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Dieses E-Book entspricht 172 Taschenbuchseiten ... Aurelia darf bei Meistermaler Romero in die Lehre der Farben gehen. Doch zunächst muss sie sich die Gunst des Meisters verdienen und als Nacktmodell posieren. Seine Ausstrahlung schüchtert sie zunächst ein, mit der Zeit öffnet sie sich aber immer mehr den sinnlichen, sexuellen und körperlichen Anforderungen, die der Meister an sie stellt. Dabei eröffnet sich ihr eine Welt voller Gelüste und erotischer Abenteuer. Aurelias Anmut und Sinnlichkeit kann sich bald niemand mehr entziehen. Sie verführt und wird verführt. Als jedoch Conte De Bernini in ihr Leben tritt, muss Aurelia eine schwere Entscheidung treffen ... Diese Ausgabe ist vollständig, unzensiert und enthält keine gekürzten erotischen Szenen.
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Seitenzahl: 228
Impressum:
Die Nymphe von Meisterhand verführt | Historischer Erotik-Roman
von Maria Bertani
Maria Bertani ist eine Frau in den besten Jahren. Sie ist begeistert von der Liebe mit all ihren Facetten. Maria liebt das schöne Wort, aber auch das Direkte, den Zauber der Situation und das Spiel zwischen Realität und Fantasie, Licht und Schatten.
Lektorat: Nicola Heubach
Originalausgabe
© 2024 by blue panther books, Hamburg
All rights reserved
Cover: © disorderly @ 123RF.com © alfazetchronicles @ 123RF.com
Umschlaggestaltung: MT Design
ISBN 9783756170234
www.blue-panther-books.de
Prolog
Die Geschichte, die heute erzählt wird, spielt im Jahre 1742. Die Akteure dieser amourösen Erzählung leben in der sinnlich reizvollen Epoche des Rokoko, in der es zwar allerlei wundervolle Kunst, Literatur und Bildhauerei gibt, aber keine Unterhosen. Der Genuss ist das höchste Lebensziel derer, die Zeit und Geld haben, diese Lebensphilosophie auch in die Tat umzusetzen.
Wenn die hohen Herrschaften zu einem Abendessen geladen sind, stellt sich nur eine einzige Frage: in Gala oder hüllenlos? Um den Gästen die Entscheidung zu erleichtern, wird die Garderobe oft direkt am Eingang abgegeben.
Zum Dessert gibt es Aufführungen, die die Darsteller nackt bestreiten und bei einer kleinen Kammermusik allerlei akrobatische Akte erotischer Natur vorführen. Schließlich besitzt man Kultur! Berühmte Persönlichkeiten dieser lustvollen Ära sind den meisten bestimmt ein Begriff: Ludwig der XV, Madame Pompadour, Mozart und der berüchtigte Casanova.
Von Casanova hier ein Zitat: »Huren bedarf man in unserer glücklichen Epoche nicht, weil man so viel geneigte Willfährigkeit bei anständigen Frauen findet.«
Welcher Worte bedarf es da noch?
Der MeisterMaler
Es ist ein heißer Julinachmittag. Die Luft flirrt und kein Lüftchen bewegt sich. Es hatte meiner ganzen Beredsamkeit bedurft, den alten, treuen Kutscher meines Vaters dazu zu bewegen, mich am Fuß des Hügels zum Castello Romero abzusetzen.
Mein Rock schleift auf dem Boden und wirbelt Staub auf. Er hinterlässt feine Linien auf dem Weg. Meine Gedanken kreisen um Meister Romero und ich bin verunsichert bei der Vorstellung, ihm gleich gegenüberzutreten. Mir ist bewusst, was für eine Ehre es ist, dass mir der berühmteste Maler Sienas privaten Malunterricht erteilt. Denn er ist als strenger, hitzköpfiger Mann bekannt, der weder sich noch seine Schüler schont. Ein Verhalten, das ich in keiner Weise bereit bin hinzunehmen. Ich fürchte, dies könnte einen Schatten auf unser erstes Treffen werfen.
Meinen Vater hat das Privileg der Privatstunden eine Menge Lire und große Überredungskunst gekostet. Erst nachdem er dem Meister eines meiner Bilder geschickt hatte, um es zu prüfen, erklärte er sich dazu bereit.
Je näher ich seinem Palazzo komme, umso nervöser werde ich. Das Haus Andrea Romeros liegt auf einem Hügel, unweit der Stadtmauern. Eingerahmt von Zypressen und umgeben von Olivenhainen, Weinbergen und Mandelplantagen ähnelt es dem Schloss eines Landgrafen.
Wie man sich in Siena erzählt, hat Romero auch ebensolche Angewohnheiten. Es ist von Festgelagen, Orgien und anderen merkwürdigen Veranstaltungen die Rede, aber mein Vater lachte nur, als ich ihm von den Gerüchten berichtete.
»Mach dir keine Sorgen, Aurelia. Er ist ein erfolgreicher, berühmter Mann. Solche Menschen haben immer irgendwelche Neider, die ihnen schaden wollen. Besonders, nachdem er zum Hofmaler berufen wurde. Er ist ein schlauer Kopf. Die Speichellecker fürchten seinen scharfen Verstand und seine noch schärfere Zunge.«
Jetzt stehe ich vor dem großen Tor. Trotz der Hitze ist mir eiskalt. Zaghaft betätige ich den Türklopfer. Nichts rührt sich. Ich klopfe erneut, diesmal fester. Das Pochen hallt nach, und ein paar Sekunden später höre ich schnelle Schritte näherkommen. Das schwere Tor wird entriegelt und ein Türflügel schwingt knarrend auf.
»Ich bin Aurelia d’Angelo und möchte zu Meister Romero.«
Der Diener schaut mich neugierig an. »Zu Meister Romero?«, wiederholt er.
Ich sehe ihm die vielen Fragen an, die ihm durch den Kopf schwirren. »Ich bin seine neue Schülerin.«
»Ach ja! Ich erinnere mich. Komm, ich bringe dich zu ihm.«
Er geht neben mir her und ich spüre seine Blicke. Ein hübscher Junge. Groß, kräftig und sonnengebräunt. Seine Haare haben die Farbe von Rabenfedern und seine Augen sind schwarz wie Onyx.
Wir treten aus dem Schatten des Torgangs hinaus auf einen großen Platz. In seinem Zentrum steht ein Brunnen aus weißem Alabaster. In der Mitte thront eine Göttin, die aus einem Füllhorn Wasser in das Becken schüttet. Vielleicht Demeter, die Göttin der Fruchtbarkeit. Zu ihren Füßen liegt ein wohlgestalteter Jüngling und scheint sie anzuflehen, ihm zu trinken zu geben. Sie würdigt ihn keines Blickes. So wird er wohl verdursten müssen, obwohl er direkt an der Quelle liegt. Was für ein Tod!
Um den Brunnen herum stehen Ruhebänke aus dem gleichen durchscheinenden Alabaster. Üppige Sitzkissen laden zum Verweilen ein, aber niemand ist in der Nähe, der das Schauspiel bewundern könnte. Exotische Blumen wachsen in großen Terrakottagefäßen. An den Wänden des Palazzos ranken Bougainvilleas, wilder Wein, Clematis und Kletterrosen. In großen Volieren hüpfen exotische Vögel herum und auf dem Rasen vor dem Haus stolziert ein Pfauenpaar.
Der Junge führt mich über den Platz, in den kühlen Säulengang des Palazzos. Ein leichter Schauer überläuft mich. Wir gehen um das Haus herum und kommen in den eigentlichen Garten. Mir bleibt fast der Atem weg. So eine Farbenpracht habe ich noch nie gesehen.
»Der Gärtner muss ein Künstler gewesen sein«, sage ich.
»Das war der Meister selbst«, belehrt mich mein Begleiter stolz.
Auf dem viel zu kurzen Weg zum Atelier kann ich mich nicht sattsehen an all den herrlichen Blumen, Tieren, Statuen, schattigen Winkeln, den Pavillons, den Wasserspielen und dem Seerosenbecken, in dem auffällig große Goldfische schwimmen.
»Wir sind da.« Mein Führer öffnet die Tür zu einem riesigen Nebengebäude und schiebt mich hinein.
Ich bin im Allerheiligsten. Im Atelier von Meister Romero. Hier ist es ungewöhnlich still. Ich bilde mir ein, der Junge kann meinen Herzschlag hören, der schmerzhaft gegen meine Rippen donnert. Der Raum ist eher eine Halle, denn ein Atelier. Palmen stehen vor den großen Fenstern und auch Statuen, Bilder, fertige und unfertige Stücke. Auf einem großen Zeichentisch liegen Papierstapel und Skizzen. In einem Teil der Halle sind mehrere Staffeleien im Kreis verteilt. In der Mitte gibt es eine Art Podest. Vermutlich für die Modelle. Dort werden die Schüler unterrichtet.
Zaghaft folge ich dem Jungen immer weiter in das Atelier, bis zum Altar der Kunst. Und da ist er, nur ein paar Schritte vor mir … Mein Herz pocht … Meister Romero! Er steht an einer besonderen Staffelei, auf der eine gewaltige Leinwand lehnt, und trägt Farbe auf. Seine Bewegungen sind harmonisch und geschmeidig, wie die einer Katze. Er hat nur eine schmale schwarze Hose und ein langes weißes Hemd an. Sein Körperbau ist athletisch. Er ist größer, als ich ihn mir vorgestellt habe. Ich hatte einen kleinen, älteren Herrn erwartet, aber vor mir steht ein Mann, der kaum älter als dreißig Jahre sein kann. Ich wage nicht zu atmen und den Meister zu stören.
»Nein«, schreit er jäh, und wir zucken zusammen. »Das kann nicht wahr sein!«
Sein Pinsel und seine Palette fliegen durch den Raum und treffen die Statue eines üppigen Mädchens. Der Junge läuft eilig davon, holt Lappen und Wasser, um die Plastik zu reinigen.
»Du, Mädchen, wer bist du?«, herrscht er mich an und wirft mir einen ungnädigen Blick zu.
»Aurelia d’Angelo.« Ich ziehe unwillkürlich den Kopf ein und mache mich darauf gefasst, von ihm hinausgeworfen zu werden.
»Aurelia«, murmelt er.
Ein winziges Lächeln erhellt seine ärgerlichen Züge. Das lässt ihn in einem neuen Licht erscheinen. Dieser Mann ist schön. Schön wie ein Gott. Ein wütender zwar, aber ein Gott.
»Ja, stimmt. Heute ist deine erste Stunde. Du kommst spät«, bemerkt er.
»Verzeiht Meister.« Ich will ihm noch die Grüße meines Vaters ausrichten, aber er hat sich schon wieder seinem Bild zugewandt.
»Hilf Marco beim Saubermachen, dann sehen wir weiter«, sagt er nur.
Das darf nicht wahr sein! Er würdigt mich keines Blickes mehr und ich soll seinen Dreck wegmachen? Kommt nicht in Frage! Und dann noch in dem engen Mieder, in dem ich kaum Luft bekomme. Der Weg den Berg herauf war schon eine Qual und jetzt noch bücken und putzen?!
Ich nehme mir einen Lappen und tue so, als ob ich Marco helfe. Er hat flinke Hände und die Arbeit ist schnell erledigt. Wahrscheinlich wirft der Meister öfter mit Farben um sich. Marco bringt mir ein Glas Wasser, das ich in großen Zügen austrinke. Meister Romero ist kein guter Gastgeber. Und dafür zahlt mein armer Vater so viel Geld.
Romero kehrt mir immer noch den Rücken zu. Ich schaue mich in seinem Atelier um und betrachte seine Gemälde. Zugegeben, der Mann ist ein Genie, aber das mindert meine Angst nicht im Geringsten. Marco steht in einer Ecke und verfolgt jede Handbewegung des Meisters.
»Zieh dein Mieder aus!«, herrscht mich Romero unerwartet an, ohne mich anzusehen.
Ich rühre mich nicht vom Fleck.
»Tu, was ich dir sage! Sonst kannst du gleich wieder gehen.« Er dreht den Kopf leicht in meine Richtung und beobachtet mich aus den Augenwinkeln.
Ich mache keine Anstalten ihm zu gehorchen.
»Tu es!«
Er kommt ein paar schnelle Schritte auf mich zu.
»Nicht schlagen!«, rufe ich und schütze meinen Kopf mit den Armen.
Romero packt meine Handgelenke und zieht mich zu sich ran. Ich zittere am ganzen Körper. Seine Stimme ist plötzlich weich und einschmeichelnd. »Du kannst nicht richtig malen, wenn du so ein enges Ding trägst. Wie willst du die Schwünge und Pinselstriche ausführen? Oder auf die Leiter klettern, wenn du ein großes Bild vor dir hast?«
Ich spüre seinen Atem auf meiner Haut. Seine hypnotischen schwarzen Augen blicken bis in die Abgründe meiner Seele. Seine widerspenstigen dunklen Locken berühren mein Gesicht. Der Mann ist ein Orkan. Man weiß nicht, wo man sich in seinem Wirbel befindet.
»Marco wird dir helfen.« Romero wirft ihm einen Blick zu.
Diensteifrig hilft Marco mir aus meinem Überkleid und schnürt mir das Mieder auf. Das tut er sicher nicht zum ersten Mal. Geschickt lösen seine Finger die Bänder. Zurück bleibt ein weißes Hängerkleidchen, was ich noch drunter trage. Meine Brüste fühlen sich frei und gelöst an. Ich schäme mich meiner Nacktheit unter diesem weißen Hauch von Nichts. Marco scheint das nicht zu stören und auch Romero wendet sich wieder seinem Bild zu.
»Du solltest ihm lieber gehorchen«, flüstert Marco mir ins Ohr und seine Lippen streifen wie zufällig meine Wange.
»Lass das!«, zische ich ihn an.
Marco beeindruckt das nicht, er lächelt nur spöttisch und zeigt dabei zwei Reihen weißer Zähne. »Pass auf, was du sagst. Es gibt Katzen und es gibt Tiger. Die ersteren findest du hier bestimmt nicht.«
»Zeig ihr ihren Platz, Marco«, fordert Romero ihn auf.
Der Junge schleppt mich zu einer vorbereiteten Staffelei.
»Und jetzt?«, wage ich zu fragen und drehe mich zu Romero um.
»Jetzt malst du! Marco wird dir Modell stehen.«
»Wie bitte?!«
Mit Schrecken sehe ich zu, wie Marco sich seiner Kleider entledigt und mir mit einem anzüglichen Grinsen zuzwinkert.
»Deine Stillleben sind ja ganz nett, aber es wird Zeit, dass du lernst richtig zu malen.«
Romero lacht laut auf, als er meinen schockierten Blick bemerkt. Ängstlich schaue ich auf das Podest. Da liegt Marco nackt hingegossen, wie Gott ihn schuf.
Ich schlucke und mit zitternden Fingern skizziere ich mit einem Stück Rötel zaghaft Marcos Körperumrisse. Das ist schwierig, wenn man sich kaum traut sein Modell anzuschauen. Die Linien verwackeln, sind ungenau und mir ist schlecht. Wo bin ich hier nur hineingeraten? Sollte es doch wahr sein, was sich die Leute über den Meister und seine Orgien zuflüstern?
»Nein, so geht das nicht«, knurrt mich Romero von hinten an.
Der Rötel fällt mir aus der Hand.
»Junge Mädchen sollten keine Maler werden!«, sagt er verächtlich und dreht sich um.
Will er mich etwa einfach wie ein dummes Kind hier stehen lassen? Das lasse ich mir nicht gefallen. Ich bin eine D’Angelo.
»Wo wollt Ihr hin? Ich will Malerin werden!«, rufe ich wütend hinter ihm her.
Romero bleibt stehen, kommt dann zurück. »So?«, seine Stimme ist kühl, »willst du das? Bist du bereit, dein früheres Denken, deine Moral, dein behütetes Leben hinter dir zu lassen?« Er blickt mir starr in die Augen.
»Ja«, sage ich fest und halte seinem Blick stand.
»Bist du bereit, ganz neu anzufangen und zu tun, was ich dir sage? Kunst bedeutet nicht einfach, Farben auf Papier zu bringen oder ein paar hübsche Zeilen zu schreiben. Kunst ist Leben! Wirkliches Leben! Und das ist nicht schön und glänzend.«
Er sieht meinen fragenden Blick.
»Oh, natürlich ist es auch das«, sein Ton ist sarkastisch, »aber das Leben ist ebenso schmutzig, böse und barbarisch. Solange du nicht gelebt hast, wirst du auch keine Kunst schaffen können.«
»Ich kann auch Kunst schaffen, obwohl ich noch jung bin und nicht ausschweifend gelebt habe!«, erwidere ich stolz.
»Ja?« Romero ist mir gefährlich nahegekommen. Fast berührt sein Oberkörper meine Brüste. »Dann beweise es.«
Er nimmt meinen Arm und zieht mich zu dem Podest. »Da! Schau genau hin. Sieh dir die Linien seines Körpers an, seine Muskeln, den Verlauf seiner Sehnen, die Rundungen seines Körpers …«
Romero nimmt meine Hand und legt sie auf Marcos Schenkel. Er schiebt meine Hand immer weiter über seinen Körper. Ich presse meine Lippen fest zusammen und gebe keinen Laut von mir. Ich rufe mir immer wieder ins Gedächtnis, Malerin werden zu wollen, also muss ich Romero gehorchen, ich werde ihm gehorchen. Also fahre ich allein mit meiner Hand über Marcos weiche, jugendliche Haut. Er hält die Augen geschlossen. Offensichtlich genießt er die Situation.
»Öffne deine Schenkel«, fordert Romero ihn auf.
Marco gehorcht.
Ich kneife die Augen zusammen. Das will ich nicht sehen.
»Schau hin!«, herrscht mich der Meister an.
Verschämt tue ich es. Es ist das erste Mal, dass ich einen Mann so sehe.
»Kein Schwanz ist wie der andere. Meistens sind sie weich und schlaff. Aber wenn sie erregt sind, dann schwellen sie an, wie junge saftige Maiskolben, prall und fest. So wie bei Marco gerade.«
Erstarrt schaue ich auf Marcos Schwanz. Vor meinen Augen wird er steif. Wie kann er es wagen?!
»Da kannst du gleich sehen, wie das Leben wirklich ist«, meint Romero lachend, »der Phallus eines Mannes nimmt keine Rücksicht auf das Feingefühl einer jungen Dame.«
Marco grinst mich frech an.
Ich schlucke. Meine Atmung hat sich beschleunigt. »Ich wünsche mir trotzdem, zu malen!«, flüstere ich, und reiße meinen Blick von Marcos Schwanz los.
Der Meister dreht sich um, geht zur Tür und sagt über die Schulter hinweg: »Marco, hilf ihr beim Anziehen. Wir bringen sie nach Hause.«
Mir treten Tränen in die Augen. Ich war zu schüchtern. Das Leben hat mir gezeigt, dass ich noch nicht reif bin, noch nicht genug erlebt habe, wie der Meister sagte.
»Und Marco, sag Lisette, sie soll ein Zimmer für Aurelia herrichten. Sie wird die nächsten Wochen hier wohnen.«
Mir bleibt die Luft weg! Hierbleiben? Jetzt? Sofort? Mein Vater wird das nie erlauben!
»Außerdem soll Francesca sich ankleiden und uns begleiten.«
Die Tür schlägt zu, und Romero lässt einen übereifrigen Marco und eine versteinerte Aurelia zurück.
NeuBeginn
Mein Vater steht schon vor unserem Haus, als unsere Kutsche vorfährt. Er begrüßt Romero wie einen alten Freund und bittet ihn sofort ins Esszimmer, um einen Imbiss reichen zu lassen.
Ich bin immer noch verwirrt. Während der Fahrt hat Romero kein Wort mit mir gesprochen und mich keines Blickes gewürdigt. Ob ich so unter seiner Würde bin, oder ist es ihm einfach nur ein Gräuel mich zu unterrichten? Für einen stolzen Mann muss es wohl erniedrigend sein, Dinge zu tun, die ihm lästig sind, nur wegen des Geldes. Ich beschließe, das aus meinen Gedanken zu streichen. Dann tut er es eben wegen des Geldes, Hauptsache ich komme meinem Ziel näher, endlich eine richtige Malerin zu sein!
Francesca ist nett. Romero hat sie als seine Cousine vorgestellt. Eine üppige Brünette, etwa in seinem Alter. Ich bemerkte, dass Marco sie während der ganzen Fahrt anstarrte.
»Schau sie nicht so an«, flüsterte ich ihm zu, »Damen mögen das nicht.«
»Nichts ist, wie es scheint auf Castello Romero.« Marco grinste vielsagend.
Ich sah ihn fragend an, aber er schien mir nicht mehr erzählen zu wollen. Was hatte er damit gemeint?
»Kind!« Mein Vater stürzt atemlos in mein Zimmer. »Was für eine Ehre! Der Maestro will dich zu sich nehmen! Das hatte ich nicht zu hoffen gewagt.«
»Und wie viel wird dich das kosten, Papa?«, frage ich mit einem unguten Gefühl.
»Nichts. Er macht es aus reiner Nächstenliebe. Er sieht das ungewöhnliche Talent in dir und will dich fördern!« Seine Begeisterung ist nicht zu bremsen. »Stell dir vor, der Hofmaler des Königs! Was für eine Ehre!«
»Das ist wirklich schön, Papa. Das hätte ich auch nicht erwartet. Wer wird mich begleiten? Alissa oder Nanette?«
»Du brauchst keine Begleitung. Madame Francesca ist Anstandsdame genug.« Er lächelt glücklich. »Du siehst, kein Grund zur Sorge. Für alles wurden Vorkehrungen getroffen.«
Ich beiße mir auf die Lippen. Er ist so glücklich, dass er mir dieses Studium verschaffen konnte, dass ich es nicht fertigbringe, ihm von dem zu erzählen, was vorgefallen ist. Ich habe das Gefühl, dass an dieser Sache noch ein Haken ist. Nächstenliebe? Dass ich nicht lache!
»Ach Kind, ich freue mich so! Ich schicke dir Luca. Er soll dir deine Koffer bringen.« Er küsst mich auf die Wange und strahlt mich an. »Du wirst eine Meisterin! Eine Meistermalerin.« Er verlässt glücklich mein Zimmer.
Ich packe meine Kleider, Papiere, Bücher, Bürsten, Bänder und noch ein paar andere notwendige Kleinigkeiten in die Koffer und Kisten, die Luca angeschleppt hat.
Dann gehe ich nach unten. Es ist Zeit zu fahren. Ach Papa, wenn du wüsstest …
Romero steht neben meinem Vater, der plötzlich alt und klein aussieht neben dem großen, athletischen Maler.
»Lieber Carmine«, sagt Romero gerade, »macht Euch keine Sorgen um Aurelia. Ich werde persönlich ein Auge auf sie haben.« Er reicht meinem Vater die Hand. So nennt er das also: ein Auge auf mich haben …
»Das weiß ich sehr zu schätzen, Andrea. Du wirst sie zu einer Meisterin ausbilden. Ich werde dir ewig dankbar sein.« Zum ersten Mal höre ich Romeros Vornamen. Der Name eines Heiligen, aber das Lächeln eines Wolfes.
»Komm, Aurelia, verabschiede dich von deinem Vater.« Romero lächelt mich freundlich an.
Mein Vater nimmt mich noch einmal in den Arm und küsst mich auf die Stirn. »Wenn du etwas benötigst, lass es mich wissen, ich werde es dir hinaufschicken.«
»Danke, Papa. Auf Wiedersehen.«
Zögernd folge ich den drei Castellbewohnern. Mir ist klar, dass nichts mehr so sein wird wie vorher, wenn ich jetzt das Haus meines Vaters verlasse. Andrea Romero dreht sich zu mir um, als hätte er meine Gedanken gehört. Sein Blick ist dunkel und ich spüre Gänsehaut in meinem Nacken. Trotzig straffe ich meine Schultern und steige in die Kutsche. Romero wird mich nicht bezwingen.
Kunst ist Leben
Ich sitze an dem großen Wasserbecken im Garten und kühle meine brennenden Füße. In den letzten Tagen ist wider Erwarten nichts Außergewöhnliches passiert. Den Meister habe ich kaum gesehen. Entweder war er in der Stadt unterwegs oder er schloss sich in seinem Atelier ein. Ich habe noch nichts gemalt oder mich irgendwie mit meinen Studien beschäftigen können, außer dass Marco mir zeigte, wie man Pinsel und Spachtel reinigt, und Leinwände bespannt und grundiert. Wenn ich es mir recht überlege, habe ich jeden Winkel des Ateliers gesehen und gereinigt. Ich komme mir vor wie eine niedere Dienstmagd. Marco sagte mir, dass alle Meisterschüler diese Dinge tun müssen. Schließlich sei er nur Romeros Diener und nicht der Lakai der Schüler. In meiner Freizeit erkundete ich das Haus und den Garten. Ich bewunderte die Kunstobjekte und die Kunstfertigkeit Romeros.
Marco klärte mich darüber auf, dass der Meister alles selbst entworfen hat. Vom Garten über das Haus, bis hin zu den kleinsten Einrichtungsgegenständen.
»Hat er denn keine Frau?«, fragte ich neugierig. Trotz einer gewissen Abneigung ging mir Romero nicht aus dem Kopf und ich wollte mehr über ihn erfahren.
»Nein.« Marco schüttelte den Kopf. »Der Meister liebt nichts, außer die Kunst.«
»Wie kannst du nur so etwas sagen!«, schnaubte ich unwillig, »jeder liebt irgendwen.«
»Der Meister nicht«, beharrte er, »er ist frei und ungebunden. Alles andere würde seine Kunst nur behindern. Stell dir vor, er hätte Weib und Kinder. Dann wäre es mit der Ruhe und der Arbeit vorbei.«
Ich dachte nach.
»Du meinst …« Ich stockte. »… er macht nie Liebe mit einer Frau?« Ich wurde dunkelrot.
Und Marco lachte mich aus. »Wie kommst du darauf? Natürlich vögelt der Meister. Welche Frau würde es nicht mit ihm treiben wollen? Hast du seinen Körper gesehen oder seinen Schwanz?« Er sprach mit stolz geschwellter Brust, als würde er von sich reden. »Hast du eigentlich überhaupt schon mal gesehen, wie es zwei treiben?«
Ich schüttelte stumm den Kopf.
»Ach ja, stimmt. Du bist eine feine Dame. Eine Jungfrau. Bei euch in den vornehmen Kreisen wird wohl nicht gevögelt?« Das sagte er so verächtlich, dass ich ihn am liebsten geschlagen hätte.
»Hast du es etwa schon gesehen?«, gab ich wütend zurück.
»Nicht nur gesehen! Ich hab es getan. Schon oft. Oder was glaubst du, wozu Francesca hier bei uns wohnt. Ein Mann hat schließlich seine Bedürfnisse!«
Ich schnappte nach Luft. Das konnte nicht wahr sein!
»Das glaub ich dir nie und nimmer«, stieß ich atemlos hervor.
Marco grinste frech. »Glaub es oder nicht. Mir egal. Ich vögele sie, wenn der Meister keine Lust hat. Sie ist unersättlich, sie kann immer.« Marco machte eine vulgäre Bewegung mit den Hüften. »Und in den letzten Tagen hat der Meister wenig Lust sich zu vergnügen, also komme ich öfter zum Zug.«
»Angeber!«, fauchte ich wütend.
Warum regte mich das eigentlich so auf? Was Romero und Marco trieben, ging mich nichts an.
»Ich beweise es dir, aber vorher zeige ich dir erst mal, wie man es macht. Damit du weißt, wie so was vor sich geht. Übermorgen am Nachmittag. Halte dich bereit.«
Und mit unverschämt guter Laune zog Marco los.
Jetzt ist besagter Nachmittag und ich hoffe inständig, dass Marco sein Versprechen vergessen hat. Da ertönt ein Pfiff.
»Komm, es ist so weit.« Marcos Ton hat etwas Bestimmendes an sich. »Oder bist du zu feige?«
Seufzend erhebe ich mich. Bei dem Gedanken an das, was ich zu sehen bekommen werde, wird mir angst und bange. Aber ich sage mir immer wieder das Motto des Meisters auf: Kunst ist nicht nur schön, sondern auch hässlich. »Kunst lernt man durch Leben« prangt über dem Atelier in goldenen Buchstaben. Ich werde Marco zeigen, dass ich alles aushalte und er mich nicht verwirren kann. Kunst ist Leben!
»Ich bin nicht feige!«, erwidere ich weniger energisch, als ich vorhatte.
»Wir werden sehen.« Er grinst und ich folge ihm weiter in den Garten hinein, zu den Pferdeställen.
»Was wollen wir denn hier?« Ich bin verwirrt.
»Das wirst du schon sehen. Los, komm, schnell da rein.« Marco zieh mich in den Pferdestall. Ein warm-schwüler Geruch von Stroh, Pferdeäpfeln und Pferd schlägt uns entgegen. Das spitze Stroh sticht mir in die nackten Fußsohlen.
»Au«, rufe ich.
»Sei still!« Marco stupst mich an. »Heute kannst du mal sehen, was ein richtiger Schwanz ist.«
Mir ist mulmig. Wir gehen den schmalen Gang zwischen den Boxen entlang in den hinteren Teil des Stalls. Dort steht Altair, der Hengst des Meisters. Ein wundervoller, schwarz glänzender Araber. Er schnaubt freundlich, als er uns bemerkt, und ich streiche ihm zärtlich über seinen weichen Nasenrücken. Altair drückt mir sein Maul in die Hand.
»Tut mir leid, mein Schöner, leider hab ich keinen Leckerbissen bei mir«, rede ich ihm gut zu.
Draußen hört man Hufgetrappel und laute Stimmen.
»Los komm, verstecken wir uns.« Marco zerrt mich in eine leere Box.
»Was soll das?« Mir ist das alles nicht geheuer und ich will flüchten, doch Marco hält mich am Arm zurück.
»Warte! Du wirst schon noch etwas zu sehen bekommen – und jetzt sei endlich still!«, fährt mich Marco an.
Leben kommt in den Stall. Romeros Pferdeknecht, zwei fremde Burschen, Romero und ein feiner Herr mit einer wunderschönen Stute an der Trense, kommen laut lachend und redend den Gang herunter.
»Nun, dann wollen wir mal sehen, ob Euer Altair ein ganzer Kerl ist, Romero«, meint der Fremde lachend.
»Ihr werdet sehen, Di Lorenzo, er ist mehr als das! Ich habe noch nie einen so riesigen Schwanz gesehen.«
Die Männer grölen und lassen obszöne Sprüche los.
Entsetzt sehe ich Marco an. »Was wird das hier?«
»Sei einfach still und schau hin!« Er grinst.
Mist, ich komme hier aus dieser Box nicht heraus, ohne bemerkt zu werden und bin dazu verurteilt, alles mit anzusehen. Die Stute wird zu Altair in die Box geführt. Die Pferde nähern sich an.
»Sieh nur, er hat gerochen, dass sie brünstig ist.« Marco ist begeistert.
Ich starre sprachlos auf den erigierten Schwanz des Arabers. Er schnaubt, umtänzelt die Stute. Als sie ihm ihr Hinterteil zuwendet, steigt er auf und stößt seinen Schwanz in sie hinein. Die Stute gibt ein heftiges Schnauben von sich.
»Oh, Gott! Wie schrecklich!«, presse ich hervor.
Ich schubse Marco zur Seite und stürze aus der Box. Gerade macht Romero einen Schritt zurück, um besser sehen zu können, und ich renne direkt in ihn hinein. Er hält mich an den Armen fest. Unsere Blicke treffen sich.
»Romero, Ihr alter Schurke! Wer ist denn dieses hinreißende Geschöpf?« Di Lorenzo kommt näher.
Ängstlich will ich zurückweichen, doch Romero schließt mich in seine Arme. Sein Körper ist warm und stark. Dann höre ich ihn sagen: »Das Mädchen ist nicht zu haben, Di Lorenzo. Sie steht unter meiner Obhut.«
Der scharfe Ton in Romeros Stimme lässt Di Lorenzo zögern. »Schon gut, alter Freund. Ich will Euch Eure älteren Rechte nicht streitig machen. Aber wenn Ihr sie eines Tages überhabt, dann wisst Ihr, an wen Ihr sie abgeben könnt?« Di Lorenzo zwinkert Romero anzüglich zu und sein Blick heftet sich gierig auf meinem Busen.
Romero schüttelt den Kopf. »Das wird nicht passieren.«
Mein Herz hämmert wie verrückt. Ich reiße mich los und laufe unter dem Gelächter der Männer davon.
In meinem Zimmer schlage ich die Tür hinter mir zu und werfe mich auf mein Bett. Tränen der Wut laufen mir über die Wangen. Was für eine Demütigung! Dieser widerliche feiste Lüstling, was bildet der sich eigentlich ein?
Ein leises Klopfen reißt mich aus meiner Betäubung. Ich setzte mich auf und wische mir die Tränen aus dem Gesicht.
Romero.
Mein Herz klopft.
Er blickt sich im Zimmer um, als hätte er es noch nie gesehen, dann richtet sich sein Blick auf mich. Er sieht so aus, als will er etwas sagen, zögert, dann, nach einer kleinen Ewigkeit, meint er: »Du kannst morgen mit deinen Studien beginnen. Komm pünktlich in mein Atelier.« Er mustert mich abschätzend.
Ich nicke langsam. »Ich werde da sein.«
»Gut.«
Bevor er zur Tür hinaus ist, dreht er sich noch einmal zu mir um und sagt: »Die Kunst kommt nur durch das Leben. Verstehst du? Kunst ist Leben.«
»Ja«, presse ich hervor.
Kurz zögert er, dann ist er fort. Die Tür fällt ins Schloss.
Ich lasse mich zurück in die Kissen sinken. Wie Romero mich angesehen hat … Dieses Streicheln über meine Rundungen mit den Augen. Das war der Blick eines Malers.
»Die Kunst kommt durch das Leben«, hallt es in meinem Kopf nach.
Die perfekte Nymphe
Es klopft. Ich schrecke hoch.
»Signorina Aurelia, Euer Bad ist fertig.« Lisette hat den Kopf zur Tür hereingestreckt.
Himmel, ich sollte pünktlich im Atelier sein!
»Ich komme sofort!«
Hastig sammele ich frische Sachen zusammen und stürze in den Baderaum. Ich steige in den dampfenden Badezuber. Lisette lässt warmes Wasser über meinen Körper rieseln und ich seife mich mit einer angenehm duftenden Seife ein.