Die Reise zur grünen Fee - Lars Gebhardt - E-Book

Die Reise zur grünen Fee E-Book

Lars Gebhardt

4,9

Beschreibung

Es sollte eine gewöhnliche Städtereise nach Prag werden, um ein wenig Abstand vom Alltag in Hamburg zu gewinnen. Doch kaum in der tschechischen Hauptstadtangekommen, begegnet der Held dieser Erzählung nicht nur neuen Freunden, sondern auch trinkfesten Wassermännern, unglücklichen Jungfern, Teufelsmalern und schlussendlich der großen Liebe. Währenddessen muss er sich immer wieder seinem Schicksal stellen, welches ihm in Form einer grünen Fee begegnet. Erst in München werden ihm die Augen geöffnet und er weiß, was zu tun ist, damit der Zug in eine selige Zukunft nicht ohne ihn abfährt. Eine Geschichte über Sehnsucht, Fernweh, Rausch, Glück und liebe vor der mystischen Kulisse der goldenen Stadt an der Moldau. Nicht mehr, aber eben auch keinen Deut weniger.

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Das Buch

Es sollte eine gewöhnliche Städtereise nach Prag werden, um ein wenig Abstand vom Alltag in Hamburg zu gewinnen. Doch kaum in der tschechischen Hauptstadtangekommen, begegnet der Held dieser Erzählung nicht nur neuen Freunden, sondern auch trinkfesten Wassermännern, unglücklichen Jungfern, Teufelsmalern und schlussendlich der großen Liebe. Währenddessen muss er sich immer wieder seinem Schicksal stellen, welches ihm in Form einer grünen Fee begegnet. Erst in München werden ihm die Augen geöffnet und er weiß, was zu tun ist, damit der Zug in eine selige Zukunft nicht ohne ihn abfährt.

Eine Geschichte über Sehnsucht, Fernweh, Rausch, Glück und liebe vor der mystischen Kulisse der goldenen Stadt an der Moldau. Nicht mehr, aber eben auch keinen Deut weniger.

Der Autor

Lars Gebhardt wurde 1973 in Unna / Westfalen geboren. Er studierte Germanistik und Medienwissenschaften in Hamburg, wo er noch heute lebt und als Fotoredakteur arbeitet. Seit seiner Jugend schreibt er für diverse Musik-Magazine wie Ox, Mind The Gap oder Pankerknacker. In den 90er Jahren war Gebhardt Herausgeber und Chefredakteur des „Stay Wild“ Fanzines. 2013 erschien sein Debüt-Roman „Ein Goldfisch in der Grube“, dessen Nachfolger nun mit „Die Reise zur grünen Fee“ vorliegt.

Für Sylvie

Inhaltsverzeichnis

Intro

First rule is …

Second rule is …

Third rule is …

Fourth rule is …

Outro

Intro

Da saß ich also nun in der Küche einer Altonaer Studentinnen-WG und wusste absolut nicht, wie es mit mir weitergehen sollte. Nervös knetete ich meine Finger und starrte an die Wand. Doch die wollte mir einfach keinen gescheiten Rat geben, noch nicht einmal ordentlich ablenken wollte sie mich. Ich war innerlich zerrissen und dabei völlig hilflos. Verliebt und doch unglücklich. In meinem Kopf raste es, die Zeiger meiner Armbanduhr krochen aber nur sehr langsam dahin. Die Zeit wollte nicht vergehen. Ich kaute nervös auf meiner Unterlippe und schabte mit den Füßen auf glattgeschliffenem Parkettboden. Das musste einen ja ganz verrückt machen. Doch gab es eine andere Möglichkeit für mich, als der Dinge zu harren und abzuwarten? Wohl kaum. Ich hatte mich so weit hier reingehängt, jetzt musste ich damit auch umgehen. Das Schicksal lag nun nicht mehr in meinen Händen. Ich musste schauen, was es für mich bereithalten würde. Das ganz große Los oder einen Topf voller Nieten? Ich hatte Schmetterlinge im Bauch, konnte diese aber nicht fliegen lassen.

Hals über Kopf hatte ich mich in ein Abenteuer gestürzt, ohne an die Folgen zu denken. Wie mein weiteres Leben verlaufen sollte, konnte ich nicht mehr kontrollieren. Über meine nähere Zukunft entschieden jetzt andere. Erst dann könnte ich wieder sehen, wie es weitergehen würde mit mir und meinem Liebesleben. Hatte sich all das Balzen und Umschwärmen gelohnt? Würde meine Liebe erwidert werden? Oder bliebe ich weiter ein einsamer Wanderer auf der Suche nach dem Glück? Wartete ein Leben in trauter Zweisamkeit auf mich oder behielt mich die Einsamkeit in ihren langen Fangarmen eng umschlossen? Ich hatte doch gewusst, worauf ich mich da einlassen würde. Dennoch hatte ich nicht die Reißleine gezogen, sondern war munter weiter ins Ungewisse gesegelt. Um mein späteres Seelenheil machte ich mir wie so oft zuvor schon viel zu wenige Gedanken. Vielleicht hätte ich bei meiner Abenteuerlust die möglichen Konsequenzen in Erwägung ziehen sollen. Mit der Liebe spielt man nicht, sang meine Großmutter stets gut gelaunt in ihrer Küche. Hätte auch ich mich besser daran gehalten. Doch aus dem Spiel war Ernst geworden, ich hatte mein Herz verloren und jetzt musste ich abwarten, wie es weitergehen würde. Mir blieb nur das Abwarten. Deshalb saß ich nun hier und hoffte, dass die lähmend vor sich hin kriechende Zeit endlich vergehen würde.

Aber bevor ich mich weiter in nebulösen Andeutungen verfange und im Selbstmitleid versinke, beginne ich meine Geschichte lieber dort, wo sie ihren Ursprung hatte. Alles begann mit meiner Reise nach Prag im Juni 1997.

First rule is …

Die Luft war schwer, der Blick aus dem völlig verschmierten Fenster verschwommen. Der Eurocity rauschte durch die Sächsische Schweiz. Vor einiger Zeit hatte er Dresden verlassen und fuhr nun auf der westlichen Elbseite durch ein beeindruckendes Tal. Das Elbsandsteingebirge war atemberaubend. Das konnte der Reisende auch erwarten, schließlich ist dieses Mittelgebirge für seinen enormen Formenreichtum auf kleinem Raume bekannt. So steht es im Lexikon. Und bei einer Bahnfahrt in Richtung Böhmen konnte man das wunderbar beobachten. Zerklüftete Felsen, dunkle Wälder, klare Gebirgsbäche. Jedes Klischee einer malerischen Landschaft wurde bedient. Genauso wie bei den fast schon pittoresk anmutenden Ortschaften, die der Zug durchfuhr, ohne einen Halt einzulegen. Orte wie Pirna, Königstein, Bad Schandau oder Schönau an der deutschtschechischen Staatsgrenze. Fachwerkhäuser wie aus dem Bilderbuch, kleine Dorfstraßen, die vom Marktplatz abgehen und sich hinter der nächsten Ecke verlieren.

Das sieht schon ziemlich idyllisch aus, dachte ich mir, als ich nun endgültig meinen Reiseführer für Prag zur Seite legte und mich mit voller Aufmerksamkeit der vorbeiziehenden Landschaft widmete.

In der letzten Zeit machte die Region eher negativ von sich reden, denn die rechtsextreme Kameradschaft Skinheads Sächsische Schweiz, kurz SSS, hatte sich vor einigen Monaten erst aus den Trümmern der inzwischen verbotenen Wiking-Jugend gegründet und schon mehrfach aufgrund ihres radikalen und brutalen Auftretens überregional auf sich aufmerksam gemacht. Warum wird man in einer solch malerischen Märchenlandschaft rechtsradikal, anstatt sich an der Schönheit der Heimat zu erfreuen? Vielleicht aus Angst, diese Schönheit mit anderen, möglicherweise gar fremden Menschen teilen zu müssen? Die meisten Fremden reisen hier doch nur durch oder bleiben ein paar Tage zum Wandern und Erholen. Die nehmen einem doch nicht die Frauen und die Arbeit weg. Aber theoretisch könnten sie es natürlich. Allerdings dürfte es ein erheblicher Unterschied sein, hier dauerhaft zu leben, anstatt nur für einen Urlaub anzureisen. Was sollte ein junger Mensch hier auch schon anstellen, außer sich die schönen Steinbrüche und Elbufer anzugucken? Auf Dauer auch nur eine bedingt befriedigende Herausforderung. Da könnte man aus reiner Langeweile den rechten Rattenfängern schon mal ins Netz gehen. Zumal es wahrscheinlich nicht allzu viele Alternatifen gibt. Wie weit spielt da Bildung eine Rolle? War es noch der zu DDR-Zeiten anerzogene Kadergehorsam? Oder ist das alles nur eine Frage der sozialen Umstände?

Schon wieder machte ich mir viel zu viele Gedanken über die Probleme der deutschen Gesellschaft. Diese Probleme mussten jetzt aber mal hinten anstehen. Andererseits fuhr ich gerade in die Tschechische Republik. Ein Land, das im „Dritten Reich“ als Protektorat Böhmen und Mähren von Hitler-Deutschland besetzt wurde. Da konnte man schon mal hinterfragen, wie es mit dem zeitgenössischen Faschismus in unserem Land so aussieht. Dem Thema würde ich mich in den kommenden Tagen bestimmt noch das ein oder andere Mal widmen müssen.

Aber jetzt erstmal auf nach Prag, sich der Kultur und Geschichte widmen, Brücken und Burgen, Museen und mittelalterliche Gassen bestaunen. Das hatte ich mir vorgenommen, als ich mir am Hamburger Hauptbahnhof mein Ticket von der Hansestadt in die Hauptstadt der Tschechischen Republik löste. Prag hatte mich schon lange als Reiseziel gereizt. Bereits vor dem Fall des Eisernen Vorhangs hätte ich der Stadt gerne einen Besuch abgestattet. Erst recht aber, seit die Grenzen offen waren und der real existierende Sozialismus begann, sich selbst aufzulösen. Fast dreißig Jahre nach dem Prager Frühling hatte die Freiheit wirklich Einzug in Tschechien und seiner Hauptstadt gehalten.

Das wollte ich mir nun endlich mal selbst anschauen. In den letzten Jahren hatte das stets schmale Portemonnaie dafür gesorgt, dass ich mir keine größeren Reisen hatte erlauben können. Doch vor ein paar Wochen hatte ich das Glück gehabt, unverhofft an eine größere Geldsumme zu kommen, und nun wollte ich diese nutzen, um etwas von der Welt zu sehen und ein wenig zu reisen. Das hatte ich bereits nach dem Abitur geplant, aber mein Umzug von Westfalen nach Hamburg und das Eintauchen in die dortige Szene und das dazugehörige Nachtleben ließen mich schnell meine Reisepläne vergessen und neue Prioritäten setzen. Da blieb einiges auf der Strecke. Und das wollte ich nun in den kommenden drei Monaten aufholen. So lange hatte ich noch Zeit, bis mein Studium der Germanistik und Medienkultur an der Universität Hamburg beginnen würde.

Mit meinen sechsundzwanzig Jahren war ich ja noch nicht zu alt, um mich an der Uni einzuschreiben. Eine Ausbildung zum Bankkaufmann hatte ich bereits abgeschlossen und mir danach geschworen, in diesem Beruf nie dauerhaft zu arbeiten. Da gehörte ich nicht hin. Die Finanzwelt war nicht mein Ding. Die Konventionen im Büro, das permanente Anrennen um Gewinne und Rendite erschienen mir so herzlos und unnatürlich. Ich konnte mir gar nicht mehr erklären, warum ich überhaupt auf die Idee gekommen war, eine solche Ausbildung zu beginnen. Immerhin hatte ich sie noch erfolgreich beendet und somit etwas Solides in der Tasche, wie sich meine Eltern auszudrücken pflegten. Danach verlief mein beruflicher Werdegang jedoch alles andere als solide.

Kaum in Hamburg, fand ich eine Anstellung bei einer kleinen Plattenfirma, die sich anschickte, das neue In-Label der Stadt zu werden. Hier war ich für die Radio-Promotion zuständig. Das bedeutete, dass ich Kontakte zu Radiomoderatoren und –DJs aufnehmen und diese dazu bringen musste, die Veröffentlichungen unseres Labels in ihrem Programm vorzustellen und so häufig wie möglich zu spielen. Air-Play, so sagte man in unserem Laden, ist die halbe Miete. Dann würde das mit dem Chart-Entry schon klappen. Für mich bedeutete es zwar, dass ich den Leuten im Gegensatz zur Arbeit in der Bank keine Luftschlösser mehr andrehen musste, dafür aber oftmals schlechte Musik. Denn so empfand ich den Großteil der Sachen, die bei unserem Label veröffentlicht wurden. Unserem Geschäftsführer war die Qualität der Veröffentlichungen völlig egal, solange sich diese verkaufen ließen. Das gleiche galt auch für das Genre. Er selbst war ein eingefleischter Jazzer, der sich in diesem Metier auch hervorragend auskannte. Im Job spielte das aber keine Rolle. Jazz brachte ja kaum Umsatz, war viel zu anspruchsvoll. Verkaufen ließen sich die neuen Trends, und die hießen Vocal-House, Drum’n’Bass oder Trance. Musikstile, mit denen ich persönlich so rein gar nichts anfangen konnte. Gute Musik wurde für mich seit jeher auf Saiten und Fellen gespielt, nicht aber an einem Computer programmiert. Basta. Da ließ ich auch nicht groß mit mir diskutieren. Und das machte den Job nicht leichter. Ohne eine gewisse Grundüberzeugung für das zu bewerbende Produkt ließ sich die Aufgabe nicht zufriedenstellend bewerkstelligen. So ging meine Motivation sehr schnell den Bach runter und ich ließ mich immer häufiger krankschreiben und blieb der Arbeit fern. Das schaute sich mein damaliger Chef nicht allzu lange an und drückte mir daher eines Montagmorgens die Papiere in die Hand. Ich konnte gehen. Umgehend. Den Rest des Monats würde ich freigestellt. Damit war ich arbeitslos. Und so ging ich. Ohne Wehmut und Reue.

Von da an hatte ich den Kopf frei für neue Ideen und Wege in meinem Leben. Leider sahen die Ideen, die ich dazu so hatte, nicht gerade karrierefördernd aus, sondern konzentrierten sich hauptsächlich auf Amüsement, Rausch und Frauen. So verstrichen fast zwei Jahre mit wenigen Aufs und zahlreichen Abs, ohne dass ich mich weiter um meinen beruflichen Werdegang gekümmert hätte. Außer ein paar schlechtbezahlten Aushilfsjobs kam dabei nicht viel rum.

Das eine Mal nahm ich einen Job im Alsterpavillon an, bei dem ich das Geschirr abräumen musste, wenn die Gäste aufgebrochen waren und der Tisch für neues Melkvieh schnell wieder eingedeckt wurde. Bedienen durfte ich da niemanden. Lediglich den Dreck wegschaffen. Die Tätigkeit war stumpf, anspruchslos und demütigend. Denn falls mich wirklich mal jemand ansprach, während ich mit meinem Tablett herumhantierte, musste ich stets an einen der in der Hierarchie weiter über mir stehenden Kellner verweisen. Als eines Tages eine Bekannte von mir, die ich von einigen Partys her kannte, dort mit einer Freundin saß und Kaffee trank, wollte ich vor Scham im Boden versinken. Ich brachte die Schicht noch mehr schlecht als recht zu Ende und kam danach nie wieder.

Stattdessen fing ich an, im Lager eines Kaufhauses in der Innenstadt Schuhe zu sortieren. Neu angelieferte Ware wurde dort ausgepackt, etikettiert und für den Verkauf aufgehübscht. Ich kam mir zwischen diesen Bergen hässlicher Treter wie der Hamburger Al Bundy vor, nur dass auf mich zu Hause keine nervende Ehefrau wartete. Da wartete nämlich niemand. Und genau das machte mir mittlerweile genauso zu schaffen wie die Perspektivlosigkeit meiner beruflichen Karriere.

Seit ich in Hamburg lebte, hatte ich keine feste Freundin mehr gehabt. Zwar lernte ich im Nachtleben regelmäßig Frauen kennen, und so manche Nacht habe ich auch in Gesellschaft verbringen können, so dass mein Sexualleben nicht gänzlich zum Erliegen kam, aber etwas wirklich Ernstes hat sich daraus nie entwickelt. Im Gegenteil. Oft schreckten mich diese oberflächlichen Affären regelrecht ab. Aufzuwachen neben einem Menschen, an dessen Namen man sich bestenfalls noch eben so erinnern konnte, mehr über diesen allerdings nicht wusste. Und wenn es sich dann doch ergab, das Gegenüber ein wenig besser kennenzulernen, wuchs die Skepsis oft nur noch mehr, und es blieb die Frage, wieso ich ausgerechnet mit dieser Person die Nacht hatte verbringen wollen. Wahrscheinlich ging es ihr nicht großartig anders. Denn verkatert und zerknautscht gab ich sicher ein komplett anderes Bild ab als am Abend zuvor, wo ich durch Alkohol und Drogen aufgeputscht den wilden Party-Hengst gespielt hatte. Ich lebte also den klassischen Lifestyle bestehend aus Sex, Drugs und Rock’n’Roll. Der Lebenswandel eines Orientierungslosen auf dem Weg zum Erwachsenwerden und zu sich selbst. Immer in der Sorge, etwas Wichtiges im Leben zu verpassen, und nicht wirklich wissend, wohin man eigentlich gehört. Einen Platz in der Gesellschaft immer noch suchend, eine Rolle eher spielend als annehmend.

Und als die aus einem solchen Lebenswandel resultierenden Probleme immer größer wurden, die Geldnot und der Drogenkonsum zuvor ungeahnte Formen annahmen, war es an der Zeit, die Reißleine zu ziehen. Zwei Jahre ein Leben auf der Überholspur mussten genug sein. Der Weg bedurfte dringend einer Kursänderung. Es sollte wieder andere Dinge in meinem Leben geben. Dazu gehörte auch eine neue berufliche Perspektive. Oder vielmehr überhaupt eine. Und so beschloss ich also vor zwei Wochen, mich an der Uni einzuschreiben und einen akademischen Weg einzuschlagen. Irgendwas mit Medien wäre gut, dachte ich mir. Das klang zwar so abgedroschen wie klischeehaft, traf bei mir aber dennoch ins Schwarze. Schließlich war ich in den letzten zehn Jahren bereits immer wieder als Schreiberling für diverse Untergrundmagazine tätig gewesen und sah im Schreiben so ziemlich die einzige Tätigkeit, die mir dauerhaft Spaß machen und eine Art Lebensinhalt geben könnte. Daher also Germanistik und Medienkultur. Warum nicht? Eine Zusage für den Studienplatz galt als sicher, da ich genügend Wartesemester seit meinem Abitur angesammelt hatte. Das Wintersemester und mein damit beginnendes Studium konnte also kommen. Die verbleibende freie Zeit wollte ich mir aber erst einmal mit kleineren Reisen vertreiben und somit sinnvoll nutzen. Und mit dem Reiseziel Prag ging es los. Danach würde ich sehen, wohin es mich verschlagen sollte. Ich war für alles offen und bereit. Im Alter von achtzehn bis zwanzig Jahren war ich dreimal mit Freunden als Inter-Rail-Reisender durch Europa unterwegs gewesen. Mit Ruck- und Schlafsack ausgestattet, fuhren wir quer durch den Kontinent, ohne einen wirklichen Reiseplan zu haben. Es ging uns lediglich darum, viel von der Welt zu sehen und noch mehr zu erleben. Und das gelang uns auch ganz gut. Zwischen London und Budapest, Venedig und Kopenhagen lagen zahlreiche Orte, die wir in dieser Zeit besuchten. Die Lust auf das Reisen um des Reisens Willen war mir in den letzten Jahren jedoch völlig abhanden gekommen. Das vermisste ich inzwischen schmerzlich und ich versuchte nun, Verlorenes wieder aufzuholen. Jetzt ging es raus in die Welt, um ihr zeigen, dass ich noch da und nicht komplett in der Hamburger Unterwelt verschwunden war.

Die Umstände, wie ich an das Geld gekommen war, das es mir nun ermöglichte, auf Reisen zu gehen, waren dermaßen haarsträubend und unglaublich, dass ich es inzwischen nur noch wie einen schlechten Traum empfand. So tief im Sumpf war ich bis dato noch nie versunken. So haarscharf an der größten Katastrophe meines Lebens war ich noch nie vorbeigerauscht. Ich war durch diverse Zufälle und widrige Umstände an eine größere Menge Kokain geraten, die ich dann mithilfe eines Freundes verkaufen konnte. Unterm Strich ging der Drahtseilakt zwischen Drogen, Sex, Mord und Totschlag noch einmal glimpflich für mich aus und ich konnte mit heiler Haut und ein paar tausend Mark auf dem Konto aus der Sache herauskommen. Und das hatte sehr viel mit Glück zu tun. Schlicht und einfach Glück. Aber auf das würde ich mich nicht ewig verlassen können. Ganz schön weit hatte ich mich in die Welt der harten Drogen und der illegalen Geschäftemacherei gewagt. Und plötzlich stellte ich fest, dass das Ganze kein Spaß mehr war, dass es ganz schnell um die eigene Existenz und das nackte Leben gehen konnte. Ich war noch einmal mit einem blauen Auge davongekommen und hatte dann rechtzeitig den Rückwärtsgang eingelegt und mich aus der Szene zurückgezogen. Ich stand am Scheideweg und entschied mich dazu, meinem Leben noch einmal eine ganz neue Wendung geben zu wollen.

Ich musste also mein Schicksal selbst in die Hand nehmen. Mich nicht mehr ausschließlich von Tag zu Tag treiben zu lassen und mit dem zufrieden zu sein, was mir in den Schoß fiel. Das war mit der Zeit zu wenig für mein Leben. Ich wollte mehr, war regelrecht hungrig. Hungrig nach Neuem, nach Spannendem, Aufregendem, Abstrusem, Witzigem, Unterhaltsamem, Prickelndem, Erotischem, Bildendem. Nach all dem hielt ich schon lange Ausschau, suchte es aber ausschließlich im Nachtleben und im Rausch. Doch das, was ich fand, war nur von kurzer Halbwertzeit, befriedigte mich sehr begrenzt. Ich musste andere Wege einschlagen, um fündig zu werden. Je mehr ich darüber nachdachte, desto zufriedener wurde ich. Denn der erste Schritt war mit der Immatrikulation geschafft. Weitere würden folgen. Vielleicht mal das WG-Zimmer gegen eine eigene Wohnung eintauschen. Und dann noch die Frau meines Lebens treffen. Eins nach dem anderen. Das Leben sollte mir noch einiges zu bieten haben.

Jetzt aber rückte erst einmal die deutschtschechische Grenze näher und mir fiel das kleine Peace ein, das mir mein Mitbewohner Udo noch vor meiner Abreise zugesteckt hatte. Auch wenn ich dabei war, der Drogenszene und dem harten Stoff abzuschwören, so wollte ich ja nicht komplett abstinent leben. Und so ein kleiner Joint zur Entspannung am Abend war für mich nach wie vor eine feine Sache. Da ich ja in Prag niemanden kannte und keine Ahnung hatte, wo ich dort an ein bisschen Dope würde kommen können, nahm ich also vorsichtshalber etwas mit. Nur erwischen lassen wollte ich mich an der Grenze damit nicht. Zwar würde es bei der Menge von vielleicht gerade mal zwei Gramm kein großes juristisches Nachspiel für mich geben, aber der Trip nach Prag wäre vorerst beendet.

Udo hatte mir zu Hause noch den Rat gegeben, das Peace einfach in einem Mülleimer im Zug zu deponieren. Am besten in einem anderen Waggon. Wenn ein Grenzer oder sein abgerichteter Hund das Zeug dort finden sollte, wäre es zwar weg, aber mir könne man dann ja nichts anhaben. Das klang plausibel. Und so hatte ich den Buttermilchbecher, den ich bereits kurz hinter Hamburg geleert hatte, extra zu diesem Zweck aufbewahrt. Dort legte ich nun das kleine Plastikbeutelchen mit dem Dope hinein, stopfte noch eine leere Brötchentüte oben drauf und ging damit in den Nachbarwaggon des Zuges. Neben der Toilette fand ich einen Mülleimer, in den ich den Becher steckte. Der Eimer war ganz gut gefüllt, so dass mein Becher nicht allzu tief nach unten fiel. Die erste Hürde war genommen. Das Abenteuer des Drogenschmuggels nahm Konturen an.

Wenige Minuten später hielt der Zug in Schönau und sowohl deutsche als auch tschechische Zollbeamte stiegen zu. Erstere hatten sogar einen Schäferhund im Schlepptau. Ein Drogenhund? Das würde sich ja bald herausstellen.

Die Zöllner ließen sich von jedem Reisenden den Ausweis zeigen, studierten diesen kurz, nickten freundlich und gaben ihn zurück. So auch bei mir, als ich mit der Kontrolle an der Reihe war. Zwar war ich ein wenig nervös, versicherte mir aber immer wieder, es könne ja gar nichts passieren. Selbst wenn das Dope gefunden werden sollte, würde man mir ja nichts nachweisen können. Den Buttermilchbecher hätte ja jeder aus dem Zug dort im Mülleimer platzieren können. Und allzu auffällig oder verdächtig sah ich in meiner Jeans und dem neuen strahlend weißen T-Shirt auch nicht aus. Da würde der Verdacht der Grenzer sicher viel eher auf die vier zotteligen Hippies fallen, die ein paar Reihen hinter mir saßen.

Als die Grenzer nun den Waggon betraten, in dem ich den Becher in den Müll gesteckt hatte, ging mein Puls dennoch schneller. Würde der Hund etwas riechen? Würden die Zöllner den Müll durchsuchen? Nichts dergleichen geschah. Ich wollte nicht allzu auffällig den Gang hinter ihnen her starren, konnte aber dennoch sehen, wie sie einfach daran vorbeigingen. Ich atmete erst einmal kräftig durch. Das wäre geschafft. Inzwischen überquerten wir auch den Grenzübergang und befanden uns auf tschechischem Gebiet. Zahlreiche Buden und Marktstände mit Ramsch und Billigwaren am Rand der parallel zur Bahnstrecke verlaufenden Straße ließen daran keinen Zweifel.

Es folgte eine Durchsage, dass wir in wenigen Minuten Děčín erreichen würden. Dort würden die Grenzer sicher den Zug verlassen und ich hätte es geschafft. Bis dahin musste ich noch ein wenig das mulmige Bauchgefühl aushalten. Doch es kam genau so. Wir hielten in Děčín und ich konnte die deutschen und tschechischen Beamten auf dem Bahnsteig stehen sehen und beobachten, wie sie sich unterhielten. Das Ganze sah ganz locker und gelöst aus. Allerdings machte der Zug keine Anstalten weiterzufahren. Langsam wurde ich doch wieder nervös. Es ruckelte, irgendwelche Waggons oder Lokomotiven wurden an oder abgekuppelt, Putzfrauen bestiegen den Zug, Schaffner wechselten, es zog sich ungemein in die Länge. Nach mir endlos erscheinenden zehn Minuten setzte sich der Zug dann doch wieder in Bewegung. Aus dem Fenster konnte ich sehen, dass die Grenzpolizisten auf dem Bahnsteig zurückblieben. Nun war es an der Zeit, mir meinen Buttermilchbecher samt Inhalt zurückzuholen.

Als ich den Nachbarwaggon betrat und zum Mülleimer gehen wollte, erschrak ich. Stand doch gerade eine Putzfrau genau davor und wollte diesen leeren. Ich stürmte auf sie zu und gab ihr mit Händen und Füßen zu verstehen, dass ich da dringend mal ran müsste. Sie schaute mich entgeistert an, schüttelte den Kopf und begann den Inhalt des Mülleimers in einen großen Müllbeutel zu kippen. Ich flehte sie an, mich doch bitte noch einmal daran zu lassen. Sie verstand kein Wort, merkte aber wohl an meiner übertriebenen Dramatik, dass es mir sehr ernst zu sein schien. Sie sagte etwas auf Tschechisch zu mir und hielt mir den Müllbeutel hin. Ich schaute hinein und sah zum Glück gleich meinen Becher. Schnell griff ich zu und nickte sie dankbar an. Die Putzfrau zuckte mit den Schultern und nahm ihre Arbeit wieder auf. Ich zog die leere Brötchentüte aus dem Becher und schaute hinein. Das Plastiktütchen mit dem Dope lag noch auf dem Boden des Bechers. Ich atmete tief durch. Die Operation Illegale Drogeneinfuhr hatte ich erfolgreich gemeistert.

Die restliche Weiterfahrt bis Prag verlief zügig und entspannt. Ich betrachtete die böhmischen Wälder und das Ufer der Moldau und freute mich auf meine Ankunft am Bahnhof Holešovice.

Dort verließ ich den Zug, ging die Bahnsteigtreppe hinunter in die düstere Bahnhofshalle und versuchte mich zu orientieren. Die tschechischen Schilder gaben mir Rätsel auf. Erst einmal ankommen, sortieren und orientieren, dachte ich mir. Endlich entdeckte ich ein Hinweisschild zur Tram. Damit würde ich doch problemlos in die Innenstadt fahren können. Um mir ein Ticket lösen zu können, brauchte ich nun aber ein paar Kronen. Mit meinen D-Mark-Scheinen würde ich hier nicht weit kommen. Aber auch dieses Problem ließ sich an einem Wechselschalter schnell lösen. Ich tauschte zweihundert Mark um, das sollte für den Anfang genügen.

Als ich den Bahnhof verließ, um zur Straßenbahn zu gelangen, musste ich eine Gruppe Obdachloser passieren, die auf dem Vorplatz herumlungerten und eine Flasche Fusel kreisen ließen. Einer aus der Runde lallte mir etwas auf Tschechisch hinterher. Wahrscheinlich wollte er mich um ein paar Münzen anschnorren. Da ich beim Geldumtausch neben vielen großen Scheinen auch ein paar Münzen bekommen hatte, drückte ich ihm diese in die Hand und nickte ihm freundlich zu. Der Obdachlose schaute mich etwas verdutzt an, grinste dann aber und steckte das Geld ein. Seine Gefährten johlten und spendeten Applaus.

An der Straßenbahnhaltestelle versuchte ich herauszufinden, mit welcher Linie ich zum Wenzelsplatz fahren könnte, und schaffte es sogar, diese Information den aushängenden Fahrplänen zu entnehmen. Von meinen Interrail-Reisen war ich es gewöhnt, dass es zumindest in Bahnhöfen großer Städte stets auch englische Beschilderungen und Hinweise gab. Hier an diesem trostlosen Vorort-Bahnhof von Prag allerdings nicht. Warum fuhr mein Intercity, dessen Weiterfahrt ihn bis nach Wien führen sollte, eigentlich nicht den Prager Hauptbahnhof an, sondern lediglich diesen hässlichen Vorortbahnhof Holešovice?

An einem Kiosk kaufte ich umständlich eine 3-Tages-Karte und musste mich dabei mit Händen und Füßen verständlich machen. Spätestens jetzt war mir klar, dass ich mit meinem Schulenglisch nicht automatisch überall in dieser Stadt weiterkommen würde.

Die Straßenbahnfahrt mit der Linie 5 hinab ins Zentrum war abenteuerlich und zugleich charmant. Ich mochte umgehend die freundlichen Durchsagen, welche die kommenden Haltestellen ankündigten. Die tschechische Sprache klang melodisch und einnehmend. Das hatte ich beim Lesen der Sprache auf den Aushängen so nicht erwartet. Für einen Moment verliebte ich mich in die Stimme der Sprecherin.

Die Straßenbahn holperte sich die Bubenská hinunter in Richtung Innenstadt und ich überquerte die Moldau. Gleich müsste ich mein Ziel erreicht haben. Die Straßen wurden enger, die Häuser älter. Wir durchfuhren die berühmte Altstadt und ich fing langsam an, Gefallen an Prag zu finden. Am Wenzelsplatz angekommen, stieg ich aus und schaute mich nach der Touristeninformation um, die sich hier befinden sollte.

Der Wenzelsplatz sollte mich beeindrucken. Zumindest versuchte ich, mich von ihm beeindrucken zu lassen. Oben prägte der Monumentalbau des Nationalmuseums das Ensemble des Platzes mit seiner prächtigen Fassade. Einige Meter unterhalb dieses Paradebeispiels Prager Neorenaissance befand sich das Denkmal des heiligen Wenzeslaus von Böhmen, eine der Sehenswürdigkeiten des Platzes. Von dort würde man einen guten Überblick haben. Also machte ich mich die wenigen hundert Meter dorthin auf den Weg. Kurz darauf stand ich unterhalb der Reiterstatue des alten Wenzels und dachte an das, was ich über Prag bislang wusste. Mir kamen die Bilder vom Prager Frühling in den Sinn, die ich aus zahlreichen Dokumentationen und Filmen kannte. Vor meinem inneren Auge sah ich die tschechischen Demonstranten und die russischen Panzer. Dazwischen die einheimische Polizei. Ich sah die eskalierenden Gewaltszenen und den ersten toten Protestler. Zuerst Aufbruch und der Wille zur Veränderung, Mut und Hoffnung. Es folgten Aggression und Gewalt, die Ohnmacht gegenüber dem sowjetischen Militär. Die Zerschlagung des Aufstandes und die damit einhergehende Demütigung. Geschichte zum Anfassen.

Doch als ich meine Augen wieder öffnete, sah ich vor allem Bier- und Bratwurstbuden. Und dazwischen zahlreiche Urlauber aus Deutschland, England und Italien. Das ließ sich unschwer an den zur Schau getragenen T-Shirt-Logos und Fußballtrikots erkennen. Und jeder zweite schien ein Bier in der Hand zu haben. Das tschechische Bier. Lecker und günstig, so hatte ich bereits im Reiseführer lesen können. Auch dafür war Prag berühmt. Aber dazu sollte ich später kommen. Zuerst wollte ich ein Quartier für die nächsten drei Nächte finden. Vorerst. Danach würde ich weitersehen.

Als ich die Touristeninformation nicht finden konnte, fragte ich auf Englisch einen Polizisten, der gelangweilt am Straßenrand stand, nach dem Weg. Missmutig zeigte er den Wenzelsplatz hinunter und brummelte nur „Rytířská“ in seinen mächtigen Schnurrbart. Aber er schien immerhin verstanden zu haben, was ich von ihm wollte. Ich ging also den Wenzelsplatz in Richtung Altstadt hinunter, fand kurz dahinter die besagte Straße Rytířská und stellte fest, dass die Fangarme des Kapitalismus seit der Wende die Prager Innenstadt fest umschlungen hatten. Direkt gegenüber dem Ständetheater sah ich eine H&M-Filiale, ein Stückchen weiter buhlten Shops von Nike und Adidas um zahlungskräftige Kunden. Diese Fußgängerzone unterschied sich nur noch in Nuancen von der einer westeuropäischen Metropole. Man musste schon genau hinschauen, um noch die ein oder andere tschechische Tradition im Straßenbild erkennen zu können. Zum Glück fand ich nach wenigen Metern ein Büro der Touristeninformation.

Allzu kostspielig sollte meine Unterkunft nicht sein, dafür aber zentral gelegen. Ob Hotel, Apartment oder Pension, war mir egal. Die freundliche Dame hinterm Tresen strahlte mich an, als ich das Büro betrat. Sie sah jung aus, jünger als ich. Gerade mal Anfang zwanzig, so schätzte ich. Und verdammt hübsch war sie. Ihre langen blonden Haare hatte sie zu einem Zopf geflochten, den sie wie eine Krone um ihr Haupt gelegt hatte. Das gab ihr eine fast majestätische Aura. Oder bildete ich mir das nur ein? Immerhin befanden wir uns hier im Schatten einer Burg. Und vor mir stand das Burgfräulein. Prinzessin Leia aus der Star Wars-Filmreihe kam mir in den Sinn. Meine zweite große Leinwandliebe. Ich himmelte sie an und lernte durch meine Untreue zum ersten Mal das Gefühl von Scham kennen, denn bis dato gab es in meinem Leben nur eine Frau. Nscho-Tschi, die Schwester Winnetous.

Prinzessin Leia zeigte mir die Lage mehrerer Übernachtungsangebote auf einer Straßenkarte. Alle lagen in fußläufiger Nähe, sagten mir aber von den Fotos her nicht sonderlich zu. Gab es denn keine Fremdenzimmer in mittelalterlichen Gemäuern? Am besten direkt in der Burg?

Sie verstand mein Anliegen und nickte. Jetzt holte sie neue Prospekte aus einem Regal hervor und zeigte mir wunderschöne Unterkünfte, die eines Prinzen gerecht würden. Und so wollte ich mich doch auf meinen Reisen fühlen. Wie ein kleiner Prinz in der großen, weiten Welt. Ich musste bei diesem Gedanken grinsen. Allerdings verzog sich mein Gesicht schnell wieder, als mir die Preise dieser Zimmer genannt wurden. Als ich nachfragte, ob diese wirklich nur für eine Nacht gelten würde, lachte mein Gegenüber und räumte die Prospekte wieder fort.

„You are looking for something special with a nice price“, fragte sie mich. Besser hätte ich meinen Wunsch nicht äußern können. Hatte ich ja auch nicht.

Es musste nicht allzu nobel sein, aber charmant und originell. So stellte ich mir das vor. Vielleicht ein kleines Burgfäuleinzimmer oder das ehemalige Gärtnerhaus im Hinterhof. Oder vielleicht ein Platz auf der Gästecouch von Prinzessin Leia.

„Maybe this is the right hotel for you“, sagte sie und zeigte mir eine Postkarte, auf der ein Moldaudampfer zu sehen war. Dieser lag inzwischen fest am Ufer und wurde als Hotel genutzt. Das gefiel mir. Zwar war der Liegeplatz nicht ganz im Stadtzentrum, sondern etwas weiter den Fluss aufwärts in Richtung Süden, bis zur Karlsbrücke wären es aber gerade mal drei Kilometer und eine Straßenbahn würde direkt am Moldauufer bis zum Bootel fahren. Ich war überzeugt und ließ mir ein Zimmer oder vielmehr eine Kajüte für die kommenden drei Nächte reservieren. Mit einem Lächeln auf den Lippen verabschiedete ich Prinzessin Leia. Die erste Person in Prag, mit der ich Englisch sprechen konnte. Das beruhigte mich ein wenig. Im Hinausgehen überlegte ich noch kurz, ob ich sie nicht nach ihrer Telefonnummer hätte fragen und ein mögliches Date einfädeln sollen. Doch so aufdringlich wollte ich dann gleich zu Beginn meines Pragaufenthaltes auch nicht sein. Vielleicht die falsche Entscheidung, denn als ich am Fenster des Büros vorbeiging, winkte sie mir zum Abschied noch einmal augenzwinkernd zu.