Die Macht der Situation - Eskil Burck - E-Book

Die Macht der Situation E-Book

Eskil Burck

4,8

Beschreibung

Obwohl wir uns gerne als stabile Persönlichkeit wahrnehmen, lassen wir uns in vielen Situationen von Umgebungseinflüssen manipulieren. Manchmal reicht schon ein lieblicher Duft oder eine angenehme Melodie und schon tun wir Dinge, die wir unter "normalen" Umständen nicht getan hätten. Was bewegt Menschen zu grausamen Taten? Wodurch lässt sich Hilfsbereitschaft steigern? Was lässt Menschen mehr Geld ausgeben? Wann ist der richtige Zeitpunkt zum Flirten? Die Antworten auf derartige Fragen liefern zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen, die von dem bekannten Psychologen Eskil Burck unterhaltsam und leicht verständlich aufbereitet wurden.

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Über den Autor

Eskil Burck absolvierte sein Studium an der Universität Koblenz-Landau. Schon während des Studiums begann er Erkenntnisse aus der psychologischen Forschung einer großen Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Sein Audio-Podcast belegte immer wieder Platz 1 in den iTunes-Charts in der Kategorie „Bildung“. Seine Lern-Videos wurden allein auf YouTube bereits mehr als zwei Millionen mal angeschaut.

Sein Buch „Neue Psychologie der Beeinflussung“ wurde zum Amazon-Bestseller.Weitere Informationen finden Sie auf www.psychologie-lernen.deYoutube-Kanal: psychologie-lernen.de

 

Die Macht derSituation

 

Eskil Burck

 

 

www.psychologie-lernen.de

 

 

Deutsche Erstausgabe 2017Copyright © Eskil BurckUmschlaggestaltung: Eskil BurckUnter Verwendung von Stockphotos: © Sergey Nivens / Fotolia.comCartoons: Dipl. Psych. Eskil BurckUnter Verwendung von Cartoon-Figuren von © ratch0013 / Fotolia.comWeitere Abbildungen: © ra2 studio / Fotolia.com, © pathdoc / Fotolia.com, © Sergey Nivens / Fotolia.com, © lassedesignen / Fotolia.com, © olly / Fotolia.com, © Maksim Šmeljov / Fotolia.com, © Photocreo Bednarek /Fotolia.com, © Maksim Šmeljov / Fotolia.com, © HappyAlex / Bigstock.com, © Sergey Nivens / Bigstock.com, © alphaspirit / Bigstock.comDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, einschließlich des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften.Der Autor geht davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Der Autor übernimmt allerdings weder ausdrücklich noch implizit Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen.Impressum: Eskil Burck, Im Steingebiß 6, 76829 LandauTel: 07272/6040Email: [email protected] und Verlag:

BoD – Books on Demand, Norderstedt

ISBN: 9783743108271

 

 

Psychologie-Lehrvideos im Webwww.psychologie-lernen.de

Video: Unbewusste Beeinflussung durch Werbung: Manipulation durch Musik, Düfte etc...

 

Video: Gedankenlesen leicht gemacht...

 

 

Manipulation entlarvt: "Kann ich bitte vor, WEIL ..."

Alle 130 Videos können kostenlos auf YouTube

angeschaut werden!

Außerdem können alle Episoden auch als mp3-Datei heruntergeladen werden.

Table of Contents

Informationen zum Buch

1 Einleitung

1.1 Was dieses Buch von anderen Büchern unterscheidet

1.2 Was Sie in diesem Buch erwartet

1.3 Vorsicht vor dem „Das-war-doch-klar“-Effekt (hindsight bias)!

2 Die Macht der Situation – Von den Klassiker-Studien bis heute

2.1 Wie wir uns durch andere beeinflussen lassen

2.2 Das Milgram-Experiment – Der Druck der Autorität

2.3 Schmetterlinge im Bauch – das muss Liebe sein…

2.4 Die Macht der Situation im Alltag nutzen – Stimuluskontrolle

2.5 Priming – Subtile Manipulation

3 (Unbewusste) Beeinflussung durch Aussehen

3.1 Kleider machen Leute?

3.2 Rote Kleidung macht Frauen attraktiver…

3.3 Die Macht der Uniform

3.4 Die dunkle Seite der Uniform: Deindividuation

3.5 Wenn Frauen High Heels tragen, liegen Männer ihnen zu Füßen...

3.6 Stehen Männer wirklich auf roten Lippenstift?

3.7 Frauen mit Tattoos gelten als „schnelle Nummer“

3.8 Blonde Frauen werden im Durchschnitt bevorzugt (zumindest in Frankreich)

3.9 „Er ist schwarz, also kriminell… Erschieß ihn, bevor er dich erschießt!“

3.10 Wie kann man Vorurteile abbauen? Kontakt und Kooperation

3.11 Teamwork - Die Macht der Kooperation

4 Die Macht der Stimme?

4.1 Exkurs: Sprechen Sie ins rechte Ohr!

5 (Unbewusste) Beeinflussung durch Musik

5.1 Musik beeinflusst, wie wir die Welt sehen

5.3 Wenn wir ein Produkt kaufen, weil es gut zur Musik passt - Die Musical-Fit-Hypothese

5.4 Hilfsbereitschaft steigern und Vorurteile abbauen mit Musik?

5.5 Flirten leicht gemacht – dank der richtigen Musik?

5.6 Leistungssteigerung durch Musik?

6 Unbewusste Beeinflussung durch Düfte

6.1 Exkurs: Ansteckender Normenverfall

6.2 Duftmarketing – Der Einsatz von Düften in Marketing und Verkauf

6.3 Manipulation durch Düfte im Supermarkt?

6.4 Der Duft der Exklusivität

6.5 Manipulation durch Düfte im Restaurant?

6.6 Gibt es Düfte, die Menschen hilfsbereiter werden lassen?

6.7 Ich kann dich nicht riechen - Wie Gerüche unsere Bewertung anderer Menschen beeinflussen

Lass mich an Dir riechen und ich sage Dir, wer Du bist

Lass mich an Dir riechen und ich sage Dir, ob Du krank bist

Lass mich an Dir riechen und ich sage Dir, ob ich Dich mag

6.8 Der süße Duft der Verführung

Einflussreiche Düfte aus der Umgebung - „Es duftet so lieblich.“

Gibt es körpereigene Duftstoffe, die Frauen „rollig“ werden lassen?

Der verführerische Duft der weiblichen Fruchtbarkeit

Der Duft stillender Mütter – Ein Aphrodisiakum für Frauen?

„Knoblauch. Mmmh!“

Pheromon-Partys: „Deine genetische Ausstattung riecht gut!“

(Unerwartete) Liebeskiller

Emotionale Ansteckung durch Gerüche?

7 Unbewusste Beeinflussung durch Geld

7.1 Mit 10 Cent zu mehr Menschlichkeit?

7.2 Was macht Geld und Luxus mit uns?

1. Geld führt zu unmoralischem Verhalten

Exkurs: Macht Geld glücklich?

Wie sollte man sein Geld ausgeben?

2. Geld erhöht die Leistungsbereitschaft.

8 Unbewusste Beeinflussung durch Natur

8.1 Natur macht uns sozialer

8.2 Warum Sie immer einen Blumenstrauß dabei haben sollten…

8.3 Frauen mit Blumen im Haar haben Vorteile…

8.4 In der Nähe von Blumen lässt es sich leichter flirten

8.5 Natur und Gesundheit

8.6 Weniger Schmerzmittel durch Natur? - Die heilende Kraft der Natur

8.7 Natur als Koffein-Ersatz? - Natürliches Hirndoping

8.8 Natur gegen die Depression?

9 Unbewusste Beeinflussung durch Wetter

9.1 Flirten bei Sonnenschein

9.2 Hilfsbereitschaft bei Sonnenschein

10 Es ist nicht egal, wo wir uns befinden… - Orte der Hilfsbereitschaft bzw. Kaltherzigkeit

10.1 Sind Menschen in New York weniger hilfsbereit?

10.2 Exkurs: Der Zuschauereffekt (Bystander-Effekt)

Persönlichkeit oder Situation? - Warum verhalten sich Menschen antisozial?

Wie kann man sich vor dem Zuschauereffekt schützen?

Orte der Hilfsbereitschaft – Gibt es auch innerhalb einer Stadt Unterschiede?

11 Big Brother is watching you!

12 Die etwas andere Zusammenfassung

12.1 So bringen Sie Ihre Mitmenschen dazu, Ihnen gegenüber hilfsbereiter zu sein

12.2 Für Frauen - So liegen Ihnen die Männer zu Füßen

12.3 Für Männer: So klappt's mit dem Date

12.4 Wie Sie als Kellnerin mehr Trinkgeld erhalten

Auflösung der Quizfragen

Kostenlose Psychologie-Lehrvideos

Literaturverzeichnis

Stichwortverzeichnis

1 Einleitung

1.1 Was dieses Buch von anderen Büchern unterscheidet

In vielen Büchern werden Hypothesen leider nur mit Alltagserfahrungen und Anekdoten gestützt. Wie das folgende Beispiel zeigt, können Alltagserfahrungen jedoch leicht zu falschen Überzeugungen führen:

Eine Fußballmannschaft liefert in der ersten Halbzeit eines Spiels eine unterirdische Leistung ab. Zur Halbzeit steht es 0:3. Der Trainer kann in der Halbzeit nicht an sich halten und schreit die Mannschaft in Grund und Boden:

„Ihr seid der letzte Abschaum! Ich bereue den Tag, als ich euer Trainer wurde!“

Wie durch ein Wunder ist das Spiel der Mannschaft in der zweiten Halbzeit etwas besser. Tatsächlich gelingen sogar noch zwei Ehrentreffer und das Spiel endet 2:3.

Der Trainer zieht daraus den Schluss, dass er alles richtig gemacht hat. Er entscheidet sich, in Zukunft bei schlechten Leistungen immer „deutliche Worte“ zu finden.

Leider täuscht ihn seine Erfahrung aus mindestens zwei Gründen:

1. Wahrscheinlich ließ die gegnerische Mannschaft in der zweiten Halbzeit etwas nach.

2. Rein statistisch gesehen war es unwahrscheinlich, dass nach einer äußerst schlechten Leistung des eigenen Teams erneut eine extrem schlechte Leistung folgt. Beim Fußball – wie auch in anderen Sportarten – spielt das Glück eine erhebliche Rolle. Während also ungewöhnlich viele Pässe und Torschüsse in der ersten Halbzeit unglücklicherweise nicht ihr Ziel fanden und man vielleicht den Pfosten traf, ist es unwahrscheinlich, dass sich dieses Pech in der zweiten Halbzeit wiederholt. Zur Verdeutlichung: Sie werfen zehnmal eine Münze und es kommt sensationellerweise zehnmal Kopf. Dann ist es extrem unwahrscheinlich, dass ihnen so etwas zweimal hintereinander passiert.

In der Statistik ist dieses Phänomen als „Regression zur Mitte“ bekannt.1

Regression zur Mitte: Extremwerte tendieren bei einer zweiten Messung zum Mittelwert.

Die einzige Möglichkeit, nicht auf dieses Phänomen hereinzufallen, besteht in der Verwendung von Kontrollbedingungen. Das heißt, der Fußballtrainer müsste in anderen Spielen eine andere Strategie testen. Zum Beispiel könnte er es mit aufmunternden Worten probieren:

„Ok, Leute. In der ersten Halbzeit lief einiges schief. Es war auch Pech dabei. Wenn ihr nochmal Vollgas gebt, können wir erhobenen Hauptes heimfahren. Vielleicht ist sogar noch mehr drin...“

Tatsächlich spricht die psychologische Forschung – in der man natürlich Kontrollbedingungen verwendet – dafür, dass aufmunternde Worte und Verstärkung des erwünschten Verhaltens auf lange Sicht mit höherer Wahrscheinlichkeit zum Ziel führen als Beleidigungen oder Bestrafungen. Trotzdem sind immer noch einige Trainer und Manager davon überzeugt, dass es hilft, bei schlechten Leistungen die Mannschaft „zusammenzuscheißen“.

Da Alltagserfahrungen also trügerisch sein können, lohnt sich der Blick in die Forschung. Leider sind die meisten Studien für den Normalbürger schwer aufzufinden und nicht einfach zu verstehen. Daher schlagen sogar manche Wissenschaftler lieber in Büchern nach, anstatt die Originalstudien zu lesen. Dies führt leider immer wieder zu Übertragungsfehlern, wie man sie von dem Kinderspiel „stille Post“ kennt (siehe z.B. Kapitel 7.1 ).2

Was dieses Buch also von anderen Büchern unterscheidet, ist, dass alle genannten Studienergebnisse aus den Original-Journal-Artikeln stammen. So kann der Leser in jedem Kapitel eine exakte Darstellung der Effektgrößen finden (zum Beispiel: Kontrollgruppe 5% versus Experimentalgruppe 20%).

1.2 Was Sie in diesem Buch erwartet

Während im Buch „Neue Psychologie der Beeinflussung“ der Fokus auf Beeinflussungstechniken lag, die vor allem in Face-to-Face-Situationen zum Einsatz kommen (z.B. Foot-in-the-door-Technik), geht es in diesem Buch um situative Einflussfaktoren:

Wie lassen wir uns durch Musik beeinflussen?

Wozu können uns bestimmte Düfte verleiten?

Wie stark lassen wir uns vom Aussehen einer Person beeinflussen?

Wie groß ist die Macht der Stimme?

Welchen Einfluss hat das Wetter auf unser Verhalten?

Was machen Geld und Luxusmit uns?

Was passiert, wenn wir in wunderschöne Naturlandschaften eintauchen?

Viele dieser Umgebungseinflüsse sind in unserem Alltag omnipräsent und wir sind ihnen permanent ausgesetzt. Daher sind schon kleine Effekte äußerst relevant. Wenn also eine weltweit agierende Kaufhauskette wie Wal-Mart mit ca. 100.000.000 Kunden pro Woche durch das Versprühen eines bestimmten Dufts pro Kunde durchschnittlich nur einen Euro mehr Umsatz machen würde, ergäbe sich dadurch eine jährliche Umsatzsteigerung von 5,2 Milliarden Euro!

Aber Düfte und andere Umgebungsaspekte beeinflussen menschliches Verhalten nicht nur beim Geldausgeben. Sie können Menschen auch dazu bringen, egoistisch oder hilfsbereit zu sein. Sie können unsere (kognitive) Leistungsfähigkeit beeinflussen. Und auch in Liebesangelegenheiten kommt es häufig auf die richtige Atmosphäre an.

Natürlich hat ein jeder von uns eine einzigartige Persönlichkeit. Wie die Forschung jedoch zeigt, sollten wir die Macht der Situation niemals unterschätzen.

Da es sich im Großen und Ganzen um relativ unzusammenhängende Themenkomplexe handelt, muss sich der Leser nicht vom ersten zum letzten Kapitel „durchkämpfen“, sondern kann – je nach Lust und Laune – überall ins Buch einsteigen. Zur besseren Übersicht wurde folgendes Schaubild erstellt. Welches Thema interessiert Sie am meisten?

1.3 Vorsicht vor dem „Das-war-doch-klar“-Effekt (hindsight bias)!

Erzählt man Menschen von den Ergebnissen psychologischer Forschung, erhält man häufig folgende Reaktion:

„Ach. Das hätte ich dir auch sagen können. Dafür hätte es doch keine Studie gebraucht.“

Aber schauen wir uns ein Beispiel aus der Forschung an: Mal angenommen, Sie finden eine andere Person attraktiv. Welche Strategie ist dann geschickter, um sich für den potentiellen Traumpartner interessant zu machen.

1. Sie machen sich rar und zeigen sich nur ganz selten.

2. Sie sorgen dafür, dass Sie der anderen Person immer mal wieder zufällig über den Weg laufen.

Vielleicht haben Sie schon vermutet, dass Strategie 1 (sich rar machen) deutlich besser funktioniert. Denken Sie an eigene Erfahrungen. Sind da nicht viele Beispiele, in denen Menschen besonders sympathisch wurden, nachdem sie nur noch selten auf der Bildfläche erschienen?

Was ist jedoch, wenn ich Ihnen sage, dass es eigentlich genau umgekehrt ist und es sehr viele Studien gibt, die dafür sprechen, dass mit jeder Begegnung Ihre Chance steigt, bei Ihrem Traumpartner zu landen (z.B. Moreland & Beach, 1992)? Tatsächlich handelt es sich sogar um einen der am besten erforschten Effekte in der Psychologie:

 

Effekt der bloßen Darbietung (mere exposure effect):

Je häufiger wir einem Stimulus ausgesetzt sind, desto sympathischer wird er uns.

 

Nachdem Sie jetzt gehört haben, wie es sich wirklich verhält, gräbt Ihr Gehirn womöglich Erinnerungen aus, die für den Effekt der bloßen Darbietung sprechen. Sie denken vielleicht an Menschen, die Ihnen im Laufe der Zeit sympathischer wurden oder Sie denken vielleicht an Lieder, die beim ersten Hören von Ihnen als relativ langweilig abgetan wurden. Nachdem der Song aber häufig im Radio gespielt wurde, fanden Sie ihn auf einmal gar nicht mehr so schlecht.

Sobald wir hören, wie etwas wirklich ist, erzeugt unser Gehirn Informationen, um dieses Ergebnis zu erklären. Leider führt dies häufig zum sogenannten Rückschaufehler (hindsight bias; Blank, 2007). Sobald Sie über ein Ergebnis aufgeklärt werden, sind Sie der Meinung, dieses Ergebnis sei erwartbar gewesen. Im Alltag kennt man dies von Investment-Bankern, die nach einem Börsen-Crash behaupten, sie hätten schon lange damit gerechnet. Auch nach politischen Wahlen sagen viele: „Das war klar, dass der/die gewinnt!“. Vor der Wahl waren sich die gleichen Leute aber keineswegs so sicher.

Um diesem Rückschaufehler ein wenig entgegenzuwirken, finden Sie zu Beginn jeden Kapitels kurze Quizfragen, mit denen Sie die Probe machen können, welche Ergebnisse für sie tatsächlich vorhersehbar waren.3

 

 

1 Ein Erklärungsvideo zum Thema „Regression zur Mitte“ finden Sie auch auf dem Youtube-Kanal von psychologie-lernen.de.

2 Ärgerlicherweise halten viele Menschen Bücher für hochwertiger als Studien. Dabei wird in Büchern meist nur abgeschrieben, was ursprünglich in Studien publiziert wurde.

3 Tatsächlich wird in vielen Wissenschafts-Büchern – und auch in diesem Buch – zum Großteil Forschung präsentiert, die „funktioniert“. Wer tiefer in die psychologische Forschung eintaucht, wird sich wundern, wie viele – zum Teil äußerst plausibel klingende Hypothesen – einer experimentellen Überprüfung nicht standhalten.

2 Die Macht der Situation–Von den Klassiker-Studien bis heute

Quizfrage: Wie viel Prozent der Menschen, würden einer anderen Person (mit Herzproblemen) einen lebensgefährlichen Elektroschock verpassen, nur weil ihnen ein (vermeintlicher) Wissenschaftler einredet, dass dies für das Experiment erforderlich sei?

a) 0,5%

b) 8%

c) 23%

d) 63%

(Auflösung hier klicken)

 

2.1 Wie wir uns durch andere beeinflussen lassen

Beginnen wir mit einem kleinen wahrnehmungspsychologischen Experiment. Welche der rechten Vergleichslinien in Abbildung 2.1 ist genauso lang wie die linke „Standardlinie“?

 

Abbildung 2.1 Welche der rechten Linien ist so lang wie die Linie links im Bild?

 

Wahrscheinlich werden Sie sagen: Was soll der Quatsch? Ganz offensichtlich ist B die richtige Antwort. Und es gibt keine Situation, in der man Sie davon überzeugen könnte, dass C die richtige Antwort sein könnte. Verblüffenderweise bedarf es aber gar nicht viel, Menschen dazu zu bringen, sich für die falsche Antwort zu entscheiden. Man muss nur einige eingeweihte Helfer1 beauftragen, mit großem Selbstvertrauen für die eindeutig falsche Antwort zu stimmen. Wie sich in einem der berühmtesten Experimente der Psychologie zeigte, führte dies zwar dazu, dass viele Versuchspersonen zunächst mal inne hielten, um noch mal genauer hinzuschauen. Letztlich beugten sich jedoch die Versuchspersonen in sage und schreibe 36,8% der Fälle dem Urteil der Gruppe. Wenn man Versuchspersonen dagegen ohne Gruppeneinfluss abstimmen ließ, lagen sie nur in 0,7% der Fälle daneben (Asch, 1956)2.

Der Einfluss anderer Menschen auf unser Verhalten ist häufig viel größer, als wir wahr haben wollen.3 So ließ sich z.B. zeigen, dass sich die Einstellungen von Bewohnern in Studentenwohnheimen im Laufe der Zeit denen ihrer Nachbarn angleichen (Cullum & Harton, 2007) oder dass Antworten auf kontroverse Fragen viel einheitlicher ausfallen, wenn man sie per Handzeichen abgeben muss und nicht anonym (Stowell et al., 2010). In die Kategorie „kurios“ fallen dagegen die Ergebnisse einer Untersuchung von Munger und Harris (1989), in welcher man beobachten konnte, dass 77% der Frauen sich in einer öffentlichen Toilette die Hände wuschen, wenn sie glaubten, es sei noch jemand anwesend. Wenn sie dagegen glaubten, alleine zu sein, achteten lediglich 39% auf ihre Handhygiene.4

Insofern ist es vielleicht wirklich besser, wenn Frauen gemeinsam auf die Toilette gehen.

 

Beeinflussung im Alltag

Häufig wird unsere Tendenz, uns dem Verhalten anderer Menschen anzupassen, gezielt ausgenutzt. So werden in manchen Comedy-Shows oder Theaterstücken Komplizen im Publikum platziert, die übermäßig lachen oder applaudieren. Ähnliches findet man auch im Sport, wenn Fußballvereine die engagiertesten Fans mit Sonder-Aktionen belohnen. Denn nichts ist wertvoller als Fans, die mit ihrer Euphorie andere anstecken können und so aus einem müden Kick ein hochemotionales, zumindest ein „intensives“ Spiel werden lassen.

Im Alltag gibt es aber noch viele weitere Situationen, in denen wir uns manchmal nicht sicher sind, wie wir uns verhalten sollen.

Sollen wir jemandem helfen, der uns auf offener Straße um eine Unterschrift für eine Petition bittet? Sollen wir jemandem, der gerade einen Stapel Blätter verloren hat, beim Aufheben helfen? Wenn Forscher in diesen Szenarien hilfsbereite Komplizen einschleusten, waren auch mehr Probanden bereit zu helfen (Begin, 1978; Solomon & Grota, 1976).

Natürlich kann man uns auf diese Weise auch dazu bringen, mehr Geld auszugeben. In einem sehr cleveren Experiment, welches in fünf französischen Bäckereien durchgeführt wurde, beauftragte man Verbündete nach dem Kauf eines Brots 50 Cent in ein Spendenkörbchen mit der Aufschrift „For the Service“ hineinzuwerfen (Guéguen, 2007). Würden die nachfolgenden Kunden sich davon beeinflussen lassen und ebenfalls spenden?

Wie sich herausstellte, nahmen sich viele der Kunden ihren Vorgänger zum Vorbild, wodurch im Vergleich zu einer Kontrollbedingung5 eine Verdopplung der durchschnittlichen Spendensumme erzielt wurde (0,65 Euro vs. 0,31 Euro).

Vielleicht kommt Ihnen dieses Szenario gar nicht so unbekannt vor. Wenn sich andere als spendabel präsentieren, ist es schwer, sich diesem guten Vorbild zu widersetzen. Schließlich möchte man ja nicht als Geizhals dastehen.

2.2 Das Milgram-Experiment – Der Druck der Autorität

Kaum ein anderes Experiment verdeutlicht die Macht der Situation so sehr wie das berühmte Milgram-Experiment:

Stellen Sie sich vor, Sie nähmen an einem Experiment zum Thema „Gedächtnis und Lernen“ teil. Als Sie im Versuchslabor ankommen, stellt man Ihnen einen anderen Versuchsteilnehmer vor. Ein netter, leicht übergewichtiger Kerl im Alter von 47 Jahren, der mit Ihnen zusammen an diesem Experiment teilnehmen wird. Als Nächstes teilt Ihnen ein Wissenschaftler mit, dass es darum gehe, wie sich Bestrafung auf das Lernen auswirke. Die „Bestrafung“ erfolge mithilfe von Elektroschocks, die von „leicht“ (15-60 Volt) über „sehr stark“ (195-240 Volt) und „Gefahr - schwerer Schock“ (375-420 Volt) bis hin zu einer letzten, nur mit „XXX“ bezeichneten Kategorie (435-450 Volt) reichen. Um Ihnen ein Gefühl für die Stärke der Schocks zu geben, verabreicht man Ihnen vorab einen 45 Volt starken Schock, der sich schon als ziemlich schmerzhaft erweist.

Im nächsten Schritt teilt man Ihnen mit, dass nun das Los entscheide, wer von Ihnen beiden in dem Lern-Experiment die Lehrer-Rolle und wer die (schmerzhafte) Schüler-Rolle einnehmen werde. Sie haben Glück! Sie dürfen der Lehrer sein und müssen keine Elektroschocks über sich ergehen lassen. Nun zeigt man Ihnen, wie Ihr Versuchspartner (der Schüler) in einem Nebenzimmer an einem Stuhl festgeschnallt wird und Elektroden an seinem Arm angebracht werden. Dann beginnt das Experiment. Ihre Aufgabe ist es, Wortpaare vorzulesen (blau - Kiste; schön – Tag), welche sich der Schüler einprägen soll. Wann immer er eine falsche Antwort gibt, müssen Sie ihm per Knopfdruck einen Elektroschock verpassen. Sobald die 75 Volt erreicht sind, hören Sie durch die Zimmerwand, dass Ihr Versuchspartner erhebliche Schmerzen hat. Ab 150 Volt bittet er lauthals um den Abbruch des Experiments:

„Au!! Versuchsleiter! Das reicht! Holen Sie mich hier raus! … Mein Herz fängt an, mir Probleme zu machen!“

Spätestens ab diesem Moment beginnen Sie eventuell zu zögern. Vielleicht wenden Sie sich an den mit einem Laborkittel bekleideten Wissenschaftler, der seelenruhig hinter Ihnen im Zimmer sitzt und scheinbar alles protokolliert. Seine Antwort auf Ihre Bedenken fällt kurz und trocken aus:

„Bitte fahren Sie fort.“

Auch beim zweiten Nachfragen fällt die Antwort ähnlich wortkarg aus:

„Das Experiment erfordert, dass Sie weitermachen.“

Würden Sie dem Befehl des Wissenschaftlers Folge leisten? Die meisten von uns würden diese hypothetische Frage verneinen6. Jene Versuchspersonen, die sich aber in der konkreten Situation befanden, beugten sich in 80% der Fälle dem Befehl der Autoritätsperson. Und damit nicht genug: Obwohl die Proteste und Schmerzen des Versuchspartners im weiteren Verlauf des Experiments zunahmen (und dieser letztlich sogar verstummte), zogen 62,5% der Probanden das Experiment bis zum (vermeintlich) lebensgefährlichen 450-Volt-Schock durch (siehe Abbildung 2.2)!

Abbildung 2.2 Basierend auf Daten von: Milgram, S. (1974). Obedience to authority. New York: Harper & Row.

 

Selbstverständlich war der „Versuchspartner“ in Wirklichkeit ein Komplize des Versuchsleiters. Und natürlich war er zu keiner Zeit Elektroschocks ausgesetzt. Alle Schmerzensschreie und jegliches Flehen nach Abbruch des Experiments waren geschauspielert. Obwohl es sich also um ein fingiertes Szenario handelte, war es jedoch für viele Probanden bitterer Ernst. So schildert Milgram (1963) den Fall eines Geschäftsmannes, der lächelnd und selbstsicher das Versuchslabor betrat, aber während des Experiments zu einem zuckenden, stotternden Wrack wurde, das auf einen Nervenzusammenbruch zusteuerte:

Einmal drückte er seine Faust gegen seine Stirn und murmelte: „Oh Gott. Lass uns damit aufhören!“ Dennoch fuhr er damit fort, auf jedes Wort des Versuchsleiters zu reagieren und gehorchte bis zum Ende. (Milgram, 1963, S.377)

Milgram führte noch viele Variationen seines Experiments durch.7 So ließ sich zeigen, dass schon geringfügige Veränderungen des experimentellen Settings zu deutlich abweichenden Ergebnissen führten. Der Anteil der völlig loyalen Probanden reichte von 0% bis 93%. Die Gehorsamkeit der Versuchspersonen hing u.a. von folgenden Faktoren ab:

Distanz zwischen Täter und Opfer: Wenn sich das Opfer im gleichen Zimmer wie der Täter befand, waren „nur“ noch 40% der Versuchspersonen bereit, die maximale Schockintensität (450 Volt) zu verabreichen. Wenn das Opfer in Berührungsnähe war und der Täter sogar die Hand des Opfers auf die Elektroschock-Platte führen musste, ging die Einwilligungsrate auf 30% zurück.

Glaubwürdigkeit der Autoritätsperson: Wenn man das Experiment nicht an der renommierten Yale Universität durchführte, sondern in einem heruntergekommenen Gebäude in einer anderen Stadt, leisteten „nur“ 48% der Versuchspersonen absoluten Gehorsam. Einen großen Einfluss hatte es auch, wenn man den Versuchsleiter durch einen „Normalbürger“ ersetzte. Hierzu sagte der Versuchsleiter, er müsse aufgrund eines wichtigen Termins das Zimmer verlassen. Bevor er ging, übertrug er seine Autorität an eine andere Versuchsperson (in Wirklichkeit ein Assistent des Versuchsleiters). Dieser hatte dann die „Idee“, bei jedem Fehler die Schockintensität zu erhöhen. Diesem „unechten“ Versuchsleiter folgten nur (oder immer noch) 20% der Probanden.

Widerstand von anderen: In einer Variante des Experiments schleuste Milgram noch zwei Komplizen ein, die auch als „Lehrer“ auftraten. Einer von ihnen sollte die Aufgaben vorlesen, der andere sollte die Antworten des Schülers notieren. Der echte Proband war nur dafür verantwortlich, den Stromstoß zu verpassen. Die Komplizen waren beauftragt worden, sich dem Versuchsleiter zu widersetzen. Der erste weigerte sich bei 150 Volt weiterzumachen. Der zweite stieg bei 210 Volt aus. Die Beobachtung, dass sich die anderen der Autorität widersetzten, erleichterte es den echten Probanden, das Experiment abzubrechen. Nur noch 10% waren bis zum Ende loyal.

Nach dem Mord an Millionen Juden durch die Nazis fragten sich viele Menschen: „Was waren das für Ungeheuer, die bereit waren, auf grausame Weise so viele Menschen zu ermorden?“

Ohne die Betroffenen von ihrer Schuld freisprechen zu wollen, muss man konstatieren: Viele waren aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur keine mordrünstigen Ungeheuer, sondern wahrscheinlich relativ „normale“ Menschen, welche – genau wie die Probanden im Milgram-Experiment – einfach „nur“ Befehle ausführten.

Aber im Grunde ist diese Erkenntnis schwieriger zu verdauen, als wenn man weiterhin glauben könnte, dass es sich bei den Tätern ausschließlich um Psychopathen handelte.

 

Gehorsamkeit gegenüber einem (vermeintlichen) Polizisten

Am 4. April 2004 rief ein Mann in einer McDonalds-Filiale in Mount Washington (Kentucky, USA) an und stellte sich der stellvertretenden Filialleiterin Donna Summers als Kriminalbeamter („Officer Scott“) vor. Der „Officer“ erklärte ihr, dass eine Mitarbeiterin des Restaurants des Diebstahls verdächtigt werde. Er habe auch schon die Hauptverwaltung von McDonalds und die Managerin ihrer Filiale (deren Name er korrekt nannte) kontaktiert.

Da man aber bei der Polizei aktuell mit wichtigeren Dingen beschäftigt sei, könne man leider keinen Officer in das Restaurant schicken. Stattdessen sei man darauf angewiesen, dass Summers mit der Polizei kooperiere.

Nach einer kurzen Personenbeschreibung (jung, weiß, klein gebaut, schwarze Haare) war sich Summers sicher: Es musste sich um Louise Ogborn handeln. Eine Mitarbeiterin, die erst kürzlich 18 Jahre alt wurde.

Den Befehlen des Kriminalbeamten gehorchend brachte sie Louise Ogborn in ein kleines Büro und befahl ihr, sich auszuziehen, damit das gestohlene Geld ausfindig gemacht werden könne. Natürlich ließ sich kein Geld finden, denn Louise Ogborn war völlig unschuldig. Dennoch ging das von „Officer Scott“ beauftragte „Verhör“ und die Leibesvisitation in eine grausame zweite Runde, als der damalige Lebenspartner von Donna Summers hinzugezogen wurde, um auf die verängstigte 18-Jährige aufzupassen. Äußerst bereitwillig leistete er den Aufträgen des Anrufers Folge und zwang Louise Ogborn dazu, mit ihren Fingern ihre Vagina zu spreizen, um sicher gehen zu können, dass sie dort nichts verstecke. Als ob dies noch nicht entwürdigend genug gewesen sei, wurde Louise in der Folge dazu gezwungen, sich auf seinen Schoß zu setzen, ihn zu küssen und schließlich sogar Oral-Sex mit ihm zu haben.

Der Albtraum hatte erst ein Ende, nachdem ein weiterer Angestellter hinzugezogen wurde, um auf Louise aufzupassen. Als dieser sich den Anweisungen des Anrufers widersetzte, begann es auch Donna Summers zu dämmern. Sie kontaktierte ihre Vorgesetzte, zu der „Officer Scott“ ja angeblich Kontakt aufgenommen hatte. Da diese von nichts wusste, rief Summers die „echte“ Polizei an. Die Polizei traf nach 5 Minuten am Tatort ein…

Nachspiel:

Louise Ogborn litt in der Folge – verständlicherweise – an einer posttraumatischen Belastungsstörung und erhielt von McDonalds 6,1 Millionen Dollar Schadensersatz. Denn obwohl die Konzernleitung von ähnlichen „Telefonstreichen“ in der Vergangenheit wusste, hatte man nichts dagegen unternommen.

Die stellvertretende Filialleiterin Donna Summers wurde zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Ähnlich wie Louise Ogborn verklagte sie aber auch ihren Arbeitgeber McDonalds und erhielt 1,1 Millionen Dollar.

Der (damalige) Lebensgefährte von Donna Summers wurde zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt.

„Officer Scott“: Obwohl man einen Verdächtigen ausfindig machen konnte und die Anrufe nach dessen Festnahme abrissen, wurde dieser letztlich von einem Geschworenengericht freigesprochen.

2.3 Schmetterlinge im Bauch – das muss Liebe sein…

In vielen Filmen und Seifenopern läuft die Liebesbeziehung zwischen Mann und Frau nach folgendem Schema ab:

Phase 1: Frau und Mann können sich zunächst überhaupt nicht ausstehen.

Phase 2: Frau und Mann gehen zusammen durch Dick und Dünn. Häufig entgehen sie dabei nur knapp dem Tod.

Phase 3: Frau und Mann verlieben sich unsterblich ineinander.

Hätten sich die beiden auch dann ineinander verliebt, wenn sie kein gemeinsames Abenteuer erlebt hätten? Schließlich mutet der Gemütswandel von Phase 1 zu Phase 3 wie das Resultat einer perfekten Gehirnwäsche an. Andererseits handelt es sich ja nur um eine fiktive Handlung. Vielleicht passiert so etwas ja nur im Film?

Obwohl uns Hollywood natürlich in vielen Dingen ein äußerst verzerrtes Abbild der Realität präsentiert, scheint sich diesbezüglich ein Funken tieferer Wahrheit in den Drehbüchern wiederzufinden. Dafür spricht u.a. ein klassisches Experiment aus der Sozialpsychologie (Dutton & Aron, 1974). Schauplatz dieses Experiments war die ca. 135 Meter lange Capilano-Hängebrücke in Nord-Vancouver. Diese zuweilen sehr wackelige und im Wind hin und her wankende Hängebrücke mit unangenehm niedrigem Geländer führt in einer Höhe von 65 Metern über eine Schlucht, durch welche sich der Capilano-River schlängelt. Wer diese Hängebrücke überquert, braucht gute Nerven, denn sobald sich mehrere Menschen auf einer Seite des Geländers aufhalten, kann der Eindruck entstehen, die Brücke könne jeden Moment zur Seite kippen und alle auf ihr befindlichen Menschen in die Tiefe stürzen lassen. In dieser angsteinflößenden Umgebung wurden Männer beim Überqueren der Hängebrücke von einer sehr attraktiven Komplizin des Versuchsleiters angesprochen. Angeblich führe sie im Rahmen eines Psychologie-Kurses eine Umfrage durch, um herauszufinden, wie sich landschaftliche Attraktionen auf die Kreativität auswirken. Hierfür zeigte sie den Probanden eine Reihe von Bildern, zu welchen die Männer ihrer Fantasie freien Lauf lassen durften.

 

Abbildung 2.3 Die Versuchspersonen wurden beim Überqueren einer angsteinflößenden Hängebrücke interviewt.

 

Im Vergleich zu einer Kontrollgruppe von Männern, welche die Überquerung der Brücke schon seit 10 Minuten hinter sich hatte,8 hatten die Männer deutlich häufiger sexuelle oder romantische Assoziationen.

Noch interessanter war jedoch die Tatsache, dass die männlichen Probanden, die um ihr Leben gefürchtet hatten, in der Folge deutlich häufiger versuchten, Kontakt zu der attraktiven Psychologie-Studentin aufzunehmen (siehe Abbildung 2.4).

 

Abbildung 2.4 Basierend auf Daten von: Dutton, D. G., & Aron, A. P. (1974). Some evidence for heightened sexual attraction under conditions of high anxiety. Journal of personality and social psychology, 30(4), 510.

 

Diese hatte ihnen nämlich am Ende des Interviews ihre Telefonnummer gegeben, für den Fall, dass sie noch irgendwelche Fragen zu dem Experiment hätten. Vermutlich hatten die Männer ihre Angstsymptome (Herzklopfen, flaues Gefühl in der Magengrube) mit den zugegebenermaßen ähnlichen Symptomen des Verliebtseins verwechselt.9

Auch wenn die Hängebrücke