Die Philosophie der Geschichte - Georg Wilhelm Hegel - E-Book

Die Philosophie der Geschichte E-Book

Georg Wilhelm Hegel

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Beschreibung

Die Serie "Meisterwerke der Literatur" beinhaltet die Klassiker der deutschen und weltweiten Literatur in einer Sammlung.

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Die Philosophie der Geschichte

Georg Wilhelm Friedrich Hegel

Inhalt:

Georg Friedrich Wilhelm Hegel – Biografie und Bibliografie

Die Philosophie der Geschichte

Einleitung

Geographische Grundlage der Weltgeschichte

Einteilung

Erster Teil - Die orientalische Welt

Erster Abschnitt - China

Zweiter Abschnitt - Indien

Der Buddhaismus

Dritter Abschnitt - Persien

Erstes Kapitel - Das Zendvolk

Zweites Kapitel - Die Assyrier, Babylonier, Meder und Perser

Drittes Kapitel - Das persische Reich und seine Bestandteile

Persien

Syrien und das semitische Vorderasien

Judäa

Ägypten

Übergang zur griechischen Welt

Zweiter Teil - Die griechische Welt

Erster Abschnitt - Die Elemente des griechischen Geistes

Zweiter Abschnitt - Die Gestaltungen der schönen Individualität

Erstes Kapitel - Das subjektive Kunstwerk

Zweites Kapitel - Das objektive Kunstwerk

Drittes Kapitel - Das politische Kunstwerk

Die Kriege mit den Persern

Athen

Sparta

Der Peloponnesische Krieg

Das makedonische Reich

Dritter Abschnitt - Der Untergang des griechischen Geistes

Dritter Teil - Die römische Welt

Erster Abschnitt - Rom bis zum zweiten Punischen Kriege

Erstes Kapitel - Die Elemente des römischen Geistes

Zweites Kapitel - Die Geschichte Roms bis zum zweiten Punischen Kriege

Zweiter Abschnitt - Rom vom zweiten Punischen Kriege bis zum Kaisertum

Dritter Abschnitt

Erstes Kapitel - Rom in der Kaiserperiode

Zweites Kapitel - Das Christentum

Drittes Kapitel - Das byzantinische Reich

Vierter Teil - Die germanische Welt

Erster Abschnitt - Die Elemente der christlich germanischen Welt

Erstes Kapitel - Die Völkerwanderungen

Zweites Kapitel - Der Mohammedanismus

Drittes Kapitel - Das Reich Karls des Großen

Zweiter Abschnitt - Das Mittelalter

Erstes Kapitel - Die Feudalität und die Hierarchie

Zweites Kapitel - Die Kreuzzüge

Drittes Kapitel - Der Übergang der Feudalherrschaft in die Monarchie

Kunst und Wissenschaft als Auflösung des Mittelalters

Dritter Abschnitt - Die neue Zeit

Erstes Kapitel - Die Reformation

Zweites Kapitel - Wirkung der Reformation auf die Staatsbildung

Drittes Kapitel - Die Aufklärung und Revolution

Philosophie der Geschichte, G. W. Hegel

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849616977

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Frontcover: © Vladislav Gansovsky - Fotolia.com

Georg Friedrich Wilhelm Hegel – Biografie und Bibliografie

Geb. 27. August 1770 in Stuttgart, studierte in Tübingen Theologie und Philosophie, war erst Hauslehrer in Bern, dann in Frankfurt. a. M., habilitierte sich 1801 in Jena, wo er Mitherausgeber des »Kritischen Journal der Philosophie« wurde find eine außerordentliche Professur erhielt, die er 1805 aufgab. 1805-1808 war er Redakteur der »Bamberger Zeitung«, 1808-1816 Direktor des Ägidiengymnasiums in Nürnberg, 1816-1818 Prof. in Heidelberg, von da an Prof. in Berlin, wo er eine außerordentliche Zahl von Hörern hatte und als »preußischer Staatsphilosoph« galt. Er starb (an der Cholera) am 14. November 1831 in Berlin.

H. ist der bedeutendste Philosoph des 19. Jahrhunderts. Schwerfällig und in seiner Ausdrucksweise oft dunkel, beweist er doch eine gewaltige logisch-spekulative Kraft, mit der er den Erfahrungsinhalt zur Einheit eines Systems des absoluten Idealismus zu verarbeiten sucht. Von Heraklit, Plato, Aristoteles, dem Neuplatonismus, Spinoza, Leibniz, Herder. Kant, Fichte und Schelling beeinflusst, ist er der Begründer einer neuen Weltanschauung und Methodik geworden, des Panlogismus, der aus einer logischen (»dialektischen«) Denkbewegung den Erkenntnisinhalt ableitet und begreiflich macht und zugleich in der Welt selbst die Entfaltung eines objektiven Denkens oder Gedankengehaltes (»Begriffs«) erblickt. Alles Seiende ist Manifestation (objektive Erscheinung) einer absoluten Wirklichkeit, welche Idee, Vernunft, Denken ist und sich in der Natur wie im Bewusstsein entfaltet. Aus seiner abstraktesten, allgemeinsten Form entwickelt sich (logisch, nicht zeitlich) das Absolute (das Weltsubjekt) bis zur Stufe des selbstbewussten, sein Wesen erfassenden absoluten Geistes. Im philosophischen Erkennen wiederholt sich der Weltprozeß und so wird durch die Spekulation der Vernunft (das absolute Wissen) der Subjektivismus und Relativismus des mir auf endliche, »unwahre« Seinsbestimmungen gerichteten abstrakten Standpunktes der Reflexion, des Verstandes (vgl. Jacobi, Schelling) überwunden und auch der Kritizismus Kants nur als Durchgangsphase anerkannt. Das Vertrauen zur konstruktiv-deduktiven Macht des spekulativen Denkens erscheint bei H. in seiner höchsten Potenz, wenn H. auch den nicht zu überwindenden irrationalen Rest in der Natur anerkennt.

Die Philosophie ist formal »denkende Betrachtung der Gegenstände«, material »Wissenschaft des Absoluten«, als die sich denkende Idee, die wissende Wahrheit. Das Seiende zu begreifen ist die Aufgabe der Philosophie. Sie ist »zeitloses Begreifen, auch der Zeit und aller Dinge überhaupt, nach ihrer ewigen Bestimmung«, sie will erkennen, »was unveränderlich, ewig, an und für sich ist«, sie will den Gedanken, den Begriff mit der Wirklichkeit versöhnen. Sie zerfällt in Logik, Natur- und Geistesphilosophie, indem sie zuerst die Idee, das Logische an sich (als reines Denken, als Idealität, als System der Kategorien), dann die entäußerte, objektivierte Idee, d.h. die Natur, endlich die Idee in ihrem Beisichsein, ihrem An und für sich als Geist betrachtet. Die Identität von Denken und Sein, Natur und Geist, darf nicht wie bei Schelling »aus der Pistole geschossen« sein, sondern muss deduziert werden. Das Vernünftige muss als wirklich, das Wirkliche als vernünftig dargetan werden, wobei nicht alles Zufällige oder Vorübergehende als »wirklich« (im vollsten Sinne) zu gelten hat, so dass es natürlich in der Erfahrung auch Unvernünftiges gibt, das zu überwinden ist.

Die Methode der H.schen Philosophie ist die dialektische als Gegenstück zur objektiven Dialektik des Weltprozesses, der im philosophischen Denken zum Bewusstsein seiner selbst gelangt; denn das Sein selbst ist Denken, Denkentwicklung. Der »Widerspruch« (Gegensatz) ist die Triebkraft dieser Denkbewegung, die im Dreischritt von Thesis, Antithesis, Synthesis (vgl. Fichte, ferner Kants Antinomien, Heraklit) erfolgt und zur »Aufhebung« des Gegensatzes in einem höheren Begriff führt, der wieder seinen Gegensatz hat usw. Alles existiert zunächst »an sich«, in der Unmittelbarkeit der Potenz zu einem besonderen Sein (wie z. B, der Keim zu einer Pflanze), dann »für sich«, als Einzelnes, schließlich »an und für sich« als Konkret-Allgemeines, als Einheit in der Mannigfaltigkeit seiner Bestimmungen, als objektiver »Begriff«, der zugleich den Gehalt, das Wesen des Dinges bildet. Indem das philosophische Denken die Selbstentfaltung der Idee zum Gegenstände hat, macht es den Geheilt des Seins selbst zum Objekt; das System des Denkens erzeugt so aus sich das System der Erfahrung, der Panlogismus wird zu einem »Panempirismus« (Külpe). Das dialektische Denken ist ein »Totalitätsdenken« (M. Adler), in der die Tatsachen selbst zum Ausdruck kommen sollen. Die Idee ist das Denken »als die sich entwickelnde Totalität seiner eigentümlichen Bestimmungen und Gesetze, die es sich selbst gibt«. Die Dialektik entsteht dadurch, dass das Denken »sich in Widersprüche verwickelt, d. i. sich in die feste Nichtidentität der Gedanken verliert, somit sich selbst nicht erreicht, vielmehr in seinem Gegenteil befangen bleibt«.- Als Verstand muss das Denken in das »Negative seiner selbst, in den Widerspruch geraten«. Die Kategorien des Verstandes sind als solche beschränkte Bedingungen, Formen des Bedingten, abstrakt, unwahr. Das dialektische Moment ist nun »das eigene Sichaufheben solcher endlicher Bestimmungen und ihr Übergehen in ihre entgegengesetzte«. »Alles Endliche ist dies, sich selbst aufzuheben.« Durch Negation der Negation wird der Widerspruch beseitigt; so ist z.B. das Nichts die Negation des Seins, mit dem zusammen es im »Werden« aufgehoben wird. Diese Dialektik ist ein »Waltenlassen der Sache selbst oder der allgemeinen Vernunft in uns, die mit dem Wesen der Dinge identisch ist«. Das Denken selbst löst seine eigenen Widerspräche auf. Dem analog ist das Absolute die eine Idee, die als urteilend sich zum System der bestimmten Ideen besondert, die wieder in die eine Idee zurückgehen. Die Idee ist selbst die Dialektik, eine ewige Schöpfung, ewige Lebendigkeit, ewiger Geist, ewiges Anschauen ihrer selbst im andern.

Die Wissenschaft der »reinen Idee«, der Idee als solcher ist die Logik, die zugleich Erkenntnistheorie und Ontologie (Metaphysik) ist, da das Sein selbst Begriff ist. Sie enthält den »Gedanken, insofern er ebenso sehr die Sache an sich selbst ist«. Sie ist die Wissenschaft der Idee im abstrakten Elemente des Denkens, die Wissenschaft vom Logos, von der Vernunft als solcher, von der Wahrheit an sich, die »Darstellung Gottes, wie er in seinem ewigen Wesen, vor der Erschaffung der Natur und eines endlichen Geistes ist«, die »Wissenschaft der Dinge in Gedanken gefasst«. Sie zerfällt in die Lehre vom Sein (vom Gedanken in seiner Unmittelbarkeit), die Lehre vom Wesen (vom Gedanken in seiner Reflexion) und die Lehre vom Begriff und der Idee (vom Gedanken in seinem Beisichsein). Oder (in der »Enzyklopädie«) in die »objektive« und die »subjektive« Logik. Diese »spekulative« Logik, 'welche Form und Inhalt des Denkens nicht isoliert, stellt die innerliche und apriorische Notwendigkeit der Gedanken und damit auch der Sachen dar. Es wird von H. betont, der Inhalt der Philosophie sei kein anderer als »der im Gebiete des lebendigen Geistes ursprünglich hervorgebrachte und sich hervorbringende, zur Welt, äußeren und inneren Welt des Bewusstseins gemachte Gehalt«, die Wirklichkeit im Unterschiede von der Erscheinung, d.h. dein, was »vorübergehend und bedeutungslos« ist. Die Übereinstimmung mit der Wirklichkeit und Erfahrung ist notwendig trotz alles Apriorismus und Rationalismus. Die spekulative Logik anerkennt den Inhalt der Erfahrung und die Gesetze der Wissenschaft, aber sie bildet sie mit weiteren Kategorien weiter und um. Das Aufnehmen des von den Wissenschaften verarbeiteten Inhalts durch die Philosophie ist zugleich ein »Entwickeln des Denkens aus sich selbst«, wodurch die Philosophie diesem Inhalte die Gestalt des Apriorischen und die Bewährung der Notwendigkeit gibt. Die Wissenschaft des Absoluten, der Idee ist System, »weil das Wahre als konkret nur als sich in sich entfaltend und in Einheit zusammennehmend und haltend, d. i. als Totalität ist«. Die Idee ist »das Denken nicht als formales, sondern als die sich entwickelnde Totalität seiner eigentümlichen Bestimmungen und Gesetze, die es sich selbst gibt, nicht schon hat und in sich vorfindet«. Das Denken als Tätigkeit ist das »tätige Allgemeine«, dessen Tat eben das Allgemeine ist; es ist von der Vorstellung scharf zu unterscheiden. Das Allgemeine als Produkt der Denktätigkeit ist die Sache, das Wesentliche, das Wahre. Nach der Subjektivität ist das Denken das Erzeugnis des Geistes als denkendes Subjekt, ein Akt der Freiheit. Insofern die Gedanken Ausdruck der Sachen sind, sind sie »objektive Gedanken«. »Dass Verstand, Vernunft in der Welt ist, sagt dasselbe, was der Ausdruck: objektiver Gedanke enthält.« Der objektive Gedanke bezeichnet die Wahrheit, welche »absolut an und für sich ist«. Der Empirismus ist insoweit berechtigt, als das, was wahr ist, »in der Wirklichkeit sein und für die Wahrnehmung da sein muss«. Der Kritizismus betont mit Recht, dass es die Kategorien sind, wodurch die bloße Wahrnehmung zur Objektivität, zur Erfahrung erhoben wird. Aber wie sie der Verstand festhält, sind die Kategorien »beschränkte Bestimmungen, Formen des Bedingten, Abhängigen, Vermittelten«. Die Einseitigkeit und Beschränktheit der Verstandesbestimmungen wird nun durch die Dialektik überwunden und die Kategorien werden jetzt zu Momenten der Denkentwicklung und damit zu Formen des Weltinhalts selbst.

Vom reinen Sein geht das Denken aus, weil jenes sowohl reiner Gedanke als das unbestimmte einfache Unmittelbare ist. Das Sein schlägt als die reine Abstraktion, als das absolut Negative (Inhaltslose) in das Nichts um. Dieses ist dasselbe wie das Sein und die Wahrheit beider; deren Einheit ist das Werden, die »Unruhe in sich«. Das Sein ist das Übergehen in nichts und das Nichts das Übergehen ins Sein, das Werden das Resultat von Sein und Nichts. Alles Sein ist Werden, Prozess. Aus dem Sein geht das Dasein hervor, das bestimmte Sein, welches seine Qualität hat, deren Sein als solches Ansichsein ist. Etwas wird ein Anderes, dieses ist selbst wieder ein. Etwas, das ein Anderes wird, und so fort; dies ergibt die (»schlechte«, »negative«) Unendlichkeit als bloße Negation des Endlichen, als Progress ins Unendliche. Indem das Etwas in seinem Übergehen in Anderes nur mit sich selbst zusammengeht, entsteht die wahre Unendlichkeit und das Dasein wird Fürsichsein. Die Wahrheit des Endlichen ist seine Idealität, denn das Wahre und Wirkliche an ihm ist das Unendliche (Absolute). Das aufgehobene Fürsichsein ist die Quantität als reine Quantität, Quantum, Grad. Das qualitative Quantum ist das Maß. Das Sein, welches aus seiner Unmittelbarkeit zu sich zurückgekehrt, mit sich selbst vermittelt ist, ist das Wesen, das »Sein als Scheinen in sich selbst«. Als Beziehung auf sich ist es Identität mit sich, als Abstehen seiner von sich selbst ist es Unterschied; die Einheit beider ist der Grund. Aus ihm geht die Existenz hervor. Das Existierende ist das Ding mit Eigenschaften; es zerfällt in Materie und Form. Als sich selbst aufhebend ist die Existenz Erscheinung.

Das Wesen muss erscheinen, das entwickelte Scheinen ist die Erscheinung. Das Wesen ist nicht hinter oder jenseits der Erscheinung. Die Form ist das »Gesetz der Erscheinung«, sie schlägt in Inhalt um und dieser in Form. So ergibt sich das Verhältnis. Das unmittelbare Verhältnis ist das des Ganzen zu den Teilen. Das mit sich identische Ganze ist die Kraft, deren Äußerung sie selbst zum Ausdruck bringt; das Äußere ist derselbe Inhalt wie das Innere. Die Identität beider ist die Wirklichkeit, die »unmittelbar gewordene Einheit, des Wesens und der Existenz«. Hierher gehört das Substantialitätsverhältnis. Die Substanz ist die »Totalität der Akzidenzen, in denen sie sich als deren absolute Negativität, d. i. als absolute Macht und zugleich als den Reichtum alles Inhalts offenbart«. Die Substantialität ist die »absolute Formtätigkeit«. Die Substanz ist Ursache als die ursprüngliche Sache und als die Wirkung setzend. Dieses Gesetztsein ist die Reflexion der Ursache in sich selbst, daher ist die Ursache an und für sich »causa sui«. Die Reihe der Ursachen und Wirkungen geht ins Unendliche. Dieser Prozess ist in der Wechselwirkung aufgehoben, zu einem in sich geschlossenen Verhältnis umgebogen. Die Wahrheit der Substanz ist der Begriff als die Wahrheit des Seins und des Wesens; das Sein ist nur ein Moment des Begriffs. – Der Übergang von der Notwendigkeit zur Freiheit ist damit gegeben und damit die »subjektive« Logik. Der Begriff ist »das Freie als die für sich seiende substantielle Macht und ist Totalität«. Das Fortgehen des Begriffes ist nicht mehr Übergehen, noch Scheinen in Anderes, sondern (logische) »Entwicklung«. Der Begriff tritt auf als subjektiver oder formeller Begriff, als »Objektivität«, als »Idee« (Subjekt – Objekt). Der Begriff ist das »schlechthin Konkrete«; Allgemeinheit, Besonderheit, Einzelheit sind in ihm vereinigt. Das Bestimmen des Begriffes ist das Urteil, d.h. der »Begriff in seiner Besonderheit, als unterscheidende Beziehung seiner Momente«. Alle Dinge sind ein Urteil, d.h. sie sind einzelne, welche eine Allgemeinheit oder innere Natur in sich sind, oder ein Allgemeines, das vereinzelt ist. Die Einheit des Begriffe und des Urteils ist der Schluss. Er ist das Vernünftige: Alles ist ein Schluss, alles wird mit sich selbst zusammengeschlossen. Diese Realisierung des Begriffs, in welcher das Allgemeine diese eine in sich zurückgegangene Totalität ist, ist das Objekt. Dieses tritt auf als Mechanismus, Chemismus, Teleologie. Der Zweck ist der »in freie Existenz getretene, für-sich-seiende Begriff vermittelst der Negation der unmittelbaren Objektivität«. Die Zweckmäßigkeit ist eine innere. Der erreichte Zweck wird Mittel für andere Zwecke. Im Zweck vermittelt sich der Begriff mit sich selbst, – Es wird so die an sich seiende Einheit des Subjektiven und Objektiven als für sich seiend gesetzt: die Idee. Diese ist die »absolute Einheit des Begriffs und der Objektivität«. Das Absolute ist die Idee. Alles Wirkliche, sofern es ein Wahres ist, ist die Idee und hat seine Wahrheit nur durch diese. »Das einzelne Sein ist irgend eine Seite der Idee.« Das Absolute ist als Idee nicht bloß die allgemeine Substanz, sondern als entwickelte wahrhafte Wirklichkeit Subjekt, Geist. Die Idee ist die Vernunft, das Subjekt-Objekt, die Einheit des Ideellen und Reellen, des Endlichen und Unendlichen, der Seele und des Leibes, sie ist ewige Schöpfung, welche dies alles in sich unterscheidet, sie ist wesentlich »Prozess«. Die unmittelbare Idee ist das Leben. Der Begriff ist als Seele in einem Leibe realisiert. Der Tod der nur unmittelbaren einzelnen Lebendigkeit ist das Hervorgehen des Geistes. Die Idee tritt ferner als das Erkennen auf, als theoretisches Erkennen und als Wollen, als Trieb, sich zu realisieren. Die absolute Idee ist die Einheit der subjektiven und der objektiven Idee, der Begriff der Idee, dem die Idee als solche der Gegenstand ist, die sich selbst denkende Idee. Als Form ist sie die Methode ihres Inhalts. Die Wissenschaft ist die reine Idee, für welche die Idee ist. – Die anschauende Idee ist Natur. »Als Anschauen aber ist die Idee in einseitiger Bestimmung der Unmittelbarkeit oder Negation durch äußerliche Reflexion gesetzt,«

So kommen wir zur Naturphilosophie, zur denkenden, begreifenden Betrachtung der Natur. Die Philosophie muss mit der Naturerfahrung übereinstimmen, ohne in Bezug auf die Notwendigkeit ihres Inhalts sich auf die Erfahrung zu berufen. Sie betrachtet diesen Inhalt »in seiner eigenen immanenten Notwendigkeit nach der Selbstbestimmung des Begriffs«. Die Naturphilosophie betrachtet, »wie die Natur an ihr selbst dieser Prozess ist, zum Geiste zu werden, ihr Anderssein aufzuheben«. Sie ist die »Wissenschaft der Idee in ihrem Anderssein«. Die Natur ist das »Aus-sich-heraustreten der Idee«, daher zeigt sie in ihrem Dasein keine Freiheit, sondern Notwendigkeit und Zufälligkeit. An sich, in der Idee, ist sie göttlich, aber wie sie ist, entspricht ihr Sein ihrem Begriffe nicht, sie ist der »unaufgelöste Widerspruch«, eine Art Abfall der Idee von sich selbst. »Die Natur ist der sich entfremdete Geist, der darin nur ausgelassen ist.« »Von der Idee entfremdet ist die Natur nur der Leichnam des Verstandes.« Die Natur ist ein »System von Stufen«, »deren eine aus der andern notwendig hervorgeht...., aber nicht so, dass die eine aus der andern natürlich erzeugt würde, sondern in der inneren, den Grund der Natur ausmachenden Idee«. Also kein eigentlicher Evolutionismus in der Natur, denn die »Metamorphose« kommt nur dem Begriffe (und Geiste) zu, dessen Veränderung allein »Entwicklung« ist. Es besteht eine »Ohnmacht der Natur, den Begriff in seiner Ausführung festzuhalten«. Die Natur ist an sich ein »lebendiges Ganzes«. Ihre Bewegung ist die, dass die Idee sich als das setze, was sie an sich ist (Potentialität-Aktualität) oder »dass sie aus ihrer Unmittelbarkeit und Äußerlichkeit, welche der Tod ist, in sich gehe, um zunächst als Lebendiges zu sein, aber ferner auch diese Bestimmtheit, in welcher sie mir Leben ist, aufhebe und sich zur Existenz des Geistes hervorbringe, der die Wahrheit und der Endzweck der Natur und die wahre Wirklichkeit der Idee ist«. Die Naturphilosophie ist Mechanik, Physik und Organik.

Zur Mechanik gehört die Betrachtung von Raum und Zeit. Der Raum ist die ganz abstrakte Allgemeinheit des Außersichseins der Natur, das »ganz ideelle Nebeneinander«. Die Zeit ist die »negative Einheit des Außersichseins«, ein Ideelles wie der Raum, das »angeschaute Werden«. Raum und Zeit sind Anschauungsformen. Nur das Natürliche ist der Zeit unterworfen, der Begriff (Geist) hingegen ist überzeitlich, ist die »Macht der Zeit«, der Geist ist ewig. Die Zeit ist ein Produkt des Weltprozesses selbst, nicht dessen Faktor. Die Zeit selbst ist das Werden, das »seiende Abstrahieren«. Sie ist der »aufgehobene Raum«. Das Vergehen und Sichwiedererzeugen des Raums in Zeit und der Zeit in Raum ist die Bewegung. Die unmittelbar identisch daseiende Einheit von Raum und Zeit ist die Materie. Die Substanz der Materie ist die Schwere. Die Einzelheiten der Mechanik und Physik übergehen wir hier. Der unendliche, sich selbst anfachende und unterhaltende Prozess ist der Organismus, als geologischer, vegetabilischer und animalischer Organismus. In letzterem erhält sich die selbstische Einheit. Das Lebendige ist nur, indem es sich zu dem macht, was es ist; es ist »vorausgehender Zweck, der selbst nur das Resultat ist«. Die auf bewusstlose Weise wirkende Zwecktätigkeit ist der Instinkt. Die Natur bildet die Organismen an die Umwelt an, schmiegt sie dieser an. Die Unangemessenheit des Lebewesens zur Allgemeinheit ist der angeborene Keim des Todes. Durch diesen wird die Unangemessenheit aufgehoben, das letzte Außersichsein der Natur fällt weg, der in ihr nur an sich seiende Begriff ist für sich geworden. Aus dem »Tode des Natürlichen« geht so der Geist hervor als die Wahrheit, das Ziel der Natur, das »Bei-sich-selbst-sein« der Idee, die »unendliche Subjektivität« derselben.

Die Philosophie des Geistes ist die Wissenschaft der Idee, die aus ihrem Anderssein in sich zurückkehrt. – Schon in der »Phänomenologie« wird die Entwicklung des Geistes von seiner niedrigsten bis zu seiner höchsten Bewußtseinsstufe und die Notwendigkeit seines Fortgangs bis zum absoluten Standpunkt dargestellt. Diese Phänomenologie bildet auch einen Teil der Geistesphilosophie (in der »Enzyklopädie«). Die Geistes- und Geschichtsphilosophie ist die Hauptleistung Hegels. – Der Geist, der an sich das Prius der Natur ist, macht sich selbst zu dem, was er ist. Seine Tätigkeit ist »Hinausgehen über die Unmittelbarkeit, das Negieren derselben und Rückkehr in sich«. Das Wesen des Geistes ist die Freiheit, seine Bestimmtheit die Manifestation. Der Geist ist 1. subjektiver Geist (in der Form der Beziehung auf sich selbst), 2. objektiver Geist (»in der Form der Realität als einer von ihm hervorzubringenden und hervorgebrachten Welt.., in welcher die Freiheit als vorhandene Notwendigkeit ist«), 3. absoluter Geist (»in an und für sich seiender und ewig sich hervorbringender Einheit der Objektivität des Geistes und seiner Identität oder seines Begriffs.., der Geist in seiner absoluten Wahrheit«). Die verschiedenen Stufen der Geistestätigkeit sind Stufen seiner Befreiung, seines zu sich selbst Kommens.

Der subjektive Geist ist a) an sich oder unmittelbar als Seele oder Naturgeist (Anthropologie), b), für sich und vermittelt als Bewusstsein (Phänomenologie), c) der in sich bestimmende Geist als Subjekt für sich (Psychologie). Die Seele ist die »allgemeine Immaterialität der Natur, deren einfaches ideelles Leben« (der »passive Geist« des Aristoteles). Der Geist ist die »existierende Wahrheit der Materie«. In der natürlichen Seele lebt der Geist das allgemeine planetarische Leben mit. Die Empfindung ist »die Form des dumpfen Webens des Geistes in seiner bewusst- und verstandlosen Individualität, in der alle Bestimmtheit noch unmittelbar ist«. Das Gedächtnis ist der »Mechanismus der Intelligenz«, die Gewohnheit der »Mechanismus des Selbstgefühls« (Mechanisierung). Seele und Leib sind an sich identisch. Die Seele ist in ihrer Leiblichkeit als einzelnes Subjekt für sich und die Leiblichkeit ist die Äußerlichkeit, das Zeichen der Seele. Das Fürsichsein der freien Allgemeinheit ist das Erwachen der Seele zum Ich und zum Bewusstsein. »Ich« ist die unendliche Beziehung des Geistes auf sich, aber als subjektive, als Gewissheit seiner selbst. Der Geist ist als das Ich Wesen, als Bewusstsein aber nur das Erscheinen des Geistes (daher die »Phänomenologie« des Geistes). Die Stufen des Bewusstseins sind: Bewusstsein überhaupt, Selbstbewusstsein, Vernunft (Einheit beider). Das sinnliche Bewusstsein ist das reichste an Inhalt, das ärmste an Gedanken; dann folgen das Wahrnehmen und der Verstand. In Wirklichkeit ist alles Bewusstsein eines anderen Gegenstandes zugleich Selbstbewusstsein. Dieses tritt auf als Begierde, anerkennendes Selbstbewusstsein, allgemeines Selbstbewusstsein. Die Vernunft ist die Identität der Subjektivität und Objektivität, des allgemeinen Objekts und des »reinen Ich« (der »reinen Form«). Die »wissende Wahrheit« ist der Geist (im engeren Sinne), dessen Fortschreiten Entwicklung ist; Ziel des Geistes ist, die objektive Erfüllung und damit die Freiheit seines Wissens hervorzubringen. Der Begriff selbst ist der Endzweck, Der Geist ist theoretischer, praktischer und freier Geist. Der theoretische Geist ist die Intelligenz, das Wissen, Erkennen. Kein Wille ohne Intelligenz, keine Intelligenz ohne Willen. Das Erkennen tritt auf als Anschauung, Vorstellung (»erinnerte Anschauung«), Denken. Der praktische Geist, die Intelligenz sich wissend als das Bestimmende des Inhalts, ist Wille, als welcher der Geist in Wirklichkeit tritt. Die wahre Freiheit des (denkenden) Willens ist, dass er einen allgemeinen Inhalt zu seinen Zwecken hat. Der Wille tritt auf als praktisches Gefühl. Trieb und Willkür und wird endlich zum freien Geist (freien Willen), zum Geist, »der sich als frei weiß und sich als diesen seinen Gegenstand will, d. i. sein Wesen zur Bestimmung und zum Zwecke hat«. Es ist dies der »vernünftige Wille«. Die Idee erscheint hier im endlichen Willen, der die Tätigkeit ist, sie zu entwickeln und ihren sich entfaltenden Inhalt zu verwirklichen – als objektiver Geist.

Im objektiven Geiste erhält die Freiheit, zur Wirklichkeit einer Welt gestaltet, die Form der Notwendigkeit und Macht. Recht, Moralität, Sittlichkeit sind die Formen des objektiven Geistes. Das Recht ist das »Dasein der Freiheit im Äußerlichen«; es hat nur in der Gesellschaft seine Wirklichkeit, ist die Verwirklichung der Freiheit in der Gesellschaft. Das Verbrechen ist die Negation des Rechts, die Strafe die Negation dieser Negation (Vergeltung) das »Recht des Verbrechers«. Die Moralität ist die subjektive Sittlichkeit, die Sphäre der Gesinnung, des Charakters usw. Das Gute ist der Inhalt des allgemeinen Willens; es ist der absolute Endzweck der Welt, die Pflicht, des Subjekts. Das Gewissen ist der Wille des Guten. Die Sittlichkeit ist das objektivierte Gute, der objektivierte freie, vernünftige Wille. Die Gesetze der Sittlichkeit sind das Vernünftige selbst. Die Sittlichkeit ist »die Idee der Freiheit, als das lebendige Gute«. Die frei sich wissende Substanz, in welcher das absolute Sollen ebenso sehr Sein ist, hat als Geist eines Volkes Wirklichkeit, der sich in Personen vereinzelt. Die Sittlichkeit ist »der göttliche Geist als inwohnend dem Selbstbewusstsein in dessen wirklicher Gegenwart als eines Volkes und der Individuen derselben«. In sozialen und staatlichen Gebilden ist also nach H.s ethischem »Universalismus« die Sittlichkeit verkörpert; der Einzelne ist dem Ganzen untergeordnet. Die »sittliche Substanz« tritt auf als Familie, als bürgerliche Gesellschaft und als Staatsverfassung (d.h. als »der zu einer organischen Wirklichkeit entwickelte Geist«). Der Staat ist die »selbstbewusste sittliche Substanz«, »der vernünftige, göttliche Wille, der sich so organisiert hat«. Er ist eine Persönlichkeit, ein Individuum. Die Gesetze sprechen die »Inhalts-Bestimmungen der objektiven Freiheit« aus. Die Verfassung ist die »existierende Gerechtigkeit«; sie ist ein Produkt des Volksgeistes und dessen Geschichte, nichts Künstliches. – Der Volksgeist geht in die allgemeine Weltgeschichte über, deren Begebenheiten die »Dialektik der besonderen Volksgeister, das Weltgericht« darstellt. Die Geschichte ist »der Weg zur Befreiung der geistigen Substanz, die Tat, wodurch der absolute Endzweck der Welt sich in ihr vollführt, der nur erst an sich seiende Geist sich zum Bewusstsein und Selbstbewusstsein und damit zur Offenbarung und Wirklichkeit seines an und für sich seienden Wesens bringt und sich auch zum äußerlich allgemeinen, zum Weltgeist, wird«. Die einzelnen Momente und Stufen der historischen Entwicklung sind die Völkergeister, deren jeder seine ganz besondere Leistung hat, so dass Vernunft in der Geschichte herrscht. Der Zweck jedes Volkes liegt in seiner Staatlichkeit. Das Selbstbewusstsein eines besonderen Volkes ist Träger der jedesmaligen Entwicklungsstufe des allgemeinen Geistes. Die Weltgeschichte ist der »vernünftige, notwendige Gang des Weltgeistes«. Sie ist der »Fortschritt im Bewusstsein der Freiheit«. Es ist die »List der Vernunft«, die Interessen und Leidenschaften der Individuen für ihre Zwecke arbeiten, den Willen des Weltgeistes erfüllen zu lassen, den besonders die »Heroen« realisieren. Die erste Stufe der Geschichte ist das »Versenktsein des Geistes in die Natürlichkeit«, die zweite das »Heraustreten desselben in das Bewusstsein seiner Freiheit«, die dritte das »Selbstbewusstsein und Selbstgefühl des Wesens der Geistigkeit«. Bei den Orientalen ist einer, bei den Griechen mehrere frei, bei den Germanen (im Christentum) ist der Mensch als Mensch, die ganze Menschheit frei.

Der absolute Geist ist der sich als solchen wissende Geist, der Geist in seiner absoluten Wahrheit, als an und für sich seiende und sich ewig hervorbringende Einheit der Objektivität des Geistes und seiner Idealität oder seines Begriffs. In der Kunst, Religion und Philosophie stellt er sich auf verschiedene Weise (in der Anschauung, in der Vorstellung, im Denken) dar.

Die Ästhetik ist »Philosophie der Kunst«. Die Kunst ist die sinnliche Vorstellung des Absoluten und tritt als klassische, symbolische, romantische Kunst auf. Nur als den Geist bedeutende, charakteristische, sinnvolle Naturform ist die Wirklichkeit durch die Kunst nachzuahmen. Die Ästhetik H.s ist eine spekulativ-idealistische Gehalts-Ästhetik. Das Schöne ist das »sinnliche Scheinen der Idee«. Die Gestalt ist hier Zeichen, unmittelbarer Ausdruck der Idee, des Geistigen. In der klassischen Kunst liegt die Vollendung der Schönheit, in der symbolischen die Erhabenheit; hier ist die der Idee angemessene Gestaltung noch nicht gefunden. Die romantische Kunst stellt das Göttliche als Innigkeit in der Äußerlichkeit dar.

In der Religion ist der Inhalt der Idee als absoluter Geist für den Geist. Die Religion ist das »Wissen des endlichen Geistes von seinem Wesen als absoluter Geist«, das »Selbstbewusstsein Gottes« im Menschen, die vorstellungsmäßige (nicht rein begriffliche) Erfassung des absoluten Geistes, der sich im Bewusstsein des Menschen offenbart. »Gott ist nur Gott, insofern er sich selber weiß; sein Sichwissen ist ferner sein Selbstbewusstsein im Menschen.« Der Mensch weiß nur von Gott, sofern Gott im Menschen von sich weiß. Die Stufen der Religion sind: die Naturreligion, die Religion der geistigen Individualität, die absolute Religion. Gott ist (analog der christlichen Dreieinigkeit) a) als in seiner Manifestation bei sich selbst bleibender, ewiger Inhalt, Gedanke (Gott als Vater), b) als Unterscheidung des ewigen Wesens von seiner Manifestation in Natur und endlichem Geist (Sohn); c) als unendliche Rückkehr und Versöhnung der entäußerten Welt mit dem ewigen Wesen. Schöpfung, Sündenfall, Erlösung sind ewige Prozesse, welche auf dem Standpunkte der Vorstellung zu einmaligen Vorgängen werden (Spekulative Dogmendeutung), Gott ist nicht eins mit der Welt, sondern die Geisteseinheit, die die Welt ewig von sich unterscheidet. (Idealistischer Pantheismus im Gegensatze zum naturalistischen »Pantheismus«.) Das »ontologische« Argument für das Sein des Absoluten steht in Kraft.

Die Einheit der Kunst und Religion ist die Philosophie, deren Definition wir oben anführten. Sie ist »die sich denkende Idee«, die »wissende Wahrheit«, die »sich wissende Vernunft«, die noêsis noêseôs des Aristoteles. In der Philosophie wird das Absolute durch reines, unsinnliches Denken erfasst; das philosophische Denken ist geradezu eine Reproduktion der Dialektik des Weltprozesses, in dem sich Gott offenbart, das Absolute zu sich kommt. Die Geschichte der Philosophie wiederholt die Phasen des philosophischen Denkens. Die Aufeinanderfolge der Systeme der Philosophie ist dieselbe wie die Aufeinanderfolge in der logischen Ableitung der Begriffsbestimmungen der Idee. Die letzte Philosophie ist das Resultat aller früheren, die als aufgehobene Momente in ihr erhalten bleiben: daher ist sie, wenn sie wahrhafte Philosophie ist, die entfaltetste, reichste und konkreteste. Die Geschichte der Philosophie ist die Geschichte des Sichselbstfindens des Gedankens.

Nachdem die Hegelsche Philosophie lange Zeit eine gewaltige Herrschaft ausgeübt hatte, geriet sie infolge der Reaktion der naturwissenschaftlichen, positivistischen, realistischen, materialistischen Tendenzen schon bald nach H.s Tode in Verfall und wurde sogar vielfach sehr verachtet, wozu auch Schopenhauers Angriffe beigetragen haben. Seit einiger Zeit aber hat sie (in modifizierter Form) in England und Amerika eine Erneuerung gefunden und gegenwärtig ist sie auch wieder in Deutschland im Emporkommen, ganz abgesehen von dem Einflusse, den sie auf viele Philosophen schon geübt hat. – Das Organ der Hegelschen Schule waren die »Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik.« (1827-47). Nach H.s Tode trat eine Spaltung der Hegelschen Schule in eine »Rechte« (orthodox-theistische), gemäßigte und »Linke« (Junghegelianer), pantheistische oder geradezu naturalistische ein, deren Organ die »Hallischen Jahrbücher« (1838-43) waren. Zur »Rechten« bzw. zur »Mitte« gehören Gabler, Göschel, Hinrichs, Vatke, Daub, Marheineke, Conradi, K. Rosenkranz, J. E. Erdmann, G. Biedermann, A. E. Biedermann, K. Fischer, Schaller u. a., zur »Linken« Richter, Ruge, Bruno Bauer, D. Fr. Strauß, Feuerbach u. a. Von Hegel beeinflußt sind C. H. Weisse, Chalybaeus u. a., auch E. v. Hartmann, Wundt, Cohen, Kohler, Stirling, Höijer, Green, Bradley, Mc Taggart, Vera, Ceretti, Spaventa, Fiorentino, Croce, Monrad, Bolland, Cieszkowski, Bjelinskij, Strachow, Gogozkij, Tschitscherin und viele andere deutsche und ausländische Philosophen (vgl. Ueberweg-Heinze, Grundriß der Geschichte der Philosophie IV10, 1906).

SCHRIFTEN: Das Leben Jesu (1795; erschien erst 1906). – System der Sittlichkeit (erschien erst 1893). – Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie, 1801 (Schellings Identitätslehre wird dem »subjektiven« Idealismus als »absoluter« Idealismus gegenübergestellt). – Phänomenologie des Geistes, 1807; hrsg. von G. Lasson 1907 (Philos. Bibl.) u. Bolland 1907. – Wissenschaft der Logik, 1812-16. – Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, 1817; 2. A. 1827; 3. A. 1830; 1905 (Philos. Bibl.), 1906. – Grundlinien der Philosophie des Rechts, 1821; 1902. – Vermischte Schriften, 1834 f. – Die Vorlesungen über die Naturphilosophie, über die Philosophie der Geschichte (auch in der Univ.-Bibl.), über die Ästhetik, über die Philosophie der Religion (auch 1901 und, hrsg. von Drews, 1905), über die Geschichte der Philosophie, die philosophische Propädeutik, die Briefe u. a. finden sich in der Gesamtausgabe von H.s Werken (19 Bde.), 1832 ff. – Vgl. K. ROSENKRANZ, G. W. F. Hegels Leben, 1844; H. 1870. – R. HAYM, Hegel und seine Zeit, 1857. – DILTHEY, Die Jugendgeschichte H.s, 1905. – H. NOHL, H.s theologische Jugendschriften nach den Handschriften der kgl. Bibliothek zu. Berlin, 1907. – K. KÖSTLIN, H., 1870. – E. CAIRD, H., 1883. – P. BARTH, Die Geschichtsphilosophie H.s u. der Hegelianer, 1890. – K. FISCHER, Gesch. d. Philosophie VIII. – VERA, Introduct. à la philos. de H., 1855. – STIRLING, The Secret of H., 1898. – CROCE, Lebendiges u. Totes in H.s Philosophie, 1909. – WINDELBAND, D. Erneuer. d. Hegelianism., 1910.

Die Philosophie der Geschichte

Einleitung

M. h. H.

Der Gegenstand dieser Vorlesung ist die philosophische Weltgeschichte, das heißt, es sind nicht allgemeine Reflexionen über dieselbe, welche wir aus ihr gezogen hätten und aus ihrem Inhalte als dem Beispiele erläutern wollten, sondern es ist die Weltgeschichte selbst.  I. Damit nun zuvörderst klar werde, was sie sei, scheint es vor allen Dingen nötig, die andern Weisen der Geschichtsbehandlung durchzugehen. Der Arten die Geschichte zu betrachten, gibt es überhaupt drei:

a) die ursprüngliche Geschichte,b) die reflektierte Geschichte,c) die philosophische.

a) Was die erste betrifft, so meine ich dabei, um durch Nennung von Namen sogleich ein bestimmtes Bild zu geben, z. B. Herodot, Thukydides und andre ähnliche Geschichtschreiber, welche vornehmlich die Taten, Begebenheiten und Zustände beschrieben, die sie vor sich gehabt, deren Geiste sie selbst zugehört haben, und das, was äußerlich vorhanden war, in das Reich der geistigen Vorstellung übertrugen. Die äußerliche Erscheinung wird so in die innerliche Vorstellung übersetzt. So arbeitet auch der Dichter den Stoff, den er in seiner Empfindung hat, für die Vorstellung heraus. Freilich haben auch diese unmittelbaren Geschichtschreiber Berichte und Erzählungen andrer vorgefunden (es ist nicht möglich, daß ein Mensch alles allein sehe), aber doch nur, wie der Dichter auch die gebildete Sprache, der er so vieles verdankt, als Ingrediens besitzt. Die Geschichtschreiber binden zusammen, was flüchtig vorüberrauscht, und legen es im Tempel der Mnemosyne nieder, zur Unsterblichkeit. Sagen, Volkslieder, Überlieferungen sind von solcher ursprünglichen Geschichte auszuschließen, denn sie sind noch trübe Weisen und daher den Vorstellungen trüber Völker eigen. Hier haben wir es mit Völkern zu tun, welche wußten, was sie waren und wollten. Der Boden angeschauter oder anschaubarer Wirklichkeit gibt einen festeren Grund als der der Vergänglichkeit, auf dem jene Sagen und Dichtungen gewachsen sind, welche nicht mehr das Historische von Völkern machen, die zu fester Individualität gediehen sind.

Solche ursprüngliche Geschichtschreiber nun schaffen die ihnen gegenwärtigen Begebenheiten, Taten und Zustände in ein Werk der Vorstellung um. Der Inhalt solcher Geschichten kann daher nicht von großem äußeren Umfange sein (man betrachte Herodot, Thukydides, Guicciardini); was gegenwärtig und lebendig in ihrer Umgebung ist, ist ihr wesentlicher Stoff: die Bildung des Autors und die der Begebenheiten, welche er zum Werke erschafft, der Geist des Verfassers und der Geist der Handlungen, von denen er erzählt, ist einer und derselbe. Er beschreibt, was er mehr oder weniger mitgemacht, wenigstens mitgelebt hat. Es sind kurze Zeiträume, individuelle Gestaltungen von Menschen und Begebenheiten: es sind die einzelnen unreflektierten Züge, aus denen er sein Gemälde sammelt, um das Bild so bestimmt, als er es in der Anschauung oder in anschaulichen Erzählungen vor sich hatte, vor die Vorstellung der Nachwelt zu bringen. Er hat es nicht mit Reflexionen zu tun, denn er lebt im Geiste der Sache und ist noch nicht über sie hinaus; gehört er sogar, wie Cäsar, dem Stande der Heerführer oder Staatsmänner an, so sind seine Zwecke es selbst, die als geschichtliche auftreten. Wenn hier gesagt wird, daß ein solcher Geschichtschreiber nicht reflektiere, sondern daß die Personen und Völker selbst vorkommen, so scheinen die Reden dagegen zu sprechen, welche zum Beispiel bei Thukydides gelesen werden, und von denen man behaupten kann, daß sie sicherlich nicht so gehalten worden sind. Reden aber sind Handlungen unter Menschen und zwar sehr wesentlich wirksame Handlungen. Freilich sagen die Menschen oft, es seien nur Reden gewesen, und wollen insofern die Unschuld derselben dartun. Solches Reden ist lediglich Geschwätz, und Geschwätz hat den wichtigen Vorteil, unschuldig zu sein. Aber Reden von Völkern zu Völkern oder an Völker und Fürsten sind integrierende Bestandteile der Geschichte. Wären nun solche Reden, wie z. B. die des Perikles, des tiefgebildetsten, echtesten, edelsten Staatsmannes, auch von Thukydides ausgearbeitet, so sind sie dem Perikles doch nicht fremd. In diesen Reden sprechen diese Menschen die Maximen ihres Volkes, ihrer eignen Persönlichkeit, das Bewußtsein ihrer politischen Verhältnisse wie ihrer sittlichen und geistigen Natur, die Grundsätze ihrer Zwecke und Handlungsweisen aus. Was der Geschichtschreiber sprechen läßt, ist nicht ein geliehenes Bewußtsein, sondern der Sprechenden eigne Bildung.

Dieser Geschichtschreiber, in welche man sich hineinstudieren und bei denen man verweilen muß, wenn man mit den Nationen leben und sich in sie versenken möchte, dieser Historiker, in denen man nicht bloß Gelehrsamkeit, sondern tiefen und echten Genuß zu suchen hat, gibt es nicht so viele, als man vielleicht denken möchte: Herodot, der Vater, das heißt, der Urheber der Geschichte, und Thukydides sind schon genannt worden; Xenophons Rückzug der Zehntausend ist ein ebenso ursprüngliches Buch; Cäsars Kommentare sind das einfache Meisterwerk eines großen Geistes. Im Altertum waren diese Geschichtschreiber notwendig große Kapitäne und Staatsmänner; im Mittelalter, wenn wir die Bischöfe ausnehmen, die im Mittelpunkte der Staatshandlungen standen, gehören hierher die Mönche als naive Chronikenschreiber, welche ebenso isoliert waren, als jene Männer des Altertums im Zusammenhange sich befanden. In neuerer Zeit haben sich alle Verhältnisse geändert. Unsre Bildung ist wesentlich auffassend und verwandelt sogleich alle Begebenheiten für die Vorstellung in Berichte. Deren haben wir vortreffliche, einfache, bestimmte, über Kriegsvorfälle namentlich, die denen Cäsars wohl an die Seite gesetzt werden können und wegen des Reichtums ihres Inhalts und der Angabe der Mittel und Bedingungen noch belehrender sind. Auch gehören hierher die französischen Memoires. Sie sind oft von geistreichen Köpfen über kleine Zusammenhänge geschrieben und enthalten häufig viel Anekdotisches, so daß ihnen ein dürftiger Boden zugrunde liegt, aber oft sind es auch wahre historische Meisterwerke, wie die des Kardinals von Retz; diese zeigen ein größeres geschichtliches Feld. In Deutschland finden sich solche Meister selten; Friedrich der Große ( histoire de mon temps) macht hiervon eine rühmliche Ausnahme. Hoch gestellt müssen eigentlich solche Männer sein. Nur wenn man oben steht, kann man die Sachen recht übersehen und jegliches erblicken, nicht wenn man von unten herauf durch eine dürftige Öffnung geschaut hat.

b) Die zweite Art der Geschichte können wir die reflektierende nennen. Es ist die Geschichte, deren Darstellung, nicht in Beziehung auf die Zeit, sondern rücksichtlich des Geistes über die Gegenwart hinaus ist. In dieser zweiten Gattung sind ganz verschiedene Arten zu unterscheiden.

aa) Man verlangt überhaupt die Übersicht der ganzen Geschichte eines Volkes oder eines Landes oder der Welt, kurz das, was wir allgemeine Geschichte schreiben nennen. Hierbei ist die Verarbeitung des historischen Stoffes die Hauptsache, an den der Arbeiter mit seinem Geiste kommt, der verschieden ist von dem Geiste des Inhalts. Dazu werden besonders die Prinzipien wichtig sein, die sich der Verfasser teils von dem Inhalte und Zwecke der Handlungen und Begebenheiten selbst macht, die er beschreibt, teils von der Art, wie er die Geschichte anfertigen will. Bei uns Deutschen ist die Reflexion und Gescheitheit dabei sehr mannigfach, jeder Geschichtschreiber hat hier seine eigne Art und Weise besonders sich in den Kopf gesetzt. Die Engländer und Franzosen wissen im allgemeinen, wie man Geschichte schreiben müsse, sie stehen mehr auf der Stufe allgemeiner und nationeller Bildung; bei uns klügelt sich jeder eine Eigentümlichkeit aus, und statt Geschichte zu schreiben, bestreben wir uns immer zu suchen, wie Geschichte geschrieben werden müsse. Diese erste Art der reflektierten Geschichte schließt sich zunächst an die vorhergegangene an, wenn sie weiter keinen Zweck hat, als das Ganze der Geschichte eines Landes darzustellen. Solche Kompilationen (es gehören dahin die Geschichten des Livius, Diodors von Sizilien, Joh. von Müllers Schweizergeschichte) sind, wenn sie gut gemacht sind, höchst verdienstlich. Am besten ist es freilich, wenn sich die Historiker denen der ersten Gattung nähern und so anschaulich schreiben, daß der Leser die Vorstellung haben kann, er höre Zeitgenossen und Augenzeugen die Begebenheiten erzählen. Aber der eine Ton, den ein Individuum, das einer bestimmten Bildung angehört, haben muß, wird häufig nicht nach den Zeiten, welche eine solche Geschichte durchläuft, modifiziert, und der Geist, der aus dem Schriftsteller spricht, ist ein andrer als der Geist dieser Zeiten. So läßt Livius die alten Könige Roms, die Konsuln und Heerführer Reden halten, wie sie nur einem gewandten Advokaten der Livianischen Zeit zukommen, und welche wieder aufs stärkste mit echten aus dem Altertum erhaltenen Sagen, z. B. der Fabel des Menenius Agrippa, kontrastieren. So gibt uns derselbe Beschreibungen von Schlachten, als ob er sie mit angesehen hätte, deren Züge man aber für die Schlachten aller Zeiten gebrauchen kann, und deren Bestimmtheit wieder mit dem Mangel an Zusammenhang und mit der Inkonsequenz kontrastiert, welche in andern Stücken oft über Hauptverhältnisse herrscht. Was der Unterschied eines solchen Kompilators und eines ursprünglichen Historikers ist, erkennt man am besten, wenn man den Polybius mit der Art vergleicht, wie Livius dessen Geschichte in den Perioden, in welchen des Polybius Werk aufbehalten ist, benutzt, auszieht und abkürzt. Johannes von Müller hat seiner Geschichte in dem Bestreben, den Zeiten, die er beschreibt, treu in seiner Schilderung zu sein, ein hölzernes, hohlfeierliches, pedantisches Aussehen gegeben. Man liest in dem alten Tschudy dergleichen viel lieber; alles ist naiver und natürlicher, als in einer solchen bloß gemachten affektierten Altertümlichkeit.

Eine Geschichte der Art, welche lange Perioden oder die ganze Weltgeschichte überschauen will, muß die individuelle Darstellung des Wirklichen in der Tat aufgeben und sich mit Abstraktionen abkürzen, nicht bloß in dem Sinne, daß Begebenheiten und Handlungen wegzulassen sind, sondern in dem andern, daß der Gedanke der mächtigste Epitomator bleibt. Eine Schlacht, ein großer Sieg, eine Belagerung sind nicht mehr sie selbst, sondern werden in einfache Bestimmungen zusammengezogen. Wenn Livius von den Kriegen mit den Volskern erzählt, so sagt er bisweilen kurz genug: Dieses Jahr ist mit den Volskern Krieg geführt worden.

bb) Eine zweite Art der reflektierten Geschichte ist alsdann die pragmatische. Wenn wir mit der Vergangenheit zu tun haben und wir uns mit einer entfernten Welt beschäftigen, so tut sich eine Gegenwart für den Geist auf, die dieser aus seiner eignen Tätigkeit zum Lohn für seine Bemühung hat. Die Begebenheiten sind verschieden, aber das Allgemeine und Innere, der Zusammenhang einer. Dies hebt die Vergangenheit auf und macht die Begebenheit gegenwärtig. Pragmatische Reflexionen, so sehr sie abstrakt sind, sind so in der Tat das Gegenwärtige und beleben die Erzählungen der Vergangenheit zu heutigem Leben. Ob nun solche Reflexionen wirklich interessant und belebend seien, das kommt auf den eignen Geist des Schriftstellers an. Es ist hier auch besonders der moralischen Reflexionen Erwähnung zu tun und der durch die Geschichte zu gewinnenden moralischen Belehrung, auf welche hin dieselbe oft bearbeitet wurde. Wenn auch zu sagen ist, daß Beispiele des Guten das Gemüt erheben und beim moralischen Unterricht der Kinder, um ihnen das Vortreffliche eindringlich zu machen, anzuwenden wären, so sind doch die Schicksale der Völker und Staaten, deren Interessen, Zustände und Verwicklungen ein andres Feld. Man verweist Regenten, Staatsmänner, Völker vornehmlich an die Belehrung durch die Erfahrung der Geschichte. Was die Erfahrung aber und die Geschichte lehren, ist dieses, daß Völker und Regierungen niemals etwas aus der Geschichte gelernt und nach Lehren, die aus derselben zu ziehen gewesen wären, gehandelt haben. Jede Zeit hat so eigentümliche Umstände, ist ein so individueller Zustand, daß in ihm aus ihm selbst entschieden werden muß und allein entschieden werden kann. Im Gedränge der Weltbegebenheiten hilft nicht ein allgemeiner Grundsatz, nicht das Erinnern an ähnliche Verhältnisse, denn so etwas, wie eine fahle Erinnerung, hat keine Kraft gegen die Lebendigkeit und Freiheit der Gegenwart. Nichts ist in dieser Rücksicht schaler als die oft wiederkehrende Berufung auf griechische und römische Beispiele, wie diese in der Revolutionszeit bei den Franzosen so häufig vorgekommen ist. Nichts ist verschiedener als die Natur dieser Völker und die Natur unsrer Zeiten. Johannes von Müller, der bei seiner allgemeinen wie bei seiner Schweizergeschichte solche moralische Absichten hatte, für die Fürsten, Regierungen und Völker, besonders für das Schweizervolk solche Lehren zuzubereiten (er hat eine eigne Lehren- und Reflexionensammlung gemacht und gibt öfters in seinem Briefwechsel die genaue Anzahl von Reflexionen an, die er in der Woche verfertigt hat), darf dieses nicht zu dem Besten, was er geleistet hat, rechnen. Es ist nur die gründliche, freie, umfassende Anschauung der Situationen und der tiefe Sinn der Idee (wie z. B. bei Montesquieus Geist der Gesetze), der den Reflexionen Wahrheit und Interesse geben kann. Deswegen löst auch eine reflektierende Geschichte die andre ab; jedem Schreiber stehen die Materialien offen, jeder kann sich leicht für fähig, sie zu ordnen und zu verarbeiten, halten und seinen Geist als den Geist der Zeiten in ihnen geltend machen. Im Überdruß an solchen reflektierenden Geschichten ist man häufig zurückgegangen nach dem aus allen Gesichtspunkten umschriebenen Bilde einer Begebenheit. Diese sind allerdings etwas wert, aber sie bieten meistens nur Material dar. Wir Deutsche sind damit zufrieden: die Franzosen bilden dagegen geistreich sich eine Gegenwart und beziehen die Vergangenheit auf den gegenwärtigen Zustand.

cc) Die dritte Weise der reflektierten Geschichte ist die kritische: sie ist anzuführen, weil sie besonders die Art ist, wie in unsren Zeiten in Deutschland die Geschichte behandelt wird. Es ist nicht die Geschichte selbst, welche hier vorgetragen wird, sondern eine Geschichte der Geschichte und eine Beurteilung der geschichtlichen Erzählungen und Untersuchung ihrer Wahrheit und Glaubwürdigkeit. Das Außerordentliche, das hierin liegt und namentlich liegen soll, besteht in dem Scharfsinn des Schriftstellers, der den Erzählungen etwas abdingt, nicht in den Sachen. Die Franzosen haben hierin viel Gründliches und Besonnenes geliefert. Sie haben jedoch solch kritisches Verfahren nicht selbst als ein geschichtliches geltend machen wollen, sondern ihre Beurteilungen in der Form kritischer Abhandlungen verfaßt. Bei uns hat sich die sogenannte höhere Kritik, wie der Philologie überhaupt, so auch der Geschichtsbücher bemächtigt. Diese höhere Kritik hat dann die Berechtigung abgeben sollen, allen möglichen unhistorischen Ausgeburten einer eitlen Einbildungskraft Eingang zu verschaffen. Dies ist die andre Weise, Gegenwart in der Geschichte zu gewinnen, indem man subjektive Einfälle an die Stelle geschichtlicher Daten setzt, – Einfälle, die für um so vortrefflicher gelten, je kühner sie sind, das ist, auf je dürftigeren Umständchen sie beruhen und je mehr sie dem Entschiedensten in der Geschichte widersprechen. –

dd) Die letzte Art der reflektierten Geschichte ist nun die, welche sich sogleich als etwas Teilweises ausgibt. Sie ist zwar abstrahierend, bildet aber, weil sie allgemeine Gesichtspunkte (z. B. die Geschichte der Kunst, des Rechts, der Religion) nimmt, einen Übergang zur philosophischen Weltgeschichte. In unsrer Zeit ist diese Weise der Begriffsgeschichte mehr ausgebildet und hervorgehoben worden. Solche Zweige stehen in einem Verhältnis zum Ganzen einer Volksgeschichte, und es kommt nur darauf an, ob der Zusammenhang des Ganzen aufgezeigt oder bloß in äußerlichen Verhältnissen gesucht wird. Im letztern Falle erscheinen sie als ganz zufällige Einzelnheiten der Völker. Wenn nun die reflektierende Geschichte dazu gekommen ist, allgemeine Gesichtspunkte zu verfolgen, so ist zu bemerken, daß, wenn solche Gesichtspunkte wahrhafter Natur sind, sie nicht bloß der äußere Faden, eine äußere Ordnung, sondern die innere leitende Seele der Begebenheiten und Taten selbst sind. Denn gleich dem Seelenführer Merkur ist die Idee in Wahrheit der Völker- und Weltführer, und der Geist, sein vernünftiger und notwendiger Wille ist es, der die Weltbegebenheiten geführt hat und führt: ihn in dieser Führung kennen zu lernen, ist hier unser Zweck. Das führt auf

c) die dritte Gattung der Geschichte, die philosophische. Wenn wir rücksichtlich der beiden vorangegangenen Arten nichts erst aufzuklären hatten, weil sich ihr Begriff von selbst verstand, so ist es anders mit dieser letzten, denn diese scheint in der Tat einer Erläuterung oder Rechtfertigung zu bedürfen. Das Allgemeine ist jedoch, daß die Philosophie der Geschichte nichts andres als die denkende Betrachtung derselben bedeutet. Das Denken können wir aber einmal nicht unterlassen; dadurch unterscheiden wir uns von dem Tier, und in der Empfindung, in der Kenntnis und Erkenntnis, in den Trieben und im Willen, sofern sie menschlich sind, ist ein Denken. Diese Berufung auf das Denken kann aber deswegen hier als ungenügend erscheinen, weil in der Geschichte das Denken dem Gegebenen und Seienden untergeordnet ist, dasselbe zu seiner Grundlage hat und davon geleitet wird, der Philosophie im Gegenteil aber eigne Gedanken zugeschrieben werden, welche die Spekulation aus sich ohne Rücksicht aus das, was ist, hervorbringe. Gehe sie mit solchen an die Geschichte, so behandle sie sie wie ein Material, lasse sie nicht, wie sie ist, sondern richte sie nach dem Gedanken ein, konstruiere sie daher, wie man sagt, a priori. Da die Geschichte nun aber bloß aufzufassen hat, was ist und gewesen ist, die Begebenheiten und Taten, und um so wahrer bleibt, je mehr sie sich an das Gegebene hält, so scheint mit diesem Treiben das Geschäft der Philosophie in Widerspruch zu stehen, und dieser Widerspruch und der daraus für die Spekulation entspringende Vorwurf soll hier erklärt und widerlegt werden, ohne daß wir uns deswegen in Berichtigungen der unendlich vielen und speziellen schiefen Vorstellungen einlassen wollen, die über den Zweck, die Interessen und die Behandlungen des Geschichtlichen und seines Verhältnisses zur Philosophie im Gange sind oder immer wieder neu erfunden werden.

Der einzige Gedanke, den die Philosophie mitbringt, ist aber der einfache Gedanke der Vernunft, daß die Vernunft die Welt beherrsche, daß es also auch in der Weltgeschichte vernünftig zugegangen sei.Diese Überzeugung und Einsicht ist eine Voraussetzung in Ansehung der Geschichte als solcher überhaupt; in der Philosophie selbst ist dies keine Voraussetzung. Durch die spekulative Erkenntnis in ihr wird es erwiesen, daß die Vernunft, – bei diesem Ausdrucke können wir hier stehen bleiben, ohne die Beziehung und das Verhältnis zu Gott näher zu erörtern –, die Substanz wie die unendliche Macht, sich selbst der unendliche Stoff alles natürlichen und geistigen Lebens wie die unendliche Form, die Betätigung dieses ihres Inhalts ist. Die Substanz ist sie, nämlich das, wodurch und worin alle Wirklichkeit ihr Sein und Bestehen hat, – die unendliche Macht, indem die Vernunft nicht so ohnmächtig ist, es nur bis zum Ideal, bis zum Sollen zu bringen und nur außerhalb der Wirklichkeit, wer weiß wo, als etwas Besonderes in den Köpfen einiger Menschen vorhanden zu sein; der unendliche Inhalt, alle Wesenheit und Wahrheit, und ihr selbst ihr Stoff, den sie ihrer Tätigkeit zu verarbeiten gibt, denn sie bedarf nicht, wie endliches Tun, der Bedingungen eines äußerlichen Materials gegebener Mittel, aus denen sie Nahrung und Gegenstände ihrer Tätigkeit empfinge, sie zehrt aus sich und ist sich selbst das Material, das sie verarbeitet; wie sie sich nur ihre eigne Voraussetzung und der absolute Endzweck ist, so ist sie selbst dessen Betätigung und Hervorbringung aus dem Inneren in die Erscheinung, nicht nur des natürlichen Universums, sondern auch des geistigen, – in der Weltgeschichte. Daß nun solche Idee das Wahre, das Ewige, das schlechthin Mächtige ist, daß sie sich in der Welt offenbart und nichts in ihr sich offenbart als sie, ihre Ehre und Herrlichkeit, das ist es, was, wie gesagt, in der Philosophie bewiesen und hier so als bewiesen vorausgesetzt wird.

Diejenigen unter Ihnen, meine Herren, welche mit der Philosophie noch nicht bekannt sind, könnte ich nun etwa darum ansprechen, mit dem Glauben an die Vernunft, mit dem Verlangen, mit dem Durste nach ihrer Erkenntnis zu diesem Vortrag der Weltgeschichte hinzuzutreten: und es ist allerdings das Verlangen nach vernünftiger Einsicht, nach Erkenntnis, nicht bloß nach einer Sammlung von Kenntnissen, was als subjektives Bedürfnis bei dem Studium der Wissenschaften vorausgesetzt werden müßte. Wenn man nämlich nicht den Gedanken, die Erkenntnis der Vernunft, schon mit zur Weltgeschichte bringt, so sollte man wenigstens den festen, unüberwindlichen Glauben haben, daß Vernunft in derselben ist, und auch den, daß die Welt der Intelligenz und des selbstbewußten Wollens nicht dem Zufalle anheimgegeben sei, sondern im Lichte der sich wissenden Idee sich zeigen müsse. In der Tat aber habe ich solchen Glauben nicht zum voraus in Anspruch zu nehmen. Was ich vorläufig gesagt habe und noch sagen werde, ist nicht bloß, auch in Rücksicht unsrer Wissenschaft, als Voraussetzung, sondern als Übersicht des Ganzen zu nehmen, als das Resultat der von uns anzustellenden Betrachtung, ein Resultat, das mir bekannt ist, weil ich bereits das Ganze kenne. Es hat sich also erst aus der Betrachtung der Weltgeschichte selbst zu ergeben, daß es vernünftig in ihr zugegangen sei, daß sie der vernünftige, notwendige Gang des Weltgeistes gewesen, des Geistes, dessen Natur zwar immer eine und dieselbe ist, der aber in dem Weltdasein diese seine eine Natur expliziert. Dies muß, wie gesagt, das Ergebnis der Geschichte sein. Die Geschichte aber haben wir zu nehmen, wie sie ist: wir haben historisch, empirisch zu verfahren; unter anderm müssen wir uns nicht durch die Historiker vom Fach verführen lassen, denn diese, namentlich Deutsche, welche eine große Autorität besitzen, machen das, was sie den Philosophen vorwerfen, nämlich a priorische Erdichtungen in der Geschichte. Es ist z. B. eine weitverbreitete Erdichtung, daß ein erstes und ältestes Volk gewesen sei, unmittelbar von Gott belehrt, in vollkommener Einsicht und Weisheit, in durchdringender Kenntnis aller Naturgesetze und geistiger Wahrheit, oder daß es diese und jene Priestervölker gegeben, oder um etwas Spezielles anzuführen, daß es ein römisches Epos gegeben, aus welchem die römischen Geschichtschreiber die älteste Geschichte geschöpft haben usf. Dergleichen Autoritäten wollen wir den geistreichen Historikern von Fach überlassen, unter denen sie bei uns nicht ungewöhnlich sind. Als die erste Bedingung könnten wir somit aussprechen, daß wir das Historische getreu auffassen; allein in solchen allgemeinen Ausdrücken, wie treu und auffassen, liegt die Zweideutigkeit. Auch der gewöhnliche und mittelmäßige Geschichtsschreiber, der etwa meint und vorgibt, er verhalte sich nur aufnehmend, nur dem Gegebenen sich hingebend, ist nicht passiv mit seinem Denken und bringt seine Kategorien mit und sieht durch sie das Vorhandene; bei allem insbesondere, was wissenschaftlich sein soll, darf die Vernunft nicht schlafen, und muß Nachdenken angewandt werden; wer die Welt vernünftig ansieht, den sieht sie auch vernünftig an, beides ist in Wechselbestimmung. Aber die unterschiedenen Weisen des Nachdenkens, der Gesichtspunkte, der Beurteilung schon über bloße Wichtigkeit und Unwichtigkeit der Tatsachen, welches die am nächsten liegende Kategorie ist, gehören nicht hierher.

Nur an zwei Formen und Gesichtspunkte über die allgemeine Überzeugung, daß Vernunft in der Welt und ebenso in der Weltgeschichte geherrscht habe und herrsche, will ich erinnern, weil sie uns zugleich Veranlassung geben, den Hauptpunkt, der die Schwierigkeit ausmacht, näher zu berühren und auf das hindeuten, was wir weiter zu erwähnen haben.

Das eine ist das Geschichtliche, daß der Grieche Anaxagoras zuerst gesagt hat, der νοῦς, der Verstand überhaupt, oder die Vernunft, regiere die Welt, – nicht eine Intelligenz als selbstbewußte Vernunft, – nicht ein Geist als solcher –, beides müssen wir sehr wohl voneinander unterscheiden. Die Bewegung des Sonnensystems erfolgt nach unveränderlichen Gesetzen: diese Gesetze sind die Vernunft desselben, aber weder die Sonne noch die Planeten, die in diesen Gesetzen um sie kreisen, haben ein Bewußtsein darüber. So ein Gedanke, daß Vernunft in der Natur ist, daß sie von allgemeinen Gesetzen unabänderlich regiert wird, frappiert uns nicht, wir sind dergleichen gewohnt und machen nicht viel daraus: ich habe auch darum jenes geschichtlichen Umstandes erwähnt, um bemerklich zu machen, daß die Geschichte lehrt, daß dergleichen, was uns trivial scheinen kann, nicht immer in der Welt gewesen, daß solcher Gedanke vielmehr Epoche in der Geschichte des menschlichen Geistes macht. Aristoteles sagt von Anaxagoras als vom Urheber jenes Gedankens, er sei wie ein Nüchterner unter Trunkenen erschienen. Von Anaxagoras hat Sokrates diesen Gedanken aufgenommen, und er ist zunächst in der Philosophie mit Ausnahme Epikurs, der dem Zufall alle Ereignisse zuschrieb, der herrschende geworden. »Ich freute mich desselben,« läßt Plato ihn sagen, »und hoffte einen Lehrer gefunden zu haben, der mir die Natur nach der Vernunft auslegen, in dem Besonderen seinen besonderen Zweck, in dem Ganzen den allgemeinen Zweck aufzeigen würde, ich hätte diese Hoffnung um vieles nicht aufgegeben. Aber wie sehr wurde ich getäuscht, als ich nun die Schriften des Anaxagoras selbst eifrig vornahm und fand, daß er nur äußerliche Ursachen, als Luft, Äther, Wasser und dergleichen, statt der Vernunft aufführt.« Man sieht, das Ungenügende, welches Sokrates an dem Prinzip des Anaxagoras fand, betrifft nicht das Prinzip selbst, sondern den Mangel an Anwendung desselben auf die konkrete Natur, daß diese nicht aus jenem Prinzip verstanden, begriffen ist, daß überhaupt jenes Prinzip abstrakt gehalten blieb, daß die Natur nicht als eine Entwicklung desselben, nicht als eine aus der Vernunft hervorgebrachte Organisation gefaßt ist. Ich mache auf diesen Unterschied hier gleich von Anfang an aufmerksam, ob eine Bestimmung, ein Grundsatz, eine Wahrheit nur abstrakt festgehalten oder aber zur näheren Determination und zur konkreten Entwicklung fortgegangen wird. Dieser Unterschied ist durchgreifend, und unter anderm werden wir vornehmlich auf diesen Umstand am Schlusse unsrer Weltgeschichte in dem Erfassen des neuesten politischen Zustandes zurückkommen.

Das Weitere ist, daß diese Erscheinung des Gedankens, daß die Vernunft die Welt regiere, mit einer weiteren Anwendung zusammenhängt, die uns wohl bekannt ist, – in der Form der religiösen Wahrheit nämlich, daß die Welt nicht dem Zufall und äußerlichen zufälligen Ursachen preisgegeben sei, sondern eine Vorsehung die Welt regiere. Ich erklärte vorhin, daß ich nicht auf Ihren Glauben an das angegebene Prinzip Anspruch machen wolle, jedoch an den Glauben daran, in dieser religiösen Form, dürfte ich appellieren, wenn überhaupt die Eigentümlichkeit der Wissenschaft der Philosophie es zuließe, daß Voraussetzungen gelten, oder von einer andern Seite gesprochen, weil die Wissenschaft, welche wir abhandeln wollen, selbst erst den Beweis, obzwar nicht der Wahrheit, aber der Richtigkeit jenes Grundsatzes geben soll. Die Wahrheit nun, daß eine, und zwar die göttliche Vorsehung den Begebenheiten der Welt vorstehe, entspricht dem angegebenen Prinzipe, denn die göttliche Vorsehung ist die Weisheit nach unendlicher Macht, welche ihre Zwecke, das ist, den absoluten, vernünftigen Endzweck der Welt verwirklicht: die Vernunft ist das ganz frei sich selbst bestimmende Denken. Aber weiterhin tut sich nun auch die Verschiedenheit, ja der Gegensatz dieses Glaubens und unsres Prinzips gerade auf dieselbe Weise hervor wie die Forderung des Sokrates bei dem Grundsatze des Anaxagoras. Jener Glaube ist nämlich gleichfalls unbestimmt, ist, was man Glaube an die Vorsehung überhaupt nennt, und geht nicht zum Bestimmten, zur Anwendung auf das Ganze, auf den umfassenden Verlauf der Weltgeschichte fort. Die Geschichte erklären aber heißt, die Leidenschaften des Menschen, ihr Genie, ihre wirkenden Kräfte enthüllen, und diese Bestimmtheit der Vorsehung nennt man gewöhnlich ihren Plan. Dieser Plan aber ist es, welcher vor unsern Augen verborgen sein soll, ja welchen es Vermessenheit sein soll, erkennen zu wollen. Die Unwissenheit des Anaxagoras darüber, wie der Verstand sich in der Wirklichkeit offenbare, war unbefangen; das Bewußtsein des Gedankens war in ihm, und überhaupt in Griechenland, noch nicht weiter gekommen; er vermochte noch nicht sein allgemeines Prinzip auf das Konkrete anzuwenden, dieses aus jenem zu erkennen, denn Sokrates hat erst einen Schritt darin, die Vereinigung des Konkreten mit dem Allgemeinen zu erfassen, getan. Anaxagoras war somit nicht polemisch gegen solche Anwendung; jener Glaube an die Vorsehung aber ist es wenigstens gegen die Anwendung im Großen oder gegen die Erkenntnis des Plans der Vorsehung. Denn im besondern läßt man es hie und da wohl gelten, wenn fromme Gemüter in einzelnen Vorfallenheiten nicht bloß Zufälliges, sondern Gottes Schickungen erkennen, wenn z. B. einem Individuum in großer Verlegenheit und Not unerwartet eine Hilfe gekommen ist, aber diese Zwecke selbst sind beschränkter Art, sind nur die besonderen Zwecke dieses Individuums. Wir haben es aber in der Weltgeschichte mit Individuen zu tun, welche Völker, mit Ganzen, welche Staaten sind, wir können also nicht bei jener, sozusagen, Kleinkrämerei des Glaubens an die Vorsehung stehen bleiben und ebensowenig bei dem bloß abstrakten, unbestimmten Glauben, der nur zu dem Allgemeinen, daß es eine Vorsehung gebe, fortgehen will, aber nicht zu den bestimmteren