Die Piratin - Annemarie Nikolaus - E-Book

Die Piratin E-Book

Annemarie Nikolaus

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Die Piratin

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Contents

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PROLOG

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Glossar

Karte der Dracheninsel

Über die Autorin

Impressum

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Prolog

Die Brandung donnerte lauter als gewöhnlich gegen die Klippen vor den Toren Kruschars. Wie ein wütender Dämon zerrte der Wind an den Gewändern des Ratsherrn Margoro. Dieses Wetter war unwirtlich genug, um die Menschen schon Tage vor dem Herbstfest in die schützende Stadt zu locken.

Wäre es nicht eine so vulgäre Geste, hätte Margoro sich zufrieden die Hände gerieben, während er über einen marmorgepflasterten Weg zum größten seiner Ställe ging. Auch in der relativen Abgeschiedenheit seines Anwesens vergaß der junge Adlige keinen Augenblick, dass sein Ansehen auf dem Bild beruhte, das die Menschen sich von ihm machten. Manch ein Händler war reicher als er, aber in Kruschar war keiner mächtiger.

In der Stallgasse wartete ein Drachenhirte mit einem Korb voller Zistrosen auf ihn. Hinter den hohen Holzgattern rechts und links reckten prächtige Drachen ihre langen Hälse nach den Leckerbissen. Zwischen den hochbeinigen mehrfarbigen Reitdrachen standen stämmige Zugdrachen in Braun und Grün, den Farben seines Adelshauses.

Der Hirte reichte Margoro eine Zistrose nach der anderen. Margoro zupfte die Blütenblätter ab und fütterte einen ocker- und orangefarbenen Drachen damit. Das mächtige Tier verschlang sie laut schnurrend. „Friss nicht so hastig, Katran! Es sind die letzten in diesem Jahr.“

„Herr“, klang die brüchige Stimme von Hofmeister Yawani am Stalltor. „Wir sollten besser die Renndrachen damit füttern. Schließlich ...“

„Was sorgst du dich? Einer von ihnen hat noch immer gewonnen!“

Ein Renndrache mit kupferfarbenen Rückenschuppen lenkte mit einem Tritt gegen die Stallwand die Aufmerksamkeit auf sich. Er schnaubte zornig, als habe er die Worte der Menschen verstanden.

„Haben wir dich missachtet?“ Yawani trat schwerfällig näher und tätschelte seinen Hals. „Wollen wir alle zehn antreten lassen, Herr?“

„Der Rat hat es gestern abgelehnt.“ Margoro ging mit der nächsten Blüte zu einem blauen Renndrachen. „Sei’s drum. Mit dem zweiten Rennen biete ich der Stadt ohnehin ein viel größeres Spektakel. Allein dafür wird man mich wiederwählen und ich kann dem Treiben der Priester Aharons Einhalt gebieten.“

„Wir müssen ihren Einfluss beschneiden, Herr – nur das!“

„Das als Erstes!“ Margoro fütterte endlich den kupferfarbenen Renndrachen, der mit seinem harten Maul geziert ein Blütenblatt nach dem anderen von seiner Handfläche nahm. „Aber eines Tages werde ich sie überhaupt nicht mehr brauchen.“

Er winkte dem Drachenhirten und zeigte auf die restlichen Zistrosen. „Verteil sie gerecht.“ Der kupferfarbene Drache senkte den langen Hals und Margoro kraulte ihn hinter einem Ohr; dann verließ er den Stall.

Der Wind war eisig und er vergrub die kalten Hände in den weiten Ärmeln seines Umhangs. Vor dem Haus blieb er stehen und wartete darauf, dass Yawani mit seinem lahmen Bein die Stufen zum Portal heraufkam.

Endlich öffnete Yawani ihm die Tür. In der Eingangshalle schreckte ein Diener von dem Hocker hoch, auf dem er es sich bequem gemacht hatte. Hastig nahm er Margoro und Yawani die pelzbesetzten Umhänge ab und reichte Margoro einen seidenen Surcot mit goldbestickter Schleppe.

Margoro ignorierte die gestammelte Entschuldigung des Dieners; es gab jetzt Wichtigeres, als ihn für seine Faulheit zu rügen. Er wandte sich Yawani zu. „Eines Tages werden die Priester einer angesehenen Heilerin den Prozess machen und das Volk wird rebellieren.“ Fast hätte er sich nun doch die Hände gerieben.

Yawani sah ihn nachdenklich an. „Vielleicht sollten wir nachhelfen.“

„Mein braver Yawani.“ Margoro lachte schallend. „Immer ein neuer Einfall. Aber es könnte auffallen, wenn einer unserer Leute den Anfang machte. Das Risiko gehe ich besser nicht ein.“

„Doch nicht beim Anzetteln der Rebellion, Herr. Beim Aufspüren einer Hexe.“ Yawani folgte ihm durch die zwei Stockwerke hohe Eingangshalle in einen hell erleuchteten Raum, in dem das lodernde Kaminfeuer das herbstliche Wetter vergessen ließ. Ächzend schloss er die schwere Tür.

„Noch brauche ich die Priester. Es gefällt mir sehr, wie der Heilige mit seinen Hexenjagden die Macht der Gilden bedroht.“ Margoro wollte das Wissen der Alchemistinnen in seinen Besitz bringen, bevor er die Aharons-Priester in das ehemalige Königreich von Dhaomond zurückjagte. Die Glaswaren aus seinen Manufakturen galten selbst auf dem Festland als das Kunstvollste, was es zu kaufen gab. Aber damit war er nicht zufrieden – er wollte auch das Rohglas selbst herstellen lassen. „Die Frauen werden ein Geheimnis nach dem anderen offenlegen müssen, um zu beweisen, dass keine Magie im Spiel ist.“

„Aber bislang haben die Priester nichts von Nutzen erfahren. Nur die Furchtsamen und Unbedeutenden zerbrechen unter der Folter.“ Yawani klingelte nach dem Diener und befahl ihm, den Holzvorrat aufzufüllen.

„Ich könnte eine Armee ausrüsten, die auch mit gläsernen Waffen unbesiegbar wäre, wenn die Alchemistinnen das Geheimnis des Schwarzpulvers preisgeben würden.“

„Wir brauchen keine Armee, Herr, sobald wir die freien Städten des Nordens vereint haben.“ Yawani schob sein steifes Bein nach hinten, bückte sich nach dem Holzkorbund legte drei dicke Scheite ins Feuer. Das Harz zischte laut, bevor sie zu brennen begannen; das Holz war nicht abgelagert.

Der Wind drückte eine Qualmwolke ins Zimmer und Margoro kniff die Augen zusammen. „Ich will aber die ganze Insel, nicht nur den Norden. Und ich will den Königstitel von Dhaomond.“

„Es wird keiner zum König gekrönt, der nicht mit dem Hohen Haus von Sondharrim verbunden ist.“

„Dann such mir eine passende Frau.“ Margoro breitete die Arme weit aus. „Bin ich nicht reich genug, um eine Prinzessin mit allem auszustatten, was ihr Herz begehrt?“

Yawanis Blick schien einmal mehr Missbilligung auszudrücken. Dies war wohl einer der Tage, an dem die Gicht den alten Mann so sehr plagte, dass er alles in düsteren Farben sah.

Wieder drückte ein Windstoß Rauch ins Zimmer zurück. Margoros Augen begannen zu tränen und er wies zum Fenster.

Yawani öffnete es für ihn und wedelte mit einem der schweren Vorhänge, um den Qualm schneller hinauszubefördern. „Man hört, der Heilige hat die Fenster zweier Tempel, die auf Passhöhen liegen, mit farbigen Mosaiken aus Olmaram wetterfest machen lassen.“

„Warum hat er das Glas nicht in meinen Werkstätten erworben?“ Margoro packte Yawani an der Schulter. „Und warum erfahre ich das erst jetzt?“

„Die Werkstatt von Adhar konnte nicht liefern. Wir hatten nur Tage zuvor alles Glas nach Thannes Lane verschiffen lassen.“

„Dann hätte das Schiff zurückgeholt werden müssen!“

„Unmöglich! Nur die wendigen Schiffe der Elfen, denen Wind und Meer gehorchen, sind in der Lage, die großen Schoner einzuholen.“

„Und die Brigantine der Piratin! Aber eines Tages werde ich auch solche Schiffe besitzen.“ Er zerrte mit nur mühsam beherrschtem Unmut an seinem rechten Ärmel; dessen Goldbesatz war schon ganz zerschlissen. „Wo ist sie überhaupt? Du hast versprochen, dass sie mir die Pferde bringt.“

„Nanja wird rechtzeitig kommen, Herr.“ Yawani griff nach der verspiegelten Karaffe auf dem Tisch und schenkte einen prunkvollen Kristallkelch halbvoll. „Sie ist die beste Seefahrerin von allen. Außer den Elfen natürlich.“

„Das ist keine Antwort.“

Yawani hielt ihmden Kelch hin. Als Margoro nicht sofort danach griff, zog er die Augenbrauen hoch. „Verschmäht Ihr heute Euren Schlaftrunk? Er ist aus dem feinen Schilfgras gebrannt, das an den Stränden von Belascha wächst.“

Margoro nahm den Kelch, hielt ihn vor seine Nase und schnüffelte. „Er riecht aber fad.“

„Soll ich Euch den Maniok-Schnaps bringen lassen, Herr?“

„Ich will keinen Schnaps. Ich will diese Pferde.“ Er stellte den Kelch auf den Tisch zurück und stolzierte auf und ab, die Schleppe hinter sich herschleifend wie ein gereizter Drache seinen Schwanz. „Es sind kaum zwanzig Sonnenaufgänge bis zum Herbstfest. Ohne die Pferde bin ich blamiert.“

„Deshalb hatte ich geraten, lediglich eine Überraschung anzukündigen. Aber wir mussten unseren Plan, die Drachen gegen diese fremden Tiere antreten zu lassen, ja überall verbreiten.“

„Es wäre allemal bekannt geworden. Schließlich brauchte ich dafür das Einverständnis der anderen Rennställe. “

Yawani holte tief Luft, aber dann schien er sich eines Besseren zu besinnen und gab keine Antwort.

Margoro hatte ihn im Verdacht, dass er an diesem Abend den Widerspruch für sich gepachtet hatte. Er griff nach dem Schilfgrasbrand und trank den Kelch in einem Zug leer. „Wenn mir die Piratin die Pferde nicht bringt, kann ich den Sitz im Rat der Stadt gleich freiwillig abgeben. Statt mich wiederzuwählen, wird man über mich lachen.“

„Auch dann, Herr, wenn diese Renntiere verlieren sollten. Es sei denn, wir machen eine Komödie daraus, um die Arroganz der Festländer vorzuführen.“

„Ein amüsanter Gedanke. Merk ihn dir.“ Margoro hielt Yawani den Kelch hin und der schenkte nach. Er trank aus und rülpste laut und genussvoll. „Aber eins nach dem anderen. Wann kommt nun diese Piratin?“

1

Lautes Schnurren in ihrem Nacken weckte Nanja. Schon wieder hatte sich eine der Katzen in die Kajüte geschmuggelt. Ohne die Augen zu öffnen, griff sie hinter sich und schob das Tier aus dem Bett.

Eindeutig der zimtbraun gefleckte Kater: Es war seine empörte Stimme, die für einen Moment alle anderen Schiffsgeräusche übertönte. Kurz darauf fiel etwas klirrend zu Boden. Nanja rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht und schwang die Beine aus dem Bett. Der Kater saß auf dem Kartentisch. Wieder einmal. Er maunzte vorwurfsvoll.

Nanja warf ihm einen ebenso vorwurfsvollen Blick zu und hob die Halskette mit dem Solstein auf, die er heruntergeworfen hatte. Dann öffnete sie das breite Kajütenfenster und beugte sich hinaus. Wie eine Katze flehmte sie nach einer Brise; die aufgehende Sonne ließ sie blinzeln. Die See war noch immer glatt, aber das Plätschern gegen den Schiffsrumpf schien ein wenig lauter als in den letzten Tagen. Vielleicht der erste zaghafte Vorbote von Wind.

Sie schnürte das lange Hemd zu, in dem sie geschlafen hatte, und entwand dem Kater ein paar Seidenbänder, so grün wie ihre Augen. Das Glas des geöffneten Fensters als Spiegel vor sich, flocht sie die Bänder in die hüftlangen braunen Haare. Dann zog sie einen bunten Leinenrock über den Kopf, schlüpfte in Stiefel und steckte ihren eisernen Dolch in den Gürtel. Den Kater klemmte sie unter den Arm, bevor sie die Kajüte verließ. „Geh, mach deine Arbeit und kümmere dich um die Ratten.“

So früh am Morgen waren viele Seeleute noch unter Deck. Solange die Flaute anhielt, konnten sie den Tag gemächlich angehen lassen. Die Arbeit an Bord eines Segelschiffs war oft anstrengend genug.

Kethan, der junge Bootsmann von den Schwimmenden Inseln, stand neben dem Achterdeck am Schanzkleid, den grimmigen Blick auf das bewegungslose Toppsegel am Großmast gerichtet. Er sah zu ihr, als sie die Tür hinter sich schloss. „Was will Margoro eigentlich mit diesen Tieren?“

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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