Die praktische Pflegeausbildung auf dem Prüfstand -  - E-Book

Die praktische Pflegeausbildung auf dem Prüfstand E-Book

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Beschreibung

Im Rahmen der Pflegeausbildung nimmt die praktische Ausbildung einen größeren Raum ein als die theoretische. Während die theoretische Pflegeausbildung zunehmend strukturiert wird, gibt es zur praktischen Ausbildung sowie zum Qualifikationsprofil von Praxisanleiter/-innen nur wenige Vorgaben und Anforderungsbeschreibungen. Der praktischen Ausbildung fehlt es daher an Transparenz und Einheitlichkeit. Die Autoren stellen zentrale Probleme, Anforderungen und Best-Practice-Beispiele aus der Sicht von Pflegepädagogik, Praxisanleiter/-innen und Auszubildenden heraus und tragen somit zu einer konstruktiven Debatte über die Überarbeitung der praktischen Pflegeausbildung bei.

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Der Herausgeber

Karl-Heinz Sahmel, Studium der Pädagogik, Psychologie, Soziologie, Philosophie und Politikwissenschaft an der Gesamthochschule Duisburg, Diplom-Pädagoge (1977), Dr. paed. (1979), Habilitation in Allgemeiner Pädagogik (1987); 1978–1987 Assistent für Schulpädagogik und Allgemeine Didaktik an der Universität – Gesamthochschule – Duisburg; 1988–1991Tätigkeit in der Sozialpsychiatrie, selbständiger Bildungsberater, Projektmitarbeiter beim ÖTV-Fortbildungsinstitut für Berufe im Sozial- und Gesundheitsbereich, Fortbildungen im Gesundheitsbereich für diverse Träger; 1992–1997 Leiter des Fachseminars für Altenpflege der Landeshauptstadt Düsseldorf; 1997–2018 Professur für Pflegepädagogik und Pflegewissenschaft an der Hochschule Ludwigshafen am Rhein (zunächst: Evangelische Fachhochschule); seit 2009 außerplanmäßiger Professor am Institut für Pflegewissenschaft der UMIT – Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Informatik und Technik, Hall in Tirol/Österreich; ab Herbst 2019 Professor für Medizinpädagogik an der SRH Hochschule für Gesundheit, Campus Stuttgart.

Karl-Heinz Sahmel (Hrsg.)

Die praktische Pflegeausbildung auf dem Prüfstand

Herausforderungen und Perspektiven

Verlag W. Kohlhammer

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1. Auflage 2020

Alle Rechte vorbehalten

© W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Gesamtherstellung: W. Kohlhammer GmbH, Stuttgart

Print:

ISBN 978-3-17-034302-3

E-Book-Formate:

pdf:       ISBN 978-3-17-034303-0

epub:    ISBN 978-3-17-034304-7

mobi:    ISBN 978-3-17-034305-4

Vorwort

Karl-Heinz Sahmel

 

»Wie muss praktischer Unterricht, der Qualifikationen und Kompetenzen der Lernenden entwickelt und fördert, aufgebaut sein, um letztlich selbstbewusste und eigenverantwortliche Pflegende, die ihren beruflichen Alltag problemlösend bewältigen, zu erhalten?« fragte Claudia Staudinger 2015 (S. 40).

Und sie lässt Susanne Thurn antworten: »Was wir wollen, wissen wir: starke junge Menschen, ihrer Selbst sicher, ausgestattet mit Vertrauen in ihre Möglichkeiten und Mut zu Neuem. Gerne sollen sie lernen und Lust am Entdecken haben: für ein ganzes Leben einmischungs- und kooperationsbereit wünschen wir sie uns, teamfähig, tolerant und offen im Umgang mit der Vielfalt der Menschen – kreativ im Finden von Lösungen, angstfrei gegenüber möglichen Fehlern oder Irrwegen. Gruppenfähig sollen sie selbstverständlich sein, empathisch und verantwortungsbereit. Über umfangreiches Wissen sollen sie verfügen, selbstständig denken, methodenkompetent arbeiten und problemlösend handeln können. Und das alles in möglichst fächerübergreifenden Zusammenhängen und sinnstiftenden Kontexten. Selbstverständlich sollen sie zudem fundierte Wertvorstellungen, Ordnungsmuster und Handlungsnormen ihr Eigen nennen.« (zitiert von Keuchel 2003, S. 31)

Selten ist die Vorstellung von umfassend kompetenten Auszubildenden pädagogisch genauer umschrieben worden; es fehlt lediglich die Handlungskompetenz, die sich aus der beschriebenen Grundhaltung entwickelt. Aber zugleich sollten wir realistisch bleiben. Ein gewisses Maß an Idealismus ist in der Pflegeausbildung nicht unangebracht (vgl. Sahmel/Steudter 2015) – aber verknüpft mit einer gewissen Skepsis und vor allem mit einem kritischen Blick auf Personen und Verhältnisse. Denn auf der anderen Seite haben wir auch Berichte von Auszubildenden über Leerlauf, Kommunikationsprobleme, Forderung nach Anpassung, fehlende Übereinstimmung zwischen dem, was in der Schule gelehrt wird und dem, wie in der Praxis gepflegt wird. Und vor allem herrscht Zeitdruck. Nicht alles passt…

Hinzu kommt, dass durch die Reform der Ausbildung in den Pflegeberufen zukünftig an die Lernprozesse im Bereich der Praxis noch deutlich höhere Ansprüche gestellt werden als bislang.

In der praktischen Pflegeausbildung, die in diesem Buch vielfältig beleuchtet wird, haben wir es mit verschiedenen Personen zu tun: es gibt Lernende, es gibt Praxisanleiterinnen und Praxisanleiter, es gibt Lehrende an Schulen des Gesundheitswesens, es gibt Ärzte und andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den verschiedenen Einrichtungsorten der Ausbildung und schließlich sind auch die Pflegebedürftigen an den Prozessen des Lernens beteiligt. Sie alle sind durch eine große Heterogenität ausgezeichnet. Dies macht das Leben bunt, aber die Zusammenarbeit und vor allem das Lernen wird manchmal durch diese Vielfältigkeit auch beeinträchtigt. Dies macht Kommunikation zu einem zentralen Faktor des Zusammenlebens, Zusammenarbeitens und Lernens.

Von entscheidender Bedeutung dürfte zukünftig sein, welches Selbstverständnis die Praxisanleiterinnen und Praxisanleiter haben bzw. künftig entwickeln werden (vgl. Quernheim 2017, S. 73 ff.). Sind sie vornehmlich die »guten Pflegenden«, die ihr breites Wissen korrekt an die Auszubildenden weitergeben, ihnen Fähigkeiten und Fertigkeiten vermitteln – während die passiven Auszubildenden aufnehmen, imitieren und sich nach Möglichkeit den Gegebenheiten »der Praxis« anpassen? Oder geht es hier um die Konstituierung eines pädagogischen Verhältnisses im Sinne eines Austausches über Möglichkeiten und Grenzen professioneller Pflege, bei dem die Praxisanleiter/-innen die Lernprozesse der Auszubildenden begleiten und ihre Kompetenzentwicklung anregen?

Die an den Lernprozessen beteiligten Personen befinden sich in Verhältnissen der Pflege, die oftmals den pädagogischen Ansprüchen widersprechen oder gar nicht auf Ausbildung ausgerichtet sind. Pflege befindet sich in einem gesellschaftlichen Spannungsfeld und die Pflegeausbildung kommt nicht darum herum, »die Ambivalenz der gesellschaftlichen Entwicklung in ihrem konflikthaften Charakter als integralen Bestandteil ihres Lernfeldes zu definieren« (Panke-Kochinke 2000, S. 137). Etwas einfacher kann man das als Konflikt zwischen Theorie und Praxis thematisieren.

Wir sollten uns der Tatsache stellen, dass es in der Pflege und den anderen Gesundheitsberufen (und nicht nur hier) ein Theorie-Praxis-Problem gibt. Im Lernort Schule wird (in der Regel) eine Thematik systematisch von einem Lehrenden vermittelt. Dieser Inhalt steht (zumeist) in einem theoretischen Zusammenhang, welcher sich den Lernenden im Verlaufe der Lernprozesse erschließen soll. Im theoretischen Unterricht ist (meist) Raum für die Entfaltung von Handlungsketten, Begründungszusammenhängen und die Erörterung von Problemen und Widersprüchen.

Dem gegenüber ist das Lernen in »der« Praxis durch viele Zufälligkeiten charakterisierbar, es kann gezielt im Rahmen von Anleitungen stattfinden oder es kann en passant erfolgen. Zumeist sind diese Lernprozesse eingebettet in Arbeitsprozesse, die durch institutionelle Zwänge, ökonomischen Druck und Ähnliches bestimmt sind, und in denen es meist keinen Raum und keine Zeit für Nachfragen gibt.

Die Diskrepanz zwischen in der Theorie Gelehrtem und in der Praxis Erlebtem kann Auswirkungen auf die Motivation der Lernenden (im Sinne von Ernüchterung und Frustration) haben. Wird sie thematisiert, so kann sie allerdings auch konstruktive Wirkungen haben. Dann müssen allerdings möglichst alle Beteiligten – Auszubildende, Lehrende, Mentoren und Mitarbeitende in der Praxis – in einen Austausch treten. Dabei sollten sowohl die Barrieren zwischen den beiden Polen Theorie und Praxis thematisiert werden, etwa die Sprache und die wissenschaftliche Analyse und Kritik des Handlungsfeldes, als auch die Erfahrungen der Auszubildenden mit den Diskrepanzen zwischen Schule und Station aufgearbeitet werden.

Damit ist das Spannungsfeld beschrieben, in dem dieses Buch angesiedelt ist. Es geht

•  im ersten Teil des Buches (in den Kapiteln 1 bis 5) um die Analyse von und vornehmlich die Kritik an Prozessen und Strukturen der Pflegeausbildung sowie dem Selbstbewusstsein der beteiligten Personen und

•  im zweiten Teil (Kapitel 6 bis 11) um den Aufweis konstruktiver Möglichkeiten innerhalb von Prozessen der praktischen Pflegeausbildung.

Konkret:

•  In Kapitel 1 ( Kap. 1) analysiert Karl-Heinz Sahmel die gesetzlichen Rahmenbedingungen der reformierten Pflegeausbildung und stellt sie in Bezug zu Erfahrungen, die Auszubildende während der Pflegeausbildung machen. Hieraus ergeben sich grundlegende pflegepädagogische Perspektiven für die folgenden kritischen Ausführungen.

•  In Kapitel 2 ( Kap. 2) stellen Anastasia Schweibert und Daniela Heil Ergebnisse einer qualitativen Untersuchung zur Sicht von Pflegekräften im Krankenhaus und im Altenpflegeheim auf Auszubildende vor: stellen sie eine Belastung oder eine Entlastung dar?

•  In Kapitel 3 ( Kap. 3) untersucht Diana Körner-Nohe die Strategien von Auszubildenden der Gesundheits- und Krankenpflege, um mit den immer wieder deutlich werdenden Unterschieden zwischen in der Schule Gelerntem und in der Praxis Erlebtem umzugehen.

•  In Kapitel 4 ( Kap. 4) stellt Armin Leibig Ergebnisse aus seiner umfassenden Untersuchung im Rahmen seiner Dissertation zum informellen Lernen und zur Praxisanleitung vor.

•  Sophie Busalt untersucht in Kapitel 5 ( Kap. 5) das Selbstverständnis von Praxisanleitern und Praxisanleiterinnen und kommt zu interessanten Erkenntnissen.

•  In Kapitel 6 ( Kap. 6) untersucht Karl-Heinz Sahmel konstruktiv die vielfältigen Möglichkeiten der Gestaltung und Unterstützung von Lernprozessen in der Pflegepraxis.

•  Als Beispiel gelungener Praxis stellt Eva-Maria Panfil zusammen mit Michaela Key, Rosmarie Küng und Marlis Schlumpf in Kapitel 7 ( Kap. 7) das Ausbildungskonzept des Universitätsspitals Zürich vor.

•  In Kapitel 8 ( Kap. 8) stellen Simon Jäger und Miriam Maier die Entstehungsbedingungen einer Lernstation vor.

•  In Kapitel 9 ( Kap. 9) analysiert Mechthild Löwenstein die pflegedidaktischen Aspekte mehrperspektivischer Lernaufgaben in der praktischen Pflegeausbildung.

•  Anke Kany stellt in Kapitel 10 ( Kap. 10) Überlegungen zu einem Bewertungskonzept praktischer Leistungen in der Pflegeausbildung vor.

•  In Kapitel 11 ( Kap. 11) begründen Armin Leibig, Ingeborg Löser-Priester und Karl-Heinz Sahmel die Notwendigkeit eines Studiums für Praxisanleiter/-innen.

Ein Teil der Beiträge dieses Buches geht auf Vorträge zurück, die im Rahmen einer Pflegepädagogischen Fachtagung an der Hochschule Ludwigshafen am 29. Juli 2017 zur Diskussion gestellt worden sind (vgl. Sahmel 2017). Andere Beiträge basieren auf Qualifikationsarbeiten. Alle Beiträge wurden für das Buch gründlich überarbeitet und z. T. vom Herausgeber aktualisiert.

Eine Bemerkung zum gendergerechten Sprachgebrauch: In diesem Buch wird bei geschlechterspezifischen Begriffen möglichst immer eine Schreibweise gewählt, die alle Geschlechter umfasst. Sollte stellenweise nur die maskuline oder feminine Schreibweise gewählt worden sein, so soll das nicht als Diskriminierung verstanden werden, sondern der besseren Lesbarkeit oder Verständlichkeit dienen.

Am Ende ist es mir als Herausgeber ein Bedürfnis, etlichen Personen Dank zu sagen.

Mein Dank gilt allen Autorinnen und Autoren für Ihre Beiträge und für ihre Geduld mit mir als Herausgeber. Ein großer Dank geht an meinen Kollegen Herrn Prof. Dr. Peter Mudra, der mir als Präsident der Hochschule Ludwigshafen (heute: Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen) eine Studentische Hilfskraft gewährt hat und auch die Pflegepädagogische Fachtagung 2017 finanziell und ideell unterstützt hat. Der damaligen Studentischen Hilfskraft, Frau Sophie Busalt, sei an dieser Stelle für ihre vielfältige Unterstützung gedankt. Eine frühe Keimzelle des Buches liegt in Gesprächen mit Tatjana Steuerwald, ihr sei ebenso gedankt wie meiner Kollegin Yvonne Zenz und meinem Kollegen Armin Leibig für vielfältige Anregungen und Gespräche. Frau Alexandra Schierock und Herrn Dr. Ruprecht Poensgen vom Kohlhammer Verlag danke ich für die Bereitschaft, dieses Buch in ihrem Verlag zu veröffentlichen und für ihre Geduld. Schließlich aber nicht zuletzt gilt mein Dank meiner Frau Ute für Gespräche, Unterstützung und ihre Geduld.

Limburgerhof, im April 2019

Prof. Dr. Karl-Heinz Sahmel

Literatur

 

Keuchel R (2005) Lernsituationen entwickeln und gestalten. Das Lernfeldkonzept auf seinem Weg von der Theorie in die Praxis. PflegeMagazin, 6, 3, S. 31–38

Panke-Kochinke B (2000) Fachdidaktik der Berufskunde Pflege. Bern (Huber)

Quernheim G (2017) Spielend anleiten und beraten. Hilfen zur praktischen Pflegeausbildung. 5. Aufl. München (Elsevier)

Sahmel K-H (2017) Praktisches Lernen auf dem Prüfstand. Pflegezeitschrift, 70, 6, S. 45–47

Sahmel K-H, Steudter E (2015) Der Versuch ist der wahre Idealismus. Über Sinn und Zweck des Idealismus in der Pflegepädagogik. PADUA, 10, 3, S. 185–191

Staudinger C (2015) Skillslabtraining an Pflegeschulen. PADUA, 10, 1, S. 40–47

Inhalt

 

 

Vorwort

Karl-Heinz Sahmel

1   Praktische Pflegeausbildung – Anspruch und Wirklichkeit

Karl-Heinz Sahmel

1.1   Normative Vorgaben zur praktischen Pflegeausbildung

1.2   Empirische Untersuchungen zur praktischen Pflegeausbildung

1.3   Pflegepädagogische Konsequenzen

2   Pflegeauszubildende in der Praxis – Belastung oder Entlastung?

Anastasia Schweibert & Daniela Heil

2.1   Einleitung

2.2   Forschungsvorgehen

2.3   Wirkgefüge der praktischen Ausbildung in der stationären Gesundheits- und Krankenpflege

2.4   Wirkgefüge der praktischen Ausbildung in der stationären Altenpflege

2.5   Diskussion der Ergebnisse

2.6   Handlungsempfehlungen für die Praxis

3   »Heute aber schulisch«: Strategien von Auszubildenden der Gesundheits- und Krankenpflege, um in ihrem praktischen Handeln den schulischen Anforderungen gerecht zu werden

Diana Körner-Nohe

3.1   Hintergrund

3.2   Theorie und Praxis

3.3   Methode

3.4   Die Strategien

3.5   Auswertung, Diskussion und Fazit

4   Lernen in der Praxis kritisch betrachtet – »Klassische Praxisanleitung so mit Lernziel und diese Geschichten«

Armin Leibig

4.1   Einführung

4.2   Aktuelle Situation von Praxisanleiter/-innen und Lernenden

4.3   Lernziele und Methoden in der Praxisanleitung

4.4   Praxisanleitung und die Verstetigung der Lerninhalte

4.5   Zusammenfassung

5   Das Selbstverständnis von Praxisanleiter/-innen

Sophie Busalt

5.1   Welche Rolle spielt das berufliche Selbstverständnis in der Praxisanleitung?

5.2   Forschung zum beruflichen Selbstverständnis von Praxisanleiter/-innen

5.3   Ergebnisse der Forschung

5.4   Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse

5.5   Konsequenzen und Ausblick

6   Konstruktive Möglichkeiten der praktischen Pflegeausbildung – auf der Suche nach Perspektiven

Karl-Heinz Sahmel

6.1   Grundbegriffe in neuem Verständnis

6.2   Organisationshilfen für das praktische Lernen

6.3   Lernortkooperation und Praxisbegleitung durch Lehrende

6.4   Der »Dritte Lernort«

7   Best Practice: Praktische Berufsausbildung in der Pflege am Beispiel des Universitätsspitals Zürich

Eva-Maria Panfil, Michaela Key, Rosmarie Küng & Marlis Schlumpf

7.1   Das Universitätsspital Zürich

7.2   Strukturen und Konzepte der professionellen Praxisausbildung

7.3   Das »USZ-Laufbahnmodell Bildung«

7.4   Die Lern- und Arbeitsgemeinschaft (LAG) als Praxiskonzept

7.5   Das pädagogische Modell »Cognitive Apprenticeship« – Grundlage der LAG

7.6   »Powermix« für Auszubildende und Berufsbildende: LAG und CAS

7.7   Die Ausbildungsqualität evaluieren

7.8   Fazit

8   Die Lernstation im Krankenhaus: Ein neues zukunftsweisendes Ausbildungskonzept

Simon Jäger & Miriam Maier

8.1   Vom Projekt »Schüler leiten eine Station« zur »Lernstation«

8.2   Das Konzept »Lernstation«

8.3   Weiterentwicklung und Ausblick

9   Die Ausbildung professionell Pflegender erfordert mehrperspektivische Lernaufgaben und eine reflexive Praxis

Mechthild Löwenstein

9.1   Ausgangslage und Ziele der Pflegeausbildung

9.2   Beweggründe zur Einführung mehrperspektivischer Lernaufgaben

9.3   Kompetenzorientiertes Lehren und Lernen mit Lernaufgaben

9.4   Konzeption mehrperspektivischer Lernaufgaben

9.5   Pflegerische Handlungskompetenz und deren Entwicklung

9.6   Reflexivität als Schlüssel professionellen Pflegehandelns

9.7   Vernetzung der theoretischen und praktischen Lerninhalte

9.8   Voraussetzungen für das Gelingen von Lernaufgaben

9.9   Fazit

10   Kompetenzen kompetent bewerten – ein Konzept aus der Praxis für die Praxis

Anke Kany

10.1   Einleitung: Kompetenzen

10.2   Gestaltung von Lernprozessen

10.3   Die Bedeutung der Praxisanleiter/-innen

10.4   Praktische Leistungsnachweise

10.5   Bewerten

11   Akademisierung der Praxisanleitung – eine Notwendigkeit

Armin Leibig, Ingeborg Löser-Priester & Karl-Heinz Sahmel

11.1   Künftige Anforderungen an Praxisanleiter/-innen

11.2   Die bisherige Qualifizierung von Praxisanleiter/-innen

11.3   Der Studiengang »Pflege (dual)« (B. A.) an der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen

11.4   Das Wahlmodul Praxisanleitung

11.5   Konsequenz

Verzeichnis der Autorinnen und Autoren

Stichwortverzeichnis

1          Praktische Pflegeausbildung – Anspruch und Wirklichkeit

Karl-Heinz Sahmel

1.1       Normative Vorgaben zur praktischen Pflegeausbildung

Obgleich der praktische Teil traditioneller Weise einen deutlich größeren Anteil an der Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege bzw. in der Altenpflege ausmacht als der theoretische Part, hat der Gesetzgeber die praktische Ausbildung eher stiefmütterlich behandelt. Die aktuellen Bestimmungen in den Gesetzen wie in den Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen sollen hier dargestellt und einer pflegepädagogischen Analyse unterzogen werden.

Die Ausbildung in der Gesundheits- und Krankenpflege sowie in der Gesundheits- und Kinderkrankenpflege dauert gemäß Gesetz von 2003 (in der Regel) drei Jahre und umfasst gemäß Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (KrPflAPrV) § 1

•  2.100 Stunden theoretischen und praktischen Unterricht sowie

•  2.500 Stunden praktische Ausbildung.

Für beide Teile der Ausbildung ist das in § 3 des Krankenpflegegesetzes (KrPflG) ausführlich bestimmte anspruchsvolle Ausbildungsziel verbindlich (Sahmel 2015, S. 106 ff.).

Gemäß § 4 Abs. 2 Krankenpflegegesetz findet die praktische Ausbildung in der Regel an einem Krankenhaus statt »sowie weiteren an der Ausbildung beteiligten, geeigneten Einrichtungen«. In § 4 Abs. 5 wird der Schule die »Gesamtverantwortung für die Organisation und Koordination des theoretischen und praktischen Unterrichts und der praktischen Ausbildung entsprechend dem Ausbildungsziel« übertragen. Dielmann warnt hier aber vor überzogenen Erwartungen:

»Der vom Gesetzgeber gewählte Terminus ›Gesamtverantwortung‹ ist insofern missverständlich, als es sich ausdrücklich nicht um die Gesamtverantwortung für die Ausbildung handelt, sondern um die Verantwortung für die ›Organisation und Koordination‹ der einzelnen Ausbildungsbestandteile, orientiert an den Ausbildungszielen. Dabei geht es um die organisatorische und inhaltliche Planung der Ausbildungsabschnitte in einem sinnvollen Wechsel von theoretischen und praktischen Anteilen und um die zeitliche und inhaltliche Koordination des theoretischen und praktischen Unterrichts mit den Zielen und Inhalten der praktischen Ausbildung. […] Unbeschadet dieser Koordinierungs- und Organisationsaufgabe, die der Schule übertragen worden ist […], verbleibt die Gesamtverantwortung für die Ausbildung beim Ausbildungsträger.« (Dielmann 2013, S. 115)

Damit das anspruchsvolle Ausbildungsziel erreicht werden kann, ist es notwendig, dass die Ausbildung »in einer durch ihren Zweck gebotenen Form planmäßig, zeitlich und sachlich gegliedert« (KrPflG § 10 Abs. 1) durchgeführt wird; für die Einhaltung dieses Plans ist der Träger der Ausbildung verantwortlich.

Dielmann weist darauf hin, dass diese Bestimmungen ein unplanmäßiges Versetzen von Auszubildenden auf andere als die vorgesehenen Stationen (etwa bei auftretenden Personalproblemen) nicht (oder nur in sehr begrenzten Ausnahmen) erlauben. »Das Erreichen des Ausbildungsziels hat […] Vorrang vor anderen Erwägungen.« (Dielmann 2013, S. 139)

In § 10 (2) des Gesetzes findet sich die pflegepädagogisch wichtige Aussage, dass den Auszubildenden »nur Verrichtungen übertragen werden dürfen, die dem Ausbildungszweck und dem Ausbildungsstand entsprechen« und auch »ihren physischen und psychischen Kräften angemessen« sein sollten. Storsberg et al. betonen, dass damit (immerhin unter der Überschrift »Pflichten des Trägers der Ausbildung«) impliziert ist, dass alle dem Auszubildenden übertragenen Aufgaben in Beziehung zu setzen sind zu ihrem Beitrag zur Erreichung des Ausbildungsziels. Zugleich betonen sie jedoch, dass es sich lediglich um eine »Soll-Vorschrift« und nicht um eine »Muss-Vorschrift« handelt (Storsberg et al. 2006, S. 97). Dielmann zitiert hierzu ein interessantes Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe: »Dem Ausbildungszweck dienende Aufgaben liegen vor, wenn diese geeignet sind, den Ausbildungszweck unmittelbar oder mittelbar zu fördern. Der Kreis der zulässigen Verrichtungen darf nicht zu eng gezogen werden. Eine an sich zulässige Verrichtung kann danach von dem Zeitpunkt ab unzulässig werden, von dem ab sie keine weiteren beruflichen Fertigkeiten oder Kenntnisse mehr vermittelt. Die Grenze zwischen erlaubt und unerlaubt liegt dort, wo die berufsnotwendigen Fertigkeiten bereits hinreichend gegeben sind und der Einsatz bei bestimmten Verrichtungen dem Mangel entsprechend qualifizierter Arbeitnehmer/-innen abhelfen soll.« (Dielmann 2013, S. 143)

Zugleich ist unter einer »sachlichen Gliederung« der Ausbildung sicherlich zu verstehen, dass praktische Einsätze in theoretischen Unterrichtsstunden vorbereitet werden sollten. Wünschenswert wäre, dass es neben dem Curriculum für die theoretische Ausbildung auch einen Lehrplan für die praktische Ausbildung gäbe. In § 2 Abs. 1 der KrPflAPrV wird betont, dass während der praktischen Ausbildungsphasen »Gelegenheit zu geben [ist], die im Unterricht erworbenen Kenntnisse zu vertiefen und zu lernen, sie bei der späteren beruflichen Tätigkeit anzuwenden«. Wieviel »Gelegenheit« zur Vertiefung und zum Lernen überhaupt gegeben werden sollte, ist eine pflegepädagogisch relevante Frage, auf die allerdings keine Antwort gegeben wird. Auch bleibt offen, wie die entsprechenden Lernphasen gestaltet werden sollten.

Außerdem wird in § 2 Abs. 2 KrPflAPrV ausdrücklich auf das Prinzip der Praxisorientierung verwiesen. Insbesondere der praktische Unterricht, der in der Regel im Demonstrationsraum der Schule stattfindet, soll eine gründliche Vorbereitung auf die Einsätze im Rahmen der praktischen Ausbildung durch die Lehrenden der Schule erbringen. Sodann wird in Absatz 2 des § 2 KrPflAPrV die Forderung nach Praxisanleitung erhoben. In den Einrichtungen, in denen die praktische Ausbildung stattfindet, muss gewährleistet sein, dass es eine ausreichende Zahl geeigneter Fachkräfte gibt, welche die Auszubildenden »schrittweise an die eigenständige Wahrnehmung der beruflichen Aufgaben« heranführt und Kontakt zur Schule hält. Die Eignung wird an eine abgeschlossene Ausbildung plus Berufserfahrung und eine Zusatzqualifikation im Umfang von mindestens 200 Stunden gebunden.

Storsberg et al. heben hervor, dass es bezüglich der Praxisorientierung eine deutliche Dominanz der Schule gibt, die im Rahmen der Praxisbegleitung die Mitarbeiter/-innen in der Praxis beraten soll. »Während des klinisch-praktischen Teils der Ausbildung sind die mit der Ausbildung befassten Pflegefachkräfte […] Organe der Krankenpflegeschule und in allen die klinisch-praktische Ausbildung betreffenden Fragen den Weisungen der Schule unterstellt.« (Storsberg et al. 2006, S. 96)

Bezüglich der Quantität der Praxisanleitung gibt es keine gesetzlichen Vorschriften. Mehrere Bundesländer haben allerdings auf dem Verordnungsweg eine »10-Prozent-Regelung« verbindlich gemacht. »Demnach sind von den vorgeschriebenen mindestens 2.500 Stunden praktischer Ausbildung 10 Prozent als dezidierte Anleitungszeit zu gestalten und zu dokumentieren.« (Quernheim & Keller 2013, S. 292)

Absatz 3 von § 2 der KrPflAPrV regelt schließlich die Praxisbegleitung der Auszubildenden in den Zeiten der praktischen Ausbildung durch die Lehrenden der Krankenpflegeschule. Ihre Aufgabe ist es, »die Schülerinnen und Schüler in den Einrichtungen zu betreuen und die für die Praxisanleitung zuständigen Fachkräfte zu beraten.« Und der Gesetzgeber fügt hinzu: »Dies ist auch durch regelmäßige persönliche Anwesenheit in den Einrichtungen zu gewährleisten.« Weitere pflegepädagogische Ansprüche (vgl. Radke 2008) werden nicht erhoben.

Einen verbindlichen Ausbildungs-Rahmenplan gibt die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung nicht vor. In Anlage 1 Teil B der KrPflAPrV werden lediglich sehr allgemein die Bereiche genannt, in denen die praktische Ausbildung erfolgen soll ( Tab. 1.1).

Tab. 1.1: Bereiche der praktischen Ausbildung nach Anlage 1 Teil B der KrPflAPrV

B. Praktische AusbildungStundenzahl

In § 1 Abs. 1 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Berufe in der Krankenpflege taucht (endlich) explizit die Kinderkrankenpflege auf, die ansonsten im Krankenpflegegesetz vernachlässigt wird. Hier gibt es allgemeine Regelungen bezüglich der Gestaltung eines Differenzierungsbereichs im Umfang von 1.200 Stunden für die Gesundheits- und Kinderkrankenpflege. Demnach müssen bei Durchführung einer spezifischen oder integrierten Kinderkrankenpflege-Ausbildung 500 der theoretischen Unterrichtsstunden spezifisch der Kinderkrankenpflege gewidmet sein, 200 Stunden können – nach Maßgabe der Schule – differenziert unterrichtet werden. Für die praktische Ausbildung sind 700 Stunden Einsätze in Bereichen der Kinderkrankenpflege verbindlich; außerdem stehen 500 Stunden zur Verteilung gemäß Vorgaben des Trägers (oder der Schule?) an.

Hier ist ein deutlicher Spielraum zu erkennen (vgl. Storsberg et al. 2006, S. 128).

Das ebenfalls 2003 verabschiedete Altenpflegegesetz ist strukturell ähnlich gestaltet wie das Krankenpflegegesetz. Das Gesetz regelt das Führen der Berufsbezeichnungen »Altenpflegerin« oder »Altenpfleger«, enthält also keine Vorbehaltsaufgaben.

Das Ausbildungsziel wird in § 3 deutlich konventioneller gefasst als in der Gesundheits- und Krankenpflege: »Die Ausbildung in der Altenpflege soll die Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten vermitteln, die zur selbständigen und eigenverantwortlichen Pflege einschließlich der Beratung, Begleitung und Betreuung alter Menschen erforderlich sind.« Anschließend folgt eine Auflistung von verschiedenen Tätigkeitsbereichen. Hier sei nur genannt: »die sach- und fachkundige, den allgemein anerkannten pflegewissenschaftlichen, insbesondere medizinisch-pflegerischen Erkenntnissen entsprechende, umfassende und geplante Pflege.« Aus verfassungsrechtlichen Gründen musste hier offensichtlich eine medizinisch-pflegerische Akzentuierung erfolgen, auf einen Bezug auf Erkenntnisse der modernen Gerontologie wird verzichtet (vgl. Sahmel 2015, S. 114 ff.; Riedel 2007).

Die Ausbildung dauert (in der Regel) drei Jahre. Der theoretische und praktische Unterricht (2.100 Stunden) findet in Altenpflegeschulen statt, die praktische Ausbildung (2.500 Stunden) in Heimen oder ambulanten Pflegeeinrichtungen sowie in kleineren Abschnitten in spezifischen geriatrischen und gerontopsychiatrischen Pflegeeinrichtungen. »Die Gesamtverantwortung für die Ausbildung trägt die Altenpflegeschule, es sei denn, sie wird durch Landesrecht einer anderen Einrichtung übertragen.« (AltPflG § 4 Nr. 4) In der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung werden differenzierte Angaben gemacht zur Gliederung der praktischen Ausbildung und zu den – interessanterweise »Lernfelder« genannten (§ 11 Abs 1 AltPflAPrV) – Inhalten des theoretischen Unterrichts. Es gibt Praxisbegleitung durch die Schule und Praxisanleitung in den Einrichtungen der praktischen Ausbildung. Allerdings gibt es einen (pflegepädagogisch interessanten) Unterschied zur Gesundheits- und Krankenpflege: Gemäß § 2 Abs. 3 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung sind die Praxisbesuche durch die Lehrenden der Altenpflegeschulen zugleich auch mit der Beurteilung der Auszubildenden verbunden.

Nach langen intensiven Diskussionen wurde nun die Pflegeausbildung auf eine neue gesetzliche Basis gestellt. Der Bundesrat hat dem vom Deutschen Bundestag am 22. Juni 2017 verabschiedeten Gesetz zur Reform der Pflegeberufe zugestimmt. »Das Gesetz über die Pflegeberufe (Pflegeberufegesetz – PflBG) ist als Art. 1 des Gesetzes zur Reform der Pflegeberufe (Pflegeberufereformgesetz – PflBRefG) vom 17. Juli 2017 (BGBl 1 S. 2581) verkündet worden.« (Igl 2018, S. 59). Damit ist ein langer Prozess (vgl. Sahmel 2015, S. 344 ff.) zu einem vorläufigen Abschluss gekommen.

»Durch die Zusammenführung der bisherigen im Altenpflegegesetz und im Krankenpflegegesetz nach Altersgruppen getrennt geregelten Pflegeausbildungen zu einer gemeinsamen generalistischen Pflegeausbildung wird ein neues einheitliches Berufsbild ›Pflege‹ geschaffen, das sich mit einem eigenen beruflichen Selbstverständnis neben den anderen Gesundheitsfachberufen behauptet und die berufsständische Identifikation stärkt. Durch die Modernisierung der Ausbildung werden deren Qualität und damit im Ergebnis die Qualität der pflegerischen Versorgung verbessert. Der neue Pflegeberuf bietet bundesweit mehr und vielfältigere wohnortnahe Ausbildungs- und Beschäftigungsmöglichkeiten; ein Wechsel zwischen den einzelnen Pflegebereichen eröffnet zusätzliche Einsatz- und Aufstiegsmöglichkeiten.« (Weiß et al. 2018, S. 90) So der hohe Anspruch am Anfang des Gesetzgebungsverfahrens. Allerdings haben sich im Verlaufe der Debatte (vgl. Sahmel 2014; Sahmel 2016) nicht die Befürworter einer durchgängigen generalistischen Ausbildung durchgesetzt, sondern es ist zu einem Kompromiss gekommen, der sicherlich auch weiterhin zu berufspolitischen Diskussionen führen wird. Wie in Teil 5 des Gesetzes (§§ 58–61) geregelt, kann – zumindest auf absehbare Zeit – neben der generalistischen Form der Ausbildung (mit Schwerpunktsetzung) auch eine spezifische Altenpflegeausbildung und eine spezifische Kinderkrankenpflegeausbildung (jeweils auf generalistischer Grundlage) durchgeführt werden. Nach einigen Jahren muss evaluiert werden, ob diese Ausbildungsformen sich (quantitativ) bewährt haben; danach kommt es zu einer endgültigen Entscheidung über ihr Weiterbestehen oder ihre Abschaffung (§ 62 Pflegeberufegesetz). Der neoliberalistische Grundgedanke der Konkurrenz feiert in diesem Kompromiss Urständ.

Prinzipiell kommt es durch das neue Gesetz zu einer Aufwertung des Pflegeberufs, der nunmehr mit der Berufsbezeichnung »Pflegefachkraft« abgeschlossen wird, da erstmals in der Entwicklung des Pflegeberufs (vgl. Sahmel 2015, S. 88 ff.) Vorbehaltsaufgaben festgeschrieben werden.

Gemäß § 4 Absatz 2 PflBG umfassen originär pflegerische Aufgaben

1.  »die Erhebung und Feststellung des individuellen Pflegebedarfs […],

2.  die Organisation, Gestaltung und Steuerung des Pflegeprozesses […] sowie

3.  die Analyse, Evaluation, Sicherung und Entwicklung der Qualität der Pflege«.

»Diese Vorschrift ist eine der wichtigsten Neuerungen, weil sie in klar abgegrenzten Bereichen die Eigenständigkeit der Profession Pflege bestimmt. Erstmalig wird in der Gesetzgebung der pflegerischen Berufe das Tätigkeitsfeld der Pflegenden klar definiert und damit vor dem Fremdzugriff anderer Personen/Berufsgruppen geschützt, wie zuvor schon etwa bei den Hebammen.« (Weiß et al. 2018, S. 131) Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass »die Durchführung der Pflege an sich, also eigentlich die Kerntätigkeit nicht aufgeführt wird, (sodass) […] pflegerische Tätigkeiten auch weiterhin von Hilfs- und Assistenzkräften sowie anderen Berufsgruppenmitgliedern ausgeübt werden« können (Weiß et al. 2018, S. 132).

In § 5 Abs. 3 des Gesetzes werden die vorbehaltenen Aufgaben erneut herausgestellt als besondere Befähigungen der Pflegefachkraft, ergänzt unter anderem um

•  präventive und rehabilitative Aufgaben,

•  Beratung, Anleitung und Unterstützung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen,

•  Einleitung lebenserhaltender Sofortmaßnahmen bis zum Eintreffen eines Arztes und

•  »Anleitung, Beratung und Unterstützung von anderen Berufsgruppen und Ehrenamtlichen in den jeweiligen Pflegekontexten sowie Mitwirkung an der praktischen Ausbildung von Angehörigen von Gesundheitsberufen«.

Hier nun also werden Pflegefachkräfte explizit zu wichtigen Bezugspersonen der praktischen Ausbildung – ein Aspekt, der sicherlich seinen Widerhall auch in den Inhalten der theoretischen Ausbildung finden sollte.

Ansonsten enthält § 5 PflBG das Ziel der Ausbildung zur Pflegefachkraft, das gegenüber den oben aufgeführten Bestimmungen des § 3 des älteren Krankenpflegegesetzes erweitert worden ist:

•  Die Ausbildung ist kompetenzorientiert, allerdings sollen nicht mehr nur die von der Kultusministerkonferenz vorgeschlagenen fachlichen, methodischen, sozialen und personalen Kompetenzen (vgl. Gnahs 2007; Sahmel 2009) gefördert werden, sondern auch noch interkulturelle und kommunikative Kompetenzen sowie die Fähigkeit zum Wissenstransfer und zur Selbstreflexion.

•  Die »selbstständige, umfassende und prozessorientierte Pflege« bezieht sich auf Personen aller Altersstufen in allen Pflegesituationen, deren kultureller, sozialer und religiöser Hintergrund zu respektieren und deren Selbstständigkeit und Recht auf Selbstbestimmung stets zu beachten sind.

•  Diese Pflege soll »entsprechend dem allgemein anerkannten Stand pflegewissenschaftlicher, medizinischer und weiterer bezugswissenschaftlicher Erkenntnisse« vermittelt werden und aufbauen auf der Grundlage einer »professionellen Ethik«.

•  Pflegepädagogisch wichtig ist, dass die Ausbildung als Bestandteil eines Prozesses lebenslangen Lernens hervorgehoben wird, innerhalb dessen die eigene berufliche Biographie entwickelt wird.

So anspruchsvoll diese Zielsetzungen vom Gesetzgeber formuliert worden sind, so muss doch verwundert herausgestellt werden, dass zum praktischen Teil der Ausbildung, für den diese Ziele uneingeschränkt Gültigkeit haben, kaum über die bisherigen Bestimmungen hinausgehende Aussagen gemacht werden. Für die praktische Ausbildung ergibt sich die Herausforderung, dass diese Aufgaben Kernbestand der praktischen Ausbildung sein müssen, da sie nach der dreijährigen Ausbildung geprüft werden und insgesamt die Professionalität der Pflegefachkraft ausmachen.

Der Deutsche Bundestag hat am 28. Juni 2018 der vom Bundesministerium für Gesundheit (am 13.6.) vorgelegten »Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Pflegeberufe« zugestimmt, in der einige wesentliche Punkte des Gesetzes genauer geregelt werden. Der Bundesrat hat dem am 21.9.2018 ebenfalls zugestimmt, allerdings mit einer bemerkenswerten Einschränkung: Die (in Anlage 4) beschriebenen Kompetenzen von Altenpflegerinnen und Altenpflegern werden als Herabstufung dieser Auszubildendengruppe angesehen und es wird empfohlen, »die einseitige Absenkung des Niveaus der Altenpflegeausbildung in der Pflegeberufe-Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (PflAPrV) zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufzuheben.« (Bundesrat 21.9.2018 Empfehlungen Punkt 5)

Im Folgenden werden die Ausführungen zur praktischen Ausbildung im Gesetz und in der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung gemeinsam vorgestellt und erörtert.

Gleich zu Beginn der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung konkretisiert der Gesetzgeber die zentrale Zielsetzung der »Kompetenzorientierung« folgendermaßen:

»Basierend auf dem durch das Pflegeberufegesetz definierten Ausbildungsziel sieht die Verordnung entsprechend modernen berufspädagogischen Konzepten anstelle der bisherigen Themenbereiche beziehungsweise Lernfelder in den Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen der Alten- und der Krankenpflege Kompetenzbereiche vor, die im Sinne der so beschriebenen Handlungsorientierung der weiteren Ausgestaltung durch die Rahmenlehrpläne oder -Ausbildungspläne nach § 53 Absatz 1 PflBG beziehungsweise durch entsprechende Länderregelungen bis hin zu den schulinternen Curricula zugänglich und bedürftig sind. Die Absolventinnen und Absolventen sollen dazu befähigt werden, fachbezogenes und fachübergreifendes Wissen zu verknüpfen, zu vertiefen, kritisch zu prüfen sowie in Handlungszusammenhängen anzuwenden und somit alle anfallenden Aufgaben des Berufsbildes zielorientiert, sachgerecht, methodengeleitet und selbständig zu lösen und das Ergebnis zu beurteilen.« (Gesetzentwurf PflBRefG 2017, S. 88)

Diese hohen Zielsetzungen gelten auch für die praktische Ausbildung. So heißt es in § 3 der PflAPrV: »Während der praktischen Ausbildung […] sind die Kompetenzen zu vermitteln, die zur Erreichung des Ausbildungsziels nach § 5 des Pflegeberufegesetzes erforderlich sind. Die Auszubildenden werden befähigt, die im Unterricht und in der praktischen Ausbildung erworbenen Kompetenzen aufeinander zu beziehen, miteinander zu verbinden und weiterzuentwickeln.« In der Begründung wird konkretisiert: »Im Rahmen der praktischen Ausbildung ist sicherzustellen, dass die Auszubildenden Gelegenheit haben, die im theoretischen und praktischen Unterricht erworbenen Kompetenzen einzuüben und zu vertiefen, um so die erforderlichen praktischen Fertigkeiten zu entwickeln, die sie zur Pflege von Menschen aller Altersgruppen in den verschiedenen Pflegebereichen befähigen. Die Inhalte des theoretischen und praktischen Unterrichts fließen dabei in die praktische Ausbildung ein und dienen als Grundlage dazu, die für die Berufsausübung notwendigen Handlungskompetenzen zu entwickeln.« (Verordnung PflAPrV 2018, S. 90)

Die Konkretisierung der Kompetenzen erfolgt in den Anlagen der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung:

•  für die generalistischen Kompetenzen in den ersten beiden Ausbildungsjahren in Anlage 1,

•  für die generalistische Ausbildung insgesamt in Anlage 2,

•  für die Kinderkrankenpflege in Anlage 3,

•  für die Altenpflege in Anlage 4,

•  für die hochschulische Ausbildung in Anlage 5.

In § 9 des Gesetzes findet sich die Vorgabe, dass Verträge über die Kooperation zwischen Schule und Praxiseinrichtungen abzuschließen sind. Zu den gesetzlich vorgesehenen Kooperationsverträgen findet sich in der Begründung von § 8 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung eine berufspädagogisch interessante Formulierung zur Notwendigkeit der Lernortkooperation: »Die neue Pflegeausbildung erfordert eine enge Zusammenarbeit der Pflegeschule, des Trägers der praktischen Ausbildung sowie der weiteren an der Ausbildung beteiligten Einrichtungen. Um diese Zusammenarbeit abzusichern, erfolgreich und arbeitsteilig zu gestalten, schließen die Beteiligten nach § 6 Absatz 4 PflBG Kooperationsverträge. Hiermit wird im Interesse der Auszubildenden ein fortlaufender und systematischer Austausch zwischen allen an der Ausbildung beteiligten Akteuren sichergestellt.« (Verordnung PflAPrV 2018, S. 94 f.)

Dieser Vertrag muss (§ 6(3) KrAPrV) einen Ausbildungsplan umfassen, gemäß dem die Ausbildung »zeitlich und sachlich gegliedert so durchgeführt werden kann, dass das Ausbildungsziel in der vorgesehenen Zeit erreicht werden kann«. Der Ausbildungsplan muss sich jedoch nicht an einem verbindlichen Ausbildungsrahmenplan orientieren, im Gegensatz zum Curriculum für die theoretischen Ausbildungsanteile, das von einer Kommission gemäß § 53 entwickelt wird und eine entsprechend höhere Verbindlichkeit besitzt (vgl. Igl 2018, S. 105).

Im Verlaufe der Diskussion wurde kritisiert, dass der Begriff »Ausbildungsplan« »grundlegend eine getrennte betriebliche und schulische Verantwortung [impliziert]. Unabdingbar ist aber eine Vernetzung der thematischen wie auch der praktischen Ausbildungsinhalte. Ob in den Praxiseinrichtungen überall die pädagogische Kompetenz für eine solche Aufgabe vorhanden ist, kann bezweifelt werden. Darüber hinaus stellt der Ausbildungsplan gerade für kleine und mittlere Betriebe einen großen Aufwand dar, da sie eine Reihe von Kooperationen vereinbaren und pflegen müssen, um die gesetzlich vorgeschriebenen Einsätze zu gewährleisten.« (Weiß et al. 2018, S. 143)

Der Praxisanleitung wird vom Gesetzgeber große Bedeutung zugesprochen, sie soll einen Anteil von 10 % der (jeweiligen) praktischen Ausbildungszeit ausmachen. Dass 90 % der praktischen Zeiten damit ungeregelt bleiben, sollte erwähnt werden. Auch die Praxisbegleitung wird nur allgemein als notwendig erklärt. Dennoch betont der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung: »Wesentliche Bestandteile der praktischen Ausbildung und damit Garanten einer qualitätsvollen Ausbildung sind die Praxisanleitung in den Einrichtungen und die Praxisbegleitung durch die Pflegeschule. Die Auszubildenden werden durch Beschäftigte in den Einrichtungen, die die Funktion als Praxisanleiterinnen und Praxisanleiter übernehmen, vor Ort in die pflegerischen Aufgaben und Tätigkeiten schrittweise anhand des Ausbildungsplans eingewiesen und angeleitet. Der Praxisanleitung kommt damit eine wesentliche Rolle beim Erwerb der nach diesem Gesetz beschriebenen Kompetenzen zu und unterstreicht den Ausbildungscharakter der praktischen Ausbildungseinheiten. Mit der Reform der Pflegeberufe wird eine Aufwertung der Praxisanleitung angestrebt. Es ist gesetzlich vorgegeben, dass die Praxisanleitung mindestens zehn Prozent der auf den jeweiligen Einsatz entfallenden praktischen Ausbildungszeit umfasst. Die Pflegeschule unterstützt die praktische Ausbildung durch die von ihr zu gewährleistende Praxisbegleitung vor Ort in angemessenem Umfang.« (Gesetzentwurf PflBRefG 2017, S. 68)

Zur Praxisanleitung wird in § 4 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung konkretisiert: »Aufgabe der Praxisanleitung ist es, die Auszubildenden schrittweise an die Wahrnehmung der beruflichen Aufgaben als Pflegefachfrau oder Pflegefachmann heranzuführen, zum Führen des Ausbildungsnachweises nach § 3 Absatz 5 anzuhalten und die Verbindung mit der Pflegeschule zu halten.« Ergänzend wird in der Begründung angeführt: »Die Praxisanleitung soll die Auszubildenden schrittweise an die Wahrnehmung der in § 5 Absatz 3 PflBG beschriebenen Aufgaben heranführen. Dies beinhaltet insbesondere die Vermittlung der selbständigen und eigenständigen Ausführung der Aufgaben und die Vermittlung des effektiven Zusammenarbeitens. Außerdem sollen die Auszubildenden auch zur Führung des Ausbildungsnachweises angehalten werden.« (Verordnung PflAPrV 2018, S. 92)

Die Qualifikationsanforderungen an Praxisanleiter werden gegenüber der Regelung von 2003 deutlich erhöht: »Die Befähigung zur Praxisanleiterin oder zum Praxisanleiter ist durch eine berufspädagogische Zusatzqualifikation im Umfang von mindestens 300 Stunden und kontinuierliche, insbesondere berufspädagogische Fortbildung im Umfang von mindestens 24 Stunden jährlich gegenüber der zuständigen Behörde nachzuweisen.« (§ 4 Abs. 3 PflAPrV) Der Gesetzgeber hat sogar erkannt, dass es einer deutlich höheren Anerkennung der Tätigkeit einer Praxisanleiterin/eines Praxisanleiters bedarf (hier zunächst in finanzieller Form): »Der Bedarf an Praxisanleiterinnen und Praxisanleitern wird künftig bundesweit weiter zunehmen. Es ist daher wichtig, die Tätigkeit als Praxisanleiterin oder als Praxisanleiter attraktiv zu gestalten. Den Ländern steht die Möglichkeit offen, für als Praxisanleiterinnen und Praxisanleiter tätige Pflegefachkräfte finanzielle Aufschläge zu gewähren oder eine höhere Einstufung beim Grundgehalt vorzunehmen.« (Verordnung PflAPrV 2018; S. 92)

Die Praxisbegleitung durch die Lehrenden der Schule (geregelt in § 5 des Gesetzes) hat weiterhin nur in »angemessenem Umfang« zu erfolgen. Immerhin wird konkretisiert: »Im Rahmen der Praxisbegleitung soll für jede Auszubildende oder für jeden Auszubildenden […] mindestens ein Besuch einer Lehrkraft je Orientierungseinsatz, Pflichteinsatz und Vertiefungseinsatz in der jeweiligen Einrichtung erfolgen.« (PflBerG § 5)

In § 7 PflBerG werden die praktischen Einsatzorte allgemein genannt. So müssen im Rahmen der generalistischen Ausbildung

•  Pflichteinsätze in der allgemeinen Akutpflege (Krankenhaus), in der allgemeinen Langzeitpflege (Altenpflegeheim) und in ambulanten Pflegeeinrichtungen absolviert werden.

•  Daneben sind Pflichteinsätze in speziellen Bereichen vorgesehen:

–  in Einrichtungen der pädiatrischen Versorgung und in

–  psychiatrischen Pflegeeinrichtungen (für Kinder und Jugendliche, Erwachsene und alte Menschen).

•  Weiterhin gibt es Vertiefungseinsätze, die in der Regel beim Träger der Ausbildung absolviert werden.

Näheres über die Einsätze und insbesondere über die Eignung der vorgesehenen Praxisstellen regelt die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung (gemäß § 56).

In Anlage 7 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung werden die Stundenanteile der praktischen Ausbildung festgesetzt ( Tab. 1.2).

Tab. 1.2: Stundenanteile der praktischen Ausbildung nach Anlage 7 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung

Erstes und zweites AusbildungsjahrStundenzahl

Wer trägt nun die Verantwortung für die praktische Ausbildung? Wieder hat der Gesetzgeber hier keine eindeutige Regelung getroffen. Die Pflegeschule trägt gemäß § 10 Abs. 1 des Gesetzes nur noch die Gesamtverantwortung für die Koordination des Unterrichts mit der praktischen Ausbildung. Im Krankenpflegegesetz war diese verbunden mit der Verantwortung für die Organisation der praktischen Ausbildung, die beim Träger liegt. Um die angestrebte (und gerade in der generalistischen Ausbildung unerlässliche) Verknüpfung der theoretischen Inhalte mit den praktischen Einsätzen zu gewährleisten, hat der Gesetzgeber (in § 10 Abs. 2 PflBerG) das Führen eines Ausbildungsnachweises gemäß Ausbildungsplan eingeführt, der seitens der Pflegeschule überprüft wird. Hierzu noch einmal die Gesetzesbegründung: »Die Pflegeschule ist auch während der praktischen Ausbildung Ansprechpartnerin für die Auszubildenden. Sie hält zu den Auszubildenden Kontakt über die von ihr zu gewährleistende Praxisbegleitung. Sie ist Vermittlerin, falls Schwierigkeiten bei der Durchführung der praktischen Ausbildung entstehen. Sie überprüft anhand des Ausbildungsnachweises der oder des Auszubildenden, ob die praktische Ausbildung auf der Grundlage des Ausbildungsplans durchgeführt wird. Wird die praktische Ausbildung nicht anhand des Ausbildungsplans durchgeführt, hat die Pflegeschule unterschiedliche Möglichkeiten der Handhabe. Besteht Trägeridentität mit dem Träger der praktischen Ausbildung, sind innerorganisatorische Maßnahmen zu ergreifen. Hat die Pflegeschule mit dem Träger der praktischen Ausbildung […} einen Vertrag geschlossen, sollte dieser die Konsequenzen im Innenverhältnis regeln. Sind an der praktischen Ausbildung weitere Einrichtungen beteiligt, sind auch diese nach Maßgabe des § 6 Absatz 4 über Kooperationsverträge mit der Pflegeschule verbunden. Primärer Ansprechpartner für die Pflegeschule wird allerdings in der Regel der Träger der praktischen Ausbildung sein, da dieser die Verantwortung für die Durchführung der praktischen Ausbildung trägt. Bei Durchführung der Praxisbegleitung wird die Pflegeschule durch die an der Ausbildung beteiligten Einrichtungen unterstützt. Hierzu gehört insbesondere, dass die Einrichtungen den Lehrkräften der Pflegeschulen, die die Praxisbegleitung wahrnehmen, Zugang gewähren.« (Gesetzentwurf PflBerRefG 2017, S. 72)

Analog gelten diese Regelungen auch für die im Gesetz ebenfalls geregelten Ausbildungen

•  an der Hochschule (§ 38 Abs. 3),

•  der Kinderkrankenpflege (§ 60 Abs. 2) und

•  der Altenpflege (§ 61 Abs. 2).

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass der Gesetzgeber im neuen Pflegeberufegesetz eine Reihe von hohen Ansprüchen formuliert hat, sowohl in Bezug auf die Zielsetzungen, die für die schulische wie die praktischen Ausbildung Gültigkeit haben, als auch auf die Forderung nach Lernortkooperation durch Verträge, Ausbildungspläne und die Verknüpfung von Theorie und Praxis. Auch die Betonung der Notwendigkeit von Praxisanleitung in den Einrichtungen und Praxisbegleitung durch die Lehrenden der Schule lassen sich als Qualitätsmerkmale hervorheben. Allerdings gibt es genau an diesen Stellen Zweifel, ob die Ansprüche erfüllt werden können. Wie auch insgesamt Zweifel erlaubt sind, ob die Ansprüche an eine generalistische Ausbildung in der Pflege durch die Ausbildungsreform erfüllt worden sind (vgl. Dielmann 2019, S. 45 ff.).

1.2       Empirische Untersuchungen zur praktischen Pflegeausbildung

Es gibt seit vielen Jahren eine Reihe empirischer Untersuchungen zum Feld der praktischen Ausbildung, die massive pflegepädagogische Defizite belegen (vgl. Sahmel 2015, S. 298 ff.).

Hier soll nur auf zwei ältere Untersuchungen hingewiesen werden, da sie meiner Meinung nach immer noch aktuell sind.

Sowohl eine Fragebogenstudie, als auch Interviews mit Auszubildenden und examiniertem Pflegepersonal haben Jung und Stähling 1998 in zwei Kliniken durchgeführt. Auch wenn diese Untersuchung nicht als repräsentativ gelten kann, werfen ihre Ergebnisse doch ein signifikantes Licht auf die Situation der praktischen Ausbildung. Hier nur einige ausgewählte Ergebnisse ( Kasten 1.1).

Kasten 1.1: Ergebnisse einer Untersuchung zur Situation der praktischen Ausbildung

Ergebnisse der Befragung des examinierten Pflegepersonals:

Haben sie ausreichend Zeit zur Schüleranleitung?

71 %: Nein (Jung & Stähling 1998, S. 81)

Werden auf ihrer Station Schüler benötigt?

88 %: Ja (Jung & Stähling 1998, S. 85)

Wann findet auf ihrer Station praktische Anleitung statt?

 

Klinik A:

65 %: wenn Zeit ist

Klinik B:

91 %: wenn Zeit ist (Mehrfachnennungen waren möglich)(Jung & Stähling 1998, S. 93)

Ergebnisse Schülerbefragung:

Fand zu Beginn ihres letzten Stationseinsatzes ein Vorgespräch mit den Krankenschwestern/Pflegern der Station statt?

41 %: Nein (Jung & Stähling 1998, S. 113)

Wurden Sie zu Beginn ihres letzten pratkischen Einsatzes über das Lernangebot der Station informiert?

23 % Nein20 %: eher nein (Jung & Stähling 1998, S. 162)

In ihrer differenzierten Diskussion der Ergebnisse stellen Jung und Stähling folgende Faktoren heraus: »Zu den Zeitressourcen für die praktische Anleitung der Schülerinnen geben zusammengefasst 71 % der befragten Krankenschwestern/Krankenpfleger an, nicht ausreichend Zeit zu haben […]. Praktische Anleitung findet nach den Angaben der Krankenschwestern und der Krankenpfleger überwiegend dann statt, wenn Zeit vorhanden ist und auf Nachfrage der Schülerinnen« (Jung & Stähling 1998, S. 220 f.).

In einer 2009 an der Hochschule Ludwigshafen durchgeführten Untersuchung in Baden-Württemberg haben Seeliger und Strobel einige wesentliche Aspekte zur praktischen Ausbildung herausgestellt:

•  11 % der Befragten hatten kein Vorgespräch in den praktischen Einsätzen

•  31 % hatten kein Zwischengespräch und

•  15 % kein Abschlussgespräch zu Praxiseinsätzen;

•  22 % der Befragten hatten im letzten Praxiseinsatz keine geplante Anleitung-

Wegen fehlender Anleitungen und nicht stattgehabten Gesprächen zur praktischen Ausbildung kam es bei 22 % der befragten Auszubildenden zu einem Motivationsverlust und 12 % dachten an einen Ausstieg aus der Pflege schon während der Ausbildung (vgl. Strobel & Seeliger 2009).

Nun einige Ergebnisse aus einer aktuellen empirischen Untersuchung, die den Anspruch auf Repräsentativität erheben darf.

Im ver.di-Ausbildungsreport Pflegeberufe 2015 finden sich etliche pflegepädagogisch diskussionswürdige Befunde zur praktischen Ausbildung:

•  Kontinuität der Ausbildungssituation59,7 % der Auszubildenden in der Gesundheits- und Krankenpflege und 41,9 % der Befragten in der Altenpflege sind von außerplanmäßigen Versetzungen auf andere Stationen betroffen (ver.di 2015, S. 28)

•  Ausbildungsplan und Kenntnis der LernzieleZwischen 27 % und 38 % der befragten Auszubildenden in der Altenpflege und in der Gesundheits- und Krankenpflege gaben an, keinen Ausbildungsplan bekommen zu haben;auf die Frage, ob ihnen die konkreten Lernziele in den jeweiligen Praxiseinsätzen bekannt sind, antworteten mehr als ein Drittel der Befragten mit »Nein« (15,6 %) bzw. »überwiegend Nein« (19,7 %) (ver.di 2015, S. 29)

•  PraxisanleitungEbenfalls fast ein Drittel der Befragten wurden nicht bzw. überwiegend nicht durch ausgebildete Praxisanleiter an die beruflichen Aufgaben herangeführt (ver.di 2015, S. 30)Hinzu kommt, dass Praxisanleiterinnen häufig (63,7 %) in den Stationsalltag eingebunden sind und die Praxisanleitung daher oft zu kurz kommt (ver.di 2015, S. 31).Die Auszubildenden wurden nach ihrer Einschätzung gefragt, ob die Praxisanleiter/-innen genügend Zeit für die Anleitungen bekommen. Weit mehr als die Hälfte der Befragten verneinen dies (60,1 %)« (ver.di 2015, S. 32)Während die Qualifikation der Praxisanleiterinnen überwiegend positiv bewertet wurde, fühlten sich 42,6 % der Befragten nicht oder nicht gut angeleitet bzw. auf die praktische Prüfung und die künftigen Anforderungen vorbereitet (ver.di 2015, S. 33).Entsprechend wünschen sich 82,4 % der Befragten mehr Praxisanleiterinnen (Gesundheits- und Krankenpflege: 88,6 %, Altenpflege: 75,7 %). (ve.rdi 2015, S. 33)

•  Theorie-Praxis-Verknüpfung»Nur 40 % der Befragten erleben Theorie und Praxis als gut oder überwiegend gut aufeinander abgestimmt.« (ver.di 2015, S. 42)Praxisbegleitung durch Lehrende findet zwar statt, aber nur 26,1 % der Befragten bestätigen, dass sie mindestens einmal pro Praxiseinsatz von einer Vertreterin der Schule besucht worden sind (ver.di 2015, S. 42).

•  Belastung/Überforderung23,5 % der Befragten in der Gesundheits- und Krankenpflege und 28,5 % in der Altenpflege fühlten sich durch die Ausbildungsbedingungen häufig stark belastet (ver.di 2015, S. 46).Insgesamt fühlten sich allerdings nur 12,2 % der Befragten in der Pflegeausbildung überfordert (ver.di 2015, S. 51)

Auch neuere Untersuchungen zur Situation von Praxisanleiterinnen geben keinen Anlass zu einer optimistischen Sichtweise. Zwar stellt sich die Situation für zentrale, freigestellte Praxisanleiter eher positiv dar (vgl. Baumann/Lehmann 2014), jedoch beklagen dezentrale Praxisanleiter, die in der Regel nicht für ihre pädagogische Tätigkeit freigestellt sind, in einer aktuellen quantitativen Studie vor allem eins: Zeitmangel.

»Die zu knapp befundene Zeit ist Grund dafür, seltener als gewünscht geplante Anleitungen umzusetzen und zugleich dafür, Anleitungssituationen möglichst kurz zu halten. Anleitung wurde zudem als zwischen ›Tür und Angel‹ stattfindend beschrieben und beschränkt auf das Zeigen von Einzeltätigkeiten, bei dem den Lernenden der eigentliche Pflegeprozess verborgen bleibt. Es wurde geäußert, dass kaum Zeit für ausführliche Erklärungen und für Wiederholungen zum Festigen des Gezeigten bleibt. Der Zeitfaktor ist Ursache dafür, dass wichtige Gespräche mit Lernenden zu kurz kommen. Teilweise müssen Anleitungen aufgrund von anfallender Stationsarbeit verschoben oder abgebrochen werden.« (Zimmermann /Lehmann 2014, S. 295)

Diese Ergebnisse von Befragungen zur Ausbildung müssen sicherlich in Zusammenhang gesetzt werden mit der (Selbst-Einschätzung der) allgemeinen Situation von Pflegekräften in ihrem beruflichen Alltag, da dieser ja – unabhängig von Diskursen im theoretischen Unterricht oder im Kontext der praktischen Ausbildung – von den Auszubildenden täglich erlebt wird.

Im »Pflege-Thermometer 2009« wurden vom Deutschen Institut für angewandte Pflegeforschung«/dip Ergebnisse einer Befragung von Pflegekräften zur Situation der Pflege in Krankenhäusern vorgelegt, die auch heute noch Gültigkeit besitzen dürften.

Aus der Fülle der differenzierten Ergebnisse seien hier nur einige wenige herausgegriffen.

Bezüglich der Berufsbewertung wurden folgende Angaben gemacht (dip 2009, S. 45 f.): Weit über 80 % der Befragten sind mit der Bezahlung ihrer beruflichen Tätigkeit nicht zufrieden. Zwar glauben 70 % der Befragten, ihr Fachwissen und ihre Kompetenzen in ihre Tätigkeit vollumfänglich einbringen zu können – aber eben auch 25,7 % der Befragten glauben, dies nicht tun zu können. Und während knapp mehr als die Hälfte der Befragten (53,1 %) Möglichkeiten sieht, in ihrer beruflichen Tätigkeit neue Handlungsfelder kennenzulernen, geben immerhin 33,9 % an, dies treffe nicht zu (9,4 % machen keine Angaben).

An zentraler Stelle wird eine Übersicht vorgestellt (die mehrfach in Publikationen des dip hervorgehoben wird), die eine wichtige Dimension der Ursachen für viele Probleme in Krankenhäusern offenlegt: die »Entwicklung Vollzeitkräfte im Pflegedienst in allgemeinen Krankenhäusern« (dip 2009, S. 17). Zwischen 1995 und 2012 ist in Krankenhäusern

•  die Fallzahl von Patienten um 19,15 % gestiegen,

•  die Verweildauer in Tagen um 29,38 % gesunken;

•  die Zahl der hauptamtlich beschäftigten Ärzte ist um 40,1 % gestiegen und

•  die Zahl der Vollkräfte im Pflegdienst um 11,44 % gesunken.

Ein sehr eindeutiger Indikator »für die Arbeitsverdichtung im Pflegedienst« (dip 2009, S. 17). Angesichts dieser Entwicklung sollte es überraschen, dass eine überwiegende Zahl der Pflegenden ihre Tätigkeit trotz aller Probleme eher positiv einschätzt. Auf der anderen Seite darf man sich nicht wundern, dass eine wachsende Zahl von Pflegenden ihre Tätigkeit zunehmend als belastend erlebt – und etwa durch Teilzeitbeschäftigung oder Berufsausstieg den Problemen entrinnen will.

Diejenigen, die im Beruf verbleiben, haben demgegenüber mit einer Zunahme der Probleme zu kämpfen. Die Ökonomisierung des Gesundheitswesens insgesamt wird in den folgenden Jahren eher noch weiter voranschreiten. Die angesprochene massive Intensivierung der Pflegearbeit geht mit deutlichen Trends der Technisierung einher. Diese Entwicklungen haben nunmehr gravierende Auswirkungen auf die im Gesundheitssystem beruflich Tätigen.

In einer Analyse dieser Prozesse stellt Bartholomeyczik bereits 1993 bezüglich der Arbeitsorganisation (im Krankenhaus) heraus:

»Pflegearbeit ist intensiv, mit hoher Genauigkeit, ständiger Konzentration verbunden und gleichzeitig überaus zerrissen. Die notwendige Konzentration auf eine Aufgabe wird ständig unterbrochen. Diese Zerrissenheit ist das tägliche Chaos auf der Station, bei dem die Krankenschwester gleichzeitig verschiedenen Vorgesetzten und den Anforderungen der Funktionseinheiten Rechnung tragen muß, unterschiedlichen Bedürfnissen der PatientInnen genügen möchte und von Angehörigen ebenfalls gefordert wird. Keine Arbeit kann in der erforderlichen Zeit hintereinander weg ausgeführt werden. Die ständige Hetze ist mit der Erfahrung verbunden, die Arbeit nicht in der vorgesehenen Zeit erledigen zu können. Entsprechend häufig fallen Überstunden an.« (Bartholomeyczik 1993, S. 103 f.)

Ein zweites Problem »betrifft das Defizit-Gefühl im zentralen Bereich der Pflege, nämlich nicht genügend Zeit für PatientInnen zu haben« (Bartholomeyczik 1993, S. 105). Schließlich gilt es hervorzuheben, dass Pflege »körperliche Schwerarbeit (ist). Pflege im Krankenhaus bedeutet einmal, ständig auf den Beinen zu sein, sehr viel und schnell herumzulaufen. Bedeutsamer noch wegen der gesundheitlichen Konsequenzen ist das Heben und Tragen bei der Pflege von schwer pflegebedürftigen, bettlägerigen Patientinnen.« (Bartholomeyczik 1993, S. 105)

In einer neueren Untersuchung haben Höhmann et al. 2016 herausgestellt, »dass sowohl die objektiven Arbeitsbelastungen als auch das subjektive Belastungserleben im Pflegebereich konstant bleiben und im Vergleich mit anderen Berufsgruppen überdurchschnittlich hoch sind« (Höhmann et al. 2016, 75 f.). Als relevante Belastungsfaktoren stellen die Autorinnen heraus:

•  auf der Makroebene:

–  »das Gefühl mangelnder gesellschaftlicher Anerkennung […],

–  Unzufriedenheit mit der Vergütung« und