselnd für fünf Jahre den König stellten. Als vor fünf Jahren die Darkanovs den Thron übernahmen, änderte König Sullivan diesen Ablauf. Er wollte, dass ein König sein Amt bis zu seinem Tode für sich beanspruchen konnte. Danach sollte der Thron an seinen Erben gehen. Demnach wäre Prinz Shilar der Thronerbe. Doch die Kalkuri und die Lentis waren damit nicht einverstanden und lehnten König Sullivans Antrag ab. Dieses Jahr ist ein Amtswechseljahr und die Lentis wären an der Reihe, Moluur zu regieren.«
»Wird es dazu kommen?«
Fox lachte bitter. »Was glaubt Ihr denn? König Sullivan wird alles in seiner Macht Stehende tun, damit es nicht so weit kommt. Aber darüber brauchen wir uns keinen Kopf zu zerbrechen.« Fox erhob sich und packte alles in die bereitgestellten Ledertaschen. »Wir sollten jetzt langsam aufbrechen. Prinz Shilar lässt man nicht warten.«
Den ganzen Tag liefen wir durch die Wälder Moluurs. Wir begegneten niemandem. Keinem anderen Menschen oder Tierwesen. Und doch genoss ich die Geräusche des Waldes um mich herum. Der Wald in Moluur war so anders, so voller Leben, und auch wenn man nichts sah, so wusste man instinktiv, dass da etwas war. Wenn ich an den Wald im Camp dachte und ihn mit diesem hier verglich, war es hier regelrecht laut. Doch auch mit Wehmut dachte ich an meine Freunde. Nele, Thomas und Matt. Was sie wohl jetzt gerade unternahmen? Suchten sie mich? Wie war ich nur in dieses Chaos hineingeraten? Die ganze Zeit über redete ich mir daher ein, dass ich träumte. Auch wenn ich tief in meinem Inneren wusste, dass ich es nicht tat.
»Tamsi?«
Die Pferdefrau drehte sich zu mir um. »Was ist denn, Anna?«
»Was ist eigentlich mit meinen Freunden in der anderen Welt? Suchen sie mich nicht?«
Tamsi warf einen Blick zu Fox, der sich nun ebenfalls zu mir umgedreht hatte. Er nickte und Tamsi sah mich wieder an.
»Dazu muss ich ein wenig ausholen, damit du es auch wirklich verstehst.« Sie seufzte. »Moluur und die Erde liegen auf zwei unterschiedlichen Zeitlinien. Du kannst es vergleichen mit den Zeitzonen auf der Erde. Dort müssten seit deinem Übergang vor wenigen Stunden bereits einige Tage vergangen sein.« Ich öffnete schockiert den Mund, doch Tamsi fuhr unbeirrt fort. »Ein Jahr in moluurischer Zeitrechnung entspricht etwas mehr als viereinhalb Erdenjahren. Das eigentliche Problem ist jedoch, dass deine wahre Heimat Moluur ist, Anna.« Tamsis Augen wirkten mit einem Mal sehr traurig.
»Warum ist das ein Problem?«, fragte ich skeptisch und schockiert zugleich.
»Weil deine Rückkehr nach Moluur alle Erinnerungen an dich auf der Erde ausgelöscht hat«, antwortete Fox traurig.
Ich riss die Augen auf, mein Herz pochte schmerzhaft in meiner Brust. »Das heißt, sie können sich nicht an mich erinnern? Niemand?«, fragte ich mit brechender Stimme und hatte Mühe, nicht in Tränen auszubrechen.
Fox nickte und machte einen Schritt in meine Richtung. Ich wich jedoch zurück. Bedauern spiegelte sich in seinen Zügen wieder. »Es tut mir leid, Anna. Aber wir mussten dich zurückholen. Auch wenn du zurückgehen könntest, so wäre die Zeit dort zu weit fortgeschritten, deine Freunde bereits erwachsen. Wenn sich jemand wider Erwarten an dich erinnern könnte, würden sie dich dennoch nicht erkennen. Vergeht hier ein Tag, so vergehen auf der Erde zweiundzwanzig. Der einzige Grund, wieso wir auf der Erde nicht auch gealtert sind, ist, weil wir durch einen Zauber geschützt waren.«
Ich schüttelte traurig und schockiert den Kopf und spürte, wie mir nun doch Tränen die Wangen hinabliefen. »Aber warum, Fox? Warum habt ihr mir das angetan? Ich war glücklich. Ich hatte eine Familie und Freunde.«
Er ballte die Hände zu Fäusten und rang sichtlich mit sich. Als er mich wieder ansah, wirkte er gefasst. »Das wissen wir selbst nicht genau, Anna. Tamsi und ich haben lediglich den Auftrag erhalten, dich nach Talmorill, die Königsstadt, zu bringen.«
Er verbarg etwas vor mir, das spürte ich. Warum log er mich an? Ich suchte Tamsis Blick, doch sie drehte den Kopf weg. »Warum lügt ihr mich an?«, fauchte ich mit tränenverhangenen Augen.
Fox griff nach meinen Händen. »Anna, es ist besser, wenn du nichts weißt. Noch nicht! Bitte vertrau uns! Stell keine weiteren Fragen, auf die wir dir keine Antwort geben können.«
Skeptisch und wütend beäugte ich ihn. Der flehende Blick mit dem er mich bedachte, gefiel mir nicht, doch hatte ich eine andere Wahl? Ich war in einer fremden Welt, kannte niemanden außer den beiden. Verdammt sollte ich sein, wenn ich es hinterher nicht bereute. »Okay.« Ich nickte. »Aber wehe, ich bekomme noch einmal mit, dass ihr mich anlügt. Es ist schon so schwer genug für mich. Ich kenne euch wie lange? Einen Tag! Und schon belügt ihr mich! Wie soll ich euch da vertrauen?«
Fox senkte den Kopf und sah traurig zu Boden. »Eigentlich kennst du uns schon dein ganzes Leben lang, Anna. Wir sind dir nur nie aufgefallen.«
»Wie meinst du das?«
Er deutete auf Tamsi. »Das Pferd mit den Rückenschmerzen vor zwei Jahren im Camp war Tamsi. Auch ich war immer da. Wir beobachten dich schon dein ganzes Leben, kleine Anna, doch erst jetzt ist Moluur bereit für dich, und du bist bereit, deine Aufgabe zu erfüllen.«
»Du warst das Pferd?« Ich starrte Tamsi an. »Wow.«
Ich konnte mich noch gut an die braun-weiß gescheckte Stute erinnern.
Tamsi lächelte verlegen.
»Das heißt, ihr wart achtzehn Jahre auf der Erde? Habt ihr darauf gewartet, dass ich erwachsen werde?«
Tamsi nickte. »Da die Zeit hier viel schneller vergeht, konnten wir nicht riskieren zu spät oder zu früh zu erscheinen. Als du auf die Erde gebracht wurdest, haben wir dich begleitet.«
Fox räusperte sich. »Wir sollten jetzt weiterziehen.« Er ließ meine Hände los, wandte sich ab und lief weiter den Waldweg entlang.
Erst später fiel mir wieder ein, was er noch gesagt hatte.
Moluur ist bereit für dich.
Warum sollte eine Welt für mich bereit sein? Was war so besonders an mir? Vielleicht, und das war für mich das Logischste, hatte er sich nur versprochen und eigentlich damit gemeint, endlich sei ICH bereit für Moluur.
»Wir sollten eine Pause machen, Fox«, rief Tamsi, als die Sonne begann, hinter den Bäumen zu verschwinden.
Der Fuchsmann drehte sich zu uns um und sein Blick blieb an mir hängen. »Bist du müde, Anna?«
Ich nickte. »Du hast mich mitten in der Nacht aus meiner Welt gerissen und ich hatte noch keine Chance zu schlafen.«
Fox grinste. »Als du hier ankamst, hast du fast vier Stunden geschlafen. Du müsstest eigentlich ausgeruht sein.«
»Können wir trotzdem eine Pause machen? Es wird schon dunkel!«
Fox schüttelte den Kopf. »Bis Talmorill ist es nicht mehr weit. Ich schlage vor, wir wandeln uns, Tamsi. Dann nimmst du Anna auf deinen Rücken. So sind wir schneller bei Prinz Shilar.«
Tamsi schnaubte. »Muss das sein, Fox? Du weißt doch, wie sehr ich diese Gestalt verabscheue.«
Mit einem einzigen Blick brachte Fox Tamsi dazu, dass sie sich wandelte. Rings um sie herum erstrahlte ein helles Licht, das sie blitzartig verschlang. Als das Licht schwand, stand an Tamsis Stelle die gescheckte Stute, die ich bereits kennenlernen durfte. Fox trat neben mich und hob mich ohne große Anstrengung auf Tamsis Rücken. Anschließend wechselte auch er seine Gestalt. Fasziniert beobachtete ich, wie der Fuchs vor uns herlief.
Auf dem Weg in die Königsstadt wurde es zunehmend finster und der Wald wirkte mit einem Mal wie eine undurchdringliche und bedrohliche Wand aus missgestalteten Verzweigungen. Ich klammerte mich an Tamsis Hals und betete, dass wir es heil und unversehrt aus dem Wald hinaus schaffen würden.
»Du brauchst keine Angst zu haben, Anna. Der Wald ist das Schutzgebiet von König Sullivan. An drei Seiten ist der Wald umgeben von einer meterhohen Mauer, an der vierten Seite liegt der Königssee und mitten im Königssee liegt die Stadt Talmorill. Zum Portalwald selbst haben nur die engsten Vertrauten und die Leibgarde der Königsfamilie Zugang. Hier ist also niemand außer uns«, erklärte Tamsi, die meine Angst zu spüren schien.
»Ihr gehört also zur Leibgarde?«
Tamsi lachte und auch Fox stimmte in dieses Lachen mit ein. »Nein, Anna. Fox und ich kommen aus dem Land hinter dem Eiswald. Dort liegt das Land der Talaari. Fox ist, genau wie ich, Gesandter des talaarischen Königshauses. Sein vollständiger Name lautet Fox Illion, Prinz von Taluur. Ich bin Tamsi Rialie, Botschafterin und Oberhaupt des Hauses Rialie.«
»Wow, was für Namen.«
Wieder lachte Tamsi. »Wir halten es anders mit Nachnamen als die Menschen auf der Erde. Fox kommt aus dem Hause Illion. Nun wird bei uns der Rufname mit dem Namen unseres Hauses vereint und somit erhält Fox den Namen Fox Illion. Außerhalb von Taluur verwenden wir unsere Hausnamen jedoch eher selten.«
Fox grinste. »Mein Bruder heißt Red Illion und meine Schwester Mairo Illion. Du siehst also …«
»Sind es alles Füchse?«, fragte ich neugierig.
Er schüttelte den Kopf. »Nein. Wir Talaari werden noch im Mutterleib von der Göttin Kanizz mit unserem Lebenstier gesegnet. Das Tier, mit dessen Seele wir verbunden werden, schenkt uns seine Stärke und seine Fähigkeiten. Mein Vater ist ein Wolfs-Talaari und meine Mutter eine Adler-Talaari. Ich bin ein Fuchs.«
»Die Göttin Kanizz?« Ich runzelte die Stirn. Das waren vielleicht Namen.
Fox nickte. »Wir haben in Taluur zwei Götter. Die Göttin Kanizz, welche Leben schenkt und für Familie und Gesundheit steht. Und den Gott Arviel, der über die Toten wacht und uns bestraft, wenn wir Fehler machen.«
»Wie ist es in Taluur?«
Tamsi lachte. »Sei nicht so neugierig. Schau dich erst einmal in Moluur um. Das Land ist so riesig und verwinkelt, dass du vielleicht niemals dazu kommst, alle Ecken kennenzulernen. Wenn du aber lang genug hierbleibst, schaffen wir es irgendwann vielleicht, gemeinsam nach Taluur zu reisen.«
Es war so viel auf einmal. Ich war in einer fremden Welt, mit magischen Kreaturen und sollte nun selbst magische Fähigkeiten besitzen. Was ich aber nicht glauben konnte, zumindest so lange nicht, bis ich den Beweis sah. Gut. Wenn ich, wie Fox behauptete, dem Hause Lentis angehörte, hatte ich einen besonderen angeborenen Draht zu Tieren. Das war mir schon zu Hause aufgefallen und auch Nele hatte es erst vor wenigen Stunden zu mir gesagt. Doch warum war ich hier? Wieso war ich überhaupt auf der Erde groß geworden? Ich lehnte mich nach vorne und klammerte mich mit beiden Händen noch fester an Tamsis Mähne. Der Wind nahm zu und rauschte um uns herum.
Was sollte ich hier? Das war die elementare Frage, die mir im Kopf herumschwirrte. Meine Eltern …
»Fox!«, rief ich laut, als mir ein Gedanke kam.
Der Fuchs fuhr panisch mit dem Kopf herum. »Was ist los, Anna?«
»Sind …«, ich schluckte. »Sind meine Eltern überhaupt meine Eltern?«
Tamsi verlangsamte ihren Galopp. »Fox?«
»Weiter«, grummelte Fox, statt meine Frage zu beantworten. »Wir sind gleich da!«
»Fox!«, rief ich empört. »Nun sag es mir schon!«
Doch Fox ignorierte mich. Auch von Tamsi bekam ich keine Antwort. Da war doch was faul!
»Fox, bitte!«, flehte ich, doch der Fuchs lief weiter, ohne mich zu beachten.
»Anna, lass ihn. Er darf es nicht sagen.«
Jetzt wurde ich hellhörig. »Du weißt es auch, oder?«
Tamsi schnaubte. »Auch ich kann es nicht aussprechen, Anna. Es tut mir so leid. Aber wir haben es geschworen und wer vor der Göttin schwört …«
Ich unterbrach sie. »Ist schon gut.« Dabei war gar nichts gut.
»Ich weiß, dass es nicht einfach für dich ist, aber du musst uns vertrauen. Wir kommen aus Taluur und wir kennen die Prophezeiung besser, als jeder andere. Aus diesem Grund sind Fox und ich auch hier in Moluur. Prinz Shilar …«
Jetzt wurde ich hellhörig. »Welche Prophezeiung, Tamsi?«
»Schau, Anna. Das ist Talmorill, die Königsstadt«, rief Fox genau in dem Moment und ich hob den Kopf.
Wenige Meter vor uns lag ein tiefblauer See, in dessen Mitte ein flacher Berg gen Himmel ragte. Auf diesem Berg thronte die Stadt Talmorill, umrandet von einer meterhohen Mauer. Die Steine der Mauer funkelten in der untergehenden Sonne in einem satten Orangeton und vereinzelt waren die Hausdächer hinter der Mauer sichtbar. Alles in allem wirkte die Stadt auf mich, als wäre sie direkt aus dem Mittelalter hierher verfrachtet worden.
»Wow!«
»Genau das habe ich bei meinem ersten Mal auch gedacht«, gestand Tamsi grinsend, während sie hinter Fox am Ufer des Sees entlanglief.
»In Talmorill leben fast fünfhundert Moluuri und noch einmal die Hälfte Talaari. Es ist die Hauptstadt der unteren Königreiche und dementsprechend gut bewacht. Du brauchst also keine Angst haben, wenn wir die Stadt betreten.«
Als der See einen Bogen machte, liefen wir direkt auf die Mauer zu. »Wofür ist sie da?«
»Diese Mauer umfasst den gesamten Portalwald. Vor einigen Jahrhunderten griffen die Völker jenseits des Meeres die Stadt Talmorill an und wollten das Portal zerstören. Die Stadtbewohner waren jedoch in der Überzahl und schlugen die Angreifer zurück. Nach diesem Vorfall ließ der damalige König Georgis die Mauer rund um den Portalwald errichten.«
»Und wie kommen wir nun in die Stadt?«
»Dazu musst du erst einmal absteigen«, sagte Tamsi und schüttelte sich. Ich sprang von ihrem Rücken und landete direkt in Fox‘ Armen. Für den Bruchteil einer Sekunde hielten seine Arme mich umschlungen, ehe er mich sanft auf dem Boden absetzte. Verlegen senkte ich den Blick und drehte mich direkt zu Tamsi um, die nun ebenfalls wieder in ihrer menschlichen Gestalt vor mir stand. Ich erschrak jedoch, als ich sie genauer ansah. »Wo sind deine Pferdekörper-Dingens?« Ich fuchtelte mit den Händen vor ihrem Gesicht herum.
Tamsi lachte. »Wir können gewiss auch aussehen wie Moluuri, Anna.« Dabei deutete sie auf Fox, und als ich mich umdrehte, erstarrte ich.
»Fox … du … wow!« Zu mehr war ich nicht fähig.
Der Fox, den ich vor noch nicht einmal einem Tag kennengelernt hatte, war nicht mehr da. Stattdessen stand vor mir ein braunhaariger Mann, der mich aus seinen durchdringenden braunen Augen heraus neugierig musterte. Seine Nase war nun gradlinig und absolut nicht zu vergleichen mir seiner runden Fuchsnase. Sein Kinn war markant, aber nicht so, das es aggressiv wirkte. Die Ohren waren nicht mehr behaart und spitz, stattdessen waren dort menschliche Ohren zu sehen.
»Wow!«, wiederholte ich abermals.
»Sprachlos?«, neckte er mich grinsend.
Ich nickte und konnte kaum den Blick von ihm abwenden.
Tamsi lachte.
Ich wandte mich zu ihr um. »Und du …!« Tamsis Pferdenase war verschwunden und eine kleine schlanke Stupsnase hatte deren Platz eingenommen. »Deine Nase.«
»Ach, Anna. Es ist so erfrischend mit dir. Hier ist es für alle normal, dass wir mal so, mal so aussehen.«
Fox legte einen Arm um mich. »Wir sollten langsam gehen. Die Sonne verschwindet schon hinter dem Wald, und Tamsi, denk an die Stadtwache.« Fox zwinkerte ihr spitzbübisch zu.
Tamsi verdrehte die Augen. »Ich hasse die Stadtwache der Moluuri. Die sind alle so …«, sie legte den Kopf schief und überlegte, »… so besitzergreifend!«
An dem Punkt, an dem die Mauer in den See hineinführte, befand sich eine Tür. Fox zog einen Schlüssel aus seiner Hose. Keine Ahnung, wo der hergekommen war, aber das interessierte mich momentan auch nicht. Ich war mehr davon fasziniert, wie der Mechanismus der Tür funktionierte. Die Steine drehten sich und eine große steinerne Tür schob sich aus der zuvor flachen Wand. Mit einem lauten Zischen öffnete sich die Tür, und Fox bat mich und Tamsi hinein.
»Die Damen. Wenn ich bitten dürfte? Prinz Shilar erwartet uns sicher schon.«
Wir betraten das Innere hinter der Mauer. Der gesamte Gang wurde von brennenden Fackeln beleuchtet, doch wirklich weit konnte man nicht sehen.
»Faszinierend, nicht wahr?« Fox trat neben mich. »Los, kommt.«
Hintereinander liefen wir in Richtung der Stadt. Je weiter wir vorankamen, desto heißer wurde es und ich fing an zu schwitzen. Gerade als ich Fox fragen wollte, ob er etwas zu Trinken für mich hätte, blieb er stehen und holte erneut den Schlüssel hervor. Mit einem leisen Klick entriegelte er das Schloss. Bevor er jedoch die Tür öffnete, drehte er sich zu mir um.
»Anna. Willkommen in Talmorill!«
Der Duft von mir unbekannten Gewürzen war das Erste, was mir entgegenschlug, als Fox die Tür aufhielt. Das Zweite war eine riesige Hand, der ich nur knapp ausweichen konnte. Fox schubste mich zur Seite und Tamsi griff geistesgegenwärtig nach meinen Armen. Fox zog den Mann, dem der Arm gehörte, ins Innere der Mauer und umschlang dessen Hals mit einem Arm.
»Wer seid Ihr?«
»Illion, lass mich los!«, krächzte der Mann. »Ich bin es, Jake.«
Fox ließ den jungen Mann los und drehte ihn zu sich. »Jake! Ich fass es nicht!«
Während sich die beiden Männer umarmten, schob mich Tamsi sanft zur Tür hinaus. »Das kann jetzt ein wenig dauern. Komm, wir gehen schon mal vor. Fox hat uns schnell wieder eingeholt.«
»Wer ist dieser Jake?«
»Fox‹ bester Freund«, erklärte sie, ohne weiter darauf einzugehen.
»Und?«
»Nichts und.«
Ich verdrehte die Augen. »Tamsi, nun sag schon!«
Sie seufzte, warf mir einen seltsamen Blick zu und beschleunigte ihre Schritte. Ich eilte ihr hinterher.
»Jake ist ein Moluuri«, sagte sie, als würde das als Erklärung reichen.
»Ja und?«
»Anna. Verstehst du nicht? Ein Talaari und ein Moluuri, das funktioniert nicht. Na ja, es funktioniert schon. Aber ich komme aus einer einflussreichen Familie und es wird von mir erwartet, dass ich einen ebenso einflussreichen Talaari heirate. Jake ist … er ist … ich mag ihn.«
»Dann gib der Liebe eine Chance«, sagte ich leichthin. Dass ich diese Worte später bereuen sollte, war mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar.
Tamsi erwiderte nichts mehr darauf, sondern führte mich stumm durch die verzweigten Gassen von Talmorill. Der Sommer war an der noch aufgeheizten Luft des vergangenen Tages deutlich spürbar. Der warme Boden war staubig, ein Zeichen dafür, dass es lange nicht geregnet hatte. Es war schnell dunkel geworden und die Bewohner von Talmorill hatten sich in ihre Wohnungen zurückgezogen. Die kleinen Häuser standen dichtgedrängt aneinander und überall in den Fenstern hingen Blumen und Fahnen. Durch vereinzelte Fenster konnte ich das Flackern eines Feuers ausmachen.
»Wie lange wart ihr nicht mehr hier?«, fragte ich Tamsi.
Ihre Antwort war äußerst knapp, so dass ich nicht weiter nachhakte. »Etwas mehr als vier Jahre.«
Der Duft von frischem Brot und kräftig gebratenem Fleisch schlug uns entgegen, als wir an einem Wirtshaus vorbei liefen. Mein Magen grummelte unangenehm und ich hoffte, dass es im Palast etwas zu Essen für mich gab. Ich sah keine Pferde, und auch der Boden sah nicht danach aus, als würde es derartige Fortbewegungsmittel in der Stadt geben. Nur Pflastersteine, so weit das Auge reichte.
Hier und da kamen uns Menschen entgegen, die allesamt freundlich grüßten oder sich vor Tamsi verneigten. Doch ob es Moluuri oder Talaari waren, konnte ich nicht sagen. Als wir schließlich das Ende einer Gasse erreichten, standen wir auf einem großen Marktplatz. Neben mir kam Fox schnaubend zum Stehen.
»Kommt! Jake kam direkt von Prinz Shilar. Er hat uns gestern schon zurückerwartet.« Er griff nach meinem Arm und zog mich über den Platz. Als wir in die nächste Gasse eilten, konnte ich in der Ferne bereits die Zinnen des Palastes ausmachen. Ein leises »Wow« entfuhr mir, als wir uns diesem immer weiter näherten.
Die halbhohen Mauern, die um den Palast herum verliefen, waren aus rotleuchtendem Backstein und hier und da unterbrochen von Toren. Vor diesen Toren standen hochgewachsene Männer in Lederuniform und schauten finster drein, als wir auf sie zukamen. Sie nickten Fox und Tamsi zu, ehe sie uns das Tor öffneten. Im Inneren der Palastmauer wurde ich von den Eindrücken, die auf mich einströmten, überwältigt. Offene Feuer brannten in den zahlreichen Feuerstellen und prachtvoll gekleidete Frauen und Männer standen umher und unterhielten sich lautstark. Ich wollte stehen bleiben und mir die Gärten zu beiden Seiten ansehen, doch Fox zog mich unermüdlich weiter. Auch Tamsi wirkte nun nicht mehr so ruhig, wie zuvor.
Wir eilten eine marmorne Freitreppe hinauf und betraten die Eingangshalle des Palastes. Dort empfing uns ein kleiner, gedrungen wirkender Mann.
»Mylord, Mylady. Bitte folgt mir. Prinz Shilar erwartet Euch bereits im großen Salon.«
Er machte auf dem Absatz kehrt und wies uns den Weg.
Ich betrachtete die Gemälde an den Wänden, die den langen Flur säumten. Über jedem Gemälde prangerte ein Wappen und die darauf abgebildeten Personen hätten unterschiedlicher nicht sein können.
»Wer ist das alles?«, fragte ich Tamsi leise und deutete auf die vielen Porträts.
»Das sind die letzten Könige der Clans. Siehst du die Wappen?«
Ich nickte.
»Das dort oben, das Wappen mit der Sense und dem fliegenden Raben, ist das Wappen der Darkanvos. Dieses dort ist das Wappen der Kalkuri.« Sie deutete auf ein Wappen, auf dem eine Windmühle, eine Sonne und grüne Pflanzen abgebildet waren. »Das letzte dort ist das Wappen der Lentis.«
Das Lentis-Wappen wurde von einer weißen Lilie dominiert. Grüne Ranken deuteten in den Himmel und im Gegensatz zu den anderen beiden Wappen war das der Lentis sehr filigran ausgearbeitet.
Der kleine Mann hielt vor einer großen eichenfarbenen Tür und fragte Fox, ob wir bereit wären. Ich schüttelte innerlich den Kopf, doch Fox nickte. Tamsi warf mir ein mitfühlendes Lächeln zu und hakte sich bei mir unter.
»Anna, wenn du vor dem Prinzen stehst, mach einen Knicks und neige den Kopf ein wenig. Und bitte! Schau ihm nicht in die Augen.«
Ich wollte etwas erwidern. Wollte fragen, warum, doch da hatte der Mann bereits die Tür geöffnet.
»Meine Lordschaft!«, verkündete er mit voller Stimme. »Prinz Fox Illion von Taluur und ihre Ladyschaft Tamsi Rialie in Begleitung ihrer Ladyschaft Anna aus dem Hause Lentis.«
Fox ging schnellen Schrittes in den Salon und Tamsi zog mich einfach mit sich. Vor uns stand an einem offenen Fenster mit dem Rücken zu uns, ein großer, schlanker, junger Mann. Seinen Kopf zierte eine kleine Krone und seine schwarzen Haare waren kurzgeschoren. Der bordeauxrote Umhang, den er trug, reichte beinahe bis zum Boden und die Arme hatte er hinter dem Rücken verschränkt.
»Ihr kommt spät, Fox!« Seine tiefe, melodische Stimme ging mir durch Mark und Bein. Der Prinz drehte sich zu uns um und Tamsi und Fox neigten ergeben den Kopf. Doch ich konnte es nicht. Ich konnte ihn nur anstarren.
Der Blick seiner grünen Augen bohrte sich in mich und ich vergaß zu atmen. Er war schön, so unglaublich schön, und doch stach eine so abgrundtiefe Härte aus seinen Zügen hervor, dass sich Angst in mir breitmachte. Sein schwarzes Haar war perfekt frisiert und seine Nase war schmal, ebenso wie sein Kinn. Seine Lippen verzogen sich zu einem Grinsen und er legte den Kopf schief.
»So. Das ist also die Lentis-Prinzessin Anna. Ich muss zugeben, ich habe nicht erwartet, dass sie eine solche Schönheit ist.«
Tamsi rammte mir ihren Ellenbogen in die Seite und schnell neigte ich den Kopf, woraufhin der Prinz lachte. Ich war ein wenig schockiert. Hatte er mich eben wirklich Prinzessin genannt? Hatte Fox mir eine weitere, so wichtige Sache verschwiegen? Wenn ja, wieso? Was versprach er sich davon? Ich war doch so schon durcheinander genug.
»Kommt her, Lady Anna. Esst mit mir zu Abend.«
Ich hob den Kopf und sah Fox und Tamsi fragend an. Fox nickte und deutete auf die ausgestreckte Hand des Prinzen. Langsam ging ich auf ihn zu und legte meine Hand in seine. Er hauchte mir einen Kuss auf die Fingerknöchel und sah mir erneut in die Augen.
»Ihr könnt gehen!«, befahl er meinen Begleitern, ohne den Blick von mir zu nehmen. Mich durchfuhr ein Schaudern, denn ich wollte nicht alleine mit diesem Fremden in einem Raum sein. Fox kam mir zur Hilfe.
»Mylord, ich glaube, wir sollten bei Anna bleiben. Versteht bitte, dass Anna Euch nicht kennt, und wir haben ihr versprochen, bei ihr zu bleiben.«
Der Prinz musterte mich kritisch und als ich nickte, wandte er sich an Fox. »Gut. Liam, lass für Prinz Illion und Lady Rialie ein Gedeck bringen.«
»Jawohl, Mylord.« Liam verschwand und der Prinz wandte sich wieder an mich. »Was haltet Ihr davon, Euch etwas Bequemeres anzuziehen, Lady Anna? Lady Rialie hat sicherlich einige Kleider, die Euch eher zusagen, als diese kurzen Hosen.«
Ich schaute an mir hinunter. Ich trug immer noch meine ausgelatschten Sneakers, meine kurze Camphose und das dazu passende T-Shirt.
»Komm, Anna. Lassen wir die Männer einen Moment alleine. Ich zeige dir mein Zimmer und wir schauen nach, was ich für dich habe«, sagte Tamsi und hielt mir ihre Hand hin, die ich ohne zu zögern ergriff.
***
Wenn ich eines mit Sicherheit sagen konnte, dann, dass die Kleider, die Tamsi mir hinhielt, allesamt genauso viel Haut zeigten, wie meine Shorts. Am Ende entschied ich mich für ein lachsfarbenes Kleid, das meiner schmalen Figur schmeichelte. Meine langen Beine waren bis zu den Knien mit schwarzen Schnüren umwickelt und meine Füße steckten in Sandalen, die mich an Jesus-Latschen erinnerten. Tamsi hatte meine blonden Haare mit einigen Griffen schnell zu seiner raffinierten Flechtfrisur zusammengenommen. Damit es nicht zu streng wirkte, hatte sie einige Strähnen aus dem Zopf gelöst, die nun mein Gesicht umrahmten. Um den Hals trug ich eine goldene Kette mit einem Anhänger, auf dem das Lentis-Wappen abgebildet war. Vorsichtig berührte ich den filigranen Anhänger.
»Woher hast du den?«, fragte ich sie, als sie mich lächelnd beobachtete.
»Er gehörte deiner Mutter, Anna«, erklärte sie leise. »Sie vertraute ihn mir an, als du in die Menschenwelt geschickt wurdest.«
Erschrocken sah ich sie an. »Also hatte ich recht?«
Tamsi nickte traurig. »Ja, deine Eltern auf der Erde waren nicht deine leiblichen Eltern, Anna. Aber es ist nicht an mir, dir die Gründe für diese Entscheidung zu erklären.«
Ich schaute zu Boden und musste die Tränen zurückhalten. »Meine Eltern haben nie etwas gesagt.«
Tamsi legte mir einen Arm um die Schultern. »Weil sie es nicht wussten, Anna. Ihre Erinnerungen an dich beginnen mit der Schwangerschaft deiner dortigen Mutter. Sie wurden magisch beeinflusst.«
Ich wischte mir die Tränen von den Wangen. »Du meinst, sie wurden verzaubert?«
Tamsi nickte, ging jedoch nicht weiter darauf ein. »Wir sollten zurückgehen. Man lässt den Prinzen nicht warten.«
Wie in Trance lief ich mit Tamsi zurück zum Salon, in dem Fox und der Prinz bereits auf uns warteten. Der Schock darüber, dass meine Eltern nicht meine Eltern waren, fraß sich in mich. Dass meine Freunde sich nie mehr an mich erinnern würden, dass ich kein Mensch war, wie sollte ich all das verarbeiten? Ich stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Es war alles zu viel für mich.
Tamsi führte mich zu einem Stuhl und ich ließ mich darauf nieder, unfähig, den Blick zu heben. Der Duft des Essens drang in meine Nase, doch ich war nicht mehr hungrig. Ich war erfüllt von Trauer und Wut und wusste nicht, wie ich mit alldem fertig werden sollte.
»Was ist denn los, Anna?«, fragte Fox laut und ich zuckte zusammen. Als ich seinem Blick begegnete, riss er die Augen auf.
»Anna, mein Gott, was hast du denn?« Er kam um den Tisch herum und kniete sich neben mich. »Hey, warum weinst du?«
»Es ist zu viel auf einmal, Fox. Ich weiß nicht, wie ich mit alldem zurechtkommen soll. Meine Freunde werden sich niemals mehr an mich erinnern, ich kann nicht in meine Welt zurück und meine Eltern sind gar nicht meine Eltern.«
Fox sah über den Tisch hinüber zu Tamsi. »Du hast es ihr gesagt?«, fragte er barsch.
Tamsi nickte. »Ich habe ihr die Kette ihrer Mutter gegeben.«
Prinz Shilar, der bis zu dem Zeitpunkt den Mund gehalten hatte, räusperte sich. »Vater, vielleicht sollte Fox ihr die ganze Geschichte erzählen.«
»So soll es sein!«, sagte der König, den ich erst in diesem Moment bemerkte. Shilar war ihm wie aus dem Gesicht geschnitten und doch war da so viel mehr. Der König wirkte kalt, tot, abwesend. In seiner Stimme erklang ein Hauch Schadenfreude mit, was mich dazu brachte, ihn genauer anzusehen. Er hatte sich in seinem Stuhl zurückgelehnt und grinste abwesend. Wut kochte in mir empor.
»Sagt schon, was Ihr zu sagen habt, Eure Majestät!«, fuhr ich ihn an, woraufhin Tamsi und Fox scharf die Luft einsogen. Für mich spielte es keine Rolle, ob er ein König war oder nicht.
Nun lachte Shilar. »Ah. Sieh an, die Lentis in Euch kommt zum Vorschein. Fox, setzt Euch.«
Fox erhob sich langsam und setzte sich zurück auf seinen Stuhl.
»Also, Anna.« Der Prinz lehnte sich auf seinem Stuhl nach vorne und verschränkte die Finger ineinander. »Vor etwas mehr als vier Jahren fanden sich die Führenden der drei Clans in Talmorill ein, um über die abwechselnde Thronfolge zu diskutieren. Als mein Vater«, er warf seinem Vater einen Blick zu, »König Sullivan, verkündete, dass er nicht vorhabe, seinen Thron an die Lentis abzutreten, zerbrach das Bündnis zwischen den Clans. Die Lentis und die Kalkuri blieben weiterhin verbündet, was meinen Vater rasend machte. Lord Fioril und Lady Etianna Lentis standen kurz davor, Eltern zu werden, und die Lentis wussten, dass dieses Kind eine bedeutende Rolle einnehmen sollte. Ein Seher der Lentis hatte einige Jahre zuvor etwas vorhergesagt. Eine Prophezeiung wird bei uns immer sehr ernst genommen, musst du wissen, Anna.« Er sah mich eindringlich an und räusperte sich. »In der Prophezeiung hieß es Folgendes: