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Fandorin ermittelt in der aufregenden und exotischen Welt des Theaters.
Moskau 1911: Elisa, die Theater-Diva, von der zurzeit ganz Moskau hingerissen ist, fühlt sich bedroht. Als Fandorin die Diva auf der Bühne sieht, verliebt er sich Hals über Kopf in sie und ist nur zu gern bereit, herauszufinden, wer ihr etwas antun möchte. Denn er will Elisa für sich gewinnen. Doch die Schöne ist mit einem feurigen Kaukasier verheiratet. Er ahnt nicht, wie gefährlich das für ihn werden kann ...
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Seitenzahl: 602
Boris Akunin
Die Moskauer Diva
Fandorin ermittelt
Roman
Aus dem Russischen von Ganna-Maria Braungardt
Die Originalausgabe unter dem TitelВесь мир театрerschien 2010 bei Sacharow-AST, Moskau.ISBN E-Pub 978-3-8412-0219-2ISBN PDF 978-3-8412-2219-0ISBN Printausgabe 978-3-7466-2698-7Aufbau Digital,veröffentlicht im Aufbau Verlag, Berlin, Juni 2011© Aufbau Verlag GmbH & Co. KG, BerlinDie deutsche Erstausgabe erschien 2011 bei Aufbau Taschenbuch,einer Marke der Aufbau Verlag GmbH & Co. KG© B. Akunin 2009Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jegliche Vervielfältigung und Verwertungist nur mit Zustimmung des Verlages zulässig. Das gilt insbesondere für Übersetzungen,die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen sowie für das öffentliche Zugänglichmachen z.B. über das Internet.Umschlaggestaltung Mediabureau Di Stefano, Berlinunter Verwendung mehrerer Bilder von iStockphoto: ©dra_schwartz, ©ReneeKeith, ©Leontura und ©Jan GettwaldKonvertierung Koch, Neff & Volckmar GmbH,KN digital - die digitale Verlagsauslieferung, Stuttgartwww.aufbau-verlag.de
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Inhaltsübersicht
Informationen zum Buch
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Impressum
Noch acht Einheiten bis zum Soloabend
Sieben Einheiten bis zum Soloabend
Noch fünf Einheiten bis zum Soloabend
Noch vier Einheiten bis zum Soloabend
Noch zwei Einheiten bis zum Soloabend
Der Soloabend
Nach dem Soloabend
Zwei Kometen am sternenlosen Himmel
ERSTER AKT
ZWEITER AKT
DRITTER AKT
Ein harmonischer Mensch
Für einen harmonischen Menschen hielt sich Erast Petrowitsch, seit er die erste Stufe der Weisheit erlangt hatte. Das geschah weder zu spät noch zu früh, sondern genau zur rechten Zeit – in einem Alter, in dem man bereits Bilanz ziehen sollte, aber seine Pläne noch ändern kann.
Die wichtigste Schlussfolgerung, die er aus den erlebten Jahren zog, war eine äußerst kurze Maxime, die ebenso viel wert war wie sämtliche philosophischen Lehren zusammen: Alt werden, das ist gut. »Alt werden« bedeutet reifen, das heißt, nicht schlechter werden, sondern besser – stärker, weiser, vollkommener. Empfindet der Mensch das Altern jedoch nicht als Gewinn, sondern als Verlust, heißt das, dass sein Schiff vom Kurs abgekommen ist.
Um im seemännischen Bild zu bleiben, kann man sagen, dass Fandorin die Riffe des fünfzigsten Geburtstages, an denen Männer häufig Schiffbruch erleiden, mit vollen Segeln und wehender Flagge umschifft hatte. Zwar hätte die Mannschaft beinahe rebelliert, aber es war noch einmal gut gegangen.
Der Meutereiversuch hatte just am Tag seines halbhundertjährigen Jubiläums stattgefunden, was natürlich kein Zufall war. Diese Zahl besitzt zweifellos eine gewisse Magie, die nur Menschen ohne jede Phantasie nicht spüren.
Nachdem Erast Petrowitsch seinen Geburtstag mit einem Spaziergang im Taucheranzug auf dem Meeresgrund begangen hatte (zu der Zeit war er ein leidenschaftlicher Taucher), saß er am Abend auf der Veranda, betrachtete das auf der Esplanade flanierende Publikum, schlürfte einen Rumpunsch und sagte sich dabei in Gedanken immer wieder: »Ich bin fünfzig, ich bin fünfzig« – als koste er ein unbekanntes Getränk. Plötzlich blieb sein Blick an einem uralten Greis mit einem weißen Panamahut hängen; ein Mulatte schob die vertrocknete, zitternde Mumie in einem Rollstuhl. Der Blick des Methusalems war trübe, an seinem Kinn hing ein Speichelfaden.
Ich hoffe, ich werde nie so alt, dachte Fandorin – und begriff, dass er erschrocken war. Noch mehr erschrak er darüber, dass der Gedanke an das Alter ihn erschreckt hatte.
Die Stimmung war verdorben. Er ging in sein Zimmer, ließ seine Jadekette durch die Finger gleiten und malte das japanische Schriftzeichen »Alter« auf ein Blatt Papier. Als er das Blatt mit Darstellungen des Symbols in allen möglichen Stilen bedeckt hatte, war das Problem gelöst und eine Konzeption entwickelt. Die Meuterei an Bord war besiegt. Erast Petrowitsch hatte die erste Stufe der Weisheit erklommen.
Das Leben kann nie bergab gehen, nur bergauf – bis zum allerletzten Augenblick. Das erstens.
Die oft zitierte Puschkin-Zeile »So eilt denn Tag um Tag, und jeder Tag raubt uns ein Teilchen unsres Seins« enthält einen logischen Fehler. Wahrscheinlich war der Dichter gerade von Schwermut befallen, oder es handelt sich einfach um einen Schreibfehler. Das Gedicht müsste lauten: »So eilt denn Tag um Tag, und jeder Tag schenkt uns ein Teilchen unsres Seins.« Wenn der Mensch richtig lebt, macht ihn der Lauf der Zeit nicht ärmer, sondern reicher. Das zweitens.
Altern muss eine gewinnbringende Transaktion sein, ein natürlicher Tausch physischer und intellektueller Stärke gegen mentale, äußerer Schönheit gegen innere. Das drittens.
Alles hängt von der Sorte deines Weins ab. Ist er minderwertig, wird er mit der Zeit sauer. Ist er edel, wird er nur besser. Daraus folgt: Je älter der Mensch wird, desto qualitativ besser muss er werden. Das viertens.
Und schließlich fünftens. Ein Nachlassen der physischen und intellektuellen Kraft wollte Erast Petrowitsch nicht zulassen. Zu diesem Zweck erarbeitete er ein spezielles Programm.
In jedem kommenden Lebensjahr wollte er eine neue Grenze erreichen. Sogar zwei Grenzen: eine sportlich-physische und eine intellektuelle. So würde das Altern nicht beängstigend, sondern interessant sein.
Relativ schnell war der Perspektivplan der bevorstehenden Expansion erstellt – ein Plan, für den womöglich die nächsten fünfzig Jahre gar nicht reichen würden.
An intellektuellen Aufgaben nahm Fandorin sich vor: endlich richtig Deutsch zu lernen, da ein Krieg gegen Deutschland und Österreich-Ungarn offensichtlich unvermeidlich war; Chinesisch zu lernen (dafür würde ein Jahr nicht reichen, er würde zwei brauchen – und das auch nur, weil er mit den Schriftzeichen bereits vertraut war); eine schändliche Lücke in seinem Weltbild zu schließen und sich gründlich mit der muslimischen Kultur zu befassen, wofür er Arabisch lernen und den Koran im Original lesen musste (schätzungsweise drei Jahre); die klassische und zeitgenössische Literatur zu lesen (dafür hatte er immer zu wenig Zeit gehabt) und so weiter und so weiter.
An sportlichen Aufgaben für die nächste Zeit: einen Aeroplan steuern lernen; ein Jahr der interessanten und für die Koordination nützlichen olympischen Sportart des Stabhochspringens widmen; Bergsteigen; unbedingt ohne Skaphander tauchen lernen, mit dem neuartigen Rebreather, bei dem ein vervollkommneter Regulator für die Sauerstoffzufuhr es gestattet, für einen längeren Zeitraum in beachtlichen Tiefen zu tauchen. Ach, es war gar nicht alles aufzuzählen!
In den fünf Jahren, die verstrichen waren seit Fandorins Erschrecken vor seinem eigenen Schreck, hatte seine Methode des richtigen Alterns beachtliche Resultate erbracht. Jedes Jahr hatte er eine neue Stufe erklommen – genauer gesagt, zwei, so dass er auf sich als Fünfzigjährigen nun von oben herabsah.
Zu seinem einundfünfzigsten Geburtstag hatte Erast Petrowitsch zur intellektuellen Vervollkommnung Spanisch gelernt, das ihm bei seinen Seereisen in der Karibik so gefehlt hatte. Die physische »Stufe« war die Kunst der Dshigiten. Geritten war er natürlich auch früher schon, aber nicht eben glänzend, dabei war das eine nützliche und zudem äußerst spannende Angelegenheit, viel schöner als Autorennen, die ihn mittlerweile langweilten.
Mit zweiundfünfzig sprach Fandorin Italienisch und hatte sich beträchtlich verbessert in der Beherrschung des Kenjutsu, des japanischen Schwertkampfs. Unterrichtet wurde er in dieser großartigen Kunst vom japanischen Botschafter Baron Shigema, einem Träger des höchsten Dan. Am Ende besiegte Erast Petrowitsch den Baron in zwei von drei Kämpfen (einen Sieg überließ er dem Sensei, um diesen nicht zu kränken).
Das dreiundfünfzigste Jahr widmete Fandorin einerseits der antiken und neueren Philosophie (Fandorins Bildung beschränkte sich nämlich leider auf das Gymnasium), andererseits dem Motorradfahren, das in Punkto aufregender Empfindungen dem Reitsport in nichts nachstand.
Im zu Ende gegangenen Jahr 1910 war Fandorins Geist ganz von der Chemie beherrscht, der sich am rasantesten entwickelnden modernen Wissenschaft, während er seinen Körper in der Kunst des Jonglierens übte (scheinbar nichtiger Spielkram, aber sehr nützlich für die Feinmotorik und die Körperbeherrschung).
In der laufenden Saison schien es ihm logisch, vom Jonglieren zur Hochseilakrobatik zu wechseln – ein ausgezeichnetes Training für das körperliche und nervliche Gleichgewicht.
Die intellektuellen Übungen hatten teilweise mit dem vorjährigen Interesse für die Chemie zu tun. Fandorin hatte beschlossen, diese zwölf Monate seiner alten Leidenschaft zu widmen – der kriminalistischen Wissenschaft. Die gesetzte Frist war bereits abgelaufen, doch Fandorin führte seine Forschungen fort, denn sie hatten eine überraschende und äußert vielversprechende Richtung eingeschlagen, mit der sich außer Erast Petrowitsch noch niemand beschäftigte.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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