Die Müllberg-Millionen - O. F. Schwarz - E-Book

Die Müllberg-Millionen E-Book

O. F. Schwarz

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Beschreibung

Die in einem fiktiven Staat beschriebene Handlung dieses Romans kann jederzeit und überall auf der Welt passieren: Menschen, die, wenn sie keine staatliche Not-Unterstützung erhalten, elendig versterben müssten. Skrupellose Rauschgifthändler, denen ein kompletter Monatsumsatz abhanden kommt, korrupte Polizisten, etc. etc. Und inmitten dieser verwerflichen Charaktere gibt es eine großartige Nonne: Schwester Debora. Sie selbst hatte mehr schreck-liche Erfahrungen gemacht als alle ihre Mitschwestern im Kloster zusammen! Aber Schwester Debora hat gelernt, zu kämpfen! Sie kämpft für ihre Mitschwestern im Kloster, für ihre Freundin Alena mit deren beiden Söhnen und eigentlich kämpft sie für eine bessere Welt! Obwohl die von ihr begangenen Rache-Akte von keinem noch so gnädigen Gott auf der ganzen Welt verziehen werden könnten.

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Inhaltsverzeichnis

Der schmutzige Riese

Alena Bonder

Alenas Absturz

Radner

Kisha Nuu

Kein klösterlicher Plan

Der Nonnen Sieg

Kimbal Yohm

Kimbals Adlatus

Jigers Schreckenstag

Kamio Nangjin

Alenas weitere, große Sorge

Die Heilerin

Alena sucht eine Verbündete

Die Verschwörung

Kimbals kleine Macht

Kamios gefährliches Hobby

Jiger auf der Jagd

Kimbal kombiniert

Alenas erster Schritt zum Ausstieg

Kamios Schock

Die Wohnungssuche

Deboras Gespräch mit Gott

Die Aktion

Jigers wertvolles Pfand

Kamios Idee

Alenas Gefangenschaft

Jiger, der große Macher

Eine seltsame Team-Arbeit

Noch eine Hürde…

Kimbal Yohm trifft sein Verhängnis

Schwester Deboras Wundersalben

Schwester Deboras grausame Rache

Kimbal Yohms schreckliches Ende

Das neue Leben

10 Jahre später…

Klare Verhältnisse

Eine alte Gefahr

Der HERR im Zuhälter-Café

Die Befreiung

Kishas Rückkehr

Schluss-Strich

Erfreuliches für Ghorris

Eine interessante Investition

Heute

Der schmutzige Riese

Mit seinen etwa zwanzig Metern Höhe ragte der Müllberg in den grauen Morgenhimmel. Hinter ihm ging, blickte man von der Stadt herüber, die Sonne auf und wenn es die klimatischen Umstände gestatteten, zeigte er sich feuerrot umrahmt! Dann wirkte er unheimlich, drohend, wie ein schlafender Drache, der hungrig auf sein Futter wartete, welches aus dem Restmüll der ganzen Stadt bestand!

Wie in den meisten Groß-Städten der Welt, war und blieb die Entsorgung des Stadtmülls für die Gemeinden ein ewiges, ein lästiges und eigentlich unlösbares Problem: wie die Hausfrau ihren Schmutz oder Staub zusammenkehrt, die Küchenabfälle in den Mülleimer tut und diesen in die an etlichen Straßenecken aufgestellten Müll-Container entleert, so gilt als weiterer Schritt der Entsorgung die Entleerung dieser Container. Die speziellen Müllwägen hatten seitlich Kipp-Einrichtungen montiert, mittels derer die Container angehoben und der Inhalt derselben auf die Ladefläche des LKWs gekippt wurde. Danach kamen die leeren Container wieder an ihren alten Platz. Diese LKWs hatten aus Kostengründen keine hydraulischen Ballen-Pressen eingebaut, also wurde der Hausmüll, locker auf den Ladeflächen aufgeschüttet, an den Stadtrand geführt und dort auf der großen, eigentlich nicht offiziell genehmigten und daher „offiziell illegalen“ Deponie abgekippt. Dieser dort abgeladene, stinkende Müll wurde mittels der riesigen Schaufel eines Drag-Line-Kranes zu einem immer höher wachsenden Berg angehäuft.

Von Mülltrennung konnte natürlich keine Rede sein: von alten, stinkenden Textilien, Speiseresten, alten Gummireifen über Plastikverpackungen, verdorbenen Fleischresten, gebrauchten Toilette-Artikeln, Putzlappen, bis hin zu toten, halbverwesten Tieren und Verbrennungsrückständen wurde hierher alles angekarrt!

Dass dieser grausige Berg natürlich entsprechend stank, kann man sich leicht vorstellen: kam der Wind aus der ungünstigen Richtung, nämlich aus Osten, lag ein schrecklicher, beschwerlicher Gestank, der einem beinahe den Atem nahm, über der Stadt!

Aber so furchtbar dieser Gestank auch war, für die Müllbuben und für deren Familien aus den Elendsvierteln war der Berg eine Überlebensfrage! Ab Mittag, wenn der Hausmüll der Stadt laufend angeliefert worden war, sah man ein paar Minuten später vermehrt leuchtend bunte Flecken über den ganzen Berg verstreut: es waren die T-Shirts der Buben, die die neu angekommenen Lieferungen nach Nahrungsmittelresten oder anderem Verwertbaren durchstöberten! Aber Mädchen waren hier nicht anzutreffen: das war ohne Ausnahme Arbeit für die Buben! Die Eltern waren immer schon dagegen, dass Mädchen sich der Gefahr von schlimmen Verletzungen an den Füßen aussetzen sollten! Mit zunehmender Dunkelheit jedoch mussten alle die Suche abbrechen: die Gefahr, sich aufgrund der schlechten Sicht die zumeist nackten und ungeschützten Sohlen zu verletzen, war einfach zu groß! Aber schon bei Sonnenaufgang des nächsten Tages blühten über den ganzen Berg verteilt erneut die bunten Shirts jener Kinder, deren Suche am Vortag leider viel zu oft ergebnislos verlaufen war!

Alena Bonder

Alena Bonder war ein ausgesprochen hübsches Mädchen. Ihr volles, blauschwarzes, bis zu den Hüften reichendes Haar umrahmte ein ebenmäßiges Gesicht. Ihre ausdrucksvollen, tiefschwarzen Augen, eine kleine Stupsnase und ein sinnlicher breiter Mund waren unwiderstehlicher Blickfang für die meisten Männer! Und ihre perfekt geformte Figur unter ihrer geschmackvoll ausgewählten, bunten Kleidung ließen ausnahmslos alle Männerherzen höher schlagen, wenn sie durch die Straßen der Stadt schlenderte!

Im Alter von 19 Jahren lernte Alena den um fünf Jahre älteren Hamid Nangjin kennen. Es war Liebe auf den ersten Blick, es funkte zwischen ihnen sofort und Alena wusste: das war er, der Mann fürs´s Leben! Hamid war ein großgewachsener, schlanker, sportlicher Typ mit brünettem Haar. Er sah mit seinem gut geschnittenen Gesicht, seinen dunklen Augen und dem Bürstenhaarschnitt blendend aus und Alenas Freundinnen beneideten sie immer wieder um diesen erstklassigen Fang!

Beinahe zwei Jahre sollte diese vorerst himmlische Verbindung währen: schon einige Monate nach ihrer Hochzeit jedoch musste Alena feststellen, dass ihr Mann ein krankhafter Spieler war! Zwar verdienten beide ihr eigenes Geld und Alena bestand von Anfang an auf getrennte Kassen! Aber laufend kam Hamid zu ihr und borgte sich Geld. Erst wenig, dann immer mehr und schließlich musste Alena ihm klar sagen, dass sie für seine Sucht aufzukommen nicht mehr gewillt war!

Zwischenzeitlich hatte Alena ihr erstes Kind geboren: Lotser, einen gesunden, kräftigen Jungen, dessen Ankunft die ehelichen Rumpeleien ein wenig in den Hintergrund schob! Dann kam dieser für Alena so schreckliche Abend: Hamid verlangte von ihr Geld, und zwar eine doch schon nicht so geringe Summe! Alena stemmte ihre Arme in die Seiten, sah Hamid durchdringend an und sagte leise, aber bestimmt:

„Hör zu, mein lieber Mann! Vielleicht ist dir noch nicht aufgefallen, dass unsere Familie ein wenig größer geworden ist? Naja, das wirst du wahrscheinlich nicht bemerkt haben, da du ja Abend für Abend im Casino sitzt, und unser sauer verdientes Geld verspielst!“ Sie hielt inne und bemerkte in seinen Augen ein gefährliches Blitzen! „Also, weißt du, Hamid,“ fuhr sie fort „das Geld, welches ich noch habe, das brauche ich, um uns drei zu ernähren, verstehst du? Und ganz sicher wird es nicht in der Kasse des Casinos landen, dafür muss ich leider sorgen, denn du bist unfähig, durch deine Spielsucht Frau und Kind durchzubringen! Also, ab mit dir, du großer Familienvater, geh zu deinen Freunden, vielleicht findest du dort einen Kreditgeber, ok?“

Und dies war dann der Anfang vom Ende: Hamid schlug zu. Brutal, aus dem Nichts kam der Schlag und Alena lief drei Wochen lang mit einer blau-geschwollenen Wange herum! Alle Entschuldigungsversuche Hamids, alle seine Bitten um Vergebung nutzen ihm nichts: für Alena war diese Szene schrecklich genug, sie war ein Schlüsselerlebnis: nicht alleine ihrer Brutalität wegen, sondern auch, dass es so etwas zwischen ihnen überhaupt geben konnte! Dieser eine unbeherrschte Schlag hatte eine tiefe, unüberwindbare Kluft zwischen die beiden Eheleute gerissen!

Und es kam noch ärger: Alena hatte jeden Monat, quasi als Notgroschen, einen gewissen Betrag auf einem Sparbuch bei der Bank deponiert. Das Sparbuch lag versteckt im Wäschekasten unter den Handtüchern. Als Alena eines Tages vorhatte, wieder einen kleinen Betrag bei der Bank einzuzahlen, fuhr ihre Hand unter den Tüchern ins Leere: ein beinahe schmerzhafter Adrenalinstoß durchfuhr sie! Nach vergeblichem Suchen war für sie klar: Hamid hatte auch dieses Geld verspielt! Natürlich stellte sie ihn abends zur Rede, seine Reaktion erschütterte sie zusätzlich:

„Was denkst du denn, du dummes Kind, dass du in unserem gemeinsamen Haushalt eigenes Geld horten darfst? Wie blöd bist du eigentlich wirklich?“

Damit dreht er sich von ihr weg, ging ins Bad und nachdem er sich umgezogen hatte, verließ er die Wohnung! Alena stand wie vom Donner gerührt da: das erste Mal in ihrem Leben verspürte sie eine reale Existenzangst! Die Miete war bereits seit zwei Monaten überfällig, sie hatte keine Reserven mehr im Keller, was Mais, Kartoffeln, Zucker und Mehl anbelangte! Drinnen in seinem Zimmer schlief der dreijährige Lotser, mit ihm musste sie morgen zum Arzt wegen einer vorsorglichen Spritze für sein Immunsystem! Aber das Geld dafür hatte sie abgezählt in ihrem Portemonnaie vorbereitet gehabt und auch das hatte Hamid ihr gestohlen! Die letzten Dreihundertfünfzig Rhul, die sie wohlverwahrt unter der Bestecklade in der Küche als eiserne Reserve hatte, die brauchte sie nun für den Arzt, aber für Milch, Gemüse oder Öl war nichts mehr da!

Vollkommen niedergeschlagen sank sie auf den Stuhl am Küchentisch. Die Tränen rannen ihr über die Wangen und ihre Schultern zuckten unter dem Weinkrampf, der sie überfallsartig heimsuchte! Niemanden hatte sie, an den sie sich wenden konnte: sie hatte weder Verwandtschaft noch Freunde: alle die hatten sich Hamids Spielsucht wegen von ihnen abgewandt! Und ihnen auch unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie weiteren Kontakt mit der Familie Nangjin nicht wünschten!

Alena hatte noch Glück: Fandoa, ihre Nachbarin, half ihr immer wieder ein wenig aus, sodass zumindest das Essen auf dem abendlichen Tisch stehen konnte! Was jedoch dann passierte, damit hätte doch niemand wirklich gerechnet:

Es war ein Donnerstag und große Hitze flimmerte über der Stadt. Alena war eben dabei, feuchte Tücher vor die zur Sonnenseite gerichteten Fenster zu hängen. Da läutete es draußen, sie öffnete und mit einem Male wurde sie zur Seite gestoßen und sieben Männer drangen in die Wohnung ein! Alena rannte in Lotsers Zimmer, nahm ihn auf und schrie die Leute an:

„Was ist hier los? Seid ihr verrückt geworden? Das ist unsere Wohnung, ihr habt hier nichts zu suchen! Raus mit euch, aber sofort!“

Einer der Männer, er war mindestens 1,90 Meter groß, hatte schulterlanges, dunkelblondes Haar und trug einen eleganten, dunkelgrauen Anzug, dazu ein rosafarbenes Hemd, ohne Krawatte. Er blieb vor Alena stehen, sah sie mit seinen traurigen, blauen Augen kurz an und gab ihr zu verstehen:

„Das hier, liebe Frau Nangjin, das hier ist nicht mehr Ihre Wohnung! Ihr Mann hat sie gestern Abend am Spieltisch im Café Pool leider verspielt! Aber damit Sie und Ihr Kind nicht gänzlich ohne Dach über dem Kopf dastehen, haben wir für Sie im Mutter-Kind-Heim einen Platz reserviert! Ich denke, Sie sind nun ein Sozialfall, klar? Aber wir bringen Sie und Ihren Sohn dorthin, mit einigen Möbeln, die Ihnen der neue Besitzer kulanterweise überlassen will!“

Alena stand sprachlos da! Mit Lotser auf dem Arm musste sie miterleben, wie ihre Wohnung ausgeräumt, die von ihr noch bezeichneten Möbel auf einen bereitstehenden LKW verladen wurden! Dann forderte man sie höflich auf, ihre persönlichen Sachen zu packen und das Haus zu verlassen! Tränenüberströmt folgte Alena den Anordnungen und hoffte ganz hinten in ihrem Kopf, dass dies alles nur ein böser Traum sein könne! Mit aller Gewalt zwang sie sich, ruhig zu bleiben: denn unter ihrem Herzen trug sie wieder ein Kind und unter keinen Umständen wollte sie durch zu große Aufregung ihre Leibesfrucht gefährden!

Alenas Absturz

Alenas Leben hatte so gar nicht den geplanten bzw. den erhofften Weg genommen: man hatte sie aufgrund der von der durch und durch korrupten Regierung verschuldeten, katastrophalen Wirtschaftslage gekündigt. Und die triste Lage auf dem Arbeitsmarkt gestattete ihr keinen neuen Job! Immer tiefer sank sie mit ihren beiden Buben Lotser und Kamio in den sozialen Abgrund hinunter! Soweit, bis es kein weiteres Absinken geben konnte: sie drei bewohnten dann eine aus Holzbrettern, Blechplatten und Stoffdecken bestehende Hütte im Armenviertel der Stadt. Ihr Mann Hamid war einige Wochen nach der Räumung der Wohnung wegen Drogenhandels verhaftet und zu sieben Jahren Haft verurteilt worden! Aus dem Gefängnis hatte er über einen dort angestellten Wärter und durch dessen Cousin, der mit seiner Familie ebenfalls in diesem Armenviertel hauste, Alena die neue Situation wissen lassen. Als diese von Hamids Verurteilung erfahren hatte, nickte sie nur wissend und meinte emotionslos zu dem Überbringer der Nachricht:

„Und warum haben sie ihn denn nicht gleich zu 20 Jahren Haft verurteilt? Welche Gesellschaft braucht schon solch einen Abschaum, he? Aber im Gefängnis kann dieses Dreckschwein wenigstens keine Familie mehr zugrunde richten!“

Das war Alenas genüsslicher Kommentar für ihren unfähigen, brutalen Ehegatten! Zur Zeit lief das Scheidungsverfahren, welches sie natürlich angestrebt hatte! Und obwohl Hamid sich mit Händen und Füßen gegen eine Trennung wehrte, wurde die Ehe offiziell geschieden: Alenas Aussagen und auch die Aussagen der Casino-Betreiber bezüglich Hamids Spielsucht, sowie der soziale Abstieg der Familie Nangjin waren Grund genug für die klare Entscheidung des Richters: die Ehe wurde geschieden und die Kinder der Mutter zugesprochen!

Radner

Gleich nach ihrem ersten Tag in dieser schrecklichen Armen-Siedlung erkannte Alena mit Grausen: hierher war sie vom Regen in die Traufe geraten! Alle dort lebenden Familien balancierten zwar tagtäglich an der Überlebensgrenze, waren aber ausgesprochen nett und unglaublich hilfsbereit! Der nämlich, der selbst in Armut lebt, versteht den noch Ärmeren besser! Und niemand fragte nach, ob es selbstverschuldete Gründe oder einfach Schicksalsschläge waren, die sie allesamt in ihre triste und hoffnungslose Situation gezwungen hatten! Aber eben diese kollektive Armut schweißte die Menschen zusammen: Alena fand sich doch schnell zurecht und akklimatisierte sich mit ihren Buben problemlos! Man half ihr mit den wichtigsten Behelfsmitteln wie zum Beispiel mit großen Wellblech-Platten, mit kunststoffbeschichteten Kartons gegen einfallenden Regen, sowie mit nässeabweisenden Isolier-Kunststoffmatten für den Fußboden des Verschlages! Auch die Organisation der Siedlung wurde ihr wie folgt erklärt: dass man nämlich leider dem Chef der Siedlung, einem gewissen Radner, widerspruchslos zu folgen hatte!

Radner - niemand kannte seinen vollen Namen - war nur etwa 1,60 Meter groß und etwas dicklich geraten. Sein blondes Haar hatte er komplett nach vorne gekämmt, um seine Glatze weitmöglich abdecken zu können. Mit seinen wasserblauen Schweinsäuglein, seiner riesigen, gebogenen Nase, einem viel zu breiten Mund wirkte er auf seine Mitmenschen überaus unsympathisch! Dann kam noch seine knarrende, tonlose und zumeist sehr leise Stimme dazu! Noch dazu hatte er einen entsetzlichen Mundgeruch! In dieser Siedlung hatte Radner keinen einzigen Freund, denn jeder hier wusste, wie er zu seiner Macht gekommen war! Und dass er sich gewisse Hilfen, die zu organisieren er immer bereit war, zumeist gegen ´Naturalien´ von den weiblichen Bewohnern abgelten ließ!

Jede Familie, die sich dem gemeinen Diktat dieses Proleten nicht unterworfen hatte, war einige Tage später nicht mehr in der Siedlung anzutreffen gewesen!

Es begab sich am vierten Tag nach Alenas entwürdigendem Einzug in die Armen-Siedlung: Sie war eben dabei, einige Umzugskartons zu öffnen und den Inhalt in den einzigen vorhandenen Schrank zu schlichten, als sie spürte, dass hinter ihr jemand den Verschlag betreten hatte! Es war Radner in seinem geschmacklos geblumten Freizeit-Hemd und in seinem speckigen, dunkelgrauen Anzug! Er war nun stehengeblieben und betrachtete Alena mit vielsagendem Blick von oben bis unten! Natürlich wusste sie über ihn genau Bescheid! Sie hatte sich in weiser Voraussicht bereits ein ihrer Meinung nach wirksames Konzept zurechtgelegt, sollte er sie irgendwann einmal belästigen wollen! Sie wandte sich ihm zu, stemmte ihre Arme in die Seiten und fragte mit ruhiger Stimme:

„Nun, mein Herr? Wie kann ich Ihnen helfen?“ Sie sah ihm herausfordernd direkt in die Augen und setzte noch hinzu: „Ich darf annehmen, dass Sie rasche Hilfe benötigen, sonst wären Sie ja nicht so mir nichts, dir nichts und ohne Gruß hier eingetreten, oder?“

Radners Gesicht blieb vorerst unbeweglich, dann verzog er es zu einem süffisanten Lächeln und antwortete ihr:

„Wie du weißt, mein Kind, bin ich hier der Ober-Aufseher, ok? Und als dieser habe ich gewisse Vollmachten, mit denen ich mir und auch vielen Frauen hier in der Siedlung das Leben leichter machen kann!“

Mit den Händen auf dem Rücken verschränkt, mit hochgezogenen Augenbrauen und heruntergezogenen Mundwinkeln stand er da wie eine schlechte Mussolini-Kopie und erwartete Alenas Reaktion. Diese war gerade eben in nicht besonders aufbauender Stimmung und weiters wusste sie natürlich bereits durch ihre Nachbarn, was dieser Prolet von ihr wollte! Sie nickte langsam und legte ihre Hände ebenfalls auf den Rücken. Dann holte sie tief Atem, nahm all ihren Mut zusammen und sagte leise, sodass auch jemand, der vor der Türe stehen sollte, nichts von dem Gesagten verstehen würde:

„Jetzt hör mal genau zu, du kleiner Scheißer!“ Unverzüglich war Radners Gesicht zu einer starren Maske geworden! „Du kannst es natürlich nicht wissen, aber von dort, wo ich herkomme, verfährt man in ganz besonderer Weise mit solchen Idioten wie mit dir: sie hauen dir zuerst beide Daumen ab, dann wirst du sehen, wie du dir deinen Hintern wischen kannst! Wenn dir das noch nicht genügt, verbrennen sie dir ein wenig deine Fußsohlen: das ist ein wirklich angenehmer Vorgang mit anschließendem sechswöchigem Aufenthalt im Bett, wie du dir vorstellen kannst, ok?“ Sofort hatte sie die Unsicherheit in Radners Augen bemerkt und wusste: sie war auf dem richtigen Weg! Also spielte sie ihre Rolle weiter und log, dass sie selbst es kaum glauben konnte: „Aber natürlich kann es vorkommen, dass so einer wie du dann noch immer nicht genug hat! Hier haben meine Freunde ein probates Mittel, um widerspenstige Wichtigmacher zur Räson zu bringen: sie verpassen dir mit einem Viehbrenneisen ein wunderschönes Mal auf die Stirn, sodass du immer und überall als der Idiot erkannt wirst, der sich gegen mich gewandt hat! So, das wär´s für´s Erste, lieber Radner, ok? Ich denke, wir beide kommen in Zukunft gut miteinander aus: ich will nichts von dir und du nichts von mir, ok?“

Damit wandte sie sich wieder dem Karton zu und Radner stand da, wie paralysiert! Sie spürte, dass er das nicht so hinnehmen wollte, drehte sich wieder hinzu ihm und setzte hinzu:

„Also, dass du es leichter begreifen kannst, Radner: meine netten Freunde sitzen tagtäglich in den Kaffeehäusern der Stadt herum und pokern, was das Zeug hält! Kohle dafür haben sie genug, ihre Miezen versorgen sie ja laufend mit Material! Und sie wollen sich ungern bei ihrem Spiel stören lassen, da werden sie wirklich ganz, ganz böse! Aber eines kann ich dir versichern: ich werde sie stören, sofort, nachdem du mir an die Wäsche wolltest!“ Jetzt setzte sie ein überaus freundliches Gesicht auf, zog die Schultern hoch und schloss: „Alles verstanden jetzt?“

Und wieder ließ sie ihn stehen wie einen nie genützten Mülleimer und arbeitete mit ihren Sachen weiter! Radner hatte nun alles verstanden und sein Hirn arbeitete auf Hochtouren:

Wer ist dieses verdammt Weib? Wen kennt sie wirklich? Aber sie kennt Details aus dem Zuhältermilieu, die kann niemand erfinden, oder?

Er steckte die Hände in die Hosentaschen, machte auf dem Absatz kehrt und verließ Alenas Verschlag Draußen blieb er stehen und murmelte vor sich hin:

„Naja, verbrannte Fußsohlen, keine Daumen mehr, …also, soll sie doch machen, was sie will, die blöde Tussi, oder?“

Damit war die Sache für ihn erledigt! Und Radner hoffte nur, dass sich solch ein respektloses Betragen ihm gegenüber nicht herumsprach! Dies nämlich wäre seinem Image ganz und gar nicht zuträglich!

Kisha Nuu

Die kleine Kisha Nuu wuchs gut behütet in einem kleinen Dorf im Norden des Landes auf. Ihre Familie war angesehen, Großvater und Vater besaßen große Obst-Plantagen und waren in vielen Belangen sozial tätig: sie finanzierten den Bau einer Volksschule, kamen für die Gehälter der Lehrkräfte auf und bezahlten auch einen kostenlosen Suppenausschank für die Armen des Dorfes und der Umgebung.

Doch dann kam der Umsturz: revolutionäre, indoktrinierte Kräfte, die den Sinn des Kapitals nicht verstanden, übernahmen die Macht im Staate. Alle Großgrundbesitzer wurden enteignet, ihre Plantagen wurden, entgegen den großspurigen Hetzreden der neuen Machthaber, nach nicht nachvollziehbaren Formeln der neuen regierenden Klasse zu- und nur ein Bruchteil davon auf die Mittelschicht aufgeteilt. Kisha und ihre Eltern schafften es in letzter Sekunde, in die größtenteils anonyme Stadt zu fliehen! Da sie jedoch nichts von ihrem Kapital hatten mitnehmen können, verarmten sie auf Grund der schrecklich hohen Arbeitslosenrate zusehends. Großvater wollte so nicht leben und in einem depressiven Anfall erschoss er in einer gewittrigen Nacht in ihrer Wellblechhütte Frau, Kinder, Enkelkinder und sich selbst. Einzig die zwölfjährige Kisha konnte er durch seine Wahnsinnstat nicht mitnehmen, da sie in dieser Nacht bei einer befreundeten Familie übernachtete hatte!

Und Kisha war das gleiche Schicksal wie tausenden anderen Kindern in diesem Staate beschieden: sie wuchs ungeliebt und ausgenutzt bei dieser Familie auf, verliebte sich dann und heiratete, blieb aber leider kinderlos. Nachdem ihr Mann im Zuge einer brutalen Verhaftungswelle erschossen worden war, suchte sie Unterschlupf bei einer armen, aber ordentlichen und sauberen Familie. Und auch dort war sie nicht sicher: in beinahe regelmäßigen Abständen wurde das Haus von liederlichen, überheblichen Soldaten oder Polizisten heimgesucht. Alle im Haus befindlichen Frauen und Mädchen wurden abgesondert und in einem benachbarten Gertenhaus mehrmals missbraucht! Um diesen schrecklichen, laufenden Erniedrigungen ein für alle Mal zu entgehen, ging Kisha mit ihren 43 Jahren in das nahe gelegene Kloster Zu den liebenden Schwestern, wo sie sich Schwester Debora nannte und wo sie sich mit großem Eifer der Kräuterheilkunde widmete! Sie wurde eine echte und gefragte Spezialistin in diesem Fach und im Weiteren die Lieblings-Nonne der Oberin! Und auch ihre Mitschwestern zollten ihr uneingeschränktes Lob, wenn Debora wieder einmal mit ihren Kräuter-Melangen einer schwer erkrankten Insassin das Leben retten konnte!

Aber auch dieses Kloster war vor den verrückten Nivellierungs-Ideen der neuen Machthaber nicht verschont geblieben: anfangs noch geduldet, verloren die Behörden von Monat zu Monat ihren Respekt vor dem Glauben und skrupellose Abordnungen von Soldaten oder Polizisten besuchten überfallsartig diesen Hort der Ruhe und der Besinnung! Sie beschlagnahmten Lebensmittel nach Wahl und drohten wiederholt, das Kloster wegen des völlig aus der Luft gegriffenen Verdachtes der Kollaboration mit dem Klassenfeind sperren zu lassen!

Und dann kam dieser schreckliche Tag, an dem die gottlosen Machthaber ihre Drohungen mehr als wahr machten: völlig überraschend sprengte ein berittener Tross von Soldaten auf den Hof des Klosters und man hieß alle Nonnen, sich innerhalb von zehn Minuten auf dem Hofe zu versammeln! Als alle Schwestern in mehr oder weniger ordentlicher Kleidung, sich verängstigt aneinander drückend, dastanden und sich verständnislos anblickten, löste sich der noch bemerkenswert junge Polizei-Major auf seinem Pferd von seiner Truppe und ritt einige Schritte nach vor. Er war eine irgendwie sonderbare Erscheinung: diese unnatürlichen, grünen Augen harmonierten unheimlich mit seiner gelblichbraunen Gesichtsfarbe! Nun deutete er wahllos auf drei Schwestern. Diese mussten ihm in das Haus folgen, wo sie von mehreren Offizieren auf gemeinste Weise vergewaltigt wurden!

So ging es den ganzen Tag weiter: keine einzige Insassin entging dieser furchtbaren Tortur! Der ehrwürdige Bau war durchsetzt von den Schmerzensschreien und vom Stöhnen der gequälten Nonnen!

Während der Misshandlungen der Nonnen durch die Soldateska war natürlich auch Schwester Debora den gottlosen Horden schutzlos ausgeliefert: zwei stämmige Soldaten packten sie und brachten sie unter fortwährend ausgerufenen Gemein- und Derbheiten in einen Raum, in dessen Mitte lediglich ein Tisch stand. Die Soldaten hoben Debora auf den Tisch, drückten sie in Rückenlage, rissen ihr brutal ihr Höschen vom Leib und zogen ihr die Beine an und auseinander! Jetzt trat Major Kimbal Yohm, der grünäugige Anführer der schrecklichen Truppe, an Debora heran und verging sich in roher Weise an ihr! Debora aber versuchte erst gar nicht, sich zu wehren: aus Erfahrung wusste sie, dass jegliche Gegenwehr nur zu mehr Gewalt und zu vermehrten Schmerzen führen würde! So schloss sie ihre Augen und ließ die Gemeinheiten der Soldaten über sich ergehen. Aber sie hatte doch einmal kurz die Augen geöffnet und ihren Peiniger angesehen: diese auffallend grünen Augen und das gebräunte Milchbubi-Gesicht des Vergewaltigers würde sie nie, nie in ihrem ganzen Leben vergessen können!

Und langsam wurden die Schreie der brutal vergewaltigten Nonnen immer leiser, alle Kraft der Gegenwehr war verbraucht, nur mehr wimmernde, erstickte Laute drangen durch die entweihten Räume! Bis die schamlose Horde dann gegen sechzehn Uhr befriedigt und mit in Körben verpackten Lebensmitteln das Areal verließ!

Zurück blieben vollkommen traumatisierte, geschockte Nonnen: ausnahmslos alle waren dem entsetzlichen Überfall ausgesetzt gewesen! Aber die älteren und psychisch stärkeren Schwestern kümmerten sich liebevoll um die völlig geschockten, verängstigten und verwirrten jungen Kolleginnen! Und bis in die späte Nacht hinein war Schwester Debora mit ihren wirksamen Heilkräutern zur Stelle, mit denen sie die Verletzungen der so brutal missbrauchten Mitschwestern behandeln und deren Schmerzen lindern konnte!

Kein klösterlicher Plan