Die Nacht des Charlie D. - Manuel Rotter - E-Book

Die Nacht des Charlie D. E-Book

Manuel Rotter

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Beschreibung

Drake hat schon viel von Charlie D. gehört. Er soll auf jeder Party auftauchen, Tausende Dollar beim Pokerspiel verlieren und sich jemanden aussuchen, der ihn für eine Nacht durch seine geheimnisvolle Welt begleitet. Am nächsten Tag scheinen die Auserwählten verändert zurückzukehren. Um seinem tristen Alltag zu entkommen, will auch Drake eine solche Nacht erleben, weshalb er nicht lange zögert, die Partyeinladung seines Freundes Paul anzunehmen. Als er schließlich von Charlie D. angesprochen wird, verändert sich Drakes gesamtes Leben.

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Für jeden, der auf der Suche

nach sich selbst ist.

Inhaltsverzeichnis

Vorwort zu dieser Ausgabe

Prolog

20 Uhr

21 Uhr

22 Uhr

Mitternacht

1:30 Uhr

2:43 Uhr

3:52 Uhr

9 Uhr

12 Uhr

Vorwort zu dieser Ausgabe

Charlies Ursprünge gehen zurück in das Jahr 2007, als ich von der Hauptschule Gänserndorf in die ortsansässige Handelsakademie wechselte. Ich wollte eigentlich in ein Gymnasium gehen, es hat sich aber schlussendlich anders ergeben. Was womöglich sogar gut war.

Dort traf ich auf einen Schulfreund, der in den folgenden Jahren ein enger Vertrauter und Wegbegleiter wurde. Die Art, wie er lebte und eine mystische Rolle um sich selbst kreierte, die er perfekt auszufüllen gedachte und vermochte, ließ in mir das Bild des Charlie D. entstehen.

Damals wusste ich natürlich noch nichts über diesen wundervollen, starken, attraktiven und gleichzeitig so traurigen Charakter, zu dem er letztlich werden sollte. Dieser mir so wichtige Freund gab mir so manchen Rat, der in dieser Novelle festgehalten ist, und er eröffnete mir eine Sichtweise auf die sich ständig weiterdrehende Welt, die mir bis heute geblieben ist. Er lehrte mir eine Art zu leben, die mir manchmal sehr schwer fällt, die mir jedoch als einzig sinnvolle erscheint.

Die erste Geschichte über Charlie D. verfasste ich im Jahr 2010, einem sehr wichtigen Jahr in meinem Lebenslauf, nicht nur ob meiner Erstveröffentlichung Safran, sondern auch aufgrund einiger Geschehnisse, die zunächst weiterhin geheimbleiben sollen. Wichtig ist nur zu wissen, dass diese Geschehnisse einen inneren Wandel in mir auslösten, der schließlich zu jenem Charakter hinleitete, zu dem Charlie am Ende wurde. Charlie D., in der Form wie er hier vorliegt, war geboren.

2012 begann ich schließlich meinen Zivildienst beim Roten Kreuz in Gänserndorf. Zu jener Zeit herrschte in Österreich gerade eine intensive Debatte über den Grundwehrdienst, mit dem auch der Zivildienst verbunden war. Damals wollte ich weder Dienst an der Waffe noch am Sanitätswagen leisten. Heute bin ich froh, nicht untauglich gewesen zu sein. In den Jahren 2012 bis 2015 arbeitete ich, über meinen Zivildienst hinaus, als ehrenamtlicher Mitarbeiter des Roten Kreuzes. Drei Jahre mögen einem als kurze Zeitspanne erscheinen, für mich waren es jedoch die lehrreichsten Jahre meines Lebens. In diesen Jahren veränderte sich Charlie D., seine Sicht auf die Dinge und die Welt. Ich denke, jener Charlie, der Ihnen, als fachkundigem Leser dieser Novelle, begegnen wird, ist jener dieser Jahre, der sich danach nicht mehr allzu sehr veränderte.

Neben Charlie D. nimmt Cara F. eine große Rolle in dieser Geschichte rund um Drakes Nacht des Charlie D. ein. Caras Wurzeln münden äußerst Tief in der realen Welt. Sie entstand 2014 und manifestierte sich in jener Sekunde, da sie auf das Spielbrett meiner Welt gesetzt wurde. Cara war ebenfalls ein wichtiger Wegbegleiter, ist sie bis heute. Auch sie lehrte mich viel über diese Welt, die mir manchmal so schnell, viel zu schnell, erscheint und der ich kaum nachkomme.

Nach ihrem ersten Auftritt, dauerte es keine drei Jahre mehr, bis Charlies Geschichte die erste endgültige Gestalt in Form einer Novelle annahm.

Bedenkt man, dass die zeitliche Abfolge der Novelle nur wenige Stunden und lediglich drei Charaktere umfasst, mag sie so manchem als banal erscheinen. Banal will ich Charlies Geschichte jedoch nicht nennen. Mir, der sie erdacht und erlebt hat, erscheint sie doch sehr komplex und voller Tiefe. Eine Tiefe, die an den Grund meines kindlichen Herzens führt.

Niedergeschlagen. So würde ich es wohl nennen. Ich war tatsächlich niedergeschlagen, als ich Charlies Geschichte im Februar 2017 veröffentlichte und niemand sie lesen wollte. Ein Jahr zuvor feierte ich einen Erfolg mit dem ersten Teil der Alba-Saga und so war ich noch voller Elan von diesem Erfolg, als ich Charlie D. auf die große Bühne der Welt schickte. Dass er dort keinen Monat überlebte, brach mir das Herz, und ehrlich gesagt, geriet er auch für mich in Vergessenheit.

Erst in diesem Jahr trat er wieder in mein Leben. Ich habe beschlossen, einen neuen literarischen Weg einzuschlagen und der Erfolg von Von Dingen, die bleiben, hat mich erneut beflügelt, Charlie ein weiteres Mal eine Bühne zu geben, auf der er bestehen kann.

Binnen weniger Tage überarbeitete ich die Geschichte um die Nacht des Charlie D.. In dieser Version liegt Ihnen seine Geschichte nun vor. Wohin seine Reise diesmal führen wird, kann ich noch nicht sagen. Aber ich zeige mich froh, dass er sich noch einmal bemerkbar gemacht hat und nun einen festen Platz in der Liste meiner Werke einnimmt.

Nun aber genug von diesem wundervollen Charakter. Ich lasse Sie alleine mit ihm und seinen Wegbegleitern, allen voran Drake, der Ihnen die Geschichte des Charlie D. näher bringen darf.

November 2020

Manuel Rotter

Prolog

Charlie D. war keiner von den normalen Typen. Jene, die auf eine Party gingen, um zu tanzen, zu singen und Spaß zu haben. Nein, das war er wirklich nicht. Das erste Mal fiel er mir auf einer Einweihungsparty eines Freundes auf. Auf einem Tisch wurde gepokert, in der Mitte des Wohnzimmers getanzt und hin und wieder verschwanden Pärchen in einem der wenigen Zimmer der winzigen Wohnung.

Charlie D. aber stand einfach nur in einer Ecke herum. Aus engen Augen heraus beobachtete er das Geschehen am Pokertisch, studierte, was dort passierte. Es war, als würde er das Spiel der anderen analysieren und sich einen Plan zurechtlegen. Als wartete er auf den richtigen Moment, um seine Chance zu nutzen und in das Geschehen einzugreifen.

Das war nicht so.

Nach einer Weile, als er wohl dachte, genug gesehen zu haben, verließ er seinen sicheren Posten und ging zum Tisch hinüber, kaufte sich mit tausend Dollar ein und schien die sprachlosen Blicke seiner Mitspieler nicht einmal zu bemerken. Er würdigte sie keines Blickes. Das waren sie nicht wert – das dachte ich zumindest.

Also spielten sie. Ich ließ die Augen keine Sekunde vom Tisch, sog alles, jede noch so kleine Geste und kurze Bewegung, in mich auf und studierte das Geschehen, wie Charlie D. es vor mir getan hatte. Die Karten wurden gemischt, die Chips gesetzt und als Charlie D. seinen Flush offenbarte, herrschte für einen kurzen Augenblick Stille. Mit nur einem Mal hatte er viertausend Dollar gewonnen. Die anderen mussten die Verluste mit Schuldscheinen begleichen, weil keiner von ihnen so viel Geld in der Tasche mit sich trug. Wie auch? Wir waren nur Studenten, Revolutionäre unserer Zeit, die sich gegen die Existenz par excellence und die uns von unseren Eltern vorbestimmte Zukunft auflehnten.

Als die anderen Spieler aufstanden, um den Tisch zu verlassen, klopfte Charlie D. mit seinem Scotchglas drei Mal auf die Tischplatte.

Tok. Tok. Tok.

Es war das erste Mal, dass er sie eines Blickes würdigte.

»Wir sind noch nicht fertig, meine Herren!«, meinte er gelassen. »Noch lange nicht!«

Also setzten sie sich wieder und spielten weiter. Das heftige Schlucken in den Kehlen hallte von den Wänden wider und schon bald war das rege Treiben der Tanzfläche bedeutungslos geworden und alle standen um den Tisch herum – ich direkt hinter Charlie D. – und sahen zu, wie sie sich einander abzockten. Stunde um Stunde verging. Um Mitternacht hatte Charlie D. satte fünftausend Dollar verloren.

Das war ihm egal. Er stand auf und verließ die Party.

Wenn also jemand meinte, Charlie D. führte ein Leben der Risiken und liebte das Gefährliche, das Reizvolle, das Mythische, dann müsste ich wohl zustimmen. Charlie D. war etwas Besonderes. Die einfachen Dinge interessierten ihn nicht, die spröden Leben der einfachen Männer und Frauen, die morgens aufstanden, sich anzogen und zur Arbeit gingen. Die abends nach einem langen Tag heimkamen und sich ins Bett legten, um für den nächsten Tag fit zu werden. Diese Leben waren für ihn bedeutungslos, er bemerkte sie nicht einmal.

Auf einer anderen Party begegnete ich Charlie D. ein weiteres Mal. Er stand draußen im Garten und zog sich einen Joint rein. Direkt gegenüber einer Polizeiwache. Es war ihm egal, dass er hätte gesehen werden können. Ja, wahrscheinlich reizte ihn die Gefahr einer möglichen Festnahme sogar. Ich weiß es nicht. Aber ich wusste, Charlie D. war niemand, mit dem man sich freiwillig einließ.

Auf jeder Party suchte er sich jemanden aus – männlich oder weiblich war dabei vollkommen egal – und zog mit diesem Jemand davon. Wenn seine Gäste dann am nächsten Morgen heimkehrten, waren sie verändert. Ihre alten Leben waren ... bedeutungslos geworden. Sie hatten eine Nacht mit Charlie D. verbracht.

Heute war ich an der Reihe.

Dies ist die Geschichte meiner Nacht des Charlie D..

20 Uhr

Ich war nicht wirklich davon begeistert, zur Party zu gehen. Paul wollte es so, weil es ihm wichtig war, dass ich zumindest ein Mal dabei gewesen wäre. Er und sein Mitbewohner feierten ihr zweijähriges Zusammenleben in der WG. Für ihn Grund genug, eine Party zu schmeißen, für mich eine weitere soziale Pflicht, die ich als guter Freund zu erfüllen hatte. Was heißt es schon, zwei Jahre zusammenzuwohnen? Letztlich ist es nur ein Wimpernschlag in einem langen Leben, das schneller vorüber ist, als man es sich vorzustellen vermag. Aber Paul war mein Freund, also wollte ich ihn nicht enttäuschen.

Die Wohnung lag in einem der weniger guten Bezirke. Kein Viertel, in dem ich mich für gewöhnlich herumtrieb. Es war schon dunkel und verdammt kalt. Für einen kurzen Moment dachte ich sogar Schnee fallen zu sehen. Aber der Himmel war klar, was der Kälte zusätzlich Macht über mich verlieh.

Noch bevor ich das Wohnhaus betrat, hörte ich die laute Musik aus dem ersten Zwischenstock dröhnen. Pauls Mitbewohner war DJ – zumindest bezeichnete er sich gern als solchen. Ich konnte mit dieser Art von Musik noch nie viel anfangen. Das plumpe, allzu simple Bedienen verschiedener Knöpfe, um einen Computer dazu zu bringen, Töne von sich zu geben, erschien mir als nicht ausreichend, um sich unter die stilvolle Kunst der Musik einordnen zu dürfen. Musik ist mit der Handhabung eines Instruments verbunden. So sah ich es. In dem Moment, da der Musiker die Gitarre erklingen lässt, mit seinen Sticks in gleichmäßigem Ton die Trommel bearbeitet, da fühlt man mit ihm. Das bedeutet Kunst. Wenn wir Musik konsumieren, fühlen wir, was der Musiker in dem Moment fühlt, wenn er mit seinen Fingern über die Saiten zupft oder über die Tasten seines Klaviers streicht und sie in sanfter, eleganter Weise liebkost. Kunst findet im Moment des Augenblicks statt, wenn wir alles um uns herum vergessen und zu einem anderen, amorphen Wesen werden, das seine Existenz im Ausdruck seiner Gefühle nach tausendjähriger Suche findet und sich seiner Selbst bewusst wird.

Wie gesagt, keine Musik, derer ich mich verbunden fühlte.

Die Treppen mündeten in einem kurzen Flur, dessen beiden Seiten mit Wohnungstüren flankiert waren. Auf der Tür haftete ein Wahlplakat einer Partei, deren Grundsätze ich noch nie nachvollziehen konnte. Links gerichtet. Sozialistisch, wenn nicht sogar kommunistisch. Zum Glück bemerkte mich niemand – wie gewöhnlich – sonst hätte man meinen angewiderten Blick fehldeuten können.

Neben der Tür presste gerade ein Junge seine Freundin gegen die Wand, fuhr ihr mit der Hand unter das Shirt, zog die Konturen ihres für ihn perfekt erscheinenden Körpers nach. Die Art, wie er sie ansah, symbolisierte die höchste Art der Zuneigung, die ein Mensch zu empfinden in der Lage war. Liebe. Ein Gefühl, das ich einstmals gekannt hatte, nunmehr vergessen glaubte, und nach dem ich mich seit einer halben, unendlich erscheinenden Ewigkeit bereits sehnte.

Ich wandte mich angewidert ab und schritt durch die Tür. Grelles Licht schlug mir entgegen, wirkte wie Wespenstiche auf meinen Verstand, machte meinen Geist benebelt und ließ mich die Augen zukneifen. Der Weg ins Wohnzimmer war schnell gefunden. Dort herrschte das größte Treiben. Wenn ich Glück gehabt hätte, hätte ich mich schnell unbemerkt bis zum Balkon hinüber kämpfen können, ohne weiter aufzufallen, und hätte den Fluchtweg in den winzigen Garten gefunden – deshalb hatte ich auch meinen Mantel noch nicht abgelegt –, aber Paul erspähte mich und zog mich auch schon zur Coach hinüber.

»Alter, wo willst du denn hin?«, raunte er mir ins Ohr. Er wirkte bereits betrunken. »Komm, setze dich zu uns!«

Er fiel auf die Coach und ließ sich zwei Bierbecher von einem seiner Freunde zu uns hinüberreichen, von denen er einen an mich weitergab. Ich nickte ihm dankend zu und setzte mich auf einen Stuhl neben ihn.

»Schön, dass du da bist!«, meinte er gelassen, sich einem Mädchen zuwendend.

Genau sein Geschmack. Nicht zu dünn, nicht zu dick. Große Brüste, herbes Gesicht. Nicht mein Fall. Einmal fragte er mich, worauf ich denn stehen würde. Ich dachte angestrengt nach. Am Ende fand ich keine passende Antwort. Für mich zählt das Aussehen einer Frau nicht viel. Mein erster Blick fällt für gewöhnlich auf die Augen mei