Die Macht der Quanten - Conrad Shepherd - E-Book

Die Macht der Quanten E-Book

Conrad Shepherd

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Beschreibung

Gefangen hinter der Horizontverschiebung in Andromeda, muß Ren Dhark scheinbar hilflos mit ansehen, wie das ehemals geheime Imperium der Utaren dem Abgrund entgegentaumelt. Dann erscheint das unglaublichste Raumschiff, das die Terraner je gesehen haben, und demonstriert die Macht der Quanten.

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Ren Dhark

Weg ins Weltall

 

Band 23

Die Macht der Quanten

 

von

 

Jan Gardemann

(Kapitel 1 bis 4)

 

Conrad Shepherd

(Kapitel 5 bis 9)

 

Uwe Helmut Grave

(Kapitel 10 bis 14)

 

Achim Mehnert

(Kapitel 15 bis 20)

 

und

 

Hajo F. Breuer

(Exposé)

Inhalt

Titelseite

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

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Impressum

Prolog

Ende des Jahres 2065 steht die Menschheit am Scheideweg: Auf der nach dem Krieg gegen die Roboter des »Volkes« zu einem Eisklumpen gewordenen Erde leben nur noch 20 Millionen Menschen. Relativ gut aushalten läßt es sich nur in der Hauptstadt Alamo Gordo, deren neuartiger Schutzschirm ihr nicht nur Sicherheit gibt, sondern auch für angenehm hohe Temperaturen sorgt.

Die restlichen 36 Milliarden Menschen wurden nach Babylon umgesiedelt und richten sich dort unter der Regierung Henner Trawisheims neu ein. So wäre auf der Erde eigentlich viel Platz – hätten nicht die Riiin oder Eisläufer ihren Lebensmittelpunkt nach Terra verlegt. Dieses Volk kann nur bei extrem niedrigen Temperaturen überleben – und ist so naturgemäß gegen jeden Versuch, der irdischen Sonne zu ihrer alten Kraft und dem Eisplaneten Terra zu neuer Wärme zu verhelfen.

Genau diesen Versuch aber hat Ren Dhark mit seiner Expedition in die Nachbargalaxis Andromeda unternommen. Denn es gibt nur einen Weg, um die Sonne wieder stark zu machen: Die Synties, tropfenförmige Energiewesen, die im freien All leben und seit vielen Jahren gute Freunde der Terraner sind, könnten interstellares Wasserstoffgas einfangen und in die Sonne stürzen lassen – so lange, bis sie ihre alte Masse und damit ihre alte Kraft zurückgewonnen hat.

Doch die Synties sind von den gefühllosen, eiskalten Echsenwesen des Glandarenvolks entführt und als Energiequelle mißbraucht worden. Zwar gelingt es Dhark, die Synties zu befreien, aber gewaltige Ringraumer des Geheimen Imperiums, einer noch skrupelloseren Macht, die schon vor mehr als tausend Jahren Krieg gegen die Worgun in Andromeda führte, löschen das Volk der Glandaren gnadenlos aus. Beim Versuch, wenigstens einige von ihnen zu retten, geraten die Flashpiloten Pjetr Wonzeff und Harold Kucks in die Hände des Geheimen Imperiums.

Es gelingt den beiden Männern unerwartet rasch, aus der Gefangenschaft zu fliehen, doch Dhark und die POINT OF sind verschwunden. Eine gefährliche Odyssee durch das unbekannte Sternenmeer führt die beiden schließlich zu einer ehemaligen Stützpunktwelt der Worgun, auf der es nichts gibt außer einer goldenen Gigantstatue. Mit ihrer Hilfe gelingt es, einen Notruf nach Babylon in der Milchstraße abzuschicken. Doch kaum ist dieser Notruf draußen, greifen dreihundert überschwere Ringraumer des Geheimen Imperiums an. Auf der Flucht gelangen die beiden Terraner auf eine ehemalige Welt der Salter – und Harold Kucks trifft mit der Faskia Ssirkssrii seine Seelenpartnerin. Die Echse verleiht ihm unglaubliche Kräfte…

Dhark empfängt den Notruf und bricht erneut nach Andromeda auf, um die verschollenen Gefährten zu suchen. Die werden tatsächlich gefunden, und man könnte sich auf den Heimweg zur Erde machen – wäre da nicht plötzlich die Horizontverschiebung aufgetreten, ein Phänomen, dem nicht einmal die POINT OF entkommen kann. Ren Dhark hingegen gelingt es, den Imperator des Reiches in seine Gewalt zu bringen und das Geheimnis der Hyperallergie der Utaren zu lösen. Doch sein Vorstoß zur Zentralwelt des Imperiums bleibt nicht unbemerkt…

Auf der Erde rekrutiert der Wächter Simon drei Menschen für das neue Wächterprogramm: Svante Steinsvig, Arlo Guthrie und – Doris Doorn! Die INSTANZ von ARKAN-12 schickt sie nach erfolgter Umwandlung auf einen Werftasteroiden in die Milchstraße, wo ein Ringraumer auf sie wartet.

Gemeinsam mit den GSO-Agenten Jos Aachten van Haag und Ömer Giray versuchen die Wächter das seltsame Geheimnis zu ergründen, das Tel-Rebellen, Crekker und die unheimlichen grünen Maschinen, die immer wieder wie aus dem Nichts auftauchen, zu verbinden scheint. Als Svante eine unfaßbare Gefahr mit allergrößter Rücksichtslosigkeit ausschaltet, droht der offene Konflikt unter den Wächtern…

1.

Ren Dhark trat seitlich von dem Fenster weg und gab Artus ein Zeichen, es ihm gleichzutun. Da das Gebäude für die kleinwüchsigen Utaren ausgelegt war, hätte er nur den Arm ausstrecken brauchen, um die Decke zu berühren. Ein Mann seiner Größe wäre den Ordnungshütern draußen auf dem Hof sofort aufgefallen und hätte ihnen augenblicklich verraten, wieso der Allergiealarm ausgelöst worden war.

»Die Polizisten dürfen uns nicht bemerken«, mahnte Dhark, stellte sich mit dem Rücken an die Wand und spähte über die Schulter hinweg vorsichtig durch die Scheibe nach draußen.

Das Büro von Torn Tornus lag im Erdgeschoß des Forschungsinstituts. Von dem Fenster aus konnte der Vorplatz jedoch gut überblickt werden. Wuchtige Transportgleiter mit dem marineblauen Emblem der Polizei von Utaria auf den nun offenstehenden Türen waren auf dem Platz gelandet, und blaue Zwerge in weißen Ganzkörperschutzanzügen sprangen aus den Fahrzeugen. Roboter hievten Aggregate aus den Ladebereichen und stellten sie um das Gebäude herum auf.

»Das sind Prallfeldgeneratoren«, erklärte Tornus gehetzt, der das Vorgehen der Polizisten beunruhigt beobachtete. »Das Institut wird unter ein Prallfeld gelegt, um es anschließend zu entseuchen.«

Der Chef des Forschungsinstituts drehte sich zu seinem Artgenossen Lam Lamderang um. »Ihr hättet nicht herkommen dürfen«, sagte er gepreßt. »Euretwegen werden alle Utaren in diesem Gebäude umkommen!«

»Das hatten wir doch bereits geklärt, Tornus«, schaltete sich Artus ein. »Wir brauchten dich, weil du Zugang zu industriellen Produktionsanlagen hast, in denen das Serum hergestellt werden könnte, das die Utaren von ihrer tödlichen Allergie heilen soll. Es ist bedauerlich, daß es zu dieser Katastrophe gekommen ist und der Plan jetzt aufgegeben werden muß. Wir mußten dich aber schnell überzeugen – dabei ist das Unternehmen leider aus dem Ruder gelaufen.«

Der blaue Zwerg sah mit gemischten Gefühlen auf seinen linken Arm hinab, in dessen Ellenbeugenvene ihm der intelligente Roboter, mit dem er da gerade sprach, ein farbloses Serum gespritzt hatte. Daß dieses Mittel seine Hyperallergie tatsächlich beseitigt hatte, darüber bestand für den Chef des Forschungsinstituts kein Zweifel, denn andernfalls wäre er jetzt genauso tot wie Sru Srula, seine bedauernswerte Sekretärin. Sie lag regungslos neben der geschlossenen Bürotür auf dem Boden, hatte vor ihrem Dahinscheiden aber noch den Allergiealarm ausgelöst. Tornus blickte zu dem Salter neben dem Fenster auf. Bei dem Mann handelte es sich Lamderangs Worten zufolge in Wahrheit um einen Terraner – was immer das auch sein mochte. Dieses bakterienverseuchte Individuum hatte das Büro kontaminiert. Als Sru Srula die Bürotür öffnete, waren die Keime in das Vorzimmer gelangt und hatten sich, wie Tornus befürchtete, inzwischen in dem gesamten Gebäude ausgebreitet.

Der Experte für Molekularchemie war hin- und hergerissen zwischen Freude über seine unverhoffte Heilung und Trauer über den Tod seiner Kollegen und darum momentan zu keinem klaren Gedanken fähig.

Plötzlich faßte Lamderang ihn bei der Schulter. Eindringlich blickte sein alter Freund ihn an. »Uns bleibt keine Zeit«, mahnte er. »Das Prallfeld wird jeden Moment aktiviert werden – und dann stürmen die Polizisten zusammen mit den Robotern das Gebäude. Du wirst dich deiner Gesundheit nicht mehr lange erfreuen, wenn die Männer feststellen, daß du der einzige Überlebende in diesem Gebäude bist.«

Lamderang rüttelte an Tornus’ Schultern, als wollte er einen Tagträumer in die Wirklichkeit zurückholen. »Du mußt mit uns kommen! Gemeinsam werden wir einen Weg finden, das Serum in den erforderlichen Mengen herzustellen!«

Dhark lächelte kaum merklich. Noch vor wenigen Augenblicken war Lamderang der Verzweiflung nahe gewesen. Doch nun schien sich der ehemalige Gouverneur von Garaboldon gefangen zu haben und stellte einmal mehr seine Qualitäten unter Beweis, die der Befehlshaber einer ganzen Welt unweigerlich besitzen mußte.

Lamderang deutete auf das zylinderförmige, drei Meter lange Objekt, das auf sechs dünnen, spinnenbeinähnlichen Auslegern ruhte und den gesamten Bereich auf der gegenüberliegenden Seite von Tornus’ Schreibtisch einnahm. Die Luke des Kleinbootes stand offen, so daß der Utare einen Blick auf die beiden Sitze erhaschen konnte, die Rückenlehne an Rückenlehne den engen Passagierraum beherrschten.

»Es gibt für dich nur eine Möglichkeit zu überleben, Tornus«, erklärte Lamderang eindringlich. »Du mußt mit Dhark in den Flash steigen. Und zwar schnell. Wenn wir noch länger zögern, werden die Polizisten dich einkassieren und dem Geheimdienst überstellen. Anstatt mit unseren Verbündeten daran zu arbeiten, unser Volk zu heilen, wirst du gefoltert und schließlich getötet werden!«

Der Chemiker blinzelte benommen, nickte dann aber. »Einverstanden«, sagte er und sah wieder mit leichtem Unbehagen zu dem Terraner auf. »Ich… ich vertraue euch.«

»Das Prallfeld wurde soeben aktiviert!« mahnte Artus. »Das Gebäude wird gestürmt.«

»Beeilen wir uns!« Dhark setzte mit einem schwungvollen Sprung über den niedrigen Schreibtisch weg. Tornus hatte es nun auch eilig. Er rannte um den Tisch herum auf den Flash zu und kletterte ins Innere. Dhark folgte ihm und forderte ihn auf, sich auf dem für einen Utaren viel zu großen Sitz anzuschnallen.

Die Luke schloß sich, und die Landebeine schoben sich in die Hülle zurück. Im selben Moment wurde der Flash in sein Intervallfeld gehüllt, und das Kleinboot versank im Boden.

Lamderang blickte besorgt zu der geschlossenen Bürotür hinüber. Die schweren polternden Schritte der Roboter hallten dumpf durch das Gebäude. Es krachte und splitterte, während die Maschinen verschlossene Türen gewaltsam aufbrachen.

»Sie werden gleich hier sein!« Schweißperlen traten dem Gouverneur auf die Stirn. Das Poltern der Schritte kam immer näher.

Da schob sich aus der Zimmerdecke der schimmernde Rumpf eines zweiten in ein Intervallfeld gehüllten Flash. Viel zu langsam, wie Lamderang fand, glitt das Raumboot aus dem über ihnen gelegenen, zur Zeit unbenutzten Konferenzraum in Tornus’ Büro herab.

In diesem Moment wurde die Tür zum Vorzimmer aufgestoßen und krachte mit dumpfem Knall gegen die Wand.

»Zu spät!« jammerte Lamderang, der sich schon im Strahlengewitter sterben sah, das die Roboter unweigerlich abfeuern würden, wenn sie gleich in das Büro stürmten und die fremdartige Maschine und den Utaren erblickten, die sich unbefugt in dem Institut aufhielten.

Da tauchte Artus neben dem in Panik geratenen Gouverneur auf. Er packte den Utaren, drückte ihn behutsam an sich und schnellte sich vom Boden ab.

Was Lamderang in seinem Angstzustand nicht bemerkt hatte, war, daß Artus dem in sein Intervallfeld gehüllten Flash mit Hilfe eines Codegebers einen Steuerbefehl zugesandt hatte. Das Raumboot hatte unter der niedrigen Decke des Büros angehalten und die Luke geöffnet. Im selben Moment, da Artus sprang und mit gestrecktem Korpus quer durch das Büro schnellte, schalteten sich sowohl das Intervallfeld als auch der Antigravantrieb ab.

Im freien Fall stürzte der Flash dem Fußboden entgegen. Wie Artus unter Berücksichtigung der utarianischen Schwerkraftverhältnisse berechnet hatte, flog er, als der Flash die Hälfte der Fallstrecke zurückgelegt hatte, durch die offene Luke. Er machte einen Buckel und krachte mit dem Rückenteil seines Torsos seitlich gegen die beiden Sessel, wobei er den Utaren mit seinen dünnen röhrenförmigen Armen schützte. Gleichzeitig befahl er dem Bordgehirn per Gedankenimpuls, das Intervallfeld wieder einzuschalten und die Luke zu schließen.

Das Feld baute sich den Bruchteil einer Sekunde, bevor der Flash den Boden berühren konnte, auf. Ungebremst setzte das Raumboot den freien Fall fort, und als die imperialen Roboter, gefolgt von den Polizisten, in das Büro stürmten, war alles, was sie von den Fliehenden wahrnahmen, ein flüchtiger Schatten, der im Boden vor dem Schreibtisch des Institutsleiters versank.

*

Torn Tornus hatte den Kopf in den Nacken gelegt und starrte zu dem Bildschirm empor, der über den beiden Sesseln an der Decke der Kabine hing. Obwohl die technischen Einrichtungen für Lebewesen ausgerichtet waren, die etwa doppelt so groß waren wie er, empfand der Chemiker die Kabine als beengend.

Nachdem sie durch den Kellerboden des Instituts in den Planetenmantel vorgestoßen waren, war auf dem Bildschirm nur Dunkelheit zu sehen gewesen. Doch vor wenigen Augenblicken hatte sich die Bildfläche wieder aufgehellt und eine große Halle gezeigt, deren Wände mit tonnenförmigen Aggregaten vollgestellt waren.

»Wir befinden uns im Innern der Epoydos-Station 1/2«, erklärte Dhark. Der sogenannte Terraner hatte sich als freundlicher, sympathischer Mann herausgestellt. Obwohl Tornus ihm nicht ins Gesicht sehen konnte, spürte er deutlich, daß der Riese Reue wegen des Todes der zahlreichen Institutsmitarbeiter empfand.

Als utarischem Wissenschaftler war Tornus die Existenz der Epoydos-Stationen selbstverständlich bekannt, doch hatte er noch nie eine betreten, geschweige denn Aufnahmen von den Hallen zu Gesicht bekommen.

Aufmerksam betrachtete er die Darstellung auf dem Bildschirm. Kabelstränge und Rohrleitungen verbanden die turmhohen Aggregate miteinander. Tornus sah normalgroße Roboter, die Wartungsarbeiten an einem Schaltpult vornahmen, und solche, die imposante vier Meter groß waren.

Wieder glitt der in sein Intervallfeld gehüllte Flash durch eine Wand hindurch. Die Halle, die sich dahinter auftat, war so gewaltig, daß sie gleich zwei Ringraumern Platz bot.

Zwar handelte es sich um relativ kleine Schiffe, die mit den viel größeren Raumern des Geheimen Imperiums nicht mithalten konnten. Trotzdem waren sie bemerkenswert, denn ihre Hülle schimmerte unitallblau und nicht gelb, wie es sich für ein keimfreies Raumschiff gehörte.

Das Fehlen der keimtötenden Schutzfarbe erinnerte den Molekularchemiker daran, daß es sich bei der Epoydos-Station um kontaminiertes Gebiet handelte, das auf jeden normalsterblichen Utaren sofort tödlich wirkte.

Tornus verzog verbittert den Mund. Noch immer kam es ihm wie ein irrealer Traum vor, daß er von der Hyperallergie befreit worden war. Sollten die idealistischen Vorstellungen von einer allergiefreien Gesellschaft, die ihm in seiner Jugend durch den Kopf gespukt waren, nun bald Realität werden?

Der Utare fand, daß dieser Traum zu schön war, um wahr zu sein. Das Serum, das Artus ihm verabreicht hatte, hatte sicherlich ungeahnte Nebenwirkungen oder wurde in einer gewissen Zeitspanne vom Körper wieder abgebaut, so daß er am Ende genauso jämmerlich zugrunde gehen würde wie Sru Srula.

Während der Utare sich seinen Zweifeln hingab, steuerte Dhark den Flash per Gedankensteuerung auf die POINT OF zu. Auf der Höhe des vierten Decks drang das Raumboot durch die Außenhülle des Schiffs und glitt in einen der vierzehn Doppelhangars. Das Intervallum erlosch, und der Flash wurde von seinen Bettungen gehalten.

»Wir sind am Ziel«, verkündete der Kommandant und erhob sich aus seinem Sitz. Er lächelte gewinnend, als er Tornus’ verzagten Gesichtsausdruck bemerkte. »Du bist bei uns willkommen, Tornus. Wir werden dich nicht hängenlassen. Außer Lamderang halten sich übrigens noch drei weitere Utaren in diesem Schiff auf.«

»Sind die denn auch alle gesund?« Tornus löste die Gurte und rutschte von dem Sessel herab.

Dhark nickte. »Keiner von ihnen ist Hyperallergiker, wenn du das meinst. Allerdings aus verschiedenen Gründen, wie du noch erfahren wirst.«

Tornus furchte die Stirn. Doch ehe er dem Terraner eine Frage stellen konnte, hatte dieser sich auch schon abgewandt und stieg durch die geöffnete Luke ins Freie.

Der Chemiker folgte dem Riesen. Da seine Knie noch immer ein wenig weich waren, fiel es ihm nicht eben leicht, aus der Luke zu klettern.

Unterdessen war ein zweiter Flash in dem Depot eingetroffen und flog auf seine Bettung zu.

»Mit wie vielen Schiffen seid ihr Terraner in den Machtbereich des Geheimen Imperiums eingedrungen?« fand Tornus nun doch seine Sprache wieder.

»Mit nur einem«, antwortete Dhark bereitwillig.

»Wem gehört denn dann der zweite Ringraumer, den ich gesehen habe?« Mißtrauen schwang in der Stimme des Utaren mit.

»Der gehört den Worgun, die lange Zeit Gefangene des Imperators gewesen sind. Ihnen habt ihr die Existenz der Werft zu verdanken, die seit Generationen eure Ringraumer produziert.«

Tornus’ Blick verdüsterte sich. Über diese Worgun hatte man sich in Wissenschaftlerkreisen nur hinter vorgehaltener Hand unterhalten.

Dieses Thema war ähnlich tabu gewesen wie die Forschung auf dem Gebiet der utarischen Allergieanfälligkeit. Etliche von Tornus’ Institutskollegen waren der Meinung gewesen, es würde sich bei den Geschichten über die Fremden, die dazu noch Mutanten sein sollten, nur um Legenden handeln. Tornus hatte nach den unangenehmen Erfahrungen, die er mit dem Geheimdienst hatte machen müssen, jedoch zu der Annahme geneigt, daß es diese sagenumwobenen Worgunmutanten tatsächlich gab.

Und nun eröffnete dieser Terraner ihm wie nebenbei, daß die Legende tatsächlich nicht nur wahr war, sondern daß die Worgun sogar am Leben waren und ein eigenes Ringraumschiff besaßen.

Düster schüttelte der Molekularchemiker den Kopf, und er fragte sich, welche ungeheuerlichen Enthüllungen ihm noch bevorstanden.

In diesem Moment verließen Artus und Lamderang ihren Flash. Tornus verspürte unendliche Erleichterung, als er seinen alten Freund erblickte.

»Wie lange ist es her, seit du das Serum erhalten hast?« fragte er den Gouverneur mit gedämpfter Stimme, während sich der Terraner mit dem Roboter unterhielt.

»Einige Tage«, erwiderte Lamderang.

»Und?« wollte Tornus wissen. »Spürst du bereits ein Nachlassen der Wirkung? Dies könnte sich eventuell durch leichte Kopfschmerzen oder übermäßige Nasensekretproduktion bemerkbar machen.«

Lamderang lächelte nachsichtig. »Ich bin vollkommen gesund, Torn. Du solltest dich entspannen.«

»Überleg doch mal«, ließ Tornus nicht locker. »Unsere Allergieanfälligkeit ist genetisch bedingt. Wie soll ein Serum in so kurzer Zeit so tiefgreifend und großflächig in die Genstruktur eingreifen können? Dieses Heilmittel muß ein Schwindel sein!«

Tornus zuckte erschrocken zusammen, als er bemerkte, daß Dhark plötzlich neben ihm aufgetaucht war. Der Terraner mußte seine letzten Worte unweigerlich gehört haben.

»Ich glaube, unser kleiner Freund hier benötigt dringend eine Vorführung des Datenmaterials aus den Speicherzähnen«, sagte er zu Lamderang.

Der Utare nickte belustigt. »Ja, genauso sieht es aus.«

Tornus schluckte trocken. Hatte man etwa vor, ihn einer Gehirnwäsche zu unterziehen?

Lamderang sah seinem Artgenossen offenbar an, wie erschreckt der war. Lachend schlug er ihm auf die Schulter. »Keine Bange, Freund. Dir werden bald die Augen geöffnet werden – und dann wirst du nicht mehr an der Lauterkeit der Terraner zweifeln.«

»Ich – würde es lieber vorziehen, in irgendeine Kuppelstadt auf einer unbedeutenden Imperiumswelt gebracht zu werden.«

In diesem Moment betrat ein weiterer Terraner den Hangar. Er trug eine Arbeitsmontur, aus deren Aufnähtaschen Multifunktionswerkzeuge hervorschauten. Mit einem breiten Lächeln auf den Lippen schlenderte er auf die Gruppe zu.

»Das ist Stanley Oliver«, stellte Dhark den Mann vor. »Er wird dich und Lamderang in einen Besprechungsraum führen, Tornus. Dort wird man dir das Datenmaterial in einer Bildkugel vorführen.«

»Na, dann wollen wir mal«, sagte Oliver in aufgeräumter Stimmung zu den beiden Utaren.

Tornus fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Bitte – warum laßt ihr mich nicht einfach in Ruhe? Ihr könnt doch nicht in mein Leben platzen, meine Mitarbeiter umbringen, mich verschleppen und dann auch noch versuchen, mich umzupolen.«

Oliver furchte die Stirn. »Willst du deinem Volk denn nicht helfen, die Tyrannei der Hyperallergie abzustreifen?«

»Selbstverständlich. Doch der Imperator wünscht es nicht, daß an dem Schicksal seines Volkes gerüttelt wird. Es ist aussichtslos. Außerdem bin ich nicht überzeugt, daß euer Serum tatsächlich…«

»Warum schaust du dir nicht erst einmal an, wie sehr die Imperatorenfamilie seit vielen Generationen das Schicksal der Utaren manipuliert hat?«

Tornus blinzelte irritiert. »Wie meinst du das?«

»Das Material, das wir dir vorführen möchten, stammt aus Datenspeichern, die wir in den Zähnen von Kimil CCLXIX. und seinem sogenannten Hausmeister Crus Cruso entdeckt haben.«

Tornus stieß ein mitleidiges Lachen aus. »Eine unglaubwürdigere Geschichte hättet ihr euch kaum ausdenken können. Wie wollt ihr denn an diese Speicher herangekommen sein? Das ist doch lächerlich!«

»Der Imperator und sein Hausmeister befinden sich an Bord der POINT OF«, erklärte Lamderang. »Sie sind Gefangene der Terraner.«

»Wie bitte?« Tornus taumelte benommen einen Schritt zurück. »Das… das ist doch nicht wahr!«

»Du kannst dich mit eigenen Augen überzeugen.« Oliver gefiel sich sichtlich in der Rolle des entgegenkommenden Experten für Außerirdische. »Du brauchst von diesem Tyrannen nichts mehr zu befürchten, Tornus.« Er streckte die Hand aus und tätschelte die Wange des Molekularchemikers. »Und nun folge mir. Du sollst endlich die Wahrheit über die Imperatorenfamilie erfahren.«

Die Nachricht über die Gefangennahme Kimils CCLXIX. hatte Tornus so sehr aus der Fassung gebracht, daß er es widerstandslos geschehen ließ, sich von Oliver aus dem Hangar führen zu lassen.

Dhark atmete tief durch. »Mister Oliver macht seine Sache wirklich gut. Es hätte mich nicht gewundert, wenn Tornus einen Nervenzusammenbruch erlitten hätte. Wir haben sein bisheriges Leben zerstört und seinen Metabolismus gewaltsam umgekrempelt.«

»Warum willst du seinen Wunsch nicht erfüllen, ihn auf eine beliebige Imperiumswelt zu bringen?« wollte Artus wissen. »Jetzt, da er nicht mehr auf die Kapazitäten des molekularchemischen Instituts zurückgreifen kann, ist er doch nutzlos für uns.«

»Das sehe ich anders«, erwiderte Dhark und schritt auf den Ausgang zu. »Tornus ist ein ausgewiesener Fachmann für großindustrielle biologische Produktion.«

»Und wenn schon.« Artus beeilte sich, zu seinem Freund aufzuschließen. »Was dieser Utare kann, können wir doch noch viel besser.«

Dhark schlug den Weg in die Zentrale ein. »Um die Utaren alle zu heilen, brauchen wir gigantische Mengen dieses Serums. Niemand an Bord hat den erforderlichen Sachverstand, um den Aufbau der benötigten Industrieanlagen zu organisieren, geschweige denn, den anschließenden reibungslosen Betrieb zu koordinieren.«

»Du unterschätzt mal wieder meine Kapazitäten, Dhark«, murrte Artus eingeschnappt. »Wenn ich mit dem Checkmaster zusammenarbeite, könnte ich die Konstruktionspläne für die Großanlage bald liefern. Auch eine komplett ausgearbeitete Bedarfsliste aller erforderlichen Arbeitskräfte könnte ich mit Leichtigkeit erstellen.«

Dhark blieb stehen und sah seinem Roboterfreund unverwandt in die Optik. »Ich bezweifle nicht, daß du dieser Aufgabe gewachsen bist. Doch darum geht es gar nicht.«

Artus zuckte verlegen mit seinen Gliederfingern. »War ich etwa wieder zu forsch?«

Der Kommandant lächelte nachsichtig und setzte seinen Weg fort. »Du mußt nicht jedesmal ein Aufmerksamkeitsdefizit vermuten, wenn ich dich mal ausnahmsweise nicht in meinen Plänen berücksichtige.«

»Ich fühle mich eben manchmal unterfordert«, versuchte der Roboter sein Verhalten zu rechtfertigen.

»Dann streng deine vierundzwanzig Programmgehirne mal an und versuche dir selbst eine Antwort darauf zu geben, warum ich Tornus die anfallende Arbeit überlassen möchte.«

Artus brauchte nicht lange zu überlegen. »Weil du mich für den bevorstehenden Einsatz im Zentrum des ehemaligen Glandarengebietes benötigst.«

Dhark nickte zustimmend. »Das Rätsel um die Horizontverschiebung zu lüften hat für mich absolute Priorität. Doch darüberhinaus erscheint es mir für das Selbstwertgefühl der Utaren ungemein wichtig, daß sie die Fessel der Hyperallergie aus eigener Kraft heraus sprengen. Abgesehen von der korrupten Oberschicht, die sie seit Jahrtausenden unterjocht, sind die blauen Zwerge ein sympathisches, hochentwickeltes Sternenvolk. Sie haben eine Chance verdient, sich ihre Freiheit selbst zu erstreiten.«

Artus rückte verstimmt das grüne Stirnband auf seinem Metallschädel zurecht. »Machst du das eigentlich mit Absicht, Dhark?«

»Was?« fragte der Kommandant und warf seinem Freund einen verwunderten Seitenblick zu.

»Daß ich mich mies fühlen muß. Du hast mir gerade unverblümt zu verstehen gegeben, daß du mich für egoistisch hältst, weil ich mich in den Vordergrund dränge, anstatt mich aus Rücksicht auf die Befindlichkeit biologischer Intelligenzwesen zurückzunehmen.«

Dhark seufzte. »Deine Suprasensorik ist manchmal wirklich überempfindlich. Du solltest froh sein, daß es Dinge gibt, die du noch lernen mußt. Stell dir vor, du wärst perfekt. Wo bliebe da die Herausforderung, sich weiterzuentwickeln?«

»Ich habe den Eindruck, du willst dich herausreden.«

»Ich meinte das ernst. Du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben, weil du die Dinge manchmal anders siehst als ich. Dein vorpreschendes Wesen gehört zu deinem Charakter. Was aber nicht bedeuten soll, daß er nicht noch geschliffen werden sollte.«

»Du bist wirklich erstaunlich«, meinte Artus vergnügt. »Plötzlich kommt mir meine Schwäche wie eine Stärke vor – wie machst du das nur?«

Dhark blinzelte dem Roboter listig zu. »Das nennt man Führungsqualitäten, mein Freund.«

Sie hatten das Hauptschott der Zentrale erreicht. Die Tür glitt auf, und vor ihnen breitete sich der weitläufige Raum mit der Kommandobrücke, den Arbeitsstationen und der großen Bildkugel in der Mitte aus.

Die Anwesenden grüßten, als der Kommandant die Zentrale betrat. Dhark erwiderte die Gesten und schritt dann auf die Bildkugel zu, vor der seine Freundin Amy Stewart stand.

Der Ringraumer der Worgunmutanten war in der Bildkugel abgebildet. Eine Antigravplattform schwebte vor einem Segment des Rumpfes. Drei Roboter hielten sich auf der schwebenden Arbeitsplatte auf und hantierten an der Schiffshülle.

»Was geschieht dort?« wollte Dhark wissen und deutete auf die Maschinen. »Hat der Ringraumer die lange Wartezeit in seinem Versteck in der Werft doch nicht so gut überstanden und ist nun reparaturbedürftig?«

Amy lächelte feinsinnig. Mit Hilfe seines Programmgehirns hatte der weibliche Cyborg die winzige Szene der hochauflösenden Darstellung in der Bildkugel bis ins kleinste Detail in sich aufgenommen. Dazu war Dhark, der die Impulse seines Sehnervs nicht von einem bionischen Implantat verstärken lassen konnte, nicht in der Lage. »Du wirst erstaunt sein«, sagte sie und gab Tino Grappa in der Ortungsstation mit einem Wink zu verstehen, den Bereich, vor dem die Plattform schwebte, zu vergrößern.

Wenig später füllte die Darstellung die Bildkugel aus, und der Kommandant erkannte, daß die Roboter nicht mit Spezialwerkzeugen ausgestattet waren, sondern mit Spritzpistolen für Lackierungen. Einer der Roboter vollendete soeben eine Vorzeichnung, während die beiden anderen anfingen, sie mit roter Farbe auszumalen.

»Das sind Lettern in Worgunschrift«, stellte Dhark fest. Er lächelte und schüttelte dann kaum merklich den Kopf. »Die Mutanten wollen ihr Schiff TERRA nennen?«

»Gefällt dir der Name etwa nicht?« drang eine Stimme aus dem Schallfeld in der Nähe. Sie wurde aus dem zweiten Ringraumer in der Halle per Funkverbindung in die Zentrale der POINT OF übertragen und gehörte Erkon, einem der fünf Worgunmutanten. Erkon hatte einst die männliche Gestalt eines Glandaren angenommen, die er nun für den Rest seines langen Lebens beibehalten mußte. Die von seinem kurzen Echsenmaul artikulierten Worte hatten einen charakteristischen Beiklang.

»Momentan erinnert mich dieser Name lediglich daran, daß wir wegen der Horizontverschiebung nicht nach Hause fliegen können«, gab Dhark zurück. »Was hat euch bewogen, eurem Schiff ausgerechnet diesen Namen zu geben?«

»Dankbarkeit«, erwiderte Erkon. »Wir werden es niemals vergessen, daß es Terraner waren, die unsere Jahrhunderte währende Gefangenschaft schließlich beendet haben.«

Der Kommandant tastete unwillkürlich nach Amys Hand und drückte sie zärtlich. Nach dem Desaster im Forschungsinstitut für Molekularchemie wirkten die Worte des Worgun wie Balsam auf seine Seele.

*

»Ein ziemlich starkes Stück, was die Imperatorenfamilie sich über Generationen hinweg geleistet hat, nicht wahr?«

Oliver stellte das Tablett mit den Speisen, die er sich an der Essensausgabe ausgesucht hatte, auf einen der noch halbwegs freien Tische in der Messe.

Die drei zwergwüchsigen, blauhäutigen Gestalten, die dem »Hausmeister« der POINT OF mit ihren vollbeladenen Tabletts gefolgt waren, wurden von den anderen Kantinengästen nur mit flüchtigen Blicken bedacht.

Für die Besatzungsmitglieder des Schiffes zählte das Zusammentreffen mit fremd aussehenden Angehörigen anderer Sternenvölker längst zum Alltag.

Zusätzlich zu dem Tablett hatte sich Oliver drei Sitzkissen unter den Arm geklemmt, die der Kantinenchef ihm ausgehändigt hatte und die er nun auf die freien Stühle verteilte.

Lamderang nickte dankend, kletterte auf eine der erhöhten Sitzflächen und schob das Tablett vor sich zurecht. »Obwohl ich die Aufzeichnungen bereits kannte, haben die Bilder mich doch wieder genauso schockiert wie bei der ersten Vorführung.«

Var Varlak nickte zustimmend. »Ich kann es noch immer nicht fassen, daß die Kimils und die Crusos unser Volk auf so schändliche Weise unterjocht haben. Wenn ich daran denke, daß ich dieser dekadenten Blauhaut einst einen Treueid geschworen habe, kräuseln sich mir die Haarspitzen.«

Die beiden Utaren sahen ihren Artgenossen besorgt an. Tornus hatte kein Wort gesprochen, seit sie den Besprechungsraum verlassen hatten. Wie betäubt hockte er auf dem Sitzkissen und starrte die dampfende Speise auf seinem Teller an. In der Küche war ein spezielles Gericht für die Utaren gekocht worden, das in etwa ihren Eßgewohnheiten entsprach.

Plötzlich riß Tornus sich von dem Anblick der appetitlich anzusehenden Mahlzeit los und sah sich in der gut besuchten Messe um. Schließlich schüttelte er den Kopf.

»Was spukt in deinen Gehirnwindungen herum?« Oliver, der seiner Mahlzeit bereits tüchtig zugesprochen hatte, redete mit vollem Mund.

Als würde er sich erst jetzt der Anwesenheit des Bordtechnikers und seiner Artgenossen bewußt, blickte der Molekularchemiker sie der Reihe nach mit ernster Miene an. »Ich habe Angst, ich könnte jeden Moment aufwachen und dies alles hier würde sich bloß als Traumphantasie herausstellen.«

Lamderang grinste breit und deutete mit der Gabel auf Tornus’ volles Tablett. »Wenn du erst einen Happen von diesen keimverseuchten Speisen probiert hast, wird deine Furcht sich in nackte Panik verwandeln, mein Freund. Als mein Gaumen zum erstenmal unsteriles Essen gekostet hatte, wurde mir schmerzlich bewußt, was unser Volk seit unzähligen Generationen entbehren muß.«

Zögernd nahm Tornus die Gabel zur Hand, spießte einen der faserigen, bräunlichen Brocken auf, tunkte ihn in die aromatisch riechende Soße und führte ihn dann langsam an die Lippen.

Erst als er die auffordernden Blicke seiner Artgenossen bemerkte, faßte er Mut und schob den Happen zwischen die Zähne.

Tornus begann zu kauen. Zuerst hastig, als erwarte er jeden Moment eine allergische Reaktion, dann jedoch wurden die Kaubewegungen immer langsamer. Genüßlich spürte er dem unglaublichen Erlebnis nach, das die natürlichen Aromastoffe seinen Geschmacksnerven bereiteten.

Plötzlich schimmerten Tränen in seinen dunkelblauen Augen. »Wundervoll«, sprach er nun ebenfalls mit vollem Mund. »Unbeschreiblich. Einfach phantastisch!«

Tornus verstummte und tupfte sich mit der Serviette peinlich berührt die Tränen aus den Augenwinkeln.

»Du brauchst dich nicht zu schämen«, meinte Lamderang und tätschelte seinem alten Freund begütigend den Unterarm. »Sogar der Admiral hat geheult, als er das erste Mal keimverseuchtes Essen zu sich genommen hat.«

Varlak bedachte den Gouverneur mit einem strafenden Blick. »Sie hatten mir versprochen, es niemandem zu verraten.«

Lamderang winkte lachend ab. »Die paar Tränen, die wir verdrückt haben, sind nichts gegen die gewaltigen Emotionen, die in unserem Volk freigesetzt werden, wenn die imperiumsweite Impfkampagne erst gestartet wird.«

Tornus nahm einen Schluck frischen Obstsaft. »Bis es soweit ist, wartet noch eine Menge Arbeit auf uns«, gab er zu bedenken. »Ein ganzes Volk zu impfen, das auf Hunderten verschiedener Welten verstreut lebt, ist eine gewaltige Aufgabe, von der ich mir noch gar nicht sicher bin, ob wir sie jemals werden bewältigen können.«

»Was die Imperatorenfamilie vollbracht hat, werden wir ja wohl auch bewerkstelligen können«, gab Lamderang zurück.

Tornus wiegte abwägend den Kopf. »Hinter der Impfung, die an den neugeborenen Utaren angeblich zu deren Schutz vorgenommen wird, die in Wahrheit aber die Hyperallergie erst auslöst, steckt ein gewaltiger Industrie- und Machtkomplex. Es handelt sich um Strukturen, die über Jahrhunderte gewachsen sind. Die können wir nicht so eben mal aus dem Ärmel schütteln.«

Varlak furchte die Stirn. »Willst du etwa andeuten, es wäre unmöglich, alle Utaren mit dem Serum zu versorgen, das die Terraner entwickelt haben?«

Der Molekularchemiker sah seine Artgenossen mit düsterer Miene an. »Ich habe den Eindruck, ihr unterschätzt die Macht von Kimil CCLXIX. Daß der Imperator und sein Hausmeister gefangengenommen wurden, bedeutet noch lange nicht, daß ihre Herrschaft gebrochen ist.«

»Du hast Angst«, stellte Varlak ernüchtert fest.

»Das ist ja auch verständlich«, lenkte Oliver ein, der seinen Teller inzwischen leergegessen hatte. »Der Respekt und die Furcht vor dem Imperator wurden euch zusammen mit der angeblichen Schutzimpfung doch bereits als Kleinkinder eingetrichtert.«

Oliver tupfte sich mit der Serviette die Mundwinkel sauber. »Ich habe eine Idee, wie wir dich von dieser Krankheit vielleicht auch noch heilen können.«

Der Bordtechniker aktivierte sein Armbandvipho, drehte sich halb von den Utaren weg und sprach mit gedämpfter Stimme auf das Gerät ein.

»Was hast du vor?« erkundigte sich Tornus unbehaglich, nachdem der Terraner das Gespräch beendet hatte.

»Wir werden dich zu deinem Herrscher bringen«, verkündete Oliver gut gelaunt. »Amy Stewart wird gleich eintreffen und euch zur Gefängniskabine begleiten.«

Der Molekularchemiker schluckte trocken. »Ich soll eine Audienz bei Kimil CCLXIX. bekommen?«

Oliver lachte rauh. »Keine Audienz, mein Lieber. Es ist nur ein Gefangenenbesuch.« Er deutete auf das Tablett vor den Utaren. »Und nun genieße deine Mahlzeit, Tornus. Du wirst deine Kräfte noch brauchen.«

Es fiel dem Utaren nicht schwer, die Worte des Terraners zu beherzigen. Seine Sinne gerieten in einen regelrechten Rauschzustand, während er den Teller genüßlich leerte. Für einen Moment verschwanden sogar die Gesichter der ums Leben gekommenen Institutsmitarbeiter, die wie Gespenster durch seinen Kopf spukten.

Tornus wurde erst wieder aus seiner Verzückung gerissen, als plötzlich ein weiblicher Terraner neben dem Tisch auftauchte.

Der Anblick der schlanken Frau mit den wunderschönen blauen Augen ließ das Herz des Chemikers augenblicklich schneller schlagen.

Wäre sie nur einen Meter kleiner, ihre Haut und ihr Haar blau gewesen, so hätte Tornus sie leicht mit Sru Srula, seiner Sekretärin, verwechseln können, denn die hatte einen ähnlich muskulösen und kräftigen Körperbau besessen.

Ein wehmütiges Seufzen entschlüpfte seiner Kehle, während er mit traurigen Augen zu der Frau aufblickte, die ihn unverwandt ansah.

»Du mußt Torn Tornus sein.« Ihre Stimme hatte eine angenehme Altlage. Sie streckte dem Utaren die Hand hin. »Mein Name lautet Amy Stewart. Ich werde dich und deine beiden Freunde zu unseren Gefangenen bringen.«

Sie lächelte gewinnend, während sie ihre Hand sanft aber bestimmend wieder aus Tornus’ klammerndem Griff befreite. »Du brauchst keine Angst haben. In meiner Gegenwart hast du von Cruso und Kimil nichts zu befürchten.«

*

Vor der Tür, der sich Amy Stewart zielstrebig näherte, waren zwei Wachen postiert. Sie grüßten die Frau freundlich und wechselten ein paar scherzende Worte mit ihr.

Tornus sah sich irritiert um. Die anderen Türen in diesem Korridor führten in gewöhnliche Kabinen. Davon hatte er sich überzeugen können, als er einen Blick in eines der Zimmer warf, während ein Besatzungsmitglied seine Unterkunft verließ.

»Wurden der Imperator und sein Hausmeister denn nicht in eine Zelle gesperrt?« fragte er Amy, als sie sich zu den Utaren umdrehte.

»Das hier ist kein Gefängnisschiff, sondern eher ein Forschungsraumer«, erklärte sie. »Was nicht bedeutet, daß wir nicht auch wehrhaft sind.«

Die Wachen hatten die Tür unterdessen aufgesperrt. »Bist du bereit, Tornus?« fragte Amy.

Der Molekularchemiker nickte gefaßt.

Die Tür glitt auf, und Amy betrat als erste den Raum.

Tornus schrie erschreckt auf: Ein Schatten flog aus der Tiefe des schummerig beleuchteten Raums auf die junge Frau zu. Schneller als er begreifen konnte, was da vor sich ging, zuckte Amys rechte Hand empor. Im nächsten Moment hielt sie einen Utaren mit ausgestrecktem Arm vor sich. Ihre schlanken sehnigen Finger umschlossen den Hals des blauen Zwergs, der plötzlich krächzende Laute von sich gab und hilflos mit Armen und Beinen strampelte.

»Du lernst es wohl nie, Cruso«, sagte Amy geringschätzig. Ihr linker Arm war über der Hüfte zum Schlag erhoben, die Muskeln zeichneten sich deutlich unter der enganliegenden Uniformjacke ab.

Das Gesicht des Hausmeisters lief dunkelblau an, während er verzweifelt versuchte, nach Luft zu schnappen und gleichzeitig Flüche auszustoßen.

Amy trat einen Schritt vor, übertrug die Bewegungsenergie auf ihren rechten Arm und schleuderte den Utaren von sich. Cruso wirbelte strampelnd durch die Luft und stürzte schließlich auf eine Liege.

»Ihr habt Gäste«, informierte Amy die Gefangenen mit strengem Unterton in der Stimme. »Ich erwarte, daß ihr euch benehmt!«

Sie trat zur Seite, um den drei vor der Tür wartenden Utaren den Weg freizumachen.

Zögernd trat Tornus ein, dicht gefolgt von seinen Artgenossen. Als er Kimil CCLXIX. leibhaftig auf der Kante einer Liege sitzen sah, konnte er den Impuls, niederzuknien und das Haupt demütig zu senken, nur mühsam unterdrücken.

»Imperator«, war alles, was er mit krächzender Stimme hervorbrachte.

Kimil betrachtete den Utaren mit finsterer Miene.

»Was soll das werden?« fragte er Amy. »Wollt ihr mich demütigen, indem ihr mich jeden Tag einem Untertan vorführt? Langsam komme ich mir wie eine perfide Attraktion vor!«

Amy antwortete nicht; in lässiger Körperhaltung stand sie abwartend da, ließ Cruso, der keuchend auf seiner Liege lag, jedoch nicht aus den Augen.

Tornus räusperte sich. »Die Terraner – sie haben ein Serum entwickelt, um uns alle zu heilen.«

Kimil verdrehte gelangweilt die Augen. »Die wollen euch mit ihrem Gebräu doch bloß vergiften. Ich werde zu verhindern wissen, daß sie mein geliebtes Volk verseuchen. Die Allergie ist das Schicksal der Utaren.«

»Sinnvoll, mit Würde zu tragen und unabänderlich«, ergänzte Tornus mit bitterem Unterton in der Stimme. »Diese Doktrin wurde mir mein ganzes Leben lang immer wieder eingehämmert, bis ich selbst daran geglaubt habe.«

Kimil lächelte geringschätzig. »Anscheinend gehörst du zu den Leuten, die versucht haben, etwas gegen die Allergie zu unternehmen.«

»Ich hatte ein Serum entwickelt und die Formel deinem Vorgänger geschickt.«

Kimil lachte freudlos. »Laß mich raten: Anschließend hast du Besuch von Agenten des Geheimdienstes erhalten, die dir irgendeine haarsträubende Geschichte aufgetischt haben, warum dein Gegenmittel nichts taugt.«

Tornus schluckte. »Stimmte es denn nicht, daß Kimil CCLXVIII. das von mir entwickelte Serum einer seiner Frauen verabreichte, die daran elendiglich zugrunde ging?«

»Hältst du uns Kimils etwa für so blöd, daß wir jedes Hirngespinst unserer Untertanen an Personen testen, die uns nahestehen?«

»Die Frau war bei deinem Vorgänger in Ungnade gefallen«, wandte Tornus ein.

Kimil beugte sich vor und starrte den Molekularchemiker lauernd an. »Glaub mir: Als du noch an die Unabwendbarkeit des Schicksals geglaubt hast, warst du weitaus besser dran als jetzt. Ohne die Herrscherklasse seid ihr doch alle verloren. Wir haben euch einen Gefallen erwiesen, als wir euch von uns abhängig machten.«

Selbstgefällig lehnte sich der Imperator zurück. »Was meinst du, wird geschehen, sollte das Machtgefüge des Geheimen Imperiums eines Tages tatsächlich zusammenbrechen, wie es sich diese garstigen Terraner wünschen? Das ganze Reich wird im Chaos versinken, fremde Mächte werden die Klauen nach unserem Lebensraum ausstrecken und euch versklaven. Die bedeutungslosen Repressalien, die ihr von euren rechtmäßigen Herrschern habt hinnehmen müssen, werden euch im Vergleich zu dem, was die Fremdvölker euch antun werden, lächerlich erscheinen.«

Tornus’ Hände hatten zu schwitzen begonnen. Das Blut rauschte in seinen Ohren, so sehr hatten Kimils Worte ihn innerlich aufgewühlt.

»So dumm, wie du denkst, sind deine Untertanen nicht.« Der Chemiker schüttelte mitleidig den Kopf. »Du bist ein erbärmlicher Mann. Seit Generationen unterdrückt deine Familie das wahre Potential der Utaren. Wir brauchen uns nicht vor fremden Sternenvölkern zu fürchten, denn obwohl wir körperlich nicht die größten sind, so sind wir doch intelligent genug, jedem anderen Volk auf Augenhöhe zu begegnen. Wir benötigen keine selbsternannten Beschützer, die uns krank machen und schwächen, die uns zwingen, in der sterilen Atmosphäre von Städten zu hausen. Städte, die mittels Schutzkuppeln von den faszinierenden Welten abgeschnitten sind, auf denen sie stehen.«

»Aus dir spricht ein krankhafter idealistischer Geist«, ereiferte sich Kimil.

Tornus nickte und grinste dann böse. »Und darüber bin ich auch froh, Imperator. Die Geheimdienstleute deines Vorgängers haben den Idealisten in mir einst zum Schweigen gebracht. Doch nun hast du diese Stimme wieder zum Leben erweckt, Kimil.«

»Mein Vorgänger hätte besser daran getan, dich umzubringen«, keifte Kimil. Gereizt winkte er ab. »Was soll’s. Ein umgepolter Utare mehr oder weniger wird mein Imperium nicht stürzen.«

»Sei dir dessen nicht zu sicher«, gab Tornus kalt zurück. »Ich war als Leiter des Forschungsinstituts für Molekularchemie auf Utaria vorgesehen. Mein Fachgebiet ist die großindustrielle Produktion chemischer und biologischer Substanzen.« Er lächelte mitfühlend. »Wenn es in deinem Reich einen Mann gibt, der fähig ist, die massenhafte Produktion des terranischen Serums zu ermöglichen und dafür zu sorgen, daß es schnellstmöglich an alle Utaren verteilt wird, dann steht er in diesem Moment vor dir.«

Kimil sprang auf. Sein Gesicht war so fahl wie der Himmel an einem dunstverhangenen Morgen. »Cruso!« krächzte er kläglich. »So unternimm doch etwas!«

Der Hausmeister, der eben noch das derangierte Opfer gemimt hatte, rollte plötzlich von der Liege. Blitzschnell stürzte er auf den Molekularchemiker zu, tauchte geduckt unter Amys zupackenden Händen durch – und wurde im nächsten Moment von den Beinen gerissen, als der Stiefelabsatz des weiblichen Cyborgs, der um seine Längsachse gewirbelt war, mit voller Wucht seine Brust traf.

Cruso schrie schrill, während er quer durch die Kabine wirbelte und dann hart mit Kimil zusammenstieß. Die beiden Utaren stürzten; der Imperator zeterte, stieß seinen benommen mit den Augen rollenden Hausmeister von sich und fing jämmerlich an zu schluchzen.

Amy wandte sich an Tornus und seine Begleiter. »Habt ihr noch irgendwelche Fragen?«

Die drei Utaren schüttelten eingeschüchtert den Kopf.

»Dann laßt uns gehen.« Amy schob die blauen Zwerge auf die Tür zu, die in diesem Moment aufglitt.

Draußen auf dem Korridor starrte Tornus die nun wieder geschlossene Tür mit finsterer Miene an. »Ich bräuchte Zugang zu einer Arbeitsstation, um ein paar Berechnungen anzustellen«, sagte er wie zu sich selbst.

»Das sollte kein Problem sein«, erwiderte Amy.

Der Molekularchemiker sah zu der Terranerin auf. »Ganz so einfach, wie ich es Kimil gegenüber eben geschildert habe, wird es nicht werden, alle Utaren mit dem Serum zu versorgen.«

»Dann fang mal lieber sofort mit den Vorbereitungen an«, drängte Lamderang.

»Ich bräuchte auch eine Probe des Serums«, ergänzte Tornus. »Bevor ich mich an die Arbeit mache, muß ich mich davon überzeugen, ob dieses Antiallergen auch tatsächlich etwas taugt.«

*

In der Zentrale herrschte die übliche Betriebsamkeit. Dhark saß auf dem Kommandantensessel und unterhielt sich mit seinem Ersten Offizier Hen Falluta, während Arc Doorn vor der Bildkugel stand und den darin abgebildeten Ringraumer seiner Artgenossen nachdenklich betrachtete.

Andere Besatzungsmitglieder überprüften routiniert die Statusmeldungen des Checkmasters oder koordinierten Wartungsarbeiten.

Behaglich lehnte sich Chris Shanton in seinem Sessel zurück, der unter seinem enormen Gewicht leise knarrte. »Dann laß mal hören, was du erarbeitet hast, Tornus.«

Der Utare musterte den schwergewichtigen Terraner skeptisch, als frage er sich, ob der Kommandant versehentlich den falschen Namen ausgesprochen hatte, als er ihm vorhin den Ansprechpartner für die Realisierung der Serumgroßproduktion genannt hatte.

»Was ist?« Shanton zog verwundert die buschigen Augenbrauen zusammen, weil Tornus immer noch schwieg. »Fühlst du dich der Aufgabe etwa nicht gewachsen?«

»Doch«, beeilte sich der Utare zu versichern und drückte das Klemmbrett mit den Listen und Berechnungen verunsichert an seine Brust.

In diesem Moment kam ein wildes Tier hinter dem Sessel hervor. Es hatte kohlschwarzes dichtes Fell, eine kantige Schnauze und eine kurze Rute.

Tornus schrie unwillkürlich auf und wich panikerfüllt zurück: Das Fell dieses Tieres mußte ein Hort aller nur erdenklichen Krankheitserreger sein!

»Dieser Utare scheint nicht eben viel von dir zu halten, Dickerchen.«

Tornus gingen die Augen über: Das Tier hatte tatsächlich gesprochen!

»Der Anblick deines abgehalfterten Körpers läßt den blauen Gnom offensichtlich daran zweifeln, ob unter deiner Halbglatze genug Gehirnmasse vorhanden ist, um etwas Vernünftiges zustandezubringen.«

Shanton grinste böse. »Diese Zweifel kommen mir auch jedesmal, wenn ich erlebe, was für eine überflüssige Maschine ich konstruiert habe, als ich dich erschuf, Jimmy.«

Tornus blinzelte irritiert. Dieses »Tier« war gar keines?

Plötzlich erkannte er, daß er sich in dem beleibten Terraner getäuscht hatte: Ein Mann, der einen derart kleinen Roboter erschaffen konnte, der nicht nur zu sprechen vermochte, sondern auch über genügend Intelligenz und Pfiffigkeit verfügte, um über seinen Konstrukteur zu spotten, mußte ein Genie sein.

Verzweifelt überlegte der Utare, wie er die peinliche Situation entschärfen konnte.

»Verzeih mir, Shanton«, improvisierte er hastig. »Ich – muß mich erst noch daran gewöhnen, daß ich allergiefrei bin. Beim Anblick deines Backenbarts und von Jimmys Fell mußte ich unwillkürlich an die unzähligen todbringenden Krankheitserreger denken, die zwischen den Haaren nisten könnten.« Er lächelte verunglückt. »Am besten, wir fangen unverzüglich mit der Planung an.«

Shanton strich sich überlegend über die verlängerten Koteletten, als wäre er sich nicht ganz schlüssig, was er von dem Utaren halten sollte. »Meinetwegen«, sagte er schließlich und deutete auf das Schaltpult neben ihm. »Ich habe den Hyperkalkulator der Epoydos-Station hinzugeschaltet. Er wird uns während der Planungsphase unterstützen.«

Tornus warf dem für seine Proportionen hoch erscheinenden Pult einen unbehaglichen Blick zu. »Ist auf diesen Hyperkalkulator denn wirklich Verlaß? Immerhin handelt es sich bei dieser unterirdischen Station um eine Einrichtung der Imperatorenfamilie.«

»Sei unbesorgt«, erwiderte Jimmy an Shantons Stelle. »Das Epoydos-Zentralgehirn ist schwer in Ordnung. Wir haben einige seiner Programme neu konfiguriert, und auch die Datei des Wahnsinns wurde unschädlich gemacht. Epy 1/2 wird uns nach allen Kräften unterstützen.«

»Epy?«

Shanton lächelte nachsichtig. »Jimmy hat während unseres Aufenthalts in dieser Station eine innige Freundschaft zu dem Hyperkalkulator aufgebaut. Erspare es mir aber bitte, das näher erläutern zu müssen, denn diese Kameradschaft baut auf alten Filmkomödien aus der Zeit der ersten Raumfahrtversuche der Terraner auf.«

Tornus kam zu dem Schluß, daß die beiden ein ziemlich ulkiges Gespann abgaben, und beschloß, dies als genauso selbstverständlich hinzunehmen wie die Leibesfülle seines Gegenübers.

Der Utare warf einen flüchtigen Blick auf die Ausdrucke auf dem Klemmbrett. »Nachdem ich mich davon überzeugt habe, daß das Serum tatsächlich zur Massenproduktion taugt, habe ich eine Liste der Komponenten erstellt, die die erforderliche Pharmaanlage besitzen muß.«

Tornus räusperte sich. »Vorausgesetzt, die Rohstoffe und die zum Bau benötigten Materialien können alle reibungslos und ohne Zeitverzögerung herbeigeschafft werden, müßten zuerst Tankanlagen errichtet werden, in denen die synthetischen Rohstoffe für das Serum gebunkert werden. Über ein Rohrsystem, dessen Anordnung in einer Rohausfertigung bereits vorliegt, werden die Flüssigkeiten dann in eine Reaktions- und Zentrifugenanlage geleitet, wo das Serum bis zu seiner Vollendung in einem genau festgelegten vollautomatischen Prozeßablauf hergestellt wird. Selbstverständlich muß die Arbeit unter strengen Laborbedingungen durchgeführt werden, um eine Verunreinigung des Impfstoffes zu vermeiden.«

Tornus blätterte konzentriert in seinen Unterlagen. »Anschließend werden die speziellen Kühlbehälter mit dem Serum in die Abfüllanlage transportiert, wo es in einem Fließbandprozeß in kleine Impfampullen gefüllt wird. Die Pharmaanlage wird das Serum in einer Geschwindigkeit von jeweils 200 000 Ampullen pro Produktionsvorgang ausspucken. Ein Durchlauf wird, wenn die Rohstoffbeschaffung und die Maschinen reibungslos funktionieren, maximal zwei Stunden in Anspruch nehmen.«

»Das bedeutet, die Anlage könnte bei ununterbrochenem Betrieb am Tag etwa 2,4 Millionen Impfampullen produzieren«, überlegte Shanton.

»Das wären dann gut 800 Millionen Ampullen im Jahr«, schaltete Jimmy sich ein. »Epy 1/2 beziffert die Utarenbevölkerung des Heimatsystems auf fast zwei Milliarden. »Es würde also knapp zweieinhalb Jahre dauern, bis die Bevölkerung dieses Sonnensystems komplett geimpft wäre.«

»Das ganze Unternehmen könnte natürlich beschleunigt werden, wenn wir über noch größere oder gar mehrere solcher Pharmafabriken verfügten. Aber das sind natürlich nur theoretische Überlegungen«, gab Tornus zu bedenken. »Wie sollen die Rohstoffe in diesen rauhen Mengen beschafft werden, ohne daß dies dem Geheimdienst auffallen würde? Und wo sollte diese Fabrik gebaut werden? Ein solches Unternehmen wird selbst mit den größten Geheimhaltungsbemühungen nicht unbemerkt bleiben. Vorhandene Fabriken für unsere Zwecke einzusetzen, ist ja nun ebenfalls unmöglich.«

Aus dem Schallfeld des Steuerpultes tönte plötzlich eine metallisch klingende Stimme. »Eine Anlage mit dem doppelten Ausstoß könnte in den leeren Hallen dieser Station ohne Probleme untergebracht werden.«

Tornus drehte sich zu dem Pult um. »Würdest du es denn dulden, daß in deiner Station eine Fabrik errichtet wird, die dem Imperator schadet?«

»Meine Prioritäten richten sich nicht nach den Bedürfnissen des utarischen Herrscherclans«, stellte der Hyperkalkulator richtig. »Vorrang haben die Befehle, die ich von meinen Konstrukteuren erhalte.«

»Also von den Worgun«, stellte Tornus fest.

»Die uns nicht nur jeden Wunsch erfüllen werden, nachdem wir sie befreit haben«, ergänzte Shanton. »Darüber hinaus ist es ihnen ein persönliches Anliegen, die Utaren von der Knechtschaft durch die künstlich induzierte Allergie zu befreien.«

»Ich habe den Rohstoffbedarf der Fabrik auf der Grundlage einer Impfampulle berechnet«, fuhr der Hyperkalkulator fort. »Vorausgesetzt, ich lasse meine Wartungsroboter neue unterirdische Zugänge errichten, könnten die erforderlichen Rohstoffe von Maschinen aus dem Planetenmantel rund um die Station herum abgebaut werden. Auf diese Weise wäre ein autarker, reibungsloser Produktionsablauf gewährleistet.«

Tornus ließ das Klemmbrett sinken. In seinem Gesicht spiegelten sich Erstaunen und Erleichterung. Das Ziel, die Utaren dieses Sonnensystems in absehbarer Zeit von der Hyperallergie zu erlösen, schien plötzlich in greifbare Nähe gerückt.

»Mit Hilfe der Transmitter könnte das Serum dann schnell in jede Kuppelstadt von Utaria geliefert und unter den Bewohnern verteilt werden«, frohlockte er. »Auch die Raumstationen, die bewohnten Schwesternplaneten und Monde könnten auf diese Weise beliefert werden.«

Plötzlich wich jede Farbe aus dem Gesicht des Utaren. »Ich bin nicht mehr wert als ein abstoßender Krankheitserreger«, sagte er niedergeschlagen. »Das Geheime Imperium umfaßt Tausende bewohnte Welten. Selbst wenn wir den Ausstoß unserer Pharmafabrik noch erhöhen, werden die meisten Utaren längst an Altersschwäche gestorben sein, ehe das Serum für sie produziert werden konnte.«

Er seufzte schicksalsergeben. »Wir müssen uns wohl darauf konzentrieren, zu verhindern, daß die Neugeborenen mit dem allergieauslösenden Impfstoff infiziert werden, anstatt zu versuchen, alle Utaren zu heilen.«

»Hast du die Aufzeichnungen aus den Speicherzähnen von Kimil und Cruso denn nicht aufmerksam verfolgt?« wollte Jimmy wissen. »Jede der von euch bewohnten Welten verfügt über eine Epoydos-Station. Epy 1/2 wird die anderen Hyperkalkulatoren in den Ortungsstationen per Funk anweisen, nach deinen Plänen die Serumproduktion anlaufen zu lassen.«

Tornus furchte die Stirn. »Um die Zentralrechner zu einer Zusammenarbeit zu bewegen, müßten sie aber doch alle neu konfiguriert und die Datei des Wahnsinns eliminiert werden.«

»Das ist längst geschehen«, erklärte Shanton. »Inzwischen dürfte der Impuls zur Neukonfiguration von allen Stationen empfangen und durchgeführt worden sein.«

»Ich habe mit der Arbeit bereits begonnen«, schaltete sich der Stationsrechner wieder ein. »Meine Roboter sind soeben dabei, die in Frage kommenden Hallen für die erforderlichen Bauarbeiten vorzubereiten.«

Der Utare schüttelte fassungslos den Kopf. »Ich kann nicht glauben, daß dies wirklich alles wahr ist. Mein Jugendtraum, er wird nun doch noch Realität!«

In diesem Moment verließ Glenn Morris seine Funkbude. Mit eiligen Schritten näherte er sich dem Kommandopult, neigte sich über die Sesselrückenlehne und flüsterte Ren Dhark aufgeregt etwas ins Ohr.

2.

Dhark hatte sich neben Doorn vor die Bildkugel gestellt. Ein großer Raumsektor wurde in der Projektionskugel dargestellt, interne Fenster zeigten vergrößerte Ausschnitte des Gebietes.

Die Bilder wurden per To-Richtfunk von einer getarnten, vollautomatischen Drohne gesendet. Grappa hatte die Sonde vor einigen Wochen ausgeschleust, damit sie dem gigantischen Verband gelber Ringraumer folgte, den Kimil CCLXIX. losgeschickt hatte. Die Besatzung der großen Kampfschiffe hatte den Auftrag, das ehemalige Herrschaftsgebiet der Glandaren anzufliegen, um dort nach den Ursachen für die Transition eines Sonnensystems zu suchen, das plötzlich im Geheimen Imperium aufgetaucht war und mit seinem Weltuntergangsstrahl eine utarische Sonne samt ihren Planeten vernichtet hatte. Garaboldon, die zweite von dem sogenannten Bremer-System bedrohte Utarenwelt, hatte von den Terranern gerettet werden können. Es war ihnen auch gelungen, das gefährliche Sonnensystem unschädlich zu machen.

In diesem Moment betrat Amy Stewart die Zentrale. Vor ihr schritt Kimil erhobenen Hauptes einher. Der Imperator trug eine Miene zur Schau, als sollte er zum Schafott geführt werden. Der weibliche Cyborg hatte sich Cruso kurzerhand unter den Arm geklemmt. Offenbar hatte der Hausmeister wieder herumgetrickst und war von Amy erneut zur Räson gebracht worden. Seine Arme und Beine baumelten schlaff herab; er hatte die Augen fest geschlossen, weil er die Schmach nicht ertrug, auf diese entwürdigende Weise in das Kontrollzentrum des terranischen Schiffes gebracht zu werden.

Amy dirigierte Kimil vor die Bildkugel und ließ Cruso zu Boden fallen. Der Hausmeister war bei weitem nicht so weggetreten, wie er getan hatte, denn anstatt unsanft auf dem metallenen Boden aufzuschlagen, landete er auf allen vieren und federte den Aufprall ab. Als er dann aber schließlich wieder auf die Beine kam, wankte er doch ein wenig.

»Warum hast du mich herbringen lassen, Wüstling?« wollte Kimil von Dhark wissen.

Der Kommandant deutete auf die Bildkugel. »Deine Flotte hat das ehemalige Glandarengebiet erreicht.«

Der Imperator warf der Darstellung einen flüchtigen Blick zu. Kurz ruhten seine Augen auf den internen Fenstern, in denen Sonnensysteme zu sehen waren, die von Asteroidengürteln durchzogen wurden. Die gigantischen Gesteinsbrocken trudelten umher, prallten zusammen oder rieben aneinander, so daß Felsbrocken und Staubpartikel von ihnen wegstoben.

Bei diesen Asteroidenfeldern handelte es sich um ehemalige Glandarenwelten, die von den Ringraumern des Geheimen Imperiums vor einiger Zeit zerstört worden waren.

Was in dem Imperator vor sich ging, während er das Resultat des von ihm angeordneten Vernichtungsfeldzuges betrachtete, war seinem versteinerten Gesicht nicht anzusehen.

Schließlich verengte Kimil seine Augen zu schmalen Schlitzen und sah zu Dhark auf. »Es steht dir nicht zu, meiner Flotte nachzuspionieren.«

»Mein Interesse galt nicht ausschließlich deinem Geschwader, Kimil. Das ehemalige Herrschaftsgebiet der Glandaren bildet das Zentrum der rätselhaften Energieblase, die sich mit dem Überlichtfaktor 10,3 nach allen Seiten hin ausbreitet. Die gilt es zu erforschen.«

Kimil verzog geringschätzig den Mund. »Ich wünschte, die Horizontverschiebung wäre niemals aufgetaucht, denn dann wärt ihr bleichen Würmer längst nach Hause aufgebrochen und im Geheimen Imperium wäre noch alles beim Alten.«

Dhark lächelte dünn. »Es freut mich zu hören, daß du genau wie wir daran interessiert bist, das Rätsel der Horizontverschiebung zu lüften. Du wirst es uns daher sicherlich verzeihen, wenn wir deine Flotte weiterhin beobachten.«

»Ihr jämmerlichen Feiglinge!« Kimil verschränkte trotzig die Arme vor der Brust. »Anstatt euch mit eurem mickrigen Schiff in Gefahr zu bringen, beobachtet ihr meine Kampfraumer und wartet ab, was geschieht.«

»Vor einigen Tagen waren wir schon fast im Begriff, deiner Flotte ins Glandarengebiet zu folgen«, schaltete sich Doorn in das Gespräch. Kimils herablassendes Auftreten hatte den wortkargen Sibirier aus der Reserve gelockt. »Wir hielten es aber für wichtiger, der IMPERATOR 1 zu folgen. Es erschien uns irgendwie verdächtig, daß die Imperiumsflotte von einem getarnten Ringraumer verfolgt wurde, der sich dann schließlich von dem Verbund trennte und in entgegengesetzte Richtung davonflog.« Doorn grinste böse. »Wie sich zeigte, war der Imperator persönlich an Bord dieses Schiffes. Anstatt die Flotte auf der gefährlichen Mission zu begleiten, zog es der Imperator vor, Urlaub auf einer Ferienwelt der Salter zu machen.«

»Was ich tue oder lasse, geht nur mich allein etwas an!« kreischte Kimil beleidigt.

Dhark, den der Disput langweilte, hatte sich dem schmalen Steuerpult der Bildkugel zugewandt und veranlaßt, daß der Raumsektor, in dem eine große Ansammlung gelblicher Punkte zu sehen war, vergrößert wurde.

Die Punkte dehnten sich aus und vergrößerten sich zu Darstellungen der imperialen Ringraumer. Wie wütende Hornissen, die eine Bedrohung aus ihren Nestern getrieben hatte, schwirrten die ausgeschleusten Xe-Flash in den umliegenden Sonnensystemen umher.

»Sie halten nach transitionsfähigen Systemen Ausschau«, interpretierte Amy das Geschehen. »Sie werden sie zerstören, wie sie es mit den ehemaligen Glandarenwelten getan haben.«

»Bisher scheinen die Utaren kein System entdeckt zu haben, das einen marodierenden Weltenvernichter abgeben könnte«, wandte Dhark ein.

Doorn schüttelte seine rote Mähne. »Umgekehrt scheint die Flotte aber auch der geheimnisvollen Macht, die das Bremer-System zu einer transitionsfähigen Waffe umwandelte und ins Herrschaftsgebiet des Imperiums schickte, nicht aufgefallen zu sein.«

Kimil lachte gehässig. »Ihr hättet es wohl lieber gesehen, wenn meine Schiffe attackiert worden wären!«

Niemand machte sich die Mühe, auf die dumme Bemerkung des Imperators einzugehen. Während die Xe-Flash zu ihren Mutterschiffen zurückkehrten, beobachtete Amy Cruso unauffällig, der sich verstohlen in der Zentrale umsah. Der weibliche Cyborg ahnte, daß der Leibwächter sich einen Überblick verschaffen wollte, um die POINT OF später leichter übernehmen zu können. Sie konnte die Hartnäckigkeit des Utaren nur belächeln. Obwohl er bereits mehrere vergebliche Fluchtversuche unternommen hatte, gab er es nicht auf, an eine erfolgreiche Übernahme des terranischen Ringraumers zu glauben.

Im nächsten Moment wurde Amys Aufmerksamkeit wieder auf die Bildkugel gelenkt. Eine plötzlich aufgetauchte rot dargestellte Zahlenkolonne zeigte in dem Raumsektor, in dem sich die imperiale Flotte aufhielt, einen massiven Energieanstieg an.

»Was geht da vor sich?« wollte Kimil wissen, dem die von der Sonde übertragenen Werte ebenfalls nicht entgangen waren.

Ehe einer der Anwesenden die Frage beantworten konnte, trat in der Nähe der Ringraumer plötzlich eine seltsame Erscheinung auf. Ein grell schillerndes Feld von der Größe einer ganzen Stadt baute sich auf.

Rund um den Schiffsverbund entstanden in rascher Reihenfolge etwa ein Dutzend dieser giftig schillernden Felder. Manche waren kleiner als das erste, andere aber hatten fast das Ausmaß der Erde.

»Fraßschlünde!« ächzte Kimil entsetzt. »Ich hoffe, ihr seid jetzt zufrieden, Terraner!«

»Solch gigantische Quantenlöcher habe ich im Glandarengebiet noch nie gesehen«, bemerkte Doorn erschüttert.

In die Ringraumerflotte war Bewegung gekommen. Die Schiffe schlossen sich zu Kampfverbänden zusammen und feuerten mit allen Geschützen auf die tödlichen Gefügeportale.

Sogar Cruso richtete nun seine volle Konzentration auf die Szene in der Bildkugel. Die Befehlshaber der Schiffe hatten offenbar vor, die Quantenlöcher durch gebündelten Strahlenbeschuß zu überladen und zum Kollabieren zu bringen. Doch die Terraner wußten, daß dies nahezu unmöglich war. Nur der Treffer mit dem Geschoß aus einer Wuchtkanone konnte den Zusammenbruch eines Fraßschlundes herbeiführen. In diesem Fall würde auch das Quantenzentrum in der betreffenden Systemsonne vernichtet werden, was zum Erlöschen aller von ihr hervorgerufenen Gefügeportale führte.

Doch die imperialen Schiffe besaßen keine Wuchtkanonen – und ihre Befehlshaber offenbar nicht genug Verstand, um zum Rückzug zu blasen.

Die hin und her gleitenden Fraßschlünde vertilgten die riesigen Imperiumsschiffe gleich dutzendweise, schleuderten sie in eine andere Daseinsebene, aus der es keine Rückkehr gab.

»Was tun diese Idioten da?« entfuhr es Doorn. »Warum fliehen sie nicht?«

»Meine Offiziere sind keine Feiglinge«, erklärte Kimil überheblich. »Diese Männer kämpfen mit dem Mut der Verzweiflung und werden am Ende siegen!«

Der Imperator deutete zu einem der Fraßschlünde empor, der von mehreren Kampfverbänden zugleich beschossen wurde. Das grell schillernde Feld begann zu flackern, verschlang noch einen der Angreifer und erlosch schließlich.

»Ha!« triumphierte Kimil mit schriller Stimme. »Niemand sollte sich meiner Flotte entgegenstellen!«

Was der Imperator offenbar übersah, war, daß von dem ursprünglich über zehntausend Schiffe zählenden Verbund nur noch einige Hundert übriggeblieben waren.

Da leuchtete vom unteren Rand der Bildkugel plötzlich ein giftiges Schillern herauf, das im nächsten Moment die gesamte Darstellung ausfüllte.

Die Übertragung brach übergangslos ab.

»Unsere Drohne sendet nicht mehr!« rief Morris von der Funkstation herüber.

Dhark nickte düster. »Ein Fraßschlund hat sie erwischt.« Als der Kommandant zu Kimil und Cruso hinabblickte, lag tiefes Bedauern in seinen Gesichtszügen. »Ich fürchte, dem Rest der imperialen Flotte wird es nicht besser ergehen.«

*

»Der Fraßschlund ist kollabiert!« Der euphorische Ausruf des Ortungsoffiziers übertönte für einen kurzen Moment die Warnmeldungen des Hyperkalkulators. Die metallische Stimme des Bordgehirns meldete seit etlichen Minuten die Nähe einer gefährlichen kosmischen Erscheinung und riet dringend, den Raumsektor zu verlassen.

Arl Arleton war von seinem Kommandantensessel aufgesprungen.

Das Gesicht des utarischen Admirals war dunkelblau angelaufen; zornig ballte er die Fäuste. »Das sehe ich selbst, Toma. Worauf warten Sie noch? Der Kampfverband soll das nächste Quantenloch unter Beschuß nehmen!«

Der Angesprochene blickte betreten zur Funknische hinüber. Der Utare, der noch vor wenigen Augenblicken dort Dienst geschoben hatte, war über dem Pult zusammengebrochen. Die linke Hälfte des Kopfes bestand nur noch aus einer verkohlten, blutigen Masse.

»Entschuldigen Sie, Admiral. Sie haben den Ersten Funker niedergeschossen, als er Ihnen vorschlug, auf allen Funkkanälen ein Kapitulationsangebot zu senden.«