Kokain - Deine letzte Straße - O. F. Schwarz - E-Book

Kokain - Deine letzte Straße E-Book

O. F. Schwarz

0,0

Beschreibung

Kokain - Deine letzte Straße Eine auf dem Suchtgift-Markt plötzlich aufgetauchte, in dieser Menge noch nie dagewesene Spitzenqualität wirbelt Wiens Rauschgift-Szene ordentlich durcheinander. Und nicht einmal die exorbitanten Preise für diesen Stoff sind es, die solch eine gar nicht erwünschte Unruhe produzieren, nein: es ist die unersättliche Gier der großen Dealer. Jener Menschen, denen ein Menschenleben ebenso viel wert ist, wie ein ausgetretener Zigarettenstummel. Harry Maroon wird völlig unschuldig Ohrenzeuge eines Kampfes, der doch nie wirklich endet. Und Harry, der nie mit diesem Dreckszeug in Berührung gekommen war, kann die ungeheuerlichen Gewinne aus diesem Drecksgeschäft nicht fassen. Er, der eine im Milieu als Straße benannte, doch nie als eine solche identifizierte! Die jedoch in dieser Geschichte mit einigen Toten gesäumt ist. Und Harry sucht, um seinen engsten Freund Pierre aus den brutalen Ereignissen in diesem Geschäft herauszuhalten, die Hilfe des Rabbi. Des Rabbi, dem im Suchtgifthandel Wiens eigentlich nichts fremd ist. Und dessen Verschwiegenheit Oberinspektor Regner vom Morddezernat beinahe verzweifeln lässt.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 205

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhaltsverzeichnis

Handlungsort: Wien

Die neue Heimat

Ein tödlicher Glücksfall

Eine unerwartete Hürde

Neue Überlegungen

Eine kleine Störung

Die Entscheidung

Der Armbrust-Laden

Der Edel-Dealer

Harry Maroón

Der Jurist

Unruhe im Betrieb

Wiedersehen mit vielen Fragen

Pierres Wahrheit

Neues vom Betrieb

Das Verhör

Und noch etwas…

Eine illegale Entscheidung…

Das Geheimfach

Besuch am Tatort

Harry soll es wissen…

Geständnis aus dem Jenseits

Svens Abfuhr

Geständnis aus dem Jenseits

Svens Coup

Des Rabbis Schock

Erstkontakt mit dem Rabbi

Oberstleutnant Dr. Regners Flaute

Günthers Schatz

Rabbi beginnt, Ordnung zu machen

Schuld und Sühne

Hilfe für Dr. Regner

Rabbis Geschenk an die Brüder

Rabbis Entscheidung

Eine endgültige Anordnung

Einiges zu viel für Dr. Regner

Eine weitere Klärung

Eine beruhigende Verwendung

Ein Fach-Gespräch

Der Schluss-Strich

Etwas Nostalgie noch…

Ein letztes Gespräch

Handlungsort: Wien

Personen:

Ahmadi Karimi

Alter 29 Jahre, geboren in Pulalak, im Süden Afghanistans. Ahmadi ist nur einen Meter sechzig groß, alles an ihm ist dunkel, seine Haut, seine langen Haare, seine Augen und auch seine Stimme. Durch nicht unbedingt gesunde, aber höchst schmackhafte Ernährung schleppt Ahmadi etwa dreißig Kilogramm Körpergewicht zuviel mit sich herum. Immer schon war Ahmadi ein Mensch von großem unerschütterlichen Optimismus gewesen und die Entscheidung, sein Heimatland und dadurch auch seine Eltern zu verlassen, um in Europa mehr Geld zu verdienen, zeugen von seiner Lebenseinstellung.

Samim Karimi

Samim ist drei Jahre jünger als sein Bruder Ahmadi. Er ist groß gewachsen, dürr und geht immer, wie es bei sehr großen Menschen oft vorkommt, leicht nach vorne gebeugt. Er trägt einen Igelschnitt, unter seiner niederen Stirne und dichten schwarzen Augenbrauen blickt ein schwarzes Augenpaar immer etwas misstrauisch in die Welt. Sein unter einem schmalen Mund mit dünnen Lippen hervorspringendes Kinn soll Vitalität vermitteln, dem jedoch ist nicht so: Samim ist ein eher ängstlicher Typ und verlässt sich, was seine privaten Entscheidungen betrifft, zu einhundert Prozent auf seinen Bruder Ahmadi.

Nach dem Besuch der Grundschule versuchten beide, mit diversen Jobs, Geld für ihre Familie zu verdienen. Alles war sehr, sehr mühsam, ihr Einkommen reicht nie aus, um Mutter, Vater und sie beide zu ernähren. Ihr Vater betrieb einen kleinen Holzhandel, der im Grunde keinen Gewinn abwarf und so blieb der Hunger im Hause Karimi Stammgast. Durch einen eben aus Deutschland zurückgekehrten Schlosser erfuhren die beiden Brüder, dass man in Europa mit einfachen Jobs rund zehn Mal so viel verdienen konnte, als hier in ihrem Heimatland. Also entschlossen die beiden, das Wagnis einzugehen! Mit geborgtem Geld von Freunden und Verwandten schafften es Ahmadi und Samim dann bis nach Österreich.

Jana Schwertner, Servierkraft

Jana, 41 Jahre, vor fünfunddreißig Jahren mit ihren Eltern aus Güssing nach Wien übersiedelte Burgenländerin, arbeitet seit bereits achtzehn Jahren als Bedienung im Café Gerwin im 5. Wiener Gemeindebezirk. Durch Zufall wird sie Zeugin einer seltsamen Begebenheit in ihrem Lokal und erfasst sofort, dass sie Zeugin eines Treffens mit tödlichem Ausgang geworden war! Jana ist nicht dumm und schlägt aus ihrem Wissen von dem afghanischen Dealer eine für sie doch erkleckliche Summe an Schweigegeld heraus!

Roman Lobner

39 Jahre alt, Drogendealer. Hat durch Zufall erfahren, dass im Café Gerwin über einen Afghanen erstklassiger, teuerster Stoff mit nicht geklärter Herkunft vertrieben wird. Er bedroht die beiden Afghanen Ahmadi und Samim mit dem Tode, wenn sie ihm nicht ihren gesamten Bestand an Kokain kostenlos überließen! Allerdings hat er sich verrechnet: Ahmadi, der ihr höchst einträgliches, ruhiges Geschäft durch diesen Aggressor ernstlich bedroht sieht, wandelt sich urplötzlich zum eiskalten, skrupellosen Geschäftspartner!

Der Rabbi

Jüdischer Geldverleiher mit halb-sauberem Charakter. Niemand kennt seinen wirklichen Namen, sein Laden ist auf einen Bekannten angemeldet. Entstammt einer russischen Groß-Familie, die außer dem Rabbi selbst durch einen verheerenden Brand in einer Urlaubs-Hütte komplett ausgerottet wurde. Wie er zu der Bezeichnung Der Rabbi kam, ist ungeklärt, vielleicht deshalb, weil er des Öfteren im traditionellen jüdischen Kaftan vor seinem Laden steht und die Straße beobachtet. Hilft finanziell oft auch dort, wo sonst niemand mehr helfen möchte, allerdings mit entsprechend hohen Zinsen. Er betreibt offiziell einen Armbrust-Laden in Wien, kennt durch seine vergebenen Kredite die gesamte Drogen-Branche und unterhält natürlich auch erstklassige Kontakte zu nicht ganz sauberen Geldeintreibern.

Günther Lichtsam

Intimfreund von Pierre Mounier, schwul, Alter 36, Körpergröße ca. 1,80, Haare brünett, Igelfrisur, geb. in Gaweinsthal im niederösterreichischen Weinviertel. Bekam nur spärliche Aufmerksamkeiten seitens seiner Eltern und kam schon als 17-Jähriger nach Wien zu einer weitschichtig entfernten Tante. Aber auch hier gab es keine Liebe, kein Lob oder Zärtlichkeiten, ausschließlich ungerechtfertigte Zurechtweisungen oder Hiebe. Nach der Hauptschule besuchte er einige Monate lang eine technische Abendschule, wo er das Fach Nano-Technik belegte. Da ihm aber kontinuierlich das Geld zum Leben fehlte, beendete er diese Schule, um anderweitig und auf leichtere Art zu Geld zu kommen. So sackte Günther langsam und unaufhörlich in das Drogenmilieu ab und lebte fortan als Rauschgift-Dealer. Allerdings hatte er schon frühzeitig erkannt, dass mit dem normalen Stoff nicht unbedingt das große Geld zu machen war: er baute sich mit zwar teurem, aber erstklassigem Kokain eine gut betuchte Klientel auf. Und in dieser Zeit lernte er Pierre Mounier kennen…

Er war dann für die Geldübergabe irgendeines Riesen-Deals rätselhafterweise in Pierres Wohnung in Wien verabredet. Mit wem, ist vorerst unbekannt.

Harry Maroón

Alter 37, geschieden, Körpergröße 182 cm, Haare dunkelbraun, voll, glatt zurückgekämmt, Augenfarbe: grau, gutes Aussehen, sportliche Figur, kleidet sich immer modisch, trinkt sehr gerne österreichisches Bier, hält gar nichts von gesunder, sondern eher von schmackhafter Ernährung. Bekleidet den Posten des Cheftechnikers in Österreichs größtem Motorenentwicklungs-Werk, der Fa. Allheimer & Spor.

Pierre Mounier

Ist seit Kindertagen Freund Harry Maroóns, schwul, Alter 38, Körpergröße 1,75, Haare dunkelblond, gescheitelt, Augenfarbe strahlend blau, ist gar nicht sportlich, achtet jedoch mittels regelmäßigen Besuchen in diversen Fitness-Studios sehr auf seine Figur. Spricht nur selten dem Alkohol zu, außer, er sitzt mit seinem Freund Harry auf ein Bier zusammen: da läuft´s dann aber ordentlich. Trägt zwar immer sehr teure, doch auch ein wenig zu dandyhafte Garderobe, bekleidet den hochbezahlten Posten des Chef-Biologen in einem großen, weltbekannten Forschungslabor in Mödling bei Wien.

Oberstleutnant Dr. Gustav Regner

Ermittlungsjurist des Landeskriminalamtes West, Alter 56, verheiratet, mittelgroß, weißblonde Halbglatze, hat ein geierähnliches Gesicht, seine eng zusammenstehenden schwarzen Knopfaugen durchbohren praktisch seine Gesprächspartner. Seine wulstigen Lippen um den großen Mund wirken wie eben geschleudert aus der Waschmaschine entnommen und noch feucht aufmontiert. Er trägt immer einen mürrischen Gesichtsausdruck mit sich herum, dahinter allerdings versteckt sich ein brillant kombinierender Geist. Dr. Regner hat eine stämmige Figur, seine Hände stecken immer, wenn auch das eine oder andere Mal unhöflich, in den Hosentaschen: somit erzeugt er bei seinem Gegenüber zumeist irreführenderweise einen eher lockeren und gemütlichen Eindruck.

Dr. Hubert Lehner

Mitinhaber der Firma Allheimer & Spor, dem einzigen und größten Motorenentwicklungswerk in Österreich. Alter 64, 1,98 groß, etwas übergewichtig, Halbglatze mit weißem, seitlich spärlichem Haar, randlose, getönte Brille, läuft ausschließlich in dunkel- oder marineblauen Zweireihern, blauen Hemden und Krawatten in allen erdenklichen Rot-Tönungen herum. Offenes, ehrliches Auftreten und lebt auch so.

Sven Greggson

DER Häuptling, einer der ganz, ganz Großen in der Branche! Sven Greggson sieht auf den ersten Blick aus wie ein eben vom Schiff gesprungener Matrose eines Fischkutters! Er ist von mittlerer Statur, hat blonde, hinten zu einem Zopf gebundene Haare und besieht sich die Welt mit seinen wasserblauen Augen. Alles an ihm ist nordisch: die Augenbrauen, der Schnurrbart, die Behaarung seiner Arme, alles ist blond! Über seinem schmal--lippigen Mund sitzt eine große Hakennase und das stark vorspringende Kinn verleiht seinem Gesicht einen energischen, aber auch brutalen Ausdruck.

Sergej Soronjew

Alter 40, geboren in Senta, Nord-Serbien, kam mit fünf Jahren mit seiner Familie nach Österreich. Besuchte den Kindergarten, Volks- und Hauptschule und verließ danach die Familie, die ihm mit ihren laufenden Ermahnungen hinsichtlich Arbeitssuche zu lästig wurde. Alles an Sergej ist brutal: seine Figur, seine Bewegungen, seine Gesichtszüge und sogar seine Stimme klingt aggressiv wie das Gebell eines wütenden Hundes! Sergej hat Zeit seines Lebens nie wirklich gearbeitet.

Wo etwas zu holen ist, Sergej macht mit! Rutschte ab in das Drogenmilieu, allerdings ausschließlich als Dealer, er machte glücklicherweise nie selbst von dem Gift Gebrauch. Arbeitet schon seit einigen Jahren treu und kompromisslos als der Mann fürs Grobe und als Leibwächter des Dealers Sven Greggson.

Nero

Sven Greggsons einziger und ebenbürtiger Konkurrent auf dem Markt ist der aus Armenien stammende Nero. Ein dunkelhäutiger, untersetzter Typ mit schwarzem Kraushaar, tiefdunklen Augen, die ihr Gegenüber eigentlich nie direkt ansehen. Seine kurze, stark gebogene Nase, ein schmaler Mund und ein vorspringendes Kinn zeugen von vorhandener krimineller Energie. Nero spricht mit leiser, heiserer Stimme und unterstreicht jede seiner Worte in echter südländischer Art und Weise mit entsprechender Gestik. Über den Rauschgifthändler Nero, dessen richtigen Nachnamen niemand kennt, ist nur soweit bekannt, dass er bereits als sechzehnjähriger wegen einer tödlichen Familienfehde in seinem Heimatort ins Ausland flüchten musste.

Die neue Heimat

Die Brüder Ahmadi und Samim Karimi waren vor gut 15 Jahren aus Afghanistan nach Österreich gekommen. Die Eltern waren in Pulalak geblieben, sie wollten nicht oder hatten auch nicht mehr die Kraft, irgendwo anders ein neues Leben zu beginnen! Die zwei Söhne versprachen ihren Eltern, immer ein Drittel von dem, was sie in der neuen Heimat verdienen würden, nach Hause zu überweisen! Dann waren sie in Wien gelandet. Ihre bereits hier ansässigen Landsleute hatten ihnen für die erste schwere Zeit hinweggeholfen, aber einen festen Job zu finden, das wollte einfach nicht klappen! Ahmadi durfte sporadisch im Lokal eines Landsmannes für einige Tage aushelfen und sein Bruder kämpfte sich mit Gelegenheitsarbeiten schlecht und recht durch. Zum Leben reichte das jedoch keinesfalls, geschweige denn, ihren Eltern in Kabul monatlich Geld zu überweisen!

Ahmadi lernte eines Tages in dem Lokal seines Freundes einen Afrikaner aus Nigeria namens Koyata kennen. Sie kamen ins Gespräch und Ahmadi war sowohl von dem gepflegten Aussehen als auch von dessen eleganter, sauberer Kleidung angetan! Dazu kam, dass der Nigerianer eine auffällig leichte Hand für´s Geld zeigte. Auf Ahmadis Frage, wie der Bursche denn zu diesem interessanten Wohlstand gekommen wäre, gab der ihm bekannt, dass dies eine eigentlich einfache Angelegenheit wäre: würde er von einer speziellen Klientel täglich an einem noch zu bestimmenden Platz in Wien anzutreffen sein, würde sich diese Klientel bei ihm mit Kokain versorgen. Das bringe Ahmadi pro Tag so um die drei- bis vierhundert Euro!

Ahmadi meinte, nicht richtig gehört zu haben: natürlich wusste er, so wie die meisten Menschen, um den Rauschgifthandel flüchtig Bescheid! Dass man jedoch mit dem Dealen solch unglaubliche Summen lukrieren könne, dies war ihm doch wirklich neu! Ahmadi vereinbarte mit dem Afrikaner, dass sie sich morgen wieder treffen sollten, er wolle das mit seinem Bruder besprechen! Einen Bruder hätte er auch? Na, dann könne er diesen ja gleich mitbringen und mit ihm bekannt machen!

Ahmadi fuhr mit der U-Bahn nach Hause. Unterwegs kreisten nur mehr Zahlen in seinem Kopf herum: 400 Euro pro Tag? Für jeden von ihnen beiden? Das wären doch, sollten beide sechs Tage pro Woche in diesem Geschäft sein,…Moment…Moment mal… das wären doch so um die…zwanzigtausend Euro pro Monat?! Ahmadi versuchte verkrampft, nicht mehr an diese Summen zu denken! Das machte ihm Angst, richtiggehend Angst! Sein Bruder und er machten zurzeit, wenn sie aushelfen durften, gemeinsam keine achthundert im Monat! Und jetzt bekamen sie die Chance, ohne große Mühe gleich mehr als fünfundzwanzig Mal so viel zu verdienen? Zu Hause angekommen, nahm er seinen Bruder her, klärte ihn auf und fragte abschließend:

„Nun, Bruderherz? Bist du dabei? Wenn ja, dann kannst du morgen Abend gleich mitkommen und wir erfahren alles über unseren neuen Job!“

Samim starrte seinen Bruder ungläubig an: was war das denn nun? Sie sollten Dealer werden? Sie würden Gift an den Mann bringen und dabei gewaltig verdienen? Gift, das einen süchtig macht? Mit einem Stoff,, mit dem Menschen aller Altersstufen sich in die vollkommene Abhängigkeit anderer Menschen begeben? Gift, für das alle jene, die in diese schreckliche Abhängigkeit geglitten waren, unweigerlich kriminell werden, um es sich beschaffen zu können,?

„Ahmadi,“ meinte er mit leicht erhobenen Armen „sollten wir darüber nicht ein bisschen nachdenken? Du weißt, wie ich über dieses Geschäft denke? Und was, wenn sie uns erwischen und verurteilen? Wie willst du das Mama und Papa beibringen? Wirst du ihnen aus dem Gefängnis Briefe schreiben? Also, ich weiß nicht…“

Ahmadi sah seinen Bruder mit ausdruckslosem Gesicht an. Natürlich war ihm klar, dass er mit Gegenwehr hatte rechnen müssen! Und natürlich war er darauf vorbereitet:

„Mein Brüderlein!“ meinte er besänftigend „Brüderlein! Das ist ganz einfach: machen wir beide es nicht, macht es jemand anderer. Also werden wir beide es nicht verhindern können, dass dieses Gift auch unter die Leute kommt. So oder so! Aber den Gewinn, teurer Bruder, den streifen andere ein! Also, wie locker können wir es uns leisten, dieses Angebot abzulehnen?“

Sie saßen einige Minuten da, ohne ein Wort zu sprechen. Ahmadi kannte seinen Bruder: der war immer schon ein Mensch von schwacher Entschlussfreudigkeit gewesen! Darum sagte er nichts und wartete. Nach einem tiefen Seufzer meinte Samim leise:

„Sicherlich hast du recht, Ahmadi! Was sollen wir uns noch weiter um einen Hungerlohn plagen und eigentlich nie zu etwas kommen hier in Österreich?“ Er machte eine kurze Pause, dann nickte er, drehte die Handflächen nach außen, zog die Schultern hoch und sagte: „Also, ich bin dabei, Ahmadi! Hoffentlich geht das alles gut…!“

Am nächsten Abend saßen sie zu dritt in einer ruhigen Ecke des Lokals und Koyata klärte die Brüder auf:

„Also, Burschen, eure Plätze werden sein wie folgt: du, Ahmadi, sitzt im Café Gerwin in der Reinprechtsdorfer Straße im 5. Bezirk! Du, Samim, hältst dich auf im Café Schmelzer in der Alserstraße im 9. Bezirk! Ich werde euch noch heute dort vorbeiführen, wir können auch einen Sprung reinmachen, das Servierpersonal kennt mich in beiden Lokalen! Nun zum Ablauf: ihr kommt pünktlich um 10 Uhr vormittags an euren Plätzen an. Ihr sitzt immer am selben Tisch, das wird mit dem Personal so vereinbart. Dann sollt ihr…“

„Und,“ unterbrach ihn Ahmadi in seinem schlechten Deutsch „die Personal bekommen auch eine Geld vom die Umsatze?“

Koyatas Gesicht wird augenblicklich hart, seine Augen bekommen einen eiskalten Glanz und er sagt leise:

„Nie, hast du gehört, mein Freund, nie wieder sollst du solche Fragen stellen, ok?“

Ahmadi schwieg verängstigt: dies, dachte er, war wohl bereits ein kleiner Vorgeschmack auf klare und ungeschriebene Verhaltensweisen in diesem Milieu!

„Um ca. 10 Uhr 15“ fuhr Koyata nun fort „wird jemand, manches Mal auch ich selbst, ins Lokal kommen, wird sich zu euch an den Tisch setzen und einen Kaffee bestellen. Ihr werdet belangloses Zeug reden, über´s Wetter, über den Verkehr, und über sonst uninteressante Themen! Dieser Jemand wird eine Plastik-Tragtasche eines bekannten Supermarktes mit sich haben. Darin befinden sich jeden Tag neu aufgefüllt, entsprechend euren Verkäufen vom Vortag, Briefchen mit Stoff! Wenn der Kurier bezahlt hat, wird er das Lokal verlassen, die Plastiktasche jedoch wird er unauffällig neben euch auf der Sitzbank liegenlassen. Bis hier her alles klar, Jungs?“

Die beiden Brüder nickten wie einstudiert!

„Ihr wartet noch einige Minuten, dann nehmt ihr die Tasche und begebt euch hinaus auf die Toilette. Ihr nehmt die rechte Kabine, ok? In dieser Kabine hängt oben über dem Spülkasten an der Wand ein dunkelblauer Kunststoff-Kasten, etwa 70 breit und 45 hoch. Dieser Kasten, den jedermann als Ablage für Reinigungsmittel erkennen wird, ist auch für solche vorgesehen! Nachdem ihr euch versichert habt, dass ihr die Kabine von innen auch wirklich versperrt habt, hebt ihr den Kasten von den beiden Wandhaken herunter. Dahinter findet ihr ein Türchen, das aussieht wie ein mit der gleichen Wandfarbe übermaltes Putztürchen für den Rauchfangkehrer! Dieses öffnet ihr mittels eines euch ausgehändigten Vierkantschlüssels und legt die Tragetasche dort hinein. Bisher alles kapiert?“

Wieder nickten die beiden wie ein Synchrontänzer-Paar!

„Danach setzt ihr euch wieder an euren Tisch“ fuhr Koyata fort „und lest Zeitung oder ein mitgebrachtes Buch, legt Karten, löst Rätseln auf, etc. etc. Dort werdet ihr euren Tag verbringen!“ Nun wird seine Stimme leise: „Es wird nicht lange dauern und euer erster Kunde wird auftauchen! Er ist natürlich über alles informiert: er wird sich zu euch an den Tisch setzen und mit euch zu plaudern beginnen! Er wird vor sich auf den Tisch eine zusammengefaltete Tageszeitung legen und zwar so, dass Ihr von Eurem Platz sehen könnt, welche Ziffer auf dem linken Rand neben der Titelzeile geschrieben steht. Von dieser Ziffer nehmt ihr nun die erste, das wird immer eine Fünf sein und die letzte, das wird dann eine Acht sein, weg. Was übrigbleibt, sagt für euch den Wunsch des Kunden klar aus: es können nur die Ziffern 1, 2, 5 oder 10 stehen. Dies ist das Zeichen, euch hinaus auf die Toilette zu begeben und aus der Tragetasche in dem Versteck so viele Papier-Briefchen zu holen, wie der Kunde auf der Zeitung verschlüsselt notiert hat, verstanden?“ Nicken wie gehabt. „Der Kunde wird, nachdem er beim Ober bezahlt hat, seine mitgebrachte Tageszeitung, neben euch liegenlassen. Darin findet ihr den Kaufpreis: 1 Briefchen kostet 120 Euro. Für 2 Briefchen müssen 240 Euro, für 5 Briefchen 600 und für 10 Briefchen 1.200 Euro in der Zeitung sein! Und es wird immer ausnahmslos der genaue Betrag in der Zeitung sein! Also, es gibt kein Wechselgeld, alles klar jetzt?“

Den beiden Brüdern rauchten zwar die Köpfe, aber mit ihrem Nicken stimmten sie zu!

„Zu eurer Information: die Kunden sind ausschließlich Dealer, die den Stoff mit allem möglichen Mistzeug, wie zum Beispiel mit Amphetaminen, mit Milchzucker oder sonstwelchem Scheiß, strecken. Somit vervierfachen sie die Menge und geben außerdem anstatt nur einem Gramm nur 0,8 Gramm in das Briefchen. Das ist eben die übliche Straßenmenge! Dieses Zeug verscherbeln sie dann billig an ihre Kunden weiter und machen damit ein prächtiges Geschäft! Also, meine Herren,“ meinte Koyata lächelnd „ist alles wohl im Moment ein bisschen viel, aber: wie ihr sehen werdet, wird das für euch schon am dritten Tag ein Kinderspiel sein! Ihr könnt euch ja für den Anfang einen kleinen, unauffällig neben eurem Getränk liegenden Schummelzettel vorbereiten! Und pro abgeholtem Briefchen kriegt ihr netto zehn Euro. Im Schnitt holen unsere Kunden am Tag etwa dreißig bis vierzig Briefchen ab. Ist also ganz leicht, euren Verdienst pro Tag auszurechnen, oder?“

Koyata winkte der Kellnerin und bezahlte. Dann gingen sie zu seinem Wagen, stiegen ein und er brachte die beiden Newcomer zuerst in das Café Gerwin. Sie betraten das Lokal und sofort wurde Koyata von Jana, der Serviererin, freudig begrüßt! Er ging mit ihr ein wenig zur Seite und sprach mit ihr. Dabei schaute sie immer wieder kurz zu den beiden Brüdern hin. Dann winkte er ihnen und sie begaben sich hinaus auf die Toilette. Alles fanden sie so, wie er es zuvor beschrieben hatte! Dann fuhren sie hinüber in die Alserstraße, und auch dort wurde Koyata hofiert wie ein arabischer Prinz! Natürlich, dachte Ahmadi wenn er sich bei denen ebenso großzügig gibt wie bei uns beiden…

Und die technischen Gegebenheiten waren interessanterweise genauso, wie sie im Café Gerwin! Dann brachte Koyata die Brüder wieder zurück zum Café, von wo sie gestartet waren. Beim Aussteigen sagte er noch:

„Und jetzt noch eine nicht unwichtige Anordnung: sollte, während ihr in der Toilette den Stoff rausholt, jemand stark an die Türe klopfen, dann kann das nur die Polizei sein! Nun…“ sofort hatten beide Brüder ihre Augen angstvoll aufgerissen! Aber Koyata fuhr in beruhigendem Ton fort: „ Nun heißt es für euch, trotz dieser Überraschung total cool zu bleiben: ihr ruft laut hinaus, dass ihr noch nicht fertig seid! Sofort verstaut ihr die Tasche wieder in dem Geheimfach, hängt das Putzmittelkästchen möglichst leise wieder an seinen Platz. Solltet ihr den Stoff bereits der Tasche entnommen und bei euch haben, reißt ihr das Briefchen auf, schüttet den Inhalt ins Klo und dazu zerreißt ihr das Papierbriefchen in möglichst kleine Stückchen. Diese kommen ebenfalls ins WC. Nun spült ihr den ganzen Mist einfach in der Toilette runter, ok? Wichtig: sehr lange auf dem Drücker für die Spülung bleiben, sodass aller Stoff auch wirklich weggespült ist! Sodann öffnet ihr die Türe und alles andere ergibt sich dann von selbst: die Bullen werden, wenn ihr meine Anordnungen genau befolgt habt, nichts finden, das dürft ihr mir glauben!“

Wieder bestätigten die Brüder Koyatas Ratschläge mit ihrem Synchron-Kopfnicken und dieser hob noch einmal kurz die Hand:

„Und nun etwas gar nicht so Unwichtiges: es passiert wirklich ganz, ganz selten, dass ein Dealer von euch plötzlich einen besseren Preis verlangt. In dem Fall kriegt er gar nichts von euch und ihr werdet ihm sagen, er solle sich an mich wenden, nichts weiter! Ihr notiert euch die Uhrzeit, zu der dieser Kunde bei euch war und am Abend berichtet ihr mir darüber, ok?“

Ahmadi nickte gelassen, er hatte schon alles begriffen!

„Ja, und dass ich nicht vergesse, Jungs:“ setzte Koyata noch hinzu „natürlich habt ihr pro Woche einen Tag frei, den könnt ihr euch aussuchen! Aber der muss zuvor mit mir abgesprochen und dann aber auch verlässlich eingehalten werden, klar?“

„Klar!“ entgegnete ihm Ahmadi „Und wann mussen anfangen mit die Arbeit?“

Koyata blickte ihn entgeistert an:

„Na, morgen, Jungs, schon morgen! Kurz nach zehn bin ich bei dir, Ahmadi, im Café Gerwin! Und um ca. zehn Uhr fünfzehn kommen entweder ich oder mein Verbindungsmann zu dir, Samim, hinüber ins Café Schmelzer, ok?“

Dann wurde nichts mehr besprochen: die beiden hatten einen Pakt mit dem Teufel unterzeichnet! Und es lief, wie es anfangs immer mit solchen Verträgen mit dem Übel läuft: nämlich ausgezeichnet! Nach bereits einem Monat überwiesen die beiden Brüder ihren Eltern in Kabul die erste hübsche Summe von fünftausend Euro!

Ein tödlicher Glücksfall

Es war ein regnerischer, kühler September-Nachmittag. Sowohl Ahmadi als auch sein Bruder Samim saßen wie üblich an ihren Tischen im Café Gerwin als auch im Café Schmelzer. Es war kurz nach 13 Uhr, da wurde die Türe zum Café Gerwin aufgestoßen und Koyata stürmte bei der Türe herein. Seine teure, hellgelbe Lederjacke war an den Schultern pitschnass und er beutelte sich kurz den Regen aus dem Kopfhaar. Er kam an Ahmadis Tisch, grüßte kurz, nahm Platz und bereits eine Minute später hatte er seine Melange vor sich auf dem Tisch stehen! Ahmadi wollte schon in die Tasche greifen, um die bisher eingelangte Tageslosung von 2.160 Euro hervorzuholen, um sie an Koyata zu übergeben, dieser jedoch wehrte sofort ab:

„Lass nur, Ahmadi, lass nur! Das können wir später erledigen! Ich brauche euch beide noch heute Nachmittag! Ruf bitte deinen Bruder an, er soll sich ein Taxi rufen und sofort herkommen ins Café! Und seine Serviererin soll er beauftragen, seinen Kunden mitzuteilen, dass er abends ab 17 Uhr wieder anzutreffen sein wird, ok? Und wenn er dann hier ist, werde ich euch alles erklären!“

Ahmadi tat, wie ihm geheißen und eine halbe Stunde später betrat Samim das Café! Dann saßen sie alle drei beisammen und die beiden Brüder waren gespannt, was so besonders Wichtiges ihr Chef denn heute noch mit ihnen vorhaben könnte? Nachdem Koyata seinen Kaffee ausgetrunken hatte, sah er sich kurz im Lokal, in welchem höchstens acht Tische besetzt waren, um. Nun winkte er beide Brüder mit dem Zeigefinger der linken Hand näher zu sich und erklärte ihnen mit verhaltener Stimme:

„Jetzt hört genau zu, ihr beiden: Ich muss möglichst rasch eine sehr wertvolle Fracht aus meinem Lager in der Donaustadt abholen und zu meiner Mutter nach Hause bringen. Ihr beide werdet mir beim Umladen helfen, schließlich sind das 150 Kilogramm, also, für mich alleine ist das zu schwer, zu anstrengend, ich hab´s ja ein bisschen auf der Lunge! Und wenn das mit dem Umladen und Zustellen noch heute klappt, dann gibt´s eine erfreuliche Prämie für euch, ok?“

Beide, Ahmadi und Samim, waren nun schon einige Zeit lang im Geschäft, um nicht zu wissen, woraus denn diese 150 Kilo schwere „Fracht“ wohl bestand und was diese Menge Stoff im Straßenverkauf wert war! Koyata beglich die Rechnung und zwei Minuten später saßen alle drei im Führerhaus eines hellblauen Kastenwagens. Es regnete jetzt stark und Koyata fuhr in gemäßigtem Tempo auf der A4 nach Osten in Richtung Flughafen. Kurz vor Schwechat nahm er die Ausfahrt zur S1, auf der sie etwa fünf Minuten fuhren. Dann fuhr Koyata ab auf eine Bundesstraße und bald darauf fuhren sie an der Ortstafel Rannersdorf vorbei. Nach zirka 300 Metern bog Koyata nach rechts in eine kleine Seitengasse ab und hier wieder gleich nach einer baufälligen mannshohen Mauer lenkte er den Transporter in eine Einfahrt, deren großes Doppel-Gittertor offen stand.

„Auf diesem Areal gibt es einige Industriehallen, die ein ganz Gescheiter günstigst angekauft und alles auf Self-Storage umfunktioniert hatte! Ich habe hier eine kleine Halle gemietet