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Das vorliegende Buch handelt von der vollständigen Entschlüsselung des Kryptogramms des französischen Piraten Olivier Levasseur (* circa 1689; † 7. Juli 1730) und der Suche nach seinem Schatz. Seit nunmehr fast einhundert Jahren haben sehr viele Schatzsucher und angesehene Fachleute auf dem Gebiet der Kryptographie versucht, das Kryptogramm von Olivier Levasseur zu entziffern – jedoch ohne Erfolg. Nach herrschender Meinung der Kryptographen gilt die Entzifferung des Kryptogramms als unmöglich. Die Entschlüsselung wird zu Beginn des zweiten Abschnitts des Buches genau beschrieben und auf diese Weise der Öffentlichkeit zum ersten Mal bekannt gemacht. Wo liegt die Paragoninsel? Ist der längst verloren geglaubte Schatz immer noch dort? Wurde er schon gehoben? Fragen über Fragen – dieses Buch gibt die Antworten! Doch mehr soll an dieser Stelle nicht verraten werden. Der britische Vogelkundler John Deed wird in seinem Urlaub auf den traumhaften Seychellen mit einem prominenten Gerücht konfrontiert. Der französische Pirat Olivier Levasseur soll seinen großen Goldschatz auf einer dieser Inseln versteckt haben! Deeds Neugier ist geweckt. Trotz seines Urlaubs macht er sich an die Arbeit, das mysteriöse Kryptogramm des Piraten zu entschlüsseln. Mit seinem alten Freund Juste Colley kommt er nach einer Begegnung mit dem Inselbesitzer dem Schatz auf die Spur. Im Zuge seiner Nachforschungen hat Deed eine zündende Idee, doch dafür muss er seine alten Kontakte zur britischen Regierung reaktivieren. Liegt der Schatz zum Greifen nah?
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Seitenzahl: 601
DIE PARAGONINSEL.
ERIK ALEXANDER DRESEN
DIE PARAGONINSEL.
Roman
Ventura Verlag
Werne
2015
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten
sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar.
Titel der englischen Originalausgabe:
»Paragon Island«
ISBN:978-3-940853-29-5
Erschienen bei Ventura Verlag, Werne, 2015
Copyright © Erik A. Dresen2015
Alle Rechte vorbehalten.
Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form
(durch Fotografie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren)
ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert
oder unter Verwendung elektronischer Systeme
verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Herstellungsleitung und Lektorat: Erik A. Dresen, Magnus See, M.A.
Umschlaggestaltung: © Erik A. Dresen2015
ISBN:978-3-940853-31-8 (E-Book)
ISBN:978-3-940853-28-8 (Printausgabe)
Ventura Verlag Magnus See
Carl-von-Ossietzky-Str.1 | 59368Werne
Tel: +49 (0) 23896896
www.ventura-verlag.de
Vorwort des Verfassers
Nicht, dass es unwichtig wäre, aber ein großer Teil der Hintergrundgeschichte ist wahr und beruht auf historisch gesicherten Tatsachen und Erkenntnissen.
Das vorliegende Buch handelt von der vollständigen Entschlüsselung des Kryptogramms des französischen Piraten Olivier Levasseur (* circa1689;† 7. Juli1730) und der Suche nach seinem Schatz. Die Originalausgabe des Buches ist in englischer Sprache unter dem Titel ›Paragon Island‹ erschienen und wurde vom Verfasser in die deutsche Sprache übersetzt.
Seit nunmehr fast einhundert Jahren haben sehr viele Schatzsucher und angesehene Fachleute auf dem Gebiet der Kryptographie versucht, das Kryptogramm von Olivier Levasseur zu entziffern – jedoch ohne Erfolg. Nach herrschender Meinung der Kryptographen gilt die Entzifferung des Kryptogramms als unmöglich. Die Entschlüsselung wird zu Beginn des zweiten Abschnitts des Buches genau beschrieben und auf diese Weise der Öffentlichkeit zum ersten Mal bekannt gemacht.
Das Originalmanuskript wird heute im französischen Marinemuseum, Nebenstelle Brest, sicher aufbewahrt und unter Verschluss gehalten. Das Kryptogramm ist im Kern eine echte Schatzkarte, die die genaue Stelle des Piratenschatzes kartiert. Wo liegt die Paragoninsel? Ist der längst verloren geglaubte Schatz immer noch dort? Wurde er schon gehoben? Fragen über Fragen – mein Buch gibt die Antworten! Doch mehr will ich an dieser Stelle nicht verraten.
Stattdessen möchte ich die Leser gerne an die Hand nehmen und mit ihnen auf eine echte Schatzsuche gehen – und zwar den ganzen Weg von A nach B und vom Anfang bis zum Ende.
Die Schatzsuche selbst ist in einen fiktiven Roman eingeflochten, dessen Handlung hoffentlich gut erfunden und ausgedacht wurde. Die Einzelheiten der Ereignisse werden wahrheitsgetreu und wirklichkeitsnah erzählt. Die Gegebenheiten, wie sie in dem Buch geschildert werden, spielen sich zwischen Anfang Juni und Ende Dezember1975ab. Der Schauplatz ist zunächst auf einer der Inseln im Indischen Ozean angesiedelt (siehe Frontispiz) und danach wechselt der Ort der Handlung nach London, wo die Geschichte endet.
Der vollständigen Offenlegung halber habe ich ausgangs des Buches zwei Dossiers beigefügt. Der Anhang enthält eine gute Sammlung sorgfältig recherchierter Fakten sowie umfangreiches Dokumentationsmaterial. Ich wage es, die Hoffnung zu hegen, dass sich beide Dossiers für späteres Nachschlagen als nützlich erweisen werden. Sie sind in erster Linie an den unschlüssigen Käufer gerichtet, der mit der seeräuberischen Thematik dieses Buches unvertraut ist oder aber nur geringes Vorwissen mitbringt. Ich lege dem geneigten Leser nahe, dass die vorgenannten Dossiers durchgelesen werden sollten, bevor zur Lektüre des ersten Kapitels übergegangen wird.
Der geschichtliche Hintergrund der Erzählung wurde eingehend untersucht und alle Einzelheiten über die Paragoninsel wurden so getreu wie möglich niedergeschrieben. Heute befindet sich die Paragoninsel selbstverständlich immer noch an dem Fleck, wo frühe Seefahrer arabischer Handelsschiffe sie zum ersten Mal entdeckt haben sollen – irgendwo in den Inneren Inseln der Seychellen. Im August1502wurden einige der Granitinseln von dem berühmten portugiesischen Seefahrer Vasco da Gama gesichtet und zu jener Zeit soll ihre geographische Lage angeblich auf Seekarten der portugiesischen Admiralität eingezeichnet worden sein. So sollte es noch bis Mitte November des Jahres1742dauern, bis dass Lazare Picault, ein in Frankreich geborener Seefahrer und Entdecker, die ›Inneren Seychelleninseln‹ wiederfand und einige von ihnen ausgiebiger erkundete. An dieser Stelle sollte kurz erwähnt werden, dass etwa ein halbes Jahrhundert vor Lazare Picaults Ankunft bereits eine beträchtliche Anzahl von Piratenschiffen an diesen Inseln angelegt hatten. Soviel ich weiß, waren dort sehr viele Piraten abgestiegen und so manch einer der berüchtigten Seeräuber hatte sich dort eine Zeit lang versteckt gehalten und in Zurückgezogenheit gelebt. Unter diesen verwegenen Schurken und Verbrechern hauste unser einstiger Pirat, der übrigens eine sehr auffällige Narbe auf der rechten Wange hatte.
Wie dem auch sein mag – aus verschiedenen Gründen sind gewisse Eigennamen desθησαυρόςbuchstäblich dem Tintentod zum Opfer gefallen. Die Figuren, Namen und der in diesem Buch geschilderte Handlungsablauf sind frei erfunden. Jede Übereinstimmung oder Ähnlichkeit mit fiktionalen oder nicht fiktionalen Figuren, respektive Persönlichkeiten, Organisationen und Ereignissen, die einzeln betrachtet aus der Erfindungsgabe oder der Vorstellungskraft von jemand anders entsprungen sind, sind vollkommen unbeabsichtigt und ungewollt. Jedwede Analogie zu realen Orten, Inseln sowie lebenden oder gestorbenen Personen ist veranschaulichend und rein zufällig und daher bloß eine Koinzidenz; und, um zum Schluss zu kommen, keine Identifikation oder Wiedererkennung sollte auf die ein oder andere Art und Weise daraus rückgeschlossen werden.
Schlussfolgerungen aus dem Inhalt des Buches zu ziehen bleibt davon unberührt und liegt im Ermessen des Lesers.
E. A. D.
AN
MAI-LING FEN
Die Wahrheit liegt bloß unscheinbar verborgen im spärlichen Licht;
Denn Du schweigst still und tot wie ein in Stein gemeißeltes Gedicht.
Bis dass der Schnitt durch das blutende Band uns auf immer entzweit.
Fernab von der Wiege, O ’s ist mir wohl eine Mär entwischt
Dass das Brausen und Rauschen der Brecher klingt Seit’ an Seit’,
Und für alle Zeit entschwindet – in vollendeter Verbundenheit.
Inhalt
(wortgetreu): Colley dit, »John, les Seychelloises ont un adage très juste et des plus édifiant à ce sujet: ›Une fois c’est une chose unique. Deux fois c’est une coïncidence. La troisième fois c’est la contrepartie.‹« »Aller guten Dinge sind drei«, dachte John Deed, ohne zweimal darüber nachzudenken, »allerdings bin ich mir nicht sicher, ob ich das schon einmal gesehen, geschweige denn verstanden habe.« Im wortwörtlichen Sinne sah es danach aus, als ob jemand endlich seinen Meister gefunden hatte: Ein Unikat, ein Duplikat und eine Entsprechung passend dazu, jemand der möglicherweise selbst das Pendant war und seine Ursprünge in Réunion hatte. Tatsächlich hatte er das Gefühl, das schon einmal gesehen zu haben; doch die treffende Bemerkung ging törichterweise über seinen Kopf hinweg.
ERSTER TEIL
Singularität
ZWEITER TEIL
Duplizität
DRITTER TEIL
Entsprechung
Anhang
ERSTER TEIL
Die wichtig ausschauende Persönlichkeit, dessen Kopf sich leicht streckte und sanft bewegte, um es sich ein wenig bequemer zu machen, wandte seine rechte Wange dem Fenster aus Plexiglas®zu.
Er hätte dem lieben Herrgott auch den Tag stehlen können, solange die eine Hälfte seines Gesichtes auf dem Kopfstützenbezug seines nach hinten verstellten Fluggastsitzes7A ruhte. Sogar das bernsteinfarbene Leuchten der ›BITTE ANSCHNALLEN!‹-Warnanzeige etwas oberhalb seines Kopfes hätte unbemerkt bleiben können, wenn nicht eine dieser grazilen, sylphidenhaften Stewardessen von Air France gewesen wäre, die zu dem schlafenden Passagier angetanzt kam, ihn mit einem scharfen ausländischen Akzent aufweckte und dann anzischte, sich doch bitte anzuschnallen. Wie aus dem tiefsten Schlaf gerissen, antwortete er mit Zustimmung, brachte seine Rückenlehne zurück in eine aufrechte Grundstellung und nahm das Kinn hoch.
Eine großformatige, britische Sonntagszeitung, Philip H. Gosses Referenzwerk über die Vögel Jamaikas und Sir Richard F. Burtons veröffentlichtes Werk über die Falknerei befanden sich in Griffweite, wurden jedoch unberührt liegen gelassen, während Burtons abenteuerreiche Reisebeschreibung, ein in türkisgrünes Leinen gebundener Band mit dem Originaltitel Explorations of the Highlands of the Brazil, in schicklicher Weise auf das heruntergeklappte Tablett des unbesetzten Fluggastsitzes unmittelbar neben ihm zur Seite gelegt wurde.
Die leicht geschürzte, barbusige junge Frau des Tupí-Volkes stand still wie eine Statue und richtete ihre Lanze auf das gebändigte Tier unter ihren Füßen, bereit, die Speerspitze mitten in das Herz der Kreatur zu stoßen. Bei genauerer Betrachtung des aufgeschlagenen Buches konnte man leicht erkennen, dass es den Blick auf ein farbenprächtiges, aus Seide gewebtes Lesezeichen freigab, das unauffällig zwischen zwei Seiten des Buches herausragte, irgendwo am Ende des letzten Kapitels der brasilianischen Abenteuergeschichte. Das schöne Lesezeichen war falsch herum hineingelegt und der Teil, der für das Auge deutlich sichtbar war, mit folgenden Worten bestickt:
Those blessings of
Our early youth,
Shall cheer our
Latest age.
WILLIAM COWPER
Gerade erst vor ein paar Minuten hatte der verantwortliche Luftfahrzeugführer, der sogenannte ›Pilot In Command‹, das erste Anflugfunkfeuer empfangen und die Querruder und das Seitenruder betätigt, so dass der Jumbo-Jet sich nun im Landeanflug befand und mit brummendem Summen auf die Landebahn zusteuerte. Der prominente Mann, der reflexartig mit den Augen blinzelte und durch das ovale Plexiglasfenster hinausschaute, warf einen flüchtigen Blick auf den klaren, blauen Himmel und den vorderen Tragflügelrand – tagträumend und mit einem kaum wahrnehmbaren Lächeln auf seinen Lippen.
Nach seinem Gesicht zu urteilen, wirkte Dr. John Deed,CBE,FSO, ausgebrannt und anscheinend todmüde. Die Reise auf dem Luftweg war wieder einmal eine lange Odyssee; die reine Flugdauer der Flugpassage entsprach ungefähr der Hälfte der Gesamtreisezeit zwischen A und B, die sich alles in allem gerechnet auf24Stunden belief.
Am vorhergehenden Tag war der Zubringerflug von London nach Paris pünktlich gewesen, aber der Flugzeugstart des Nachtfluges AF952vom Aéroport Charles-de-Gaulle über Mombasa nach Mahé hatte sich wegen Materialermüdungserscheinungen verzögert. Um die Wahrheit zu sagen, das war die Hauptursache, weshalb das französische Verkehrsflugzeug fast zwei geschlagene Stunden hinter der planmäßigen Ankunftszeit aufsetzen würde. Eine ganze Weile vor dem Landeanflug der Linienmaschine auf Victoria – die an der Nordostküste von Mahé gelegene britische Hauptstadt der Seychellen und einziger Einlaufhafen mit Ämtern für Zoll- und Klarierungsformalitäten – hatte Dr. Deed über sich und seine innere Haltung und Einstellung zum Leben reflektiert; und im Besonderen über seinen eher ›trockenen akademischen Beruf‹ als ein etwas unterbezahlter Beamter im mittleren öffentlichen Dienst sowie einigermaßen bekannter Ornithologe, der (im Einzelfall) seine Gesundheit und sein Herz für ein paar tausende Pfund Sterling per annum (und eine zugegebenermaßen bescheidene staatliche Rente) riskierte, bis dass entweder ein Herz-Kreislauf-Stillstand oder ein irreversibler Hirntod festgestellt wird.
Deeds gesamtes Leben war für die Vögel vorherbestimmt, beziehungsweise – um genauer zu sein – für die räuberischen Spezies bestimmt, als da wären: Die Prachtfregattvögel (Man-of-war birds, Pirate birds oder Frégate superbe), die Bindenfregattvögel (Great Frigatebirds oder Frégate du Pacifique) und die Tropikvögel; letztere Vogelart, welche in der englischsprachigen Welt landläufig als ›Boatswain birds‹ bekannt sind und aus taxonomischer Sicht zur Familie der Phaethontidae zählen wie beispielsweise der Rotschwanz-Tropikvogel, ein Meeresvogel, der (unter Laiinnen und Laien) leicht mit einem zur selben Unterart gehörenden Namensvetter verwechselt werden kann. Darüber hinaus hatte er eine ausgeprägte Vorliebe für Raubvögel und, um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, hatte er es sich zur Aufgabe gemacht, auf alle Arten von Nesträubern achtzugeben, die unbewachte Vogelgelege mit seltenen Vogeleiern unrechtmäßig und mit unerlaubten Mitteln ausplünderten.
Als Naturwissenschaftler, der seinen Doktor (Sc. D., Lat. Scientiae Doctor) vor gut fünfundzwanzig Jahren gemacht hat, war John Deed offenbar in einem imperfekten Zustand; und es war erst vor wenigen Tagen, als Deed bemerkte, dass er ein Gefühl der Abneigung gegen sich selbst und seinen ausgewählten Beruf entwickelt hatte. Während des Fluges auf die Seychellen hatte er sich, als Ornithologe von Renommee in seinem eigenen Land, an die längst verstrichenen Strecken seines Lebensweges zurückerinnert und sich ebenfalls ins Gedächtnis zurückgerufen, wie viele Forschungsreisen und Exkursionen er im Laufe der Jahre unternommen hatte – vierzehn, vielleicht fünfzehn, auf jeden Fall deutlich mehr als zehn –, aber genau konnte er es nicht sagen, geschweige denn eine konkrete Zahl nennen.
Die meiste Zeit seines Lebens war es ein wesentlicher Bestandteil seines akademischen Berufes gewesen, Vögel zu studieren und deren Gewohnheiten, Beschreibungen und Synonymien bis ins Einzelne zu überprüfen. Bis heute arbeitete Dr. Deed als leitender Bibliothekar der Alexander-Bibliothek der Ornithologie in Oxford und überwiegend an den Wochenenden (und wenn er im Urlaub weilte) als freier Schriftsteller auf Honorarbasis. Zusätzlich dazu hatte er Mitgliedschaften in drei renommierten ornithologischen Verbänden inne. Deed bekleidete einen Posten als einer der gewählten Vertreter des britischen Hawking Clubs und fungierte als korrespondierendes Mitglied einer gemeinnützigen internationalen Organisation namensIAF. Die dritte Mitgliedschaft, die er im Jahr ’53aufgenommen und begonnen hatte, warSPORT– eine Gelehrtengesellschaft mit Sitz in London.
’69wurde ihm eine besondere Mitgliedschaft als sogenannter Fellow zuerkannt und von da an hatte er als ein solcher das Recht, die BuchstabenbezeichnungFSOnach seinem Namen zu tragen. Ein Jahr darauf wurde er zum ehrenamtlichen Ressortleiter gewählt, der in vollem Umfang für die ›Überseeschutzgebiete, Endemische Vogelarten A - F‹ verantwortlich zeichnete; und zu jener Zeit wurde er vom Präsidenten vonSPORTfür eine Dauer von fünf Jahren berufen.
John Deed leistete gegenwärtig eine zweite Amtszeit ab. Gemäß den Statuten und Satzungen vonSPORT, ein Kurzwort für Society for Promoting Ornithological Research and Taxonomy (Gesellschaft zur Förderung ornithologischer Forschung und Taxonomie), wurde er zuweilen als ›Projektleiter‹ bestimmt und in dieser Funktion gebeten – wie es fast jedes Jahr der Fall war – sich auf eine Forschungsmission zu begeben und eine Expedition durchzuführen, vorzugsweise in Überseegebieten und in fremden Ländern. Und aus diesem Grund, wenn er zum Beispiel im Auftrag und auf Kosten der vorgenannten Gesellschaft außer Landes reiste, gab ihm der Präsident vonSPORTstrikte Anweisungen und präzise Hinweise für die Bewältigung der wesentlichen Aufgaben, welche auf sorgfältigste Art und Weise ausgeführt werden mussten.
Dr. John Deed, der übrigens in Expertenkreisen als ›kein unbeschriebenes Blatt‹ galt, genoss einen hervorragenden Ruf als gelegentlicher Gastdozent und Redner über seine ›Paradedisziplin‹, sprich die Morphologie, Homologie und die seltsamen Metamorphosen von endemischen Vogelarten. Daneben zählte er nach wie vor zu den Begründern der vergleichenden Ornithologie in Bezug auf die Nomenklatur endemischer Vogelarten, die auf unbewohnten Inseln nisten, wie es exemplarisch auf der Paragoninsel der Fall ist (soweit dies aus taxonomischer Sicht bekannt ist).
Vor langer Zeit hatte er eine aufeinander bezogene Trilogie von wissenschaftlichen Abhandlungen verfasst, und zwar: Eine Monographie über den Falco Buteo von Linnaeus (1953), Die seltsamen Metamorphosen der Species der Gattung Buteo (1954) und, zu guter Letzt, Die Homologie des Eurasischen Hobbys (1960), die sämtlich allgemeine und umfassende Anerkennung in der Presse und der akademischen Welt fanden. Ehrlich gesagt hatte Deed die mühselige Forschungsarbeit an seinen wissenschaftlichen Büchern noch nie besonders gemocht. Doch sobald er sich einer fraglichen Angelegenheit widmete, verfolgte er seine Ziele äußerst gewissenhaft und fleißig und vergnügte sich getreu dem Motto und Ausspruch von Vergil, »Hoc opus, hic labor est.« – und nach Vollendung hakte er die Sache geflissentlich ab.
Abseits des trockenen Wissenschaftsbetriebes hatte er sich, als ein unromantischer, aber nicht uninteressanter Mann, ferner ins Bewusstsein zurückgerufen, wie viele Male er fast überall auf der Welt himmlische und unprätentiöse Liaisons mit einer Vielfalt von unterschiedlichen Schönheiten hatte. Er konnte sich nicht mehr genau an die Zahl erinnern und irgendwann in der Vergangenheit hatte er damit aufgehört, eine Strichliste zu führen.
Zugegebenermaßen, wie man es auch drehte und wendete, Deed war glücklich mit der Vogelkunde, auch wenn er nicht zugab, dass er Pech in der Liebe hatte. Er war nur einmal verheiratet gewesen, hat jedoch in den Armen all derjenigen Frauen, die willens und geneigt waren, nie Vergebung für den Tod der einzigen Frau gefunden, die er wirklich liebte. Deeds Ehefrau war im Jahr ’69verstorben, aber das war schon eine ganze Weile her. Ein Gesprächsthema, das er immer schnell zu wechseln pflegte; und wenn es gelegentlich doch zur Sprache kam, tat er so, als ob sie niemals da gewesen wäre. Momentan hatte Deed keine feste Lebenspartnerin und steckte auch in keiner Beziehungskiste. Er war alleinstehend und hatte keine eigene Familie – und er wollte nicht irgendwann in der Zukunft kinderlos sterben. Während der letzten Jahre hatte er sich weder in jemanden verliebt noch die Zuneigung einer anderen Frau gewonnen – was, falls seine Liebe neu entflammte, das dritte Mal in seinem Leben sein würde –; und abgesehen von alledem, war schon seit Längerem keine ernsthafte Anwärterin mehr in der engeren Wahl gewesen. Erst kürzlich ertappte sich Deed sich selbst dabei, nach dem ›Warum?‹ zu fragen. Schwer zu sagen! Für den Augenblick erwartete er keine Antwort, kein Mitgefühl oder Ähnliches, er erwartete nichts. Manchmal stellte er sich vor, wie es als Vater von wenigstens einem kleinen Jim wäre. Dann war Deed eine geraume Weile ›ganz unten‹, gefangen inmitten einer Flaute aus Trübsal und Trübsinn, entmutigt und erfüllt von Melancholie; und im Rückblick war er wohl der melancholischste Passagier im ganzen Flugzeug. Es stand außer Zweifel, dass er sich völlig leer, ausgelaugt und erschöpft fühlte wie eine verbrauchte, alte Batterie – und dringend eine ›neue Aufladung‹ und eine Pause von allem benötigte.
Deed hatte sich um neun Uhr am Montagmorgen dieser besonderen Woche entschieden, vier Wochen Urlaub zu nehmen und sein derzeitiger Arbeitgeber, das Edward Grey-Institut der Feldornithologie mit Sitz in Oxford – allgemein bekannt alsEGI– hatte nichts dagegen einzuwenden. Der Direktor des Instituts, ein höflicher und liebenswürdiger Mann mittleren Alters, der der Universität von Oxford angehörte, hieß sogar Deeds Plan auf die Seychellen zu fliegen gut und legte ihm nahe, dort ein wenig Ruhe und Erholung zu suchen.
Er durfte, ausschließlich für den Privatzweck, einige seltene Bücher über Vögel mitnehmen. Zusätzlich zu diesen Buchbänden hatte er sich zwei gute zweisprachige Sprachführer aus der Bodleian, der Hauptbibliothek der Universität von Oxford, ausgeliehen; und anschließend, nachdem diese Sachen sehr eilig aufgegriffen wurden, noch ein Bündel von katalogisierten und klassifizierten Schriftstücken aus den Archivregalen der Abteilung L (der Abteilung für Literaturverzeichnisse und Quellenangaben der Alexander Bibliothek), der Abteilung F (Fakultätsabteilung) und der Abteilung M (Manuskriptabteilung) herausgesucht. Dieses Konvolut bestand aus bruchstückhaften Unterlagen und Zweitschriften einiger älterer Handakten sowie einem Stapel von Kohledurchschlägen, die die letzte maschinengeschriebene Fassung von Deeds Akte zum Fall Falco subbuteo und eine gut lesbare Kopie vonSPORTs schriftlichen Aufzeichnungen über die Vogelart Falco buteo (wie erstmals durch den Naturforscher Carl von Linné in seinem Referenzwerk Systema Naturae,1758, beschrieben) umfasste.
Im Anschluss daran hatte er die Vorbereitungen für seine Reise zu den Seychelleninseln getroffen, auf eigene Faust die Flüge gebucht und dann seine Siebensachen geschnürt, fast genauso wie er es schon einmal getan hatte – damals im Frühling des Jahres ’58.
Aber dieses Mal war Deed privat auf Reisen … wie ein stinknormaler Europäer, der einem Hobby nachging, ähnlich wie es Normalbürger liebend gerne in Australien, Asien, Afrika, Amerika oder sonst wo einfach nur der Freude wegen tun. Und nun, gerade mal drei Tage später, war er rund fünftausend Meilen weit von seiner175 m2großen Eigentumswohnung mit Dachterrasse in der Alten Bondstraße25, London-Mayfair, weg.
Juste Colley, ein vertrautes Gesicht und John Deeds alter seychellischer Freund, hatte sich um die nebensächlichen Details seiner Unterbringung gekümmert. Er wartete auf die unmittelbar bevorstehende Ankunft von Deed auf dem modernen internationalen Flughafen der Seychellen, der mit großem Aufwand in Sichtweite der Hauptstadt sowie der angrenzenden Militärbasis von Mahé gebaut worden war.
Ungefähr eine halbe Stunde später passierte Deed die Pass- und Zollkontrolle. Dann ging er in den Gepäckausgabebereich hinüber und wartete am Gepäckförderband darauf, dass sein Reisekoffer und eine schwere Sporttasche aus dem Bauch des Flugzeugs herauskamen. Während er die Zeit mit dem Anblick des Gepäckkarussells totschlug, lauschte er den Flughafendurchsagen und einer Reihe von total stumpfsinnigem Werbesingsang nationaler Fluggesellschaften, die in einer Endlosschleife über die Lautsprecheranlage schallten. Danach wechselte er schnell noch etwas Geld, zwängte ein dickes Bündel Seychellen-Rupien in seine Hosentasche und verließ das Terminalgebäude. Juste holte ihn draußen am Haupteingang des Flughafens ab; und in dem Moment des beiderseitigen Wiedersehens nach solch einer langen Zeit gab es zur Begrüßung ein herzliches ›Hallo!‹ zwischen beiden Herren.
Der gebürtige Seycheller, von Beruf ein geprüfterPADI-Ausbilder für Spezialtauchgänge und stiller Teilhaber der Cowtail Stingray-Tauchbasis am Strand von Beau Vallon, der Requiem Shark-Tauchbasis auf Praslin und der Big Blue Octopus-Tauchbasis auf La Digue, bot ihm aus freien Stücken eine etwa anderthalb Stunden dauernde Mitfahrgelegenheit auf seiner fast neun Meter langen Jeanneau-Segelyacht an. Das formschöne Schiff war vollkommen mit weißglänzendem Lack überzogen und auf den Namen Barbeau de bleu getauft, ein trivialer Schiffsname nach Deeds Meinung. Wie auch immer, er mochte das leicht anmutende Design und die witzige Wortschöpfung des Seychellers. Mittlerweile hatte die Ebbe eingesetzt und so nahmen sie Kurs auf die Nachbarinsel, wo er in den kommenden Wochen seinen Urlaub zu verbringen gedachte.
Deed war während der gesamten Durchquerung des aufregenden Inselmeeres nicht gerade gesprächig. Colley hatte am Steuerruder Platz genommen und die Barbeau de bleu hielt einen Kurs von4Strich am wahren Wind, wohingegen er auf dem Achterdeck saß und durch die jüngste Ausgabe der Sunday Times blätterte. Ab und zu stand er auf und hielt Ausschau nach etwaigen Vorkommnissen von zoologischem Interesse; und dabei behielt er mit einem Auge insbesondere seltene Vögel im Blick, die vom Boot aus zu sehen waren. Er erspähte nichts Besonderes, außer einem Schwarm Seevögel, einigen Fischschwärmen und den Überresten eines herrenlosen Schiffswracks. Nach einer Weile stießen sie zufällig auf eine liliputanische Fangflotte kleiner Wesen mit langen, blauen Tentakel und lichtdurchlässigen Schwimmblasen, die auf wunderbare Weise auf den Wellenkämmen segelten und schwebten. Diese zwergenhaften Geschöpfe glitzerten und schlingerten in der Sonne mit gläsernem Glanz wie blue bottles. Colley erklärte ihm, dass englische Seefahrer ihre helle Freude daran hatten, diese koloniebildenden, wirbellosen Wassertiere wegen ihrer sehr verblüffenden Ähnlichkeit mit einem kleinen, nachgemachten Kriegsschiff als ›Portugiesische Galeere‹ zu bezeichnen. Deed, der selbst überhaupt keine Ahnung von blauen Flaschen und Schwarmfischen und alledem hatte, schaute mit zugekniffenen Augen in die Mittagssonne, nickte zweimal und lächelte vielsagend. Als sie schließlich an der alten Mole und an dem vieux-port von Deeds entferntem Bestimmungsort ankamen, war er sich nicht sicher, ob er eines dieser einzigartigen Organismen jemals zuvor in seinem Leben gesehen hatte – vielleicht ganz zufällig, irgendwo in einem angestaubten aquatischen Vivarium in Großbritannien oder Westeuropa.
Deed faltete kurz vor dem Anlegen seine britische Sonntagszeitung zusammen und packte sie ordentlich weg. Juste gab ihm den Hauptschlüssel für das Inselhaus, war ihm beim Ausladen seines Reisegepäcks behilflich und versprach, gleich am nächsten Tag zur alten Hafenmole zurückzukommen.
Also, Deed putzte sich seine Zähne, zog sich aus und duschte sich anschließend kalt ab, um erst einmal den unangenehmen Geruch und übelriechenden Schweiß unter seinen Armen loszuwerden.
Nach der Erfrischung schnappte er sich ein weißes Baumwollhandtuch, trocknete sich flüchtig ab und warf das saugfähige Textilstück achtlos auf den Boden.
Eine nasse, schwarze Haarsträhne streifte quer über seine rechte Augenbraue. Er strich die Locke wie eh und je vergeblich beiseite, öffnete den Federverschluss seines silbernen Zigarettenetuis, schnippte sein edles, klassisches Feuerzeug der Marke S.T. Dupont,14Karat vergoldet, Serien-Nr.1|61803, mit einem hohen, hellklingenden Ton auf und zündete sich seine fünfundfünfzigste Fluppe des Tages an. Dann fing Deed an, sich zu rasieren. Genau in dem Moment, als die schwelende Asche seiner Benson & Hedges Gold-Zigarette in das Badezimmerwaschbecken herabfiel, schnitt er sich aus Versehen mit seinem sieben Jahre alten Gillette M4Rasierhobel. Er zuckte zurück und erstarrte einen Herzschlag lang. Sein Kinn blutete stark und ein Fingerhut voll Blut rann tropfenweise außen an seiner Kehle entlang und kam am Vorsprung des Adamsapfels ins Stocken. Deed beugte sich vorwärts und untersuchte den Einschnitt, bevor er die kleine Schnittwunde reinigte. Der Blutfluss wurde langsam immer weniger und fünf oder sechs blutrote Tropfen seines Lebenssaftes fielen herab in das Waschbassin aus Marmorstein. Er drehte den Kaltwasserhahn an und spülte mürrisch das Becken aus. Das Letzte, was er sah, war eine Tinktur aus einer blassen, weinroten Flüssigkeit, die zusammen mit der dunkelgrauen Zigarettenasche abfloss.
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