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Der neue Roman der Bestsellerautorin widmet sich den berühmt-berüchtigten Mitford-Schwestern. Im Mittelpunkt stehen die tapferen Bemühungen der Schriftstellerin Nancy Mitford, die Nazis daran zu hindern, Großbritannien einzunehmen. Sie muss sich entscheiden, was ihr wichtiger ist: ihre eigene Familie oder das Weltgeschehen? Zwischen den Weltkriegen dominieren die sechs Mitford-Schwestern die politische, literarische und gesellschaftliche Szene Englands – eine schöner, brillanter und exzentrischer als die andere. Als Diana sich von ihrem wohlhabenden Ehemann scheiden lässt, um einen faschistischen Führer zu heiraten, und ihre Schwester Unity ihr bis nach München folgt, gerät das Familiengerüst ins Wanken. Es geht das Gerücht um, dass Unity Mitford Hitlers Geliebte sei. Während die Nazis an Macht gewinnen, wird die Schriftstellerin Nancy Mitford misstrauisch gegenüber den ständigen Besuchen ihrer Schwestern in Deutschland. Als sie beunruhigende Gespräche belauscht und verräterische Dokumente entdeckt, muss Nancy eine schwere Entscheidung treffen, während Großbritannien in den Krieg gegen Deutschland zieht.
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Seitenzahl: 503
Marie Benedict
Roman
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Über Marie Benedict
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Marie Benedict, geboren 1973, studierte am Boston College Geschichte und Kunstgeschichte und an der Boston University School of Law. Ihre Bücher über starke Frauen der Weltgeschichte haben Bestsellerstatus. Ihr Roman »Frau Einstein« verkaufte sich über 100.000 Mal allein in Deutschland. Sie ist Anwältin und lebt mit ihrer Familie in Pittsburgh.
Karen Gerwig studierte Angewandte Sprach- und Kulturwissenschaften in Germersheim und Rennes (Frankreich). Sie übersetzt aus dem Französischen, Englischen und Portugiesischen. Zu den von ihr übersetzten Autorinnen gehören Meena Kandasamy, Melissa Broder, Denise Mina und Hiromi Goto. Sie lebt in München und besitzt leider keinen Zweitwohnsitz in Frankreich.
Marieke Heimburger, geboren 1972, hat in Düsseldorf Literaturübersetzen für Englisch und Spanisch studiert. Seit 1998 übersetzt sie englischsprachige Literatur, u.a. Stephenie Meyer, Rowan Coleman, Kiera Cass, Sally McGrane, seit 2010 auch aus dem Dänischen, u.a. Jussi Adler-Olsen, Anna Grue, Mads Peder Nordbo.
zur Kurzübersicht
Der neue Roman der Bestsellerautorin widmet sich den berühmt-berüchtigten Mitford-Schwestern. Im Mittelpunkt stehen die tapferen Bemühungen der Schriftstellerin Nancy Mitford, die Nazis daran zu hindern, Großbritannien einzunehmen. Sie muss sich entscheiden, was ihr wichtiger ist: ihre eigene Familie oder das Weltgeschehen?
Zwischen den Weltkriegen dominieren die sechs Mitford-Schwestern die politische, literarische und gesellschaftliche Szene Englands – eine schöner, brillanter und exzentrischer als die andere. Als Diana sich von ihrem wohlhabenden Ehemann scheiden lässt, um einen faschistischen Führer zu heiraten, und ihre Schwester Unity ihr bis nach München folgt, gerät das Familiengerüst ins Wanken. Es geht das Gerücht um, dass Unity Mitford Hitlers Geliebte sei.
Während die Nazis an Macht gewinnen, wird die Schriftstellerin Nancy Mitford misstrauisch gegenüber den ständigen Besuchen ihrer Schwestern in Deutschland. Als sie beunruhigende Gespräche belauscht und verräterische Dokumente entdeckt, muss Nancy eine schwere Entscheidung treffen, während Großbritannien in den Krieg gegen Deutschland zieht.
Förderhinweis
Kapitel 1 Nancy
Kapitel 2 Diana
Kapitel 3 Unity
Kapitel 4 Nancy
Kapitel 5 Diana
Kapitel 6 Unity
Kapitel 7 Nancy
Kapitel 8 Diana
Kapitel 9 Unity
Kapitel 10 Nancy
Kapitel 11 Diana
Kapitel 12 Unity
Kapitel 13 Nancy
Kapitel 14 Diana
Kapitel 15 Unity
Kapitel 16 Nancy
Kapitel 17 Diana
Kapitel 18 Unity
Kapitel 19 Nancy
Kapitel 20 Diana
Kapitel 21 Unity
Kapitel 22 Nancy
Kapitel 23 Diana
Kapitel 24 Unity
Kapitel 25 Nancy
Kapitel 26 Diana
Kapitel 27 Unity
Kapitel 28 Nancy
Kapitel 29 Diana
Kapitel 30 Unity
Kapitel 31 Nancy
Kapitel 32 Diana
Kapitel 33 Unity
Kapitel 34 Nancy
Kapitel 35 Diana
Kapitel 36 Unity
Kapitel 37 Nancy
Kapitel 38 Diana
Kapitel 39 Unity
Kapitel 40 Nancy
Kapitel 41 Diana
Kapitel 42 Unity
Kapitel 43 Nancy
Kapitel 44 Diana
Kapitel 45 Unity
Kapitel 46 Nancy
Kapitel 47 Diana
Kapitel 48 Unity
Kapitel 49 Nancy
Kapitel 50 Diana
Kapitel 51 Unity
Kapitel 52 Nancy
Kapitel 53 Diana
Kapitel 54 Unity
Kapitel 55 Nancy
Kapitel 56 Diana
Kapitel 57 Unity
Kapitel 58 Nancy
Kapitel 59 Diana
Kapitel 60 Nancy
Kapitel 61 Diana
Kapitel 62 Nancy
Kapitel 63 Diana
Kapitel 64 Nancy
Kapitel 65 Diana
Kapitel 66 Nancy
Kapitel 67 Diana
Kapitel 68 Nancy
Kapitel 69 Diana
Kapitel 70 Nancy
Anmerkung der Autorin
Danksagungen
Die Arbeit der Übersetzerin Marieke Heimburger am vorliegenden Text wurde vom Deutschen Übersetzerfond gefördert.
7. Juli 1932
London, England
Die lieblichen Klänge der Sinfonie schweben durch den Ballsaal. Diener schenken goldenen Champagner in Kristallgläser. Das berühmte Haus am Cheyne Walk strahlt bis ins letzte Detail Perfektion aus, am allermeisten jedoch in seiner Gastgeberin selbst.
Sie steht in der Mitte des riesigen Saals, umwerfend, wie eine Statue in einem bodenlangen Kleid aus platinfarbener Seide, ein Farbton, der mit den silberblauen Augen der Trägerin harmoniert. Sie streckt die mit zahlreichen Diamanten geschmückten Arme zur Begrüßung aus und strahlt dabei Gelassenheit und unerschütterliche, unwiderstehliche Selbstsicherheit aus. Wenn sie jemand anderes wäre – jemand, den ich nicht ebenso gut kenne wie mich selbst –, würde ich ihr Lächeln als sphinxhaft und rätselhaft bezeichnen. Oder noch schlimmer. Aber ich weiß, dass diese Frau ganz genauso ist, wie sie scheint, denn diese Frau ist Diana, meine Schwester.
Ich löse den Blick von ihr und lasse ihn durch den vor Gold und Marmor funkelnden Saal schweifen, in dem die dreihundert Gäste ohne Weiteres Platz finden. Die ersten Tanzpaare finden zusammen und stellen sich auf, die Gäste scheinen sich von Diana ausgehend zu bewegen wie Strahlen von der Sonne. So war das schon immer, seit unserer Kindheit: Diana ist immer der strahlende Mittelpunkt, wir Schwestern breiten uns um sie herum aus wie etwas blassere Strahlen. Die Presse kann uns Mitford-Schwestern noch so oft den Inbegriff der sogenannten »Bright Young Things«, einer Gruppe junger, bohemehafter Aristokraten, nennen, Diana ist und bleibt der Star.
Der Abend kommt mir eher vor wie ein Fest zur Einweihung des neuen Hauses, in das Diana und ihr attraktiver, sympathischer Mann Bryan Guinness eingezogen sind, als wie ein Ball zur Einführung unserer jüngeren Schwester Unity in die Gesellschaft. Wo steckt Unity überhaupt?, frage ich mich und lasse den Blick über die Gästeschar wandern, um die unglaublich hochgewachsene Achtzehnjährige zu entdecken. Normalerweise schert sie sich herzlich wenig um gesellschaftliche Vorschriften, doch nun hat sie sich offenbar in den Hintergrund verzogen, statt sich in der Aufmerksamkeit zu sonnen, wie es bei einem solchen Anlass ihr zu Ehren zu erwarten wäre. Dann endlich entdecke ich sie in einer dunklen Ecke, wo sie in ein Gespräch mit unserer Schwester Pamela und unserem einzigen Bruder Tom, dem Goldjungen, vertieft ist. Von meinen sechs Geschwistern fehlen jetzt nur noch Jessica und Deborah, aber sie sind beide zu jung für eine solche Veranstaltung.
Unity gibt vor, Tom und Pamela zuzuhören, aber ich sehe, wie sie in Wirklichkeit die Gäste beobachtet. Wenigstens musste sie hier am Cheyne Walk nicht zweimal knicksen und sich rückwärts entfernen, wie sie es vor dem König und der Königin tun musste, als sie im Buckingham Palace vorgestellt wurde. Die arme Bobo, wie wir sie unter uns nennen, ist nicht gerade für ihre Anmut bekannt, und wir Schwestern hatten einander bei den Händen gefasst und den Atem angehalten, bis sie die Übung hinter sich gebracht hatte, ohne zu stolpern und auf dem Schoß Ihrer Majestäten zu landen. Doch selbst dort schaffte sie es kaum, ohne ein paar unbeholfene Schritte zur Seite und einen Rückwärtsschritt am Anfang, wobei ihr Absatz sich im Saum des Kleides verfing und das entsetzliche Geräusch reißenden Stoffes den berühmten Empfangsraum erfüllte.
Etwas silbern Glänzendes durchquert den Saal, und ich beobachte Diana, wie sie durch die Menge stolziert. Mir geht durch den Kopf, wie ähnlich Diana und Unity sich auf die Entfernung sind, beide hochgewachsen und blond. Aus der Nähe relativiert sich dieser Eindruck, und zwar nicht nur, weil Diana ein nahtloses silberfarbenes Etuikleid trägt, während Unity sich für ein grau-weißes Kleid entschieden hat, das ihr trotz diverser Besuche beim Schneider nicht recht passt. Zum millionsten Mal danke ich dem Schöpfer für mein schwarzes Haar und die grünen Augen, denn einem direkten Vergleich mit Diana hätte ich ohnehin nie standgehalten.
Die Musik verstummt, und ich sehe Evelyn Waugh die Tanzfläche überqueren. Mir wird freudig-warm ums Herz, als ich meinen lieben Freund sehe. Nur der Anblick meines inoffiziellen Verlobten könnte mich mehr erfreuen. Aber Hamish hat klargestellt, heute Abend nicht zur Verfügung zu stehen, was für meine Eltern, die wir Muv und Farve nennen, ein weiterer Grund war, ihn nicht zu mögen. Dass die Bekanntgabe der Verlobung bereits seit Jahren immer wieder verschoben wurde, war schon schlimm genug. Was kann dein verstiegener Verlobter denn heute so Wichtiges vorhaben, fragte Farve und bediente sich dieser sehr abfälligen Bezeichnung, dass er nicht zum Debütantenball der Schwester seiner Verlobten kommen kann?
In dunkleren Stunden frage ich mich, ob ich nicht doch besser den Antrag von Sir Hugh Smiley hätte annehmen sollen, er ist zwar recht langweilig, aber die Verbindung hätte mir meine gegenwärtigen Geldsorgen erspart. Und die ständige Nörgelei von Muv, es sei Zeit, mein ungebührliches Streunertum aufzugeben, schließlich sei ich fast dreißig und immer noch nicht verheiratet.
Evelyn sieht in meine Richtung, ich hebe zum Gruß die Hand in der Hoffnung, er möge zu mir und den um mich herum versammelten Freunden stoßen. Diese Freunde – darunter der Dichter John Betjeman und der Fotograf Cecil Beaton – sind meine Wahlverwandschaft. Und warum auch nicht? Sämtliche Eigenschaften, die meine Eltern an mir genauso geringschätzen wie die meisten meiner männlichen Bekanntschaften, werden von diesen Männern bewundert, sie genießen meine scharfsinnigen, auf den Punkt gebrachten Beobachtungen, insbesondere, wenn sie unangemessen sind. Sie sind die einzige Gruppe, zu der ich mich je zugehörig fühlte, und genau deshalb verachtet Farve diese »Dandys«. Unter uns sechs Schwestern bin ich schon immer eine Art Außenseiterin gewesen. Alle anderen haben sich immer paarweise zusammengetan – als wir Kinder waren, Jessica mit Unity, Pamela mit Deborah und Diana mit Tom, wie goldene Zwillinge –, ich dagegen blieb meist allein.
Bevor ich mein strahlendstes Lächeln für Evelyn aufsetze, fahre ich mir mit der Zunge über die Zähne, um etwaige Flecken meines tiefroten Lippenstiftes zu entfernen. Ich streiche mein Kleid glatt und gehe im Geist ein paar der Witze durch, die ich seit unserer letzten Begegnung gesammelt habe. Alles muss ganz genau passen, niemand will riskieren, Evelyns humoriger, aber scharfer Zensur ausgesetzt zu werden. Solange sie jemanden außerhalb unseres Kreises trifft, ist das natürlich urkomisch, aber nicht, wenn sie einen von uns trifft.
Doch Evelyn kommt nicht näher. Im Gegenteil, hat eine ganz andere Richtung eingeschlagen, als würde er magnetisch von Diana angezogen. Mir wird schwer ums Herz, ich bin selbst schuld daran. Früher einmal war Evelyn allein mein Freund gewesen. Als er zu einem Buch über das ausgelassene Leben der Hautevolee recherchierte und mich fragte, ob er Diana kennenlernte dürfte, deren Schönheit und Charisma sie zum Star ihrer Debütsaison und damit unwiderstehlich für die Journalisten gemacht hatten, stellte ich sie ihm bei einer Tropenparty vor, zu der sie mit ihrem Mann auf ein Flussboot namens Friendship eingeladen hatte.
Ich hatte mir nichts dabei gedacht, ich wusste, dass Evelyn fest entschlossen war, das junge Paar nicht zu mögen und es zu den Protagonisten seines Romans Lust und Laster zu machen. Doch all das änderte sich, als Evelyn in Dianas Bann geriet. Jetzt ist er von ihr so verdammt hypnotisiert, dass er jedes Mal zusammenzuckt, wenn ich meine Schwester bei dem etwas boshaften Spitznamen nenne, den ich mir schon als Kind für sie ausgedacht habe: Bodley. Damit spiele ich auf das Verlagshaus The Bodley Head an und auf ihren schon immer im Verhältnis zu ihrem Körper viel zu großen Kopf. Diesen kleinen Makel nehmen andere fast gar nicht wahr, weil ihre Schönheit insgesamt einfach so überwältigend ist.
Schnell wende ich den Blick wieder ab, ich möchte nicht, dass Evelyn oder die anderen sehen, wie ich ihn anstarre. Man glotzt andere Menschen einfach nicht an, man entblößt dadurch die eigene, unannehmbare Schwäche. Um meinen Fehltritt zu kaschieren, sage ich: »Sieht ganz so aus, als habe Lady Tennants Aufenthalt in Baden nicht den gewünschten Effekt gehabt, mit dem der Kurort so groß wirbt.«
Zwar löse ich damit das erwartete Kichern aus, aber gleichzeitig ärgere ich mich darüber, wie tief ich dafür sinke. Manchmal wünschte ich, mir stünden andere Waffen zur Verfügung als meine scharfe Zunge und meine Schreibmaschine. Doch dann setzen alle noch einen Kommentar obendrauf, und mit jedem Mal steigt die Gehässigkeit, bis mir vor Lachen die Tränen kommen. Erst, als ich mir die Augen trocken tupfe, fällt es mir auf.
Diana steht inmitten einer Schar von Männern, was natürlich oft genug vorkommt. Doch ihr Blick ruht auf keinem einzigen von ihnen. Nicht einmal auf ihrem hingebungsvollen, unfassbar wohlhabenden Mann. Nein, ihre silbrig blauen, glühenden Augen richten sich quer über die volle Tanzfläche auf den letzten Menschen, von dem ich das erwartet hätte.
7. Juli 1932
London, England
Diana macht einen Schritt zurück, weg von diesen Augen und hinein in die Menschenmenge. Ihre Gäste bilden eine Gasse, als sie sich in Bewegung setzt, einige reichen ihr die Hand oder küssen sie auf die Wange. Fingerspitzen streichen über ihr schimmerndes Silberkleid. Wenn sie an falsche Bescheidenheit glaubte, könnte sie sich selbst einreden, sie sei nur deshalb so begehrt, weil sie die Gastgeberin dieses üppigen Festes ist, auf dem sich ihre Familie und gesellschaftlich hochstehende Freunde mit anderen Bright Young Things mischen. Aber sie kann mit solchen Unwahrheiten nichts anfangen, sie ist Diana Mitford Guinness, und die Welt liegt ihr schlicht zu Füßen. Schon immer.
Inmitten des Stimmengewirrs hört sie Winston Churchill, den Mann ihrer Cousine Clementine, über das Ölgemalde von Stanley Spencer schimpfen, das hier an der Wand hängt. Offenbar ist die Darstellung des Kriegsdenkmals von Cookham falsch, eine Tatsache, die außer dem guten Winnie niemandem jemals auffallen würde. Diana blendet sein Gezeter aus – was eher ungewöhnlich ist, weil sie seine politischen Ansichten sonst eher interessant findet, obwohl oder gerade weil sie ihnen nicht zustimmt. Sie blendet auch die heftige Reaktion seines Sohnes Randolph aus, der ein enger Freund ihres geliebten einzigen Bruders Tom ist, und sie hat schon lange den Verdacht, dass Randolph ein Auge auf sie geworfen hat.
Ihr attraktiver, sie bewundernder Mann gesellt sich zu ihr. Diana ist bewusst, was für ein schönes Paar sie abgeben, und sie hebt den schwer mit Diamanten geschmückten Arm, um Orchester und Tänzern ein Zeichen zu geben. Ein Gefühl von Macht erfüllt sie, als die Musiker und die Gäste ihrem Signal gehorchen. All das gehört ihr, denkt sie einen kurzen, ungläubigen Moment lang. Dieses fabelhaft gut ausgestattete Haus am Cheyne Walk, in dem selbst in den Kinderzimmern Aubussonteppiche liegen. Biddlesden, das Landhaus aus dem 18. Jahrhundert, in dem sie während der Jagdsaison viele Verwandte und Freunde zu Gast haben. Ihre beiden wunderbaren Buben, Jonathan und Desmond, die sie bis zum Zerplatzen liebt, seit sie plärrend in ihr Leben getreten sind. Ihr Mann Bryan natürlich, Erbe des Vermögens der Guinness-Brauerei und einer Baronie. Eine große Schar an Freunden, Verwandten und Bekannten, die stets für sie da sind.
All das gehört ihr, wie kann es da sein, dass sie sich so fürchterlich langweilt? Natürlich nicht in jeder Minute. Ab und zu blitzen vergnügliche Ablenkungen in Gestalt einer Veranstaltung wie dieser oder der Bonmots lieber Freunde wie Evelyn Waugh auf. Manchmal erfüllt es sie mit Zufriedenheit, ihren Jungs eine Gutenachtgeschichte vorzulesen. Aber ihre Tage sind durchdrungen von einem Gefühl der Ziel- und Rastlosigkeit.
Lass gut sein, ermahnt Diana sich selbst. Solche Gedanken schicken sich nicht. Sie hat kein Recht, sich zu langweilen. Direkt vor ihrer Haustür, auf den Straßen Londons, machen verzweifelte Menschen ihrer Wut über Dianas verschwenderische Lebensweise angesichts einer weltweiten Depression Luft. Wie können sie und Bryan es wagen, ihr Vermögen für sinnlose Partys und Anschaffungen auszugeben, während so viele Menschen arbeitslos sind und nicht genug zu essen haben, rufen sie.
Die Leute denken, sie wüsste das alles nicht – schlimmer noch: es würde sie nicht interessieren –, wenn sie ihre zornigen Parolen skandieren, aber das stimmt nicht. Diana weiß sehr genau, wie viele sich da draußen versammelt haben und was genau sie wollen. Schön zu sein heißt nicht, blind zu sein für die Wahrheit. Aber was soll sie machen? Selbst die Männer aus ihrem Bekanntenkreis sind nicht bereit, in die Bresche zu springen und diese taumelnde Gesellschaft zu stützen, nicht einmal Bryan, der das Geld dafür hätte, die Mittel, die Verbindungen und den Verstand, etwas zu verändern. Und genau das nimmt sie ihm übel.
Die Musik ebbt ab, sie spürt, wie sich die Aufmerksamkeit des Dirigenten und der Tänzer wieder auf sie richtet. Diana hat fast vergessen, dass eine Tanzpause herrscht und alles darauf wartet, dass sie den nächsten Tanz ankündigt. Sie hebt abermals den Arm, und schon rührt sich der Saal, als erwachte er aus kollektivem Schlummer. Und als Streicher spielen und die Tänzer an ihr, Bryan, Evelyn und ein paar weiteren Angehörigen des engeren Kreises in der Mitte der Tanzfläche vorbeiwirbeln, da sieht sie ihn wieder. Mit seinen dunklen Haaren steht er am anderen Ende der Tanzfläche und blickt sie aus seinen ebenso dunklen Augen unverwandt an, selbst als ihm ein Tanzpaar gefährlich nahe kommt, gerät sein Blick nicht in Wanken. Ihr steigt die Wärme in die Wangen, als sie ihn sieht, sie hatte nicht damit gerechnet, dass er wirklich kommen würde. Sir Oswald Mosley, ihr M.
Sie erwidert seinen Blick, etwas länger sogar als zuvor. Und ganz plötzlich fühlt sie sich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder lebendig.
7. Juli 1932
London, England
Unity wünschte, sie hätte ihre Ratte zum Ball mitgebracht. Ratular hätte perfekt in ihre Handtasche gepasst und bei einem unvermeidlich eintretenden peinlichen Schweigen für prima Gesprächsstoff gesorgt. Nicht, dass ihr kleines Haustier die Gelegenheit bekommen hätte, selbst aufzutreten; tatsächlich scheint niemand recht daran interessiert zu sein, sich in ihre Tanzkarte einzutragen – obwohl der Cheyne-Walk-Ball doch sogar ihr zu Ehren stattfindet, Herrgott noch mal. Aber zumindest hätte Ratular ihr mit seinem weichen Fell und den kitzelnden Schnurrhaaren den dringend benötigten Trost gespendet. Am liebsten würde Unity sich unter dem nächsten Tisch verkriechen, wie sie es zu Hause tut, wenn ihr alles zu viel wird.
Sie fühlt sich eingeengt und zieht an den Schnüren des grau-weißen Hartnell-Kleides, das Diana extra für heute Abend für sie entwerfen ließ, weil sie nicht wollte, dass sie ihr einziges anderes Abendkleid trug – nämlich das, das sie bei ihrer Einführung im Buckingham Palace getragen hatte, mit dem nagelneuen Pelzmantel darüber, natürlich alles von Diana finanziert. Niemand sonst in der Familie konnte sich derartige Extravaganzen leisten. Diana war Unity während ihrer gesamten schrecklichen Zeit als Debütantin eine wichtige Stütze gewesen, geht es Unity durch den Kopf. Eine viel größere Stütze als ihre anderen Schwestern – wobei ihre Lieblingsschwester Jessica, von allen stets Decca genannt, ohnehin nicht viel tun konnte, da sie noch zu jung war – aber was war mit Nancy? Unity sieht zu ihrer ältesten Schwester, die wie üblich von ihren superklugen Freunden umringt war, mit denen Unity besser nicht reden sollte, wenn es nach Nancy ging.
Verdammt, ist das etwa Nina Sturdee, die da ganz in Nancys Nähe steht? Unity schaudert. Ein Plausch mit einer ihrer ehemaligen Klassenkameradinnen aus ihrer sehr kurzen Zeit an der Queen’s Gate School oder auch an St. Margarets ist nun wirklich das Letzte, was sie gebrauchen kann. Irgendein Mädchen, das sich womöglich daran erinnert, dass der Lehrkörper Unity für ihre Einrichtung für ungeeignet hielt und ihr »rieten«, nach Hause zu Farve und Muv zurückzukehren, sehr zu deren Verdruss. Bei allen anderen Töchtern hatte Muv auf Hausunterricht bestanden, und Unity war schon lange klar, dass ihre Mutter in ihrem Fall nur deshalb von dieser Regel abgewichen war, weil sie eine Pause von Unitys, wie sie es nannte, Einzigartigkeit brauchte. Aber ausgerechnet heute Abend wünscht sie sich nichts sehnlicher, als sich unauffällig einzufügen – oder hervorzustechen, auf jene respektable, vielleicht sogar ansprechende Weise, die von ihr erwartet wurde. Gar nicht so einfach mit ihren Einsachtzig.
Da sieht sie, wie Diana sich in Bewegung setzt in Richtung einer Ecke des Saales, in der ein paar junge Männer Drinks hinunterkippen, als hinge ihr Leben davon ab. Diana wendet sich an den längsten, schlaksigsten von ihnen und flüstert ihm etwas zu, während die anderen drei erstarren. Man könnte meinen, allein durch Dianas Gegenwart sei die Temperatur auf arktische Werte gefallen. Wie sehr Unity sich wünschte, eine solche Wirkung auf Männer auszuüben. Insbesondere auf einen.
Der große, schlaksige Typ löst sich mit einem Quäntchen Widerwillen aus seiner Gruppe und marschiert auf Unity zu. Er lächelt, und als er näher kommt, ermahnt sie sich, sein Lächeln nicht zu erwidern. Durch die Füllungen in ihren oberen Schneidezähnen sieht ihr Gebiss grau aus und ihr Lächeln bedrohlich. Mehr wie eine Grimasse als ein Lächeln.
Die Hörner und Geigen setzen gerade ein, als er fragt: »Darf ich um diesen Tanz bitten?«
Sie nickt, denkt dabei immer noch an ihre Zähne und möchte deshalb erst auf die weniger beleuchtete Tanzfläche, bevor sie etwas sagt. Sie beginnen, sich über das Parkett zu bewegen, und Unity ist Diana dankbar dafür, dass sie einen Mann ausgesucht hat, der größer als einen Meter achtzig ist. Abgesehen von den Hauspartys und den drei Bällen in der letzten Zeit beschränkt sich Unitys Tanzerfahrung auf die halbwöchentlichen Tanzstunden, auf die Muv bestanden hat, und sie ist sich nicht sicher, wie geschmeidig ihre Schritte ausfallen würden mit einem Partner, der kleiner ist als sie.
»Welche Musik mögen Sie am liebsten?«, fragt er und bedient sich damit einer der Fragen, die ihre Tanzlehrerin als geeignet für eine Plauderei vorgeschlagen hat. Sie wünschte, sie wäre zuerst auf die Idee gekommen, sie zu stellen.
»Ich habe eine große Schwäche für Opern«, lautet ihre ehrliche Antwort, weil sie gar nicht in der Lage ist, eine der von ihrer Tanzlehrerin angeratenen Erwiderungen anzubringen. Diese Abweichung von der Regel verunsichert sie, darum plappert sie einfach weiter. »Insbesondere für deutsche. Meine Großeltern waren eng mit der Familie Richard Wagners befreundet, darum haben meine Eltern mir auch den zweiten Vornamen Valkyrie gegeben.« Seine Miene ist ausdruckslos, keine Spur von der Ehrfurcht, die sie sich erhofft hatte. Kannte er Wagner womöglich gar nicht, wusste nichts von seinem Weltruhm? Vielleicht braucht er eine kurze Erklärung, denkt sie und fügt hinzu: »In Anlehnung an seine berühmteste Oper, den Ring des Nibelungen.«
»Ah«, sagt er, und dann: »Interessant.«
Doch sein Ton verrät ihr das Gegenteil, er findet sie öde. Sie versucht etwas anderes. »Mögen Sie Ratten?«
Er löst sich ein wenig von ihr und beäugt sie, während er weiter tanzt. Auch sie gibt die Schrittfolgen nicht auf. Immerhin nähern sie sich gerade Diana, und Unity möchte ihre geliebte Schwester keinesfalls enttäuschen.
Doch als sie ihr zum Greifen nah sind und Unity nach einem zustimmenden Nicken Ausschau hält, bemerkt sie, dass ihre Schwester überhaupt keine Augen für sie hat. Diana ist restlos vertieft in ein Gespräch mit einem Mann, der Unity irgendwie bekannt vorkommt, den sie aber nicht gleich einordnen kann – und die beiden stehen unschicklich nah beieinander. Dann, mit einem Mal, fällt ihr sein Name wieder ein, das ist dieser faschistische Herumtreiber, wie Farve ihn nennt, Sir Oswald Mosley. Warum um alles in der Welt unterhält Diana sich dermaßen vertraut mit ihm?
24. Januar 1933
London, England
»Bist du dir wirklich ganz sicher, Bodley? Du bist noch sehr jung für eine solche Entscheidung – ihr seid doch im Grunde noch ganz frisch verheiratet.« Forschend sehe ich meine sehr gelassene kleine Schwester an und suche nach Anzeichen des Zögerns oder von Selbstzweifeln in ihrem Blick. Selbst die winzigste Besorgnis könnte mir den Anlass bieten, das hervorzubringen, worum Muv mich gebeten hat. Aber ich sehe nichts als begeisterten Glanz in ihren Augen, Diana ist schöner denn je.
»Ach, Naunce, du bist mir immer so treu gewesen und ganz oft meine einzige Verbündete«, sagt sie lachend mit ihrer angenehmen Stimme und spricht mich dabei mit dem Spitznamen an, den sie seit unserer Kindheit für mich verwendet. Als hätte ich ihr einen besonders guten Witz erzählt und nicht versucht, einen Blick in ihr Herz zu werfen und sie von ihrem äußerst destruktiven Weg abzubringen. »Ich bin alt genug, um schon fünf Jahre verheiratet zu sein und zwei Jungs zur Welt gebracht zu haben, und darum würde ich sagen, ich bin mehr als alt genug, um ganz genau zu wissen, was – und wen – ich will.«
Ich weiß, dass sie mich nicht verletzen will, wenn sie sich selbst als »alt« bezeichnet, denn sie hat es tatsächlich geschafft, bereits im reifen Alter von zweiundzwanzig Jahren sowohl eine Ehe geschlossen als auch zwei Kinder bekommen zu haben, während ich mit meinen neunundzwanzig Jahren bislang nichts davon erreicht habe. Dank Hamish St. Clair-Erskine und seiner ellenlangen Liste von Ausreden und Verschiebungen. Und doch tut es mir weh, was sie sagt, aber ich schlucke die Verletzung hinunter und hebe sie mir für später auf. Wir Mitford-Schwestern vergessen nichts. Und tun, als würden wir vergeben.
»Ich möchte doch nur nicht, dass du es später irgendwann bereust.« Ich ziehe kräftig an meiner Zigarette und sehe mich in dem kleinen Haus am Eaton Square um, das sie gemietet hat. Kein Vergleich zu dem Palast am Cheyne Walk und dem Landgut Biddlesten, aber dennoch weitaus besser als meine Wohnung. »Kannst du denn nicht einfach nur eine Affäre mit diesem Mann haben? Musst du dich von deinem wunderbaren Mann scheiden lassen und den anderen unbedingt heiraten? Ich glaube, Bryan würde lieber Rosenblätter über eurem ehebrecherischen Lager verstreuen, als dich für immer zu verlieren.«
Wieder das glockenhelle Lachen, aber dieses Mal meine ich, eine Spur Spott herauszuhören. »Wer hat denn gesagt, dass ich ihn heiraten werde?«
Für den Bruchteil einer Sekunde bin ich sprachlos, etwas, das mir sonst nie passiert. Als ich meine Sprache wiederfinde, stammele ich: »Oh. Wir hatten alle angenommen –«
Warum zum Teufel sollten wir das auch nicht annehmen?, denke ich. Wenn Diana es wagte, ihren Ehemann zu verlassen, ein für seinen Stand und sein Geschlecht außergewöhnlich anhängliches und ergebenes Exemplar, warum sollte ihre Familie dann nicht annehmen, dass sie das tat, um sich voll und ganz diesem verfluchten »M« hinzugeben? Warum sollten wir davon ausgehen, dass es dabei ausschließlich um fleischliche Gelüste ging? Für Muv und Farve war Dianas Verhalten eine einzige Schmach – sie hatten uns Schwestern den Umgang mit ihr verboten, mit Ausnahme dieser Mission, die sie zur Vernunft bringen sollte –, und wenn sie von dieser Entwicklung erfuhren, würde das die Kränkung noch verstärken, die sie erstmalig dazu veranlasste, sie mit Missachtung zu strafen. Ich mag mir gar nicht vorstellen, in welche Rage Farve geraten wird, wenn er hört, dass Diana nicht vorhat, ihren Geliebten zu heiraten. Wie viel Porzellan wird seinem Zorn zum Opfer fallen?, frage ich mich. Als wir noch kleiner waren, gingen viele Tassen und Teller schon für weit geringere Vergehen zu Bruch, wie zum Beispiel das Kleckern mit Marmelade.
Diana lässt sich wie üblich nicht aus der Ruhe bringen und fährt fort: »Naunce, meine Liebe, nur weil ich Bryan um die Scheidung gebeten habe, heißt das noch lange nicht, dass ich plane, M zu heiraten.« Ihr sonst elfenbeinfarbener Teint nimmt bei der Erwähnung ihres teuren »M« einen leichten Rosaschimmer an. Ich hasse es, wie sie über Sir Oswald Mosley redet – diesen oberflächlichen Politiker, durchaus charismatisch, aber bekannt dafür, jederzeit die Partei zu wechseln, wenn es ihm in den Kram passt, und darüber hinaus ein notorischer Schürzenjäger. »M hat nämlich nicht vor, seine Frau zu verlassen. Ich werde voll und ganz zufrieden sein mit jeder Minute, die er für mich erübrigen kann. Und offen gestanden hätte ich sehr gerne etwas mehr Zeit für mich allein. Bryan war da immer ziemlich erdrückend.«
Ich bin fassungslos. Warum ist Diana bereit, sich mit Brosamen zu begnügen? Von jedem anderen könnte sie alles haben, die ungeteilte Aufmerksamkeit. Doch sie scheint sich regelrecht darauf zu freuen, ihren Buhlen mit seiner Ehefrau Cimmie zu teilen, jener Erbin des enormen Curzon-Vermögens, mit der er bereits seit dreizehn Jahren verheiratet ist, sowie mit allen möglichen anderen Frauen, die er nach Lust und Laune zu seinen Gespielinnen macht.
Gerade, als ich sie genau das fragen möchte, höre ich jemanden die Treppe herunterkommen. Wer konnte das sein? Jonathan und Desmond waren mit dem Kindermädchen in den Park gegangen. Es ist zwar kalt draußen, aber auch ungewöhnlich sonnig für die Jahreszeit.
»Lady«, dröhnt eine Stimme im Foyer, und ich weiß sofort, zu wem sie gehört. Bobo. Sie ist die Einzige, die mich hin und wieder »Lady« nennt, und ich kenne niemanden, der so laut ist wie sie.
Ich stehe auf, begrüße sie mit einem Kuss auf jede Wange und bemerke, dass sie sich in eins von Dianas Tweed-Etuikleidern gequetscht hat. Es steht ihr überhaupt nicht, und ich bin versucht, einen entsprechenden Kommentar zu machen, aber in diesem heiklen Moment halte ich mich doch lieber zurück. Unity würde sofort einen Wutanfall bekommen, und das Gespräch wäre im Handumdrehen beendet.
»Bobo. Hast du denn noch gar nichts von Muvs und Farves Edikt bezüglich Diana gehört? Sie ist persona non grata. Wir sollen nicht mit ihr reden.« Ich mache mich ein wenig lustig über die Anweisungen unserer Eltern – ich bin neunundzwanzig, sie können mir also schlecht vorschreiben, was ich zu tun und zu lassen habe, insbesondere, da sie mich finanziell nicht unterstützen –, aber Unity steht noch immer unter ihrer Fuchtel. Es überrascht mich, dass sie sich ihren Weisungen widersetzt.
Sie lächelt, entblößt dabei ihre seltsam grauen Zähne. »Ich kann doch Nard nicht einfach ignorieren, wenn ich mal in London bin. Schon gar nicht, wenn sie gerade schwere Zeiten durchmacht.« Unity bedient sich ihres persönlichen Spitznamens für Diana, den sie nur dann verwendet, wenn sie sich ihr ganz besonders zugeneigt fühlt, und bedenkt ihre Schwester mit einem fast schon schwärmerischen Blick.
Muv und Farve hatten Unitys Bitten nachgegeben, während der Saison in London wohnen und Zeichenunterricht nehmen zu dürfen, in der verzweifelten Hoffnung, dass sie ausreichend neue Leute kennenlernen und womöglich einen geeigneten Freier finden möge. Ich hatte ganz vergessen, dass sie viel häufiger in London sein würde, als die Ballsaison es erforderte, weil ihr Kunstunterricht in der Harley Street das verlangte.
»Aber mich ignorierst du, obwohl ich doch auch in London bin«, scherze ich. Ich sollte wohl beleidigt sein deswegen, aber tatsächlich verbringe ich gar nicht so gerne Zeit mit Unity. Sie ist fürchterlich launenhaft und hegt sehr eigenartige Interessen, beides empfinde ich als anstrengend. Ganz zu schweigen davon, dass ich Ratular verabscheue. Herrje, wer hält sich denn bitte eine Ratte als Haustier?
»Du hast doch viel zu viel um die Ohren, Lady. Entweder schreibst du, oder du triffst dich mit deinen Kumpels«, sagt sie, lässt sich neben Diana nieder und nimmt ihre Hand. Wie schafft Diana es bloß, so mühelos eine Verbindung zu Unity aufzubauen?, frage ich mich. Worüber reden die beiden, wenn sie unter sich sind? Ich finde es seltsam, Unity so oft an Dianas Seite zu sehen. Früher war Tom ihr steter Begleiter, zumindest, solange wir noch Kinder waren, aber jetzt ist alles anders. Er hat ihr bis heute nicht ganz verziehen, dass sie seinen Freund Bryan verlassen hat, außerdem hat unser einziger Bruder ein sehr erfülltes eigenes Leben.
Ich beschließe, über die Spitze hinwegzuhören, und sage: »Ich freue mich jedenfalls sehr, dich zu sehen, Bobo. Die Ferien auf Swinbrook sind ja schon wieder eine Ewigkeit her.«
Muv und Farve leben zusammen mit unseren jüngsten Schwestern Pamela, Decca und Deborah, genannt Debo, in Swinbrook House in Oxfordshire, einem ganz wunderbaren, geräumigen Landhaus, das wir alle deshalb nicht mögen, weil es nicht Batsford Mansion und auch nicht Asthall Manor ist, wo wir zuvor glückselig gewohnt haben, bis Farves Vermögen aufgrund einiger Fehlentscheidungen und des allgemeinen wirtschaftlichen Abschwungs schrumpfte und der Umzug nach Swinbrook nötig wurde. Wir wuchsen wie ein Haufen streunender Katzen in weitgehender Isolation auf, hatten nur einander und mieden den Kontakt zur stets nichtssagenden Muv und dem launenhaften Farve, weshalb unsere Umgebung eine große Rolle spielte, eine entscheidende Rolle.
Wie kann ich das Gespräch zurück auf Dianas Scheidung lenken, wenn Unity direkt neben ihr sitzt? Noch bevor ich bezüglich einer Taktik zu einem Schluss komme, klingelt das Telefon. Ein Mädchen, Teil von Dianas »reduziertem« Personal, klopft an und sagt: »Entschuldigen Sie die Störung, Mrs Guinness, aber da ist ein Anruf für Miss Nancy Mitford.«
Wer ruft mich denn hier an? Die Einzigen, die wissen, dass ich am Eaton Square bin, sind Muv und Farve. Aber die würden niemals hier anrufen, nachdem sie eine so strenge Haltung zu Diana eingenommen haben.
Ich drücke meine Zigarette aus und erhebe mich aus dem grünen Seidensessel. Dianas Vorstellung davon, was es heißt, Opfer zu bringen, unterscheidet sich stark von der der meisten anderen, wenn ich mir die luxuriöse, maßgeschneiderte Einrichtung anschaue.
Ich zwänge mich in die kleine Telefonkabine abseits des Foyers, nehme den Hörer und melde mich wachsam. Am anderen Ende der Leitung ist zu meiner Überraschung Hamish.
24. Januar 1933
London, England
Blitzschnell wie ein Vogel erhebt sich Nancy aus ihrem Sessel, um den Anruf entgegenzunehmen. Der Sessel ist erst vor drei Wochen vom Cheyne Walk hierher an den Eaton Square gekommen, zusammen mit allen anderen Möbeln. Bryan hatte darauf bestanden, dass Diana alles mitnimmt in ihr neues Zuhause – schließlich hatte sie es ja seinerzeit auch ausgesucht, seufzte er –, und offen gestanden hat er sich insgesamt in dieser Scheidungsangelegenheit absolut tadellos verhalten. Sie dankte für die Möbel, wollte aber den Familienschmuck der Guinness’ sowie die Kunst, die er ihr nach Eatonry, wie sie ihr neues Hause nannte, geschick hatte, nicht annehmen, schließlich gehörte das seiner Familie, sagte sie, obschon die Diamanten ihr doch fehlen würden. Als sie ihm in jenem Moment des Abschieds in seine zärtlichen, wunderschönen blauen Augen sah, wünschte sie, sie könnte in dieser Ehe bleiben, aber sie weiß, dass ihre Zukunft an der Seite von M liegt.
Allein der Gedanke an M lässt sie schaudern. Vom allerersten Moment an, als sie im Februar letztes Jahr bei einer Dinnerparty anlässlich des einundzwanzigsten Geburtstages von Barbara St. John Hutchinson nebeneinander saßen, fühlte sie sich wie magnetisch von ihm angezogen. Sie war fasziniert von seinen prägnanten politischen Ansichten und seinem Urteil über das kraftlose Großbritannien. Was dieses Thema betraf, waren sie ganz und gar einer Meinung, nämlich, dass die derzeitigen Parteien und die darin versammelten Männer ineffizient waren und es einer Reorganisation bedurfte. Am Ende des Gesprächs war sie überzeugt, dass Oswald Mosley der richtige Mann für diese Aufgabe war, und sagte ihm das auch. Und als er dann letzten Sommer anfing, die British Union of Fascists zu gründen, verfiel sie ihm restlos – mit Leib und Seele. Die Erinnerung an eine verbotene Begegnung im Obergeschoss ihres Landsitzes Biddlesden während eines von ihr und Bryan dort ausgerichteten Festes blitzt in ihr auf, und ihr wird wohlig warm dabei.
Diana kehrt in das sonnendurchflutete Wohnzimmer ihres neuen Zuhauses zurück und setzt sich zu Unity. Sie ist froh über Hamishs Anruf, so wurde sie von Nancys Gerede über die Scheidung erlöst und von ihren vorsichtigen Fragen zu M. Diana hatte Lust, Nancy zu sagen, dass sie gar nicht um den heißen Brei reden musste – Dianas Hingabe an M war kein Geheimnis – und dass sie wusste, dass Muv und Farve Nancy in einem letzten verzweifelten Versuch hergeschickt hatten, um sie vor ihrem gesellschaftlichen Selbstmord zu bewahren. Das Theater war schnell durchschaut. Wieso sie glaubten, dass Nancy damit Erfolg haben würde, nachdem sogar Farve und Bryans Vater mit ihrem Versuch gescheitert waren, M gemeinsam zu konfrontieren, genauso wie Tom, der sich mit Engelszungen für Bryan einsetzte, erschloss sich niemandem so recht. Doch Nancy lehnte es normalerweise sehr entschieden ab, als Marionette von ihren Eltern eingesetzt zu werden, darum ging Diana davon aus, dass Nancy hier war, um sie zu unterstützen. Diana fand das wirklich toll von ihr, aber es würde sie natürlich nicht umstimmen.
Diana flüstert Unity zu: »Nancy ist hier, um mich vor mir selbst zu retten.«
Unity schnaubt, Diana hält das für ein leises Lachen und versucht, über die unbeholfene Art ihrer kleinen Schwester hinwegzusehen.
»Glaubst du, sie wäre hergekommen, wenn sie von deinen Plänen gewusst hätte?«, fragt Unity und schlägt dabei einen nur als spöttisch zu bezeichnenden Ton an. Diana sieht Unity an, dass es ihr gefällt, in die Pläne für den heutigen Tag eingeweiht zu sein, wozu es ja nur kam, weil sie völlig unerwartet eine Stunde vor Nancys angekündigtem Besuch vor Dianas Tür stand.
»Das bezweifle ich. Und ihr wird auch nicht gefallen, dass heute nicht sie mich, sondern ich sie rette – jedenfalls nicht sofort. Später wird sie mir dafür dankbar sein«, antwortet Diana. Es schickt sich zwar nicht, das einzuräumen, aber Diana hat dieser kleine Trick sehr gut gefallen. Es ist einfach so ermüdend, immer dem Ideal einer passiven Frau zu entsprechen. Sie will etwas fühlen, sie will leben und machen und nicht einfach nur herumsitzen und bewundert werden, wie Bryan es zu tun pflegte.
Dann hört Diana einen Schrei. Sie und Unity springen auf und eilen zur Telefonkammer. Diana hofft, das Richtige für Nancy getan zu haben. Sie konnte einfach nicht länger dabei zusehen, wie Hamish sie hinhielt. Seine immer neuen Ausreden dafür, mit dem Heiraten noch zu warten, passten ihm natürlich sehr gut in den Kram, schadeten Nancy aber ganz beträchtlich, zumal sie schon fast dreißig war und noch immer unverheiratet. Seine Verzögerungstaktik erlaubte es Hamish, seine diversen Beziehungen zu anderen Männern unentdeckt weiterzupflegen.
Nancy machte sich seit Jahren vor, Hamish könne seine sexuellen Vorlieben nach Belieben ändern. Dabei haben sie keinerlei Ähnlichkeit mit den Tändeleien ihres Bruders Tom mit seinen Klassenkameraden in Eton, die stets flüchtig und den seltsamen Internatsverhältnissen geschuldet waren. Tom stürzt sich jetzt in ein Liebesabenteuer nach dem anderen, mit unverheirateten Frauen genauso wie mit verheirateten. Nancy hat etwas Besseres verdient als das, was Hamish ihr bieten kann, und Diana, die selbst gerade eine Erweckung erlebt, kann nicht zulassen, dass ihre Schwester sich länger mit ihm aufhält. Darum hat sie sich mit Hamish getroffen und ihn dazu gedrängt, sein Verhältnis zu Nancy zu beenden, und zwar unter dem Vorwand, anderweitig eine Verlobung eingegangen zu sein – denn keine andere Erklärung wäre endgültig genug, um Nancy zum Loslassen zu bewegen.
Als sie und Unity den Telefonraum erreichen, ist die Tür geschlossen, aber sie können Nancy schreien hören. »Was? Wen? Wen wirst du heiraten?« Ihre Stimme klingt schrill, und Diana wird kurz sehr übel. Hat sie recht gehandelt? Sie ist es nicht gewohnt, sich selbst infrage zu stellen, aber Nancys Reaktion gibt ihr zu denken.
Kurzes Schweigen, dann brüllt Nancy wieder los: »Und das nach all den Jahren, die ich auf dich gewartet habe, Hamish! Ich habe andere Chancen ausgeschlagen, um mit dir zusammen sein zu können. Und jetzt das!«
Dann wird es unheimlich still im Telefonzimmer – bis Diana einen dumpfen Schlag hört. Sie verspürt einen seltenen Anflug von Panik. Geht es Nancy gut? Was bringt sie am meisten auf, Hamish zu verlieren oder dass sie so lange vergeblich auf ihn gewartet und andere Gelegenheiten verpasst hatte? Was hatte Diana getan?
Diana will die Tür öffnen, doch die ist verschlossen. »Nancy? Nancy?«, ruft sie und hämmert gegen die Tür. »Mach auf!«
Nichts.
Dann rüttelt Unity an der Tür und appelliert an Nancy – vergebens. Diana ruft nach dem Mädchen. »Wissen Sie, ob es einen Zweitschlüssel für die Tür zum Telefonraum gibt?«
Das Mädchen durchsucht sämtliche Küchenschränke, Diana und Unity die Schubladen in Salon, Foyer und Speisezimmer, ohne Ergebnis. Nachdem Diana die gesamte Bibliothek durchforstet hat, findet sie schließlich einen großen Ring voller Schlüssel. »Einer davon muss passen«, sagt sie an Unity gewandt.
Diana probiert siebzehn Schlüssel aus, bevor endlich einer passt, das Schloss nachgibt und die Tür sich mit einem Quietschen öffnet. Ihre geniale, ihr so vertraute Schwester, der stets eine geistreiche Bemerkung auf den Lippen liegt und an der die Ansichten und der Spott der anderen stets abprallten, sitzt zusammengesunken auf dem Boden. Ihr Gesicht ist tränennass, obgleich sie nicht mehr weint, aber das ist es nicht, was Diana erschreckt. Es ist ihr ohnehin blasser Teint, der nun ascheweiß wirkt, und der Umstand, dass sie wie in Trance die Wand anstarrt.
Unity und Diana gehen neben ihr in die Hocke und nehmen sie in den Arm. Nancy weicht weder zurück, noch beginnt sie wie üblich zu sticheln. Sie schweigt, was völlig untypisch ist für sie und deshalb umso beunruhigender. Diana schwört, ihre Schwester bei sich zu behalten, hier in Eatonry, bis sie wieder ganz die alte Nancy ist. Eine stärkere, bessere Ausgabe ihrer selbst, um ehrlich zu sein.
Vor allem aber hofft Diana, dass Nancy niemals dahinterkommen wird, welche verdeckte Rolle sie in dieser Angelegenheit gespielt hat, selbst wenn es zu ihrem eigenen Besten war. Oder wenn sie es doch tut, dass Nancy ihr verzeihen wird.
24. Januar 1933
London, England
Unity hat die Arme um die knochigen Schultern ihrer ältesten Schwester gelegt. Wie zerbrechlich Nancy doch wirkt, denkt Unity. Sie müsste nur einmal kräftig zudrücken, und Nancy würde zerspringen. Sie findet den Gedanken selbst unangebracht, darum denkt sie lieber darüber nach, welche Erleichterung es doch ist, ausnahmsweise mal nicht selbst im Zentrum des Spotts zu stehen. Heute ist es die höhnische Nancy, die sich immer wieder über Unitys Schwärmereien und ihre soziale Unbeholfenheit lustig macht, während Diana Unity stets geduldig zuhört, die dem Mitleid ihrer Schwestern ausgesetzt ist. Und Unity bekommt sofort bessere Laune.
»Naunce«, sagt Diana sehr liebevoll, »dürfen wir dich in die Bibliothek bringen? Und dir einen Tee holen? Damit diese Sturzbäche versiegen?«
Nancy lässt sich von ihren Schwestern aufhelfen. Als sie alle wieder aufrecht stehen, hört Unity etwas reißen. War das ihr Kleid? Das will sie nicht hoffen, sie hat es sich für heute von Diana geliehen. Das sehr edle blaue, mit metallischen Fäden durchwirkte Tweedkleid passt ihr gerade so. Als sie es anprobierte und sich dabei in alle Richtungen drehte, hoffte sie, ihre Augen würden so silberblau aussehen wie die von Diana oder dass sie darin sonst irgendwie an die Schönheit ihrer Schwester heranreichen würde. Sie konnte keine Hinweise auf eine derartige Verwandlung erkennen, wusste aber, dass sie weiter daran arbeiten würde, denn erst heute Morgen hatte sie mit Dianas Schminksachen herumexperimentiert. Wie sollte es ihr je gelingen, sich von ihren vielen Schwestern abzuheben, wenn sie sich nicht äußerlich verwandelte oder geistreicher und schlagfertiger wurde? Mit ihrer Körpergröße und ihrer eigentümlichen Art fiel sie natürlich jetzt schon auf, aber nicht unbedingt positiv.
Diana ruft eins der Mädchen und bittet es, Tee zu bringen, dann führen sie Nancy zurück zu dem Sessel, in dem sie vor dem Anruf gesessen hat. Diana schiebt einen weiteren Sessel daneben und setzt sich, nimmt Nancys Hand. Sie flüstert ihrer verzweifelten Schwester tröstende und aufmunternde Worte zu und konzentriert sich einzig und allein auf Nancy. Was Unity überhaupt nicht gefällt. Sie ist nicht nach Eatonry gekommen, um beiseitegedrängt zu werden.
Sie hätte Diana viel lieber ganz für sich. Und dafür ist sie auch bereit, die Aufmerksamkeiten von Dianas heiß geliebtem M hinzunehmen. Erst letzte Woche, als sie zu Besuch war, hatte Mosley am Fuß der Treppe gestanden und sie mit »Hallo, Faschistin« begrüßt. Unity war klar, dass das aus dem Mund des Gründers der neuen britischen faschistischen Partei ein großes Kompliment war, und nahm es also solches an. Sie war schon lange überzeugt vom Faschismus und teilte Dianas Ansicht, dass Mosley der Mann war, den das Land brauchte, und darum bewegte es sie sogar sehr. Doch weil Unity immer noch nicht entschieden hatte, wie sie ihn nennen sollte – die Etikette sah den Fall, den Geliebten der Schwester anzusprechen, nicht vor –, grüßte sie einfach zurück.
»Ich habe etwas für dich«, hatte er gesagt und in die Tasche gefasst.
Ein Geschenk? Unity konnte sich nicht erinnern, wann sie zuletzt jemand mit einem Geschenk überrascht hatte. Sie stieg die letzte Stufe zum Foyer hinab, nahm das Päckchen aus seiner Hand und wickelte es aus. Darin befand sich eine goldene Anstecknadel mit dem Emblem der British Union of Fascists, kurz BUF. Sie war nicht einfach nur als Mitglied in die BUF aufgenommen worden, sondern man hatte ihr sogar einen Sonderstatus eingeräumt, der durch die goldene Nadel zum Ausdruck kam. Es verschlug ihr kurz die Sprache, und als sie ihre Stimme wiederfand, quietschte sie vor Freude.
»Darf ich?«, fragte Mosley und griff nach der Nadel.
Aus Angst, dummes Zeug zu stammeln, nickte Unity nur. Er trat näher, um ihr die Nadel ans Revers zu stecken. Sie roch sein Kölnischwasser und sah die kurzen Stoppeln an seinem Kinn, direkt unter seinem Schnurrbart. Berauscht von der körperlichen Nähe des Mannes, den Diana gelegentlich als den Führer bezeichnete, fühlte sie sich in dem Augenblick, als wäre sie selbst Diana.
Doch heute waren da kein Mosley, keine Komplimente, keine kleinen Geschenke. Nur Nancy. Die sonst so scharfzüngige, hochnäsige Nancy, verwandelt in einen Haufen Elend. Unity wird sich damit begnügen müssen, ausnahmsweise mal nicht die Außenseiterin zu sein, und abwarten, bis Dianas Aufmerksamkeit wieder ihr gilt. Wie es aussah, könnte das sehr lange dauern.
Dann, zu Unitys großer Überraschung, wendet Nancy sich an sie, die sie ein wenig abseits von ihren Schwestern sitzt. Nancy drückt Unitys Arm und flüstert: »Danke, du Liebe. Du bist auch so gut zu mir gewesen, das bedeutet mir wirklich viel.«
Diese unerwartete Zuneigungsbekundung verschlägt Unity die Sprache. Als sie ihre Gedanken wieder sortiert hat, aber ihre Worte noch nicht, überlegt sie. Könnte diese fast schon liebevolle Zuwendung ein Wendepunkt sein in ihrer Schwesternbeziehung? Der Vorbote einer neuen Nähe – von schwesterlicher Intimität oder anderer Verbundenheit? Vielleicht ließe sich Nancy ja sogar für eine gemeinsame Sache gewinnen, denkt sie und lächelt leise, als in ihrem Kopf ein geheimer Plan entsteht.
28. April 1933
London, England
Ich sehe zu Peter. Er sitzt in meinem Lieblingssessel in Dianas Salon und liest die Zeitung. Das dunkelblonde Haar fällt ihm tief in die Stirn, meinem Verlobten. Ich liebe dieses Wort, ausgesprochen und gedacht. Und ich weiß, dass ich diese wunderbare Schicksalswende zumindest teilweise Diana zu verdanken habe. Wenn sie mich nicht einen Monat lang in Eatonry umsorgt hätte – sogar ein eigenes Zimmer hat sie mir zur Verfügung gestellt –, bis ich endlich über Hamish hinweg war, und wenn sie mich nicht förmlich wieder hinausgescheucht hätte unter die Leute, dann wäre ich niemals Peter Rodd begegnet, dem Sohn des Diplomaten Lord Renell und Bankier, ein so heller Kopf, dass er am Balliol College in Oxford studiert hat. Und dann wären wir jetzt nicht verlobt.
Einen Monat lang haderte ich verzweifelt mit der Vorstellung von einem Leben ohne Hamish, dann wurde ich wütend angesichts seiner Feigheit und der Verschwendung wertvoller Jahre meines Lebens, und schließlich war ich erleichtert und erkannte, dass ich mir schon geraume Zeit etwas vorgemacht hatte – nämlich, dass er mich wirklich liebte und dass uns ein gemeinsames Leben bevorstünde. Hamish aber wird nie jemand anderen lieben als sich selbst und, eher flüchtig, die Männer, mit denen er sich einlässt. Mich jedenfalls nie.
Jetzt bin ich nicht mehr diese bemitleidenswerte Frau. Ich bin mit einem mir gesellschaftlich ebenbürtigen Mann verlobt, der sogar gebildeter sein könnte als ich – trotz seines vornehmen Oxford-Studiums, wie ich ihn gerne aufziehe –, und gehöre nicht länger zu den Sitzengebliebenen, zu denen wir schnell degradiert werden, wenn wir nicht gleich als Debütantin einen Verlobten finden. Mit Peter plagen mich auch nicht mehr meine alten Eheängste, ich könnte in der Monotonie von Kindermädchen, Köchinnen, Haushaltsführung, Kinderversorgung und den Launen eines Ehemannes untergehen. Vielleicht entstammte diese Angst vor allem meiner Vorstellung von einer Ehe mit Hamish als der Realität, denke ich jetzt. Diese Ehe wird eine glückliche sein, dafür werde ich ganz bestimmt sorgen.
In ruhigeren Momenten, wenn ich mit meinen Bulldoggen Milly und Lottie auf dem Schoß in meiner Wohnung allein bin, beschleicht mich ein verwegener Gedanke. Freue ich mich – zumindest teilweise – deshalb so darauf, Peter zu heiraten, weil dies mein erster Triumph über die sonst stets gepriesene Diana ist? Seit sie Bryan für Mosley verlassen hat, ist sie nicht mehr der Stolz der Stadt, sondern eine Ausgestoßene, während ich allenthalben für meine Verlobung gefeiert werde. Eine völlig neue Erfahrung für mich nach der Gleichgültigkeit und den seltsamen Blicken, mit denen vor so vielen Jahren auf meine Verlobung mit Hamish reagiert wurde. Selbst Muv und Farve sind mit mir zufrieden, obwohl auch Peter nicht ihrer Vorstellung des idealen Heiratskandidaten für mich entspricht. Aber sie halten ihn für deutlich besser als Hamish.
Ich höre Dianas leichte Schritte die Eingangstreppe hinuntergehen, dicht gefolgt von Unitys Getrampel. Die beiden sind in letzter Zeit stets im Doppelpack unterwegs, es sei denn, Mosley hat Diana einen Wink gegeben. Wenn Muv nur wüsste, wie schamlos Unity sich ihren Anweisungen widersetzt.
»Prod?«, sage ich. Der Mitford’schen Tradition folgend haben meine Schwestern und ich uns einen Spitznamen für Peter ausgedacht, die Verkürzung seines Vornamens Peter und seines Nachnamens Rodd zu Prod hat sich förmlich aufgedrängt.
Er sah von der Zeitung auf. »Ja, mein Schatz?«
»Können wir los?«
Peter springt auf, und ich finde, er sieht einfach umwerfend aus in seinem schwarzen Hemd. Ich gehe auf ihn zu und streiche über sein Revers. »Du siehst so wunderbar aus in dieser Uniform, ich finde, wir sollten häufiger an solchen Kundgebungen teilnehmen.«
Er gluckst und sagt: »Dasselbe könnte ich auch über dich sagen.«
Er will mich gerade küssen, als wir Diana vom Foyer aus rufen hören: »Der Wagen wartet!«
Wir lösen uns voneinander, und ich antworte: »Kleinen Moment, Bodley! Ich muss mir noch die Nase pudern.« Dann flüstere ich Peter zu: »Machst du uns noch schnell zwei anständige Drinks für die Fahrt? Ich glaube, die werden wir brauchen.«
Unity ruft: »Herrje, Lady, wozu willst du dir denn die Nase pudern? Wir gehen zu einer politischen Kundgebung, nicht zu einem Ball.« Seit ich mich von meiner Verzweiflung erholt habe, nennt Unity mich nicht mehr freundlich Nancy oder Naunce, sondern meist »Lady«, und diesen Spitznamen nutzt sie eigentlich nur, wenn ich sie irgendwie ärgere. Manchmal frage ich mich, was genau sie an mir ärgert.
Ich blende Unity aus, als ich vor dem Spiegel stehe, mir die Nase pudere und den Lippenstift nachziehe. Dann zwängen wir uns alle vier – alle normal gekleidet, aber in schwarzen Hemden – in den Wagen, den Mosley für uns gemietet hat. Alle schauen ziemlich mürrisch drein, darum will ich die Stimmung aufheitern und sage: »Wer hätte das gedacht, dass uns Schwarz so gut steht!«
Diana sieht mich abschätzig an. »Wir tragen die schwarzen Hemden nicht, weil die Farbe uns so gut steht, Naunce. Die Mitglieder der BUF tragen das schwarze Hemd, weil es das Symbol für den Faschismus ist. Es ist unser Erkennungszeichen und bestärkt uns darin, dass alle Menschen gleich sind, ungeachtet ihres Vermögens oder ihres gesellschaftlichen Standes.« Was sie nicht erwähnt, ist, dass die Uniform der BUF »zufällig« der von Mosleys Held Benito Mussolini gleicht.
Meine Güte, sie klingt schon genau wie Mosley. In den vergangenen Monaten habe ich in Eatonry viele Stunden mit diesem Mann verbracht, Stunden, in denen ich tiefe Einblicke gewinnen konnte in seine Ansichten zum Faschismus und zur politischen Lage in Großbritannien und auf dem Kontinent. Mosley erklärt immer wieder gerne, dass er die BUF gegründet hat, um das Land in die Gegenwart zu bringen, indem man es von der wirtschaftlich und sozial nur Unheil bringenden Demokratie in das viel effizientere Staatsmodell einer Autokratie überführt. Mosley hält große Stücke auf die Regierungen in Italien und Deutschland, in seinen Augen sind sie leuchtende Beispiele dafür, wie auch unser Land sich entwickeln könnte, wenn es nur vernünftig regiert würde. Gerade war er wieder zu einem Kurzbesuch in Italien, bei Mussolini. Immer, wenn Diana Mosleys Einlassungen über seine politischen Pläne lauscht, fangen ihre Augen ehrfürchtig an zu glänzen. Ich finde das verstörend.
Zwar bin auch ich überzeugt, dass in unserem Land dringend etwas passieren muss – schließlich haben wir drei Millionen Arbeitslose, stecken in einer Finanzkrise und werden vom Kommunismus bedroht –, aber Mosleys Ansichten finde ich doch recht extrem. Ich denke eher von der Mitte her, und ich bin mir nicht sicher, ob ich zugesagt hätte, an Mosleys großer BUF-Kundgebung heute Abend teilzunehmen, wenn Peter nicht so neugierig gewesen wäre. Und wenn nicht Diana selbst mich beschworen hätte, sie zu begleiten.
Ein komplett schwarz gekleideter Mann nimmt uns bei der Ankunft an der Albert Hall in Empfang und führt uns mit militärischer Präzision zu unseren Plätzen in der ersten Reihe. Als wir uns setzen, lasse ich den Blick über das Publikum schweifen. Alle tragen schwarz. Aber das ist nicht die einzige Gemeinsamkeit der Teilnehmer an dieser Kundgebung, die eher der Mittelklasse entstammen, Berichten zufolge aber in der höheren Gesellschaft immer mehr Zustimmung finden. Das Publikum besteht in erster Linie aus rotwangigen jungen Männern, unter die sich hier und da ein streng dreinblickender Mann mittleren Alters oder eine ausgelassene junge Frau mischen.
»Nicht ganz, was ich erwartet hatte«, flüstert Peter mir zu, nachdem auch er sich kurz umgesehen hat.
»Nein, jedenfalls kein Haufen Randalierer«, erwidere ich flüsternd. Ich hatte mit gewaltbereiten Aufwieglern gerechnet.
»Pssst«, macht Diana, als Mosley unter einem Baldachin aus erhobenen Armen zur Bühne geht. Strahlend sieht sie zu ihm auf.
Seine Anhänger brechen schon bei seinem Anblick in tosenden Applaus aus: Ihr männlicher, dunkelhaariger Führer mit dem dunklen Schnurrbart. Ich höre sogar ein paar »BUF«-Rufe und beobachte, wie kurz danach mehrere Beamte in die Menge geschickt werden, vermutlich, um für Ordnung zu sorgen.
Mosley bleibt stehen und betrachtet die Menge, die Arme in die Seiten gestützt. In dieser Pose kommt seine breite Brust sehr gut zur Geltung. Ich vermute, dass auch die Wahl seiner Kleidung heute dem Wunsch entsprang, seine kräftige, löwenhafte Statur zu betonen. Statt eines eher förmlichen schwarzen Hemdes, wie wir alle es tragen, hat er sich für einen engen schwarzen Rollkragenpullover entschieden.
Fasziniert sehe ich dabei zu, wie er sich über die Bühne bewegt und abwechselnd den Zeigefinger hebt und mit dem Fuß stampft, wenn er mit seinen Gefolgsleuten spricht. Er nimmt Anlauf für seine Rede. Ich sehe einen Mosley, den ich noch nicht kannte, und zum ersten Mal erahne ich, was Diana so an ihm fasziniert. Was alle in diesem Saal an ihm fasziniert.
Doch als es weitergeht, kommen mir seine sehr wohlüberlegten Bewegungen übertrieben vor. Auf einmal finde ich diesen inszenierten Pomp und dieses Brimborium schrecklich albern und muss kichern. Diana sieht zu mir herüber, schmallippig und mit Zornesfalten auf der Stirn, während ich wirklich versuche, mich zu beherrschen. Doch dann erhasche ich einen kurzen Blick auf Unity, und schlagartig vergeht mir das Lachen. Ihre Miene spiegelt eine solch unterwürfige Hingabe, dass ich schaudere und es mit der Angst zu tun bekomme.
28. April 1933
London, England
Das wird M so freuen, denkt Diana, als sie von ihrem Platz in der ersten Reihe aus zur Bühne hinaufblickt. Denn sie hat nicht nur die ohnehin treu ergebene Unity als Vertreterin ihrer Familie zur Kundgebung mitgebracht, sondern sogar Nancy und Peter im Schlepptau. Wenn doch nur Muv und Farve endlich nachgeben und sich mit ihr und Mosley treffen würden. Diana ist sich sicher, dass sie sie umstimmen könnte. Denn dann würden sie sehen, was sie sieht: dass M die Antworten auf die drängenden Fragen ihrer Zeit kennt und weiß, wie die Unzulänglichkeiten der aktuellen Regierung und Gesellschaft behoben werden können. Bislang ist die einzige Reaktion, die sie Farve hinsichtlich eines solchen Treffens entlocken kann, ein zorniges Brummen – wenn er denn überhaupt ihre Anrufe entgegennimmt.
Ihr Leben vor M kommt ihr jetzt vollkommen belanglos vor. Viel Glanz, wenig Gloria – bis auf Jonathan und Desmond natürlich. M hat ihrem Leben so viel Sinn gegeben, wie sie es sich in ihren wildesten Träumen nie ausgemalt hätte, und sie ist bereit zu tun, was sie kann, um ihm und seiner Sache, der BUF, zu helfen. Sie ist bereit, alles dafür zu tun.
Sie hat den Führer schon viele Reden halten hören, aber noch keine in dieser Größenordnung und noch nie zusammen mit Nancy. Ein Teil von ihr möchte ihrer ältesten, sehr schwer zu beeindruckenden Schwester zeigen, über welche Macht und Anziehungskraft ihr Liebhaber verfügt. Wahrscheinlich ist dies der Versuch, möglicherweise verbliebene Vorbehalte zu Dianas Entscheidung, sich von Bryan scheiden zu lassen, auszuräumen. Bestimmt trägt Nancys eigenes Glück mit Peter zu einem milderen Blick auf M bei. Allerdings, wenn Diana das Gefühl hätte, offen sprechen zu können, dann würde sie durchaus ihre Bedenken angesichts der Verbindung mit dem unglückseligen und ziemlich geistlosen Peter aussprechen. Er mochte ja schlau sein, aber sein Ruf als Schürzenjäger ließ Zweifel an seiner Eignung für eine glückliche Ehe aufkommen. Eine derartige Offenheit steht ihr aber nicht zu, sie hat viele Rechte verspielt, als sie Bryan verließ.
Links von der Bühne befindet sich eine Band, und als sie beginnt, den Auftakt zu Ms Rede zu spielen, lassen die Trommeln Dianas Herz heftig schlagen. Warum reagiert sie so aufgeregt? Als sie sich in M verliebte und Bryan verließ, schlugen ihre Nerven fast überhaupt nicht an. Ist es der Anblick ihres Geliebten auf dieser großen Bühne? Oder das Gefühl, gerade Teil von etwas zu werden, das weit über ihre eigene Person hinausgeht – Teil der Geschichte?
Diana gibt sich dem Gefühl hin, sie schaudert, als sie M die Bühne besteigen sieht, diesen Mann der Tat, wie sie sonst keinen kennt, und freut sich, dass Ms Frau Cimmie bei dieser Veranstaltung nicht dabei ist. Nur deshalb kann Diana überhaupt teilnehmen. Ms Schritt ist selbstsicher, es ficht ihn nicht an, dass Tausende Blicke auf ihn gerichtet sind, er scheint sich vor großem Publikum sehr wohl zu fühlen und es vollkommen in der Hand zu haben. Sie muss daran denken, wie er auch sie in der Hand hat, wie seine Hände jeden einzelnen Winkel ihres Körpers berühren, ihn erforschen und Bereiche zum Leben erwecken, die bisher geschlummert hatten, und sie beginnt zu schmachten.
Ist es sein Geschick als Liebhaber, das sie so unwiderstehlich anzieht? Oder sind es die von ihm ausgehende Macht und Bestimmtheit, die sie umfangen wie die Arme eines Oktopus? Sie weiß es selbst nicht, sie weiß nur, dass er eine enorme Anziehungskraft auf sie ausübt. Seit ihrer ersten gemeinsamen Nacht ist sie ihm und seiner Sache vollkommen verfallen und zwingt sich selbst, nicht darüber nachzudenken, an welcher Stelle sie in seinem Leben steht.
Es ist nicht leicht gewesen. Diana ist es gewohnt, im Mittelpunkt zu stehen, insbesondere, wenn es um den Mann in ihrem Leben geht. Bei Bryan hat sich stets alles immer nur um sie gedreht. Im Gegensatz zu anderen Paaren, die sie kannte, aßen sie fast jeden Werktag zusammen im Savoy zu Mittag, und selbst auf Bällen, wo es ungern gesehen wurde, wenn Eheleute den ganzen Abend beieinander blieben, ertappte sie Bryan regelmäßig dabei, wie er vom anderen Ende des Raums zu ihr herübersah. Die unverhohlene Bewunderung hatte ihr anfangs sehr geschmeichelt und gefallen, doch im Laufe der Jahre fand sie sie eher erdrückend. Vielleicht reizt sie die Herausforderung durch M deshalb so sehr. Er gehört ihr nicht, und er hat klargestellt, dass er das nie tun wird.
Seine Frau Cimmie wird immer den offiziellen Platz an seiner Seite einnehmen, hat er Diana erklärt, und diese beschämende Tatsache wurde auch der ganzen Welt klargemacht, als Cimmie ihn unlängst nach Rom begleitete und Fotos von M und seiner Frau an der Seite von Benito Mussolini auf dem Balkon des Palazzo Venezia in allen Zeitungen erschienen. Selbst Cimmies Schwestern Irene und Alexandra, genannt Baba, scheinen hin und wieder mehr mit M zu tun zu haben als Diana, und doch ist Diana bereit, dieses Opfer zu bringen, damit er ihr ein klein wenig seiner Zeit widmet. Und wer weiß, wenn er sie sieht, wie sie im Publikum sitzt und zu ihm aufsieht, ihm zujubelt, vielleicht wird ihn das überzeugen, dass sie Cimmie vorzuziehen ist.
Es wird still im Saal, als die Band aufhört zu spielen, und M tritt im Licht eines einzelnen Scheinwerfers ans Mikrofon. Diana hat nur noch Augen für ihn, ihre Blicke begegnen sich. Kurz ist es, als seien sie beide allein, ihre Körper miteinander verschlungen, in ihrem Bett und würden einander tief in die Augen sehen. Er nickt ihr zu und beginnt zu sprechen.
»Ladys und Gentlemen, wir haben uns heute hier versammelt, um etwas über die Politik des britischen Faschismus zu hören«, ruft er und verursacht ihr damit ein ganz anderes Schaudern als sonst. Sie kennt jedes Wort, das er sagen wird, sie haben seine Rede zusammen geprobt. Und doch klingt auf dieser Bühne, vor diesem Publikum, mit dieser donnernden Stimme alles ganz neu. Seine Worte begeistern sie wieder von Neuem und mit ihr die vielen Menschen im Saal.
Sie jubeln ihm zu, und plötzlich fällt Diana in ihre Rufe ein, worauf Nancy die Augenbrauen hochzieht. Welch wunderbares Gefühl, nachzugeben und sich von der Leidenschaft der Bewegung hinreißen zu lassen, insbesondere, da M ihren Mittelpunkt darstellt.
»Es wird Zeit, die sogenannten Führer anzuprangern, die uns 1914 und 1931 in die Krise manövriert und dabei die Hoffnungen unseres geliebten Großbritannien verschleudert haben. Es wird Zeit, dass neue Hände unsere entehrte Flagge hissen und ihr zu neuem Ruhm verhelfen«, fährt er fort. Ganze dreißig Minuten nutzt Mosley die Aufmerksamkeit seiner Zuhörer, um zu proklamieren, wie seine autoritäre Exekutive – sollte die BUF