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Die Preise lügen E-Book

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Beschreibung

Ist es nicht toll, dass wir nur noch einen Bruchteil unseres Einkommens für Lebensmittel ausgeben müssen? Alles so schön billig bei Aldi, Edeka & Co.! Doch was, wenn die Preise nur deshalb so niedrig sind, weil die Kosten abgewälzt werden – auf Umwelt, andere Länder, kommende Generationen? Oder wenn die Kosten durch die Hintertür wieder bei uns landen, weil die Ausgaben für Gesundheit steigen oder Wasser immer teurer aufbereitet werden muss? Dann ist es an der Zeit zu handeln, denn nur wenn die Folgekosten konventionell produzierter Lebensmittel sichtbar gemacht werden, ist das System wieder gerecht. Und wenn die Preise endlich die Wahrheit sagen, wäre »normal« plötzlich viel teurer als »bio«. Dann würden wir ganz automatisch das kaufen, was am besten für uns und unsere Umwelt ist. Das Buch will das Momentum der Diskussion nutzen und befeuern. Die Beiträge geben einen umfassenden Überblick über die vielfältigen Aspekte der Thematik, üben fundierte Kritik, zeigen aber auch konkrete Lösungsmöglichkeiten auf, etwa zu geeigneten Kommunikationsstrategien. Der Ökonom Volkert Engelsman gründete 1990 das Bio-Unternehmen EOSTA in Holland. Mit dem Rückverfolgungssystem »Nature & More« erreichte er weltweit Aufmerksamkeit.; aktuell betreibt er die Kampagne »Die wahren Kosten von Lebensmitteln«.

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Herausgegeben vonVolkert Engelsman und Bernward Geier
DIE PREISELÜGEN
Warum uns billige Lebensmittelteuer zu stehen kommen
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© 2018 oekom verlag MünchenGesellschaft für ökologische Kommunikation mbHWaltherstraße 29, 80337 München
Layout und Satz: Reihs Satzstudio, LohmarLektorat: Konstantin Götschel, oekom verlagKorrektorat: Maike Specht, BerlinUmschlagkonzeption: www.buero-jorge-schmidt.deUmschlaggestaltung: Elisabeth Fürnstein, oekom verlag
E-Book: SEUME Publishing Services GmbH, Erfurt
Alle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-96238-455-5
Inhalt
Vorwort
Die »Milchmädchen« sollen das Rechnen lassen!
Volkert Engelsman und Bernward Geier
Die wahren Kosten der industriellen Landwirtschaft
Vandana Shiva und Vaibhav Singh
Die Preise lügen
Leo Frühschütz
VerursacherInnen in die Verantwortung nehmen
Till Kuhn, Sabine Täuber und Karin Holm-Müller
Milliarden für sauberes Trinkwasser
Minou Yussefi-Menzler
Externe Effekte von Unternehmen bemessen: Was, warum und wie?
Pavan Sukdhev
Ein Pfund für ein Pfund. Die versteckten Kosten der britischen Nahrungsmittel
Patrick Holden
Theorie und Praxis
Tobias Bandel
Mit risikobasierten Abgaben den Pestizideinsatz und seine Folgen minimieren
Stefan Möckel
»Wahre Kosten« als Motor des Wandels in der Landwirtschaft und den Lebensmittelsystemen
David Gould
Steuern sind zum Steuern da
Minou Yussefi-Menzler und Frithjof Rittberger
Das FAO-Modell: Kostenberechnung der Nahrungsmittelproduktion
Adrian Müller
Den schlafenden Riesen wecken
Volkert Engelsman
Auf dem Weg zu ganzheitlichen Preisen: Finanzielle versus ethische Internalisierung
Christian Felber
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Die Herausgeber
Wenn wir weiter den Weg gehen, bei dem in der Wirtschaft und der Landwirtschaft nur der Gewinn zählt, wird der Lebensraum für uns Menschen endgültig zerstört. Die Schäden, die die Lebensmittelproduktion unserem Lebensraum zufügt, gilt es jetzt endlich in einer Vollkostenrechnung zu erfassen. Denn ein geschädigtes Ökosystem kann bei einer immer stärker wachsenden Bevölkerungszahl nicht mehr die nötigen Kapazitäten aufweisen, die wir benötigen, um alle Menschen zu ernähren.
Prinz Charles
Vorwort
Die »Milchmädchen« sollen das Rechnen lassen!
Volkert Engelsman und Bernward Geier
Schon im Studium vor bald 40 Jahren haben wir mit unseren Ökonomieprofessoren heiße Debatten über die Notwendigkeit der Internalisierung von Kosten geführt. Den Ökonomen war schon damals klar, dass gerade in der Lebensmittelproduktion viele Kosten auf den Steuersäckel des Staates, die Natur und/oder die nächste Generation abgewälzt werden. Lange Zeit sind aber auf die Diskussionen keine Taten gefolgt. Die meisten ProfessorInnen propagierten weiterhin eine Ökonomie auf Grundlage von Milchmädchenrechnungen und wurden dabei nicht ernsthaft herausgefordert. Aber dies ändert sich seit einigen Jahren rapide.
Das Thema wird inzwischen auch in den Medien und einer breiteren Öffentlichkeit debattiert. Es finden mittlerweile sogar Fachkongresse dazu statt. So haben sich im Jahr 2016 zum Thema True Cost Accounting (TCA; dt.: wahre Kostenrechnung) in den USA über 600 Menschen zusammengefunden, und im Dachverband der Biobewegung (IFOAM – Organics International) wird an einem Positionspapier gearbeitet.
Die überfällige Auseinandersetzung findet nicht nur im Biotop statt, sondern ist auch bei globalen Konzernen wie Unilever und in der Finanzwelt angekommen. So ist das World Business Council for Sustainable Development inzwischen genauso bei TCA engagiert wie die großen Beratungs- und Buchprüfungsunternehmen, etwa Ernst & Young. Große Bedeutung bekommt die »ehrliche« Ökonomie vor allem im Zusammenhang des Risikomanagements und dem Ziel nachhaltiger Unternehmensgewinne. Die vielfältigen Aktivitäten werden in der Natural and Social Capital Coalition gebündelt,
Dieses Buch bietet Informationen und Fakten für die Auseinandersetzung mit der Politik, den internationalen Gremien, der Wirtschaft und den ihnen hörigen WissenschaftlerInnen. Neben Informationen braucht es aber vor allem Initiativen zur Veränderung. Für solche liefert das Buch Ideen und Konzepte. Inspiriert von der Zeitschrift Ökologie & Landbau und ihrem Themenfokus auf »Wahren Kosten«, haben wir uns mit viel Enthusiasmus und großer Freude der Herausforderung gestellt, ein Buch herauszubringen, das Kompetenz und kreative DenkerInnen zusammenführt. Es war uns dabei ein Anliegen, dass dieses Buch als Reader gut und auch abschnittsweise zu lesen ist und dass es die weltweite Dimension des Themas aufzeigt.
Im ersten Teil des Buches finden sich analytische Texte mit einer Fülle von Fakten, die den wahren Kosten auf den Grund gehen. Im zweiten Teil kommen ExpertInnen zu Wort, die Vorschläge unterbreiten, wie wir endlich dahin kommen, dass nicht mehr die Milchmädchen die Preise errechnen, sondern die Milchbauern. Die können nämlich rechnen. Und ihre Berechnungen zeigen, dass sie unsere Milch nicht kostendeckend produzieren können. Das hat wiederum viel mit der Tatsache zu tun, dass auch im Milchsektor in großem Umfang Kosten externalisiert werden.
Wir freuen uns, wenn das Buch inspiriert und motiviert, sich in die Debatten einzumischen und vor allem zu helfen, den nötigen Druck aufzubauen. Die Politik muss endlich Verantwortung dafür übernehmen, die Rahmenbedingungen für eine »ehrliche Ökonomie« zu gestalten. Parallel dazu können wir alle schon heute mit unseren täglichen Konsumentscheidungen dazu beitragen, dass die Preisschilder auf unseren Lebensmitteln die Wahrheit abbilden, etwa indem wir biologische Lebensmittel einkaufen.
Mit der Kombination von politischem Druck und Nachfragesteuerung können wir das ambitionierte Ziel des nötigen Paradigmenwechsels erreichen. Selbst wenn es uns zunächst nur in Ansätzen gelingt, wahre Kosten zu kalkulieren, hat dies revolutionäres Potenzial. Malen Sie sich einmal aus, was passiert, wenn zum Beispiel die industrielle Tierhaltung oder die Gentechnikmonokulturen ihre Kosten in die Kalkulation einpreisen müssten: Biolebensmittel behielten dann ihren Preis, aber sie würden im Vergleich zu herkömmlichen Lebensmitteln günstiger! Erst dann wird das Ziel von 100 Prozent Biolandbau weltweit Realität werden können.
Schließlich ist es uns noch ein Herzensanliegen und keineswegs eine Pflichtübung, denen zu danken, ohne die es dieses Buch nicht gäbe. Zuallererst sind das die Autoren, die mit ihrer Fachkompetenz das Thema aus so vielen Blickwinkeln und so facettenreich reflektieren. Das schließt den faktischen Co-Autor Marin Geier ein, der die vier anspruchsvollen englischen Beiträge unserer internationalen Autoren gelungen ins Deutsche übersetzt hat. Und schließlich, aber nicht zuletzt danken wir dem oekom verlag und seinen MitarbeiterInnen für die vertrauensvolle und immer professionelle Zusammenarbeit, was namentlich für Clemens Herrmann und ganz besonders für Konstantin Götschel gilt.
Volkert Engelsman und Bernward GeierWadinxveen und Much im Dezember 2017

Die wahren Kosten der industriellen Landwirtschaft

Vandana Shiva und Vaibhav Singh
Ein industrielles Modell der Landwirtschaft, das auf Monokulturen sowie intensivem externen Input von Chemikalien und Kapital basiert, wurde in der ganzen Welt als produktiv, effizient und als zur Lösung des Hungerproblems geeignet angepriesen. In Indien wurde es unter dem Namen »Grüne Revolution« (Green Revolution) im Punjab eingeführt. Mit diesem System allerdings gehen nicht nur erhebliche Schäden an Wasser, Böden, Biodiversität und Gesundheit einher, es ist auch weniger effizient als ökologische Formen des Landbaus.
Kleine Farmen produzieren mehr Nahrung als landwirtschaftliche Großbetriebe, und 80 Prozent der konsumierten Nahrung werden auf kleinen Farmen produziert. Auf Biodiversität ausgelegte Betriebe produzieren mehr Nahrung als auf Monokultur basierende Betriebe. Diese produzieren keine Lebensmittel, sondern Rohstoffe. Daher haben wir den »Wohlstand pro Hektar«-Indikator entwickelt, der an die Stelle des »Ernteertrag pro Hektar«-Indikators treten soll. Unser Indikator berechnet die erzeugte Nahrung pro Hektar aus den diversen Outputs eines Betriebes. Dafür nutzen wir als Grundlage die biodiversitätsbasierte Produktivität einer Fläche. Der Ertragsindikator hingegen misst bloß den Warenoutput einer Monokultur.
Ökologische Farmen produzieren mehr Lebensmittel. Sie verstärken außerdem die ökologischen Funktionen eines Agroökosystems, um Biodiversität und Wasservorkommen zu bewahren, Böden zu regenerieren, Schädlinge zu regulieren und die Populationen von nützlichen Insekten und Bestäubern zu vergrößern.

Warum die wahren Kosten landwirtschaftlicher Systeme berechnet werden müssen

Prinz Charles hat einmal gesagt, dass billige Nahrung nur auf Kosten des Planeten zu bekommen sei. Weltweit werden jedes Jahr zwei Millionen Tonnen Pestizide versprüht; von diesen zwei Millionen Tonnen werden 45 Prozent in Europa eingesetzt, 25 Prozent in den Vereinigten Staaten und weitere 25 Prozent im Rest der Welt. Der indische Pestizidverbrauch beläuft sich auf 3,75 Prozent des weltweiten Verbrauchs – 75 000 Tonnen Pestizide werden hier also jährlich eingesetzt (De et al. 2014). Laut der Welternährungsorganisation Food and Agriculture Organization (FAO) bedrohen weltweit 500 000 Tonnen ungenutzter und überflüssiger Pestizide die Umwelt (zitiert in Abhilash/Singh 2009). Dabei ist bemerkenswert, dass diese überhaupt nur auf 25 Prozent des kultivierbaren Bodens zum Einsatz kommen. Betrachtet man das aggressive Marketing der agrochemischen Firmen, wird klar, dass diese transnationalen Konzerne bestrebt sind, den Pestizidverbrauch in jeder Region der Erde auf das europäische Niveau zu bringen, das heißt auf 19 Kilogramm Pestizide pro Hektar landwirtschaftlicher Fläche. Würde die ganze Welt Pestizide in dieser Größenordnung einsetzen, so stiege deren weltweiter Verbrauch von zwei auf circa 93 Millionen Tonnen.
Sollten die Agrounternehmen dieses Ziel erreichen, würden von den 93 Millionen Tonnen Pestiziden weniger als ein Prozent (oder 0,93 Tonnen) die eigentlichen Zielschädlinge treffen. Die restlichen 92 Millionen Tonnen würden das Ökosystem des Planeten sowie die Gesundheit von Pflanzen, Tieren und Menschen schädigen. Großflächiger Einsatz von Pestiziden wird mit Umweltschäden, Artensterben, Tod von Menschen und Tieren, chronischen Krankheiten bei Mensch und Tier, Luft-, Land- und Wasserverschmutzung usw. in Verbindung gebracht. Es ist daher absolut geboten, die Kosten dieser negativen Effekte für die Gesellschaft abzuschätzen.
Eine weitere Art von Agrarchemikalien mit weltweiter Anwendung sind Düngemittel. Allein in Indien wurden nur zwischen 2011 und 2012 10,4 Millionen Tonnen Düngemittel eingesetzt (FAO 2013); weltweit jährlich 338,8 Millionen Tonnen Stickstoff, 126,1 Millionen Tonnen Phosphat und 72,4 Millionen Tonnen Kaliumcarbonat (FAO 2013). Düngemittel verursachen eine Reihe von Umweltproblem wie zum Beispiel den Verlust fruchtbarer Böden, erhöhten Schädlingsbefall, Eutrophierung von Gewässern, das Entstehen von »Todeszonen« in den Ozeanen, Vergiftung durch Schwermetalle usw. All diese negativen Folgen müssen ökonomisch beziffert werden.
Nach einem Bericht der US-amerikanischen Umweltschutzbehörde USEPA (2014) ist die Landwirtschaft direkt für neun Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Allerdings muss der Beitrag des globalisierten Nahrungsmittelsystems zu den weltweiten Treibhausgasemissionen weitaus höher bemessen werden, da der Transportsektor weitere 28 Prozent verursacht und der Transport landwirtschaftlicher oder in der Landwirtschaft eingesetzter Produkte einen Großteil des Transportsektors ausmacht.
Konventionelle Landwirtschaft strebt danach, ein Maximum von 70 Pflanzen- und Tierarten anzubauen beziehungsweise zu züchten; 70 von Tausenden Arten, die angebaut beziehungsweise gezüchtet werden könnten. Diese Form der konventionellen Monokultur hat zusammen mit dem exzessiven Einsatz giftiger Pestizide und Düngemittel zu einem Verlust von Artenvielfalt und einer Erosion der genetischen Ressourcen geführt. Damit bedroht sie die Existenz von Abermillionen von Arten, die diesen Planeten bewohnen.
Die konventionelle Landwirtschaft begünstigt zudem die Entstehung von pestizidresistenten Superschädlingen und Superunkraut. Sie befördert somit einen Teufelskreis, in dem Resistenzen zu einem verstärkten Einsatz von Pesitiziden führen, die wiederum die Resistenzen verschlimmern. Erhöhte Pestizidresistenz führt außerdem zu höheren Ernteeinbußen aufgrund von Schädlingen; auch Ausbrüche von Tropenkrankheiten werden mit ihr in Verbindung gebracht. Eine ökonomische Analyse von Treibhausgasemissionen, Artenverlust und Pestizidresistenz ist daher ebenso notwendig.
Alle hier angesprochenen Phänomene beruhen entweder auf dem Vorhandensein negativer externer Effekte, die mit der konventionellen Landwirtschaft einhergehen, oder auf dem Fehlen positiver externer Effekte, wie sie die ökologische Landwirtschaft mit sich bringt.
Ein positiver externer Effekt ist dabei nicht nur von Vorteil für Produzenten oder Konsumenten, sondern für die Gesellschaft als Ganzes. Konventionelle Landwirtschaft wird damit beworben, dass sie die Ertragskraft der Landwirte wie auch der Gesamtgesellschaft steigern würde. Diese Annahme muss jedoch drastisch relativiert werden, wenn die negativen externen Effekte, die mit der konventionellen Landwirtschaft einhergehen, sowie die positiven externen Effekte, die mit der ökologischen Landwirtschaft einhergehen, mit in Betracht gezogen werden. Durch falsche Berechnungen und die Manipulation von Kosten und Erträgen haben die Befürworter der konventionellen Landwirtschaft zum Glauben beigetragen, dass die Menschen auf diesem Planeten ohne gigantische Konzerne und die Praktiken der konventionellen Landwirtschaft verhungern würden.
Tatsächlich jedoch zeichnen Agrarunternehmen und konventionelle Anbaumethoden für einen beträchtlichen Teil des Hungers und der Unterernährung auf unserem Planeten verantwortlich.

Die Kosten von Krankheiten und vorzeitigen Toden

Zwischen 1995 und 2012 haben sich in Indien 284 000 Bauern und Bäuerinnen das Leben genommen. Im Durchschnitt begehen jedes Jahr 13 000 bis 15 000 LandwirtInnen in Indien Suizid – meist aufgrund von Landverlust und Kreditwucherei. Allein im Jahr 2012 belief sich die Zahl der Selbstmorde auf 13 754.
Der Wert eines Menschenlebens wurde in den Vereinigten Staaten durch Ausarbeitung des Konzepts des »Statistischen Wertes eines Menschen« (Wikipedia 2014) berechnet. Dabei werden die vom Tod von ArbeitnehmerInnen im besten Arbeitsalter durchschnittlich verursachten Kosten auf jeweils sieben Millionen US-Dollar geschätzt. Nach diesem Maßstab verursachen die Selbstmorde von 284 000 indischen LandwirtInnen Kosten von 1,99 Billionen US-Dollar. Wenn wir davon ausgehen, dass sich im Durchschnitt jährlich 14 000 Bauern und Bäuerinnen das Leben nehmen, belaufen sich die wiederkehrenden Kosten auf 98 Milliarden US-Dollar pro Jahr.
Pestizide führen zu einer hohen Sterblichkeitsrate: Sie liegt zwischen 18 und 23 Prozent. Die höchsten Sterblichkeitsraten wurden bei Aluminiumphosphid, Endosulfan und Paraquat festgestellt. Schätzungen zufolge gibt es allein in Andhra Pradesh jährlich 5000 Fälle von tödlichen Vergiftungen durch Pestizide (Goel/Aggerwal 2007). Extrapoliert man diese Schätzungen auf das ganze Land, kommt man auf ungefähr 121 834 tödliche Pestizidvergiftungen in Indien pro Jahr. Diese 121 834 Fälle ergeben umgerechnet Kosten von 852,84 Milliarden US-Dollar.
Bei der Zahl der jährlich weltweit und regional zu konstatierenden Pestizidvergiftungen handelt es sich lediglich um eine Schätzung. Die Weltgesundheitsorganisation WHO versuchte erstmals 1973, die Zahl der weltweiten Pestizidvergiftungen zu beziffern, und kam auf 500 000 Fälle pro Jahr. Die Schätzungen wurden später korrigiert und eine Zahl von drei Millionen Fällen von Pestizidvergiftungen, die ärztlich behandelt werden mussten, genannt, von denen 220 000 tödlich endeten. Diese Schätzungen beruhen auf den Daten von Krankenhäusern, wo allerdings nur die wirklich schweren Fälle behandelt wurden. Man kann also davon ausgehen, dass zu diesen Zahlen noch einmal dieselbe Anzahl an nicht gemeldeten Fällen von weniger schwerwiegenden Vergiftungen hinzuzurechnen ist. Die WHO konstatiert, dass es auf der ganzen Welt keine Bevölkerungsgruppe gibt, die vor den schädlichen Auswirkungen von Pestiziden geschützt ist. Ein disproportional großer Anteil der Last wird jedoch von Risikogruppen und den Entwicklungsländern getragen.

Die Kosten des Bienensterbens

In den Vereinigten Staaten gibt es 2,6 Millionen Honigbienenvölker. Ein Bericht der FAO (2013) betont die wichtige Funktion der Bienenzucht für die Verbesserung und Diversifizierung von Einkommen, die Steigerung von Bestäubung und Pflanzenzucht sowie die Gesunderhaltung des Ökosystems.
Bienen sind von essenzieller Wichtigkeit für ein Drittel der Feldfrüchte. Der auf sie zurückzuführende Umsatz der US-Landwirtschaft liegt bei schätzungsweise 40 Milliarden US-Dollar jährlich (Pimentel 2005). Nach einer Schätzung D. Mayers sind 20 Prozent aller Honigbienenvölker von negativen Auswirkungen von Pestiziden betroffen (zitiert nach Pimentel 2005). Die Vereinigten Staaten verfügen über 403,45 Millionen Hektar Ackerfläche, die Anbaufläche in Indien beträgt 179,96 Millionen Hektar (FAO 2013). Die Honigproduktion in Indien liegt bei 65 000 (Kejriwal 2010), in den USA bei 67 585 Tonnen pro Jahr (The National Honey Board 2013). Diese Zahlen zeigen, dass die Honigproduktion in Indien doppelt so konzentriert ist wie in den Vereinigten Staaten. Da in Indien und in den USA vergleichbare Mengen Honig produziert werden, gehen wir davon aus, dass die Anzahl der Bienenvölker in Indien mit der in den Vereinigten Staaten vergleichbar ist, das heißt bei ungefähr 2,6 Millionen liegt. Ebenso dürften also die Verluste durch vergiftete Bienen vergleichbar sein. Diese Verluste lassen sich wie in der folgenden Tabelle dargestellt beziffern (Pimentel 2005).
Tabelle 1: Jährliche Verluste durch das Bienensterben in Indien.

Die Kosten des Vogelsterbens

Die Dichte der Vogelpopulation in den Anbaugebieten der USA liegt bei 4,4 pro Hektar (Pimentel 2005). Wenn wir annehmen, dass Indien eine vergleichbare Vogeldichte aufweist, und wir ferner annehmen, dass zehn Prozent der Vögel direkt oder indirekt durch den Einsatz von Pestiziden sterben, beträgt die Anzahl der gestorbenen Vögel landesweit schätzungsweise 79,2 Millionen. Wenn der Verlust eines gestorbenen Vogels mit 30 US-Dollar beziffert wird,1) summieren sich die Kosten des Verlustes aller aufgrund von Pestizideinsatz verendeten Vögel auf 2,38 Milliarden US-Dollar.
Pestizide können Vögel direkt durch Vergiftung töten. So haben wir das Verschwinden der Spatzen auf dem indischen Land innerhalb der letzten 20 Jahre festgestellt. Pestizide können jedoch auch indirekt den Tod von Vögeln verursachen, indem sie ihre Nahrung vergiften und ihre Lebensräume zerstören. Ungefähr 1000 verschiedene Vogelarten lassen sich in Indien finden, von denen gerade einmal fünf schädlich für Feldfrüchte und Gemüse sind (Dhindsa/Saini 1994). Eine große Artenvielfalt von Vögeln erfüllt verschiedene wichtige Funktionen in einem Ökosystem, etwa bei der Bestäubung von Pflanzen oder beim Verzehr von Aas. Doch bereits der Kontakt mit einer nicht tödlichen Dosis von Pestiziden beeinträchtigt die Artenvielfalt und verringert die Gesamtzahl der Vogelpopulation durch die Entwicklung von reproduktiven Krankheiten, Erkrankungen des Immunsystems, onkologischen Krankheiten und Geburtsdefekten.

Die Kosten von Ernteverlusten

Neuerdings gibt es Belege dafür, dass der Einsatz von Düngemitteln den Schädlingsbefall erhöht. Es wurde außerdem nachgewiesen, dass der exzessive Gebrauch von Pestiziden zur Entwicklung von Resistenzen führt, wodurch Superschädlinge entstehen. Starke Bewässerung führt zur Versalzung von Böden, und extensive Monokulturlandwirtschaft führt zu Wüstenbildung.
Die sogenannten Hochertragssorten (HES) sind aufgrund ihrer begrenzten genetischen Basis besonders anfällig für die am weitesten verbreiteten Schädlinge und Pflanzenkrankheiten. Dem Central Rice Research Institute, Cuttack, zufolge sind die meisten HES anfällig für die am meisten verbreiteten Schädlingsarten, was zu einem geschätzten Verlust von 30 bis 100 Prozent jährlich führt.
Die Reissorte PR 106, die derzeit auf 80 Prozent der Reisanbauflächen weltweit angebaut wird, wurde seit ihrer Einführung 1976 für resistent gegenüber der Stängelfäule und der Reis-Spitzkopfzikade gehalten. Mit der Zeit wurde PR 106 jedoch nicht nur gegenüber diesen anfällig, sondern ebenso gegenüber Blattfalter, Stängelbohrer und verschiedenen weiteren Schädlingsarten (vgl. Shiva 1991). 30 bis 100 Prozent Ernteverlust sind die Kosten der industriellen Landwirtschaft. Selbst wenn wir die geringe Annahme von 30 Prozent des der industriellen Landwirtschaft zugeschriebenen Ernteverlusts zugrunde legen, sind die daraus resultierenden Kosten alarmierend.
Das Bruttoinlandsprodukt von Indien betrug 2011/12 1,16 Billionen US-Dollar. Der Landwirtschaftssektor hat zum gesamten Bruttoinlandsprodukt 162,53 Milliarden US-Dollar beigetragen. Wenn wir den Multiplikatoreffekt außer Acht lassen, so reduziert der Verlust von 30 Prozent das landwirtschaftliche Bruttoinlandsprodukt um 69,66 Milliarden US-Dollar.

Die Kosten der Wasserverschmutzung

Wasser ist für das Leben auf diesem Planeten existenziell. Menschliches Leben hat keine Überlebenschance, wenn auf unserem Planeten kein frisches und sauberes Wasser mehr verfügbar ist. Einer Schätzung der Weltbank zufolge deckt das Grundwasser 80 Prozent des Wasserbedarfs auf dem Land und 50 Prozent des Wasserbedarfs in städtischen Gebieten (Kumar/Shah 2006). Wenn Grundwasser erst einmal kontaminiert ist, verbleiben die Restbestände von Pestiziden und anderen Schadstoffen dort über lange Zeit.
Verschiedene Faktoren tragen zu den verheerenden Konsequenzen bei: Nach einer Studie des Commitment to Equity Institute gibt es nur einige wenige Mikroben im Grundwasser, die Schadstoffe abbauen können. Die Grundwassereinsickerungsrate liegt bei einem Prozent pro Jahr. Grundwasser hat eine relativ niedrige Temperatur und ist nicht der Sonne ausgesetzt (vgl. Pimentel 2005).
Weltweit ist Wasserverschmutzung für den Tod von 14 000 Menschen pro Tag verantwortlich (Agrawal/Pandey/Sharma 2010). Nach Aussage des US Geological Survey können die Kosten der Überprüfung und Überwachung von Quell- und Grundwasser hinsichtlich Pestizidrückständen mit 1100 US-Dollar pro Jahr und Quelle beziffert werden. Wenn man die Inflation in den USA seit 1995 berücksichtigt, lagen die Kosten im Jahr 2013 bei 1710 US-Dollar je Quelle.
Derzeit gibt es in Indien etwa 21 bis 26 Millionen Bohrbrunnen (Thenkabail et al. 2003). Wenn wir annehmen, dass die Kosten der Wasserüberwachung in Indien genauso hoch sind wie in den Vereinigten Staaten, und wir von 24 Millionen Bohrbrunnen in Indien ausgehen, liegen die Kosten der Überprüfung und Überwachung des Quell- und Grundwassers landesweit bei 41,04 Milliarden US-Dollar. Zu diesen kommen noch die substanziellen Kosten hinzu, die durch die Reinigung kontaminierter Quellen verursacht werden.
Für 16 Millionen Quellen in den Vereinigten Staaten lagen die Kosten der Reinigung von Quellen im Jahr 1995 bei zwei Milliarden US-Dollar (Pimentel 2005). Unter Berücksichtigung der Inflation lagen die Reinigungskosten im Jahr 2013 bei 3,1 Milliarden US-Dollar. Legt man die gleichen Parameter zugrunde, würden sich die Kosten für die Reinigung kontaminierter Quellen in Indien bei 24 Millionen Quellen folglich auf 4,7 Milliarden US-Dollar belaufen. Insgesamt müssten also 45,7 Milliarden öffentlichen Geldes ausgegeben werden, um alle Quellen zu überwachen und kontaminierte Quellen zu reinigen.
Diese Summe zeigt, dass es für die Menschen in Indien unmöglich ist, ihre Wasserversorgung und -reinhaltung zu gewährleisten. Sie zeigt die Hilflosigkeit einer Gesellschaft im Umgang mit mächtigen Konzernen und unternehmensfreundlichen Regierungen. Würden diese 45,7 Milliarden US-Dollar willentlich oder aufgrund von Finanzknappheit nicht ausgegeben, würde dies für Elend in Form von Krebserkrankungen, Abtreibungen, Geburtsdefekten, geistigen Behinderungen, psychischen Krankheiten, niedriger Arbeitsproduktivität, erhöhter Arbeitsunfähigkeit, Hautkrankheiten, Hormonstörungen, chronischen Nierenkrankheiten etc. führen – dies sind die negativen externen Effekte, die durch die landesweit praktizierte großflächige konventionelle Landwirtschaft verursacht werden.

Die Kosten der Luftverschmutzung

Es gibt zahlreiche Gase, die in der Landwirtschaft ausgestoßen werden und die die Luft und die Umwelt verschmutzen. Zu diesen Gasen zählen Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Stickstoffoxid (N2O) und Ammoniak (NH3). CO2, CH4 und N2O tragen zur Erderwärmung bei, N2O zersetzt die Ozonschicht, und NH3