Die Rennschildkröte - Katharina Lamprecht - E-Book

Die Rennschildkröte E-Book

Katharina Lamprecht

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Beschreibung

Gerade Kinder besitzen die Gabe, tief in fantasievolle Geschichten einzutauchen, sich ihren inneren Bildern hinzugeben und dabei das äußere Geschehen komplett auszublenden. Dieses Phänomen trägt in hypnotherapeutischen Geschichten dazu bei, Ideen zu entwickeln, durchzuspielen und so neue Lösungswege für Probleme zu finden. Beschwingt und kindgerecht laden die Geschichten in diesem Buch dazu ein, Probleme einmal anders zu betrachten. Zu jeder Geschichte gibt es Angaben zur Altersgruppe und den Problemen, Erkrankungen, Symptomen etc., für die sie sich eignet. Mit einem humorvollen Augenzwinkern machen die Geschichten aber auch einfach Spaß und lassen die gemeinsam verbrachte Zeit beim Lesen und Vorlesen zu einem unterstützenden Moment werden.

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Seitenzahl: 170

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Katharina Lamprecht, Bruchköbel bei Frankfurt a. M., ist Heilpraktikerin für Psychotherapie, Coach und Erzählerin mit eigener Praxis.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über <http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

ISBN 978-3-497-02933-4 (Print)

ISBN 978-3-497-61339-7 (PDF-E-Book)

ISBN 978-3-497-61340-3 (EPUB)

© 2020 by Ernst Reinhardt, GmbH & Co KG, Verlag, München

Dieses Werk, einschließlich aller seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung der Ernst Reinhardt GmbH & Co KG, München, unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen in andere Sprachen, Mikroverfilmungen und für die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Printed in EU

Covermotiv: © below/stock.adobe.com

Satz: FELSBERG Satz & Layout, Göttingen

Ernst Reinhardt Verlag, Kemnatenstr. 46, D-80639 München

Net: www.reinhardt-verlag.de E-Mail: [email protected]

Inhalt

Einleitung

Zwei Vorbemerkungen

Bedienungsanleitung

Ein paar Worte zum Warum und ein Appetithäppchen

Frisch gewaschen

1 Das therapeutische Erzählen

Therapeutisches Erzählen: Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum?

Magische Momente für Kinder und Jugendliche nutzbar machen

Es ist einfach, aber nicht leicht: die Macht der inneren Bilder

Ein paar Gedanken zur Hypnotherapie

Schönen Gruß von der Hypnoschlange Kaa aus dem Dschungelbuch

Das Kino im Kopf oder: Ein Oscar für Ihr inneres Filmteam

Guck mal, wer da spricht

Embodiment

Das berechenbar unbewusste Hirn oder: Kekse, ich will Kekse

2 Die Geschichten

Einleitung

Ängste und Selbstwert

Das Delfinschwein

Das Gießkannenprinzip

Schildkröten pflanzen

Die Verwechslung

Die Bienenheizung

Ansteckende Gesundheit

Der Grummelbauchbär

Der Taucher

Muggs, das neugierige Murmeltier

Mobbing und Schulunlust

Das Eichhörnchen

Fliege und Löwe

Der Schulterkobold

Ich will so bleiben, wie ich bin

Hefekucheneffekt

Die Rennschildkröte

Die Kuscheldecke

Verlust, Loslassen, Übergänge

Auch Krokodile können küssen

Das Regal oder: Die unendliche Geschichte

Der Geschichtenerzähler

Gewohnheitstier

Das Motschekiebchen

Jetzt erst recht!

Seelenflug

Vom anderen Stern sein

Der Ameisenplanet

Das ph-f

Die Bordmöwe

Das Baumkrokodil

Wut und andere Wichtel

Der Geysir

Das Kriegsbeil verstecken

Der gelassene Drache

Katzenkrallen

3 Trance

Der Tanz der Trancen oder: Wir hypnotisieren uns durch unseren Alltag

Was passiert in einer Trance?

Wie sag ich’s meinem Kinde?

Beispiel für eine Tranceeinführung

Beispiel für eine Tranceausleitung

Tranceinduktionen für einen medizinischen Eingriff

Anhang

Alphabetisches Verzeichnis der Geschichten

Vorgeschlagene Indikationen

Quellen und Literaturempfehlungen

And my Dank goes to …

Einleitung

„Niemand ist weiter von der Wahrheit entfernt als der, der auf alles eine Antwort hat.“ (Chinesisches Sprichwort)

Zwei Vorbemerkungen

In vielen Büchern erklären die AutorInnen am Anfang, welche Schreibweise sie für die Anrede der Leser verwenden. Häufig wird, der Einfachheit halber, der männlichen Schreibweise der Vorzug gegeben. Das kann ich gut verstehen. Ich habe mir lange darüber Gedanken gemacht, wie ich das halten möchte. Auf der einen Seite bin ich sehr für Gleichberechtigung und halte die Genderdebatte für ausgesprochen wichtig. Doch manchmal habe ich das Gefühl, sie schießt über das Ziel hinaus – was in meinen Augen sowohl nachvollziehbar als auch verständlich, nichtsdestoweniger aber auch anstrengend ist. Zunächst wollte ich mich dem männlichen Modell anschließen (das ich in Bezug auf mein Buch aber als geschlechtsneutral betrachtet sehen wollte), weil es eben einfacher ist.

Dann dachte ich, hm, ist es wirklich einfacher? Oder nur gewohnter? Wohl doch eher Letzteres, denn ob ich „Leser“ oder „Leserin“ schreibe, ist ja nun ziemlich egal. Also entschied ich mich für die weibliche Form.

Mir fiel aber beim Durchlesen auf, dass eine Anrede im Buch fast gar nicht vorkommt, es also eigentlich nicht einmal dieser Vorbemerkung bedurft hätte, wenn ich einfach beim großen I bleibe. Da es jedoch nicht nur hier im Buch, sondern auch in meinem Leben ganz allgemein häufig um Themen wie Wahlmöglichkeit und Imagination geht, habe ich diese nun von Ihnen hoffentlich gelesene Vorbemerkung geschrieben, damit Sie wissen, dass ich mich völlig willkürlich mal für die eine und mal für die andere Variante entschieden habe. Eine ausgeglichene Anzahl beider Anreden wäre rein zufällig und nicht beabsichtigt.

Der Begriff „Wahrheit“ ist ein ziemlich gefährlicher, und nie würde ich es wagen, den Inhalt dieses Buches als „Wahrheit“ zu bezeichnen. Er gibt lediglich das wieder, was ich nach vielen Jahren des Lernens und Erlebens als für mich „wahr“ oder stimmig bezeichnen würde. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass vieles von dem, worüber ich hier geschrieben habe, mir als Idee plausibel erscheint und ich es im täglichen Leben als zutreffend erlebt habe.

Die Wissenschaft streitet immer noch darüber, welche (psycho-)therapeutischen Methoden warum und wie funktionieren. Und ob überhaupt. Aber selbst wenn alle Forscher sich einig wären und es eindeutige Beweise für die Wirksamkeit der Hypnotherapie und anderer verwandter therapeutischer Methoden gäbe, könnte die Wahrheit von heute durchaus der Irrtum von morgen sein. Oder andersherum.

Insofern möchte ich Sie einladen, sich eine eigene Meinung und bestenfalls auch eigene Erfahrungen zu gestatten.

Dabei möchte ich Sie aber auch darauf aufmerksam machen, dass es sich bei der Nutzung hypnotherapeutischer Geschichten um eine zwar äußerst wirksame Selbsthilfe- und Unterstützungsmethode handelt, die aber nicht als Ersatz für professionelle Psychotherapie zu sehen ist. Ihre Anwendung erfolgt selbstverständlich auf eigene Verantwortung.

Bedienungsanleitung

Mit diesem Buch versuche ich, verschiedene Ideen und Inhalte zu verbinden. Zum einen ist es natürlich vornehmlich ein Vor- und Lesebuch mit Geschichten für Kinder unterschiedlichen Alters. In erster Linie sollen diese Geschichten Spaß machen. Und sie sollen Möglichkeiten schaffen, gemeinsam Zeit zu verbringen und sich gegebenenfalls auch Lebensbereiche anzuschauen, die gerade als problematisch erfahren werden.

Der Satz „Besser man hat, als man hätte“, hat mich mein Leben lang begleitet. Er trifft nicht nur auf den Sonnenschirm am Badestrand oder das Taschenmesser im Rucksack zu, sondern auch, ganz allgemein gesehen, auf das Wissen oder Verständnis von bestimmten Gegebenheiten. Bei manchen Sachverhalten gibt es doch ganz entscheidendes „good to know“, und so habe ich für Sie auch hier verschiedenes Basis- und Hintergrundwissen zusammengetragen und zusammengefasst.

Sie finden daher in Kapitel 1 Informationen über die Wirkungsweise des therapeutischen Erzählens. In Kapitel 2 habe ich die Geschichten gesammelt. Diese sind in bestimmte Bereiche unterteilt und für Kinder unterschiedlichen Alters gedacht. Das heißt aber nicht, dass nicht eine Geschichte aus der einen auch für eine andere Altersstufe oder Thematik geeignet sein könnte. Kapitel 3 beschäftigt sich mit dem Thema „Trance“. Sie finden dort zwei Tranceinduktionen für spezifische medizinische Probleme sowie beispielhafte Formulierungshilfen, um aus einer Geschichte (oder anderen Geschichten) eine Trancereise zu machen. Der Anhang enthält Verzeichnisse, die Ihnen die Auswahl passender Geschichten erleichtern sollen, sowie das Register und Quellenangaben .

Es gibt lange und kurze Geschichten. Die langen eignen sich wunderbar zum Vorlesen, die kurzen hingegen können bei Bedarf auch einfach mal so, ganz nebenbei erzählt werden. Jede Geschichte vermittelt Botschaften, die unbewusst nach Bedarf aufgenommen werden und je nach dem aktuellen Allgemeinzustand auch zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich interpretiert werden können.

Um die Suche nach Geschichten für einen bestimmten Anlass zu erleichtern, können die vorgeschlagenen Stichworte unter den Titeln als Hilfestellung gelten.

Das Buch muss nicht von vorne nach hinten durchgelesen werden. Sie können sich gleich in die Geschichten stürzen und dann nach und nach die zugehörigen Informationen im jeweiligen Kapitel nachlesen. Oder andersherum. Das bleibt ganz Ihnen überlassen.

Während des Schreibens habe ich mich des Öfteren gefragt, ob das, was ich da gerade zu Papier bringe, wirklich ins Buch gehört. Führt es nicht zu weit? Verzettle ich mich vielleicht gerade? Andererseits, ist es nicht auch spannend, ein paar weitergehende Informationen zu erhalten? Ein herrliches Dilemma. Und wie so häufig bei Dilemmata habe ich mich aus der Affäre gezogen, indem ich Ihnen, liebe Leserin, eine Wahlmöglichkeit anbiete.

Texte, die nicht zwingend zum Thema gehören, aber doch, zumindest in meinen Augen, eine gute Ergänzung darstellen, sind daher kursiv gedruckt. Um also den Sinn und Inhalt des jeweiligen Kapitels zu verstehen, müssen diese kursiv gedruckten Abschnitte nicht gelesen und können getrost übersprungen werden. Sie können somit ganz eigenverantwortlich entscheiden, ob Sie solche Texte gleich, später oder gar nicht lesen möchten.

Und egal, wie Sie mit diesem Buch unterwegs sind und sein werden, ich wünsche Ihnen neben ein wenig Erkenntnisgewinn vor allem eine gute Unterhaltung.

Ein paar Worte zum Warum und ein Appetithäppchen

„Gegen Zielsetzungen ist nichts einzuwenden, sofern man sich dadurch nicht von interessanten Umwegen abhalten lässt.“ (Mark Twain)

Die Frage, warum ich dieses Buch geschrieben habe, lässt sich in erster Linie wie folgt beantworten: Weil es mir besonders viel Spaß gemacht hat! Und zweitens, weil ich die Erfahrung gemacht habe, wie hilfreich Metaphern und Geschichten sowohl bei körperlichen als auch bei seelischen Holper- und Stolperstellen im Leben sein können. Ich hätte mir gewünscht, noch viel früher in meinem Leben dieses Wissen zu haben und die Möglichkeiten, es zu nutzen.

Als Coach und Heilpraktikerin für Psychotherapie habe ich einige therapeutische Ansätze kennengelernt. Und je nach Gegebenheit arbeite ich mit verschiedenen Methoden, die ich teilweise einzeln nutze und teilweise miteinander verbinde. Immer jedoch sind Imagination und die Arbeit mit inneren Bildern oder auch Filmen mit von der Partie; sie ermöglichen mir, flexibel, kreativ und häufig humorvoll mit Menschen zu arbeiten. Auch mit mir selbst.

Kurze Anmerkung zum Thema „Methoden“. Obwohl es in der Psychotherapie unzählige Behandlungsmethoden gibt, von eher esoterisch anmutenden Resonanzkonzepten bis zu den kassenärztlich anerkannten Psychotherapien, ist der Begriff „Methode“ in meinen Augen irreführend. Er verführt uns zu dem Gedanken, wir könnten, bei Anwendung des richtigen Verfahrens, das Problem auch lösen. Klappt das nicht, wird leider nicht selten der Klient als „therapieresistent“ oder „widerständig“ bezeichnet. Wir neigen in unserem linearkausalen Denken dazu zu glauben, dass mit dem richtigen Werkzeug der Schaden schon behoben werden könne. Menschen sind aber keine Waschmaschinen, die mit der regelmäßigen Zugabe von Entkalker und dem Austausch der Heizschlange eine längere – und bessere – Lebensdauer haben. Wir nehmen heute an, dass die „Methode“, die wirklich immer einen Unterschied macht, die der Beziehungsgestaltung zwischen Therapeut und Klient ist. Ist diese Beziehung von einem ähnlichen Werteverständnis geprägt, von Vertrauen, Sicherheit und Wertschätzung, so trägt das mehr zum Erfolg bei als das spezielle Verfahren (z. B. Psychoanalyse oder Verhaltenstherapie), welches der Therapeut anwendet. Wenn ich hier also den Begriff „Methode“ benutze, dann mit der expliziten Unterstellung, dass diese nur als Vehikel zu verstehen ist, nicht als Allheilmittel.

Kinder sind neugierig, offen, verspielt, fantasiebegabt und besitzen die Fähigkeit, sich einzulassen auf Neues und Ungewöhnliches. Dabei können sie sich so in magische, schräge, unvorstellbare Elemente und Momente vertiefen, dass das äußere Geschehen ausgeblendet wird. Eine ideale Voraussetzung, um eine Reise zu ihren eigenen Fähigkeiten anzutreten und bisherige Gedanken und Glaubensmuster zu lockern.

Und da Geschichten keine Einbahn-, sondern mindestens Zweibahnstraßen sind, voller Baustellen mit interessanten und unglaublichen Werkzeugen und Materialien, voller Umleitungen, die urplötzlich ungeahnte Aus- und Anblicke eröffnen, haben sie nicht nur eine Auswirkung auf ihre Zuhörer, sondern auch auf die Menschen, die sie leise oder laut vorlesen. Wie Überraschungseier stecken sie voller spielerischer Elemente und versprechen Spaß und Spannung.

Bevor Sie sich nun mit hoffentlich viel Begeisterung in die Lektüre dieses Buches stürzen, möchte ich Ihnen noch ein Appetithäppchen in Form einer kleinen Geschichte anbieten.

Wie bei einem guten Essen, bei dem der Gruß aus der Küche Magen und Laune öffnet, so soll auch diese Geschichte dazu dienen, Ihnen Lust auf mehr zu machen. Und zwar möglichst, ohne dass Ihnen da gleich etwas schwer im Magen liegt. Wie ein kleiner Butterkeks zum Kaffee …

Butterkekse – wer kennt sie nicht? Es gibt sie in den unterschiedlichsten Ausführungen: normal groß oder mini, mit Schokoladenseite oder ohne, vom Marktführer oder als No-Name-Produkt. Wir alle haben schon erlebt, wie sie uns in schwierigen Situationen helfen können, und seien sie auch noch so unscheinbar: mitten auf einer Wanderung, wenn die Kräfte nachlassen, mit einer Horde Kinder abends im Schwimmbad, auf langen Zugfahrten als Notration und – bei der Version ohne Schokolade – sogar für die Tropen geeignet!

Der Butterkeks: minimalistisch, praktisch und einfach in der Handhabung, ein wenig trocken, vielleicht auch ein bisschen langweilig und altmodisch, aber als Retter in der Not stets willkommen.

Geschichten sind für mich wie Butterkekse. Sie bergen das Wissen und die Weisheit von Generationen, verschiedenen Gesellschaften und Entwicklungszeiten in sich, bringen das Wesentliche in Kürze auf den Punkt und lassen sich daher in jedem Kontext wunderbar nutzen. Ob in der Hypnotherapie, dem Coaching, in Kliniken oder einfach so unter Freunden. Hypnotherapeuten gehen davon aus, dass unser Unbewusstes ganz eigenständig Hilfreiches anknabbert und verwertet – um bildlich bei den Butterkeksen zu bleiben –, und zwar in einer gut verdaulichen Menge, sodass Geschichten ein ideales Mittel sind, neue Möglichkeiten zu eröffnen.

Der Appetithäppchenbutterkeks:

Frisch gewaschen

(Neuanfang, Selbstvertrauen, Trauer, Einsamkeit)

Es war einmal ein kleines Gespenst, das fühlte sich so niedergeschlagen, dass ihm nicht mal mehr das Herumspuken Spaß machte. Die Tage kamen ihm wie unüberwindliche Berge vor, alles war ihm zu viel. Es war so matt, dass eine Windbö es erfasste und in einen Waschzuber fegte, wo gerade Bettwäsche eingeweicht wurde. Zu nass, zu schwer und zu müde seufzte das kleine Gespenst leise und versank in der Lauge. Da es genauso aussah wie die Betttücher, wurde es von den Waschfrauen gewalkt, gewrungen und zum Trocknen auf die Leine gehängt. Da hing es nun, schlapp und feucht, und wehte kraftlos im Sommerwind. Je trockener es aber wurde, umso beschwingter und müheloser flatterte es an der Leine; aber diese Leichtigkeit bemerkte es in seiner Trübsal nicht.

Bis ein Mädchen neben ihm auftauchte und es betrachtete. Auf einmal sagte es sehnsüchtig: „Ach, wenn ich so leicht im Wind schweben könnte, wie würde ich lachen und singen und die Welt erkunden.“ Dann hüpfte es davon.

„Soso, würdest du“, dachte darauf das kleine Gespenst und blickte dem Mädchen lange nach. (Lamprecht et al. 2019, 148)

1 Das therapeutische Erzählen

„Interessante Selbstgespräche setzen einen klugen Gesprächspartner voraus.“ (Walter Whitman)

Therapeutisches Erzählen: Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum?

Einmal fragte mich ein Leser: „Was genau ist eigentlich eine Geschichte“? Ich konnte so spontan keine eindeutige Antwort darauf geben. Meist, wenn wir an Geschichten denken, fallen uns Märchen ein. Oder ein Band mit Kurzgeschichten. Oder erfundene Geschichten, die wir unseren Kindern oder Enkeln sonntags morgens im Bett erzählen. In der Regel verbinden wir mit dem Wort „Geschichte“ eine relativ kurze abgeschlossene Erzählung.

In der Literaturwissenschaft ist eine Geschichte eine mündliche oder schriftliche Schilderung, die auf Tatsachen oder Fiktion beruht.

Nicht nur andere Menschen erzählen mir Geschichten, sondern ich erzähle sie mir auch permanent selbst. Oder genauer, ein Teil von mir erzählt sie einem anderen. Jede Erinnerung, die ich in meinem Kopf abrufe und damit auch neu konstruiere, ist eine Geschichte. Jedes Selbstgespräch, jede Vorstellung von Zukunft, Pläne, die ich mache. Eigentlich fabriziere ich Geschichten am laufenden Band.

Geschichten wurden schon immer erzählt, und zwar lange bevor wir begannen, die Welt zu vermessen. Die australischen Aborigines erschufen ihre Welt sogar, indem sie sie erst erträumten und dann ersangen. Auch in Europa zogen Erzähler durchs Land und sorgten dafür, dass sich mithilfe von Geschichten, Sagen, Mythen und Märchen Wissen und Erfahrungen verbreiten konnten und sich so eine gewisse Orientierung in den frühen Tagen unserer Welt herstellte.

Das Geschichtenerzählen hat eine alte Tradition in allen Teilen der Welt, und die setzt sich bis in die heutige Zeit fort. Wer von uns erinnert sich nicht an die berühmten Märchen der Brüder Grimm, die Erzählungen von Hans Christian Andersen oder Wilhelm Hauff! Interessant ist im Zusammenhang mit Märchen auch, dass sich sehr ähnliche oder gar identische Motive in den Märchen einander völlig fremder Kulturen finden. So begegnen wir auch in der Märchenforschung Psychoanalytikern wie Carl Gustav Jung, der dieses Phänomen mit einem „kollektiven Unbewussten“ zu erklären versuchte, welches besagt, dass alle Menschen eine ähnliche psychische Grundlage haben müssten. So etwas wie ein weltumspannendes psychisches Erbgut. Und da hätten wir schon die ersten Verbindungsfäden zwischen Geschichten und Psychotherapie.

Die Prophetentexte des Alten Testaments, die Gleichnisse Jesu und die Geschichten der Rabbiner verknüpfen Unterhaltung mit spirituellen, pädagogischen und sozialtherapeutischen Anliegen. Durch die gesamte christliche, jüdische und muslimische Geschichte hinweg wurden Metaphern zielgerichtet verwendet, um effektive Impulse zum Lösen von Problemen zu setzen. Eine gut erzählte Geschichte – und denken Sie hier an die jüdischen Witze, die in aller Kürze oft ein ganzes Bündel von Weisheiten beinhalten – kann sich der Aufmerksamkeit der Zuhörer ziemlich sicher sein. Menschen versuchen stets, den Sinn hinter einer Metapher zu erfassen, den Kern des Erzählten zu begreifen und so die darin enthaltene Botschaft zu verstehen.

In dieser schönen Geschichte besucht Mosche seinen Rabbi, weil er wissen möchte, was genau denn eine Alternative sei. Der Rabbi freut sich, weil er mal wieder eine Geschichte erzählen kann und bittet Mosche sich vorzustellen, er habe einen Hahn und eine Henne. Mosche sagt sofort, das sei kein Problem und nun verstünde er, was eine Alternative sei. Aber der Rabbi schüttelt den Kopf und meint, Mosche solle mit Huhn und Hahn in die Eierproduktion einsteigen. Das leuchtet Mosche auch gleich als Alternative ein, denn die Eier kann er ja dann verkaufen. Umso überraschter ist er, als der Rabbi erneut den Kopf schüttelt und vorschlägt, dass, statt mit den Eiern einen schwunghaften Handel zu beginnen, er sie lieber ausbrüten lassen solle, um so eine große Hühnerzucht zu starten. Da strahlt Mosche, bedankt sich beim Rabbi, sagt, nun sei ihm das mit der Alternative so richtig klar und wendet sich ab, um nach Hause zu eilen und Hahn und Henne zu besorgen. Der Rabbi aber hält ihn am Ärmel fest und bedeutet ihm, nicht ganz so schnell zu sein denn, wenn die Hühnerfarm erst mal stünde, käme eine große Flut und alle Tiere würden ersaufen. Mosche ist entsetzt, das sei ja furchtbar, sagt er, die armen, armen Hühner und was soll denn jetzt bitteschön die Alternative sein? Darauf antwortet der Rabbi trocken, das seien doch ganz klar „Enten, lieber Mosche, Enten! (Die Geschichte in aller Länge findet sich z. B. hier: http://www.nlp.de/exp_com/alternative.shtml)

Aber natürlich dienen Märchen und Sagen auch der Unterhaltung und dem Zeitvertreib. Sie geben eine Gelegenheit für das soziale Miteinander, bieten Gesprächsstoff oder verzaubern uns einfach. Und das Ganze ohne Werbeunterbrechungen!

Und was ist nun der Unterschied zwischen einer „normalen“ und einer „therapeutischen“ Geschichte? Was genau sind therapeutische Märchen oder Geschichten? Warum soll man sie erzählen? Was für einen Effekt haben sie? Wer braucht sie? Sind sie nur für Beratungssituationen geeignet oder profitiert jeder davon? Und sind sie ganz grundverschieden von den Märchen und Geschichten, die wir bereits kennen?

Geschichten und Metaphern wirken auf die Seele, denn sie sprechen unsere unbewussten Instanzen an. Es kann sein, dass sie einfach als Beispiele dienen, nach dem Motto: Ach, so könnte ich’s ja auch mal machen. Oft enthalten sie aber, besonders wenn sie für bestimmte Thematiken erzählt werden, implizite Angebote an den Leser oder Zuhörer. Einladungen, sich unbewusst das aus den Geschichten herauszupicken, was für die jeweilige Situation gerade dienlich sein könnte. So kann es passieren, dass man einige Zeit später aus derselben Geschichte ganz andere Bedeutungen herausliest, je nachdem, worauf die eigene Aufmerksamkeit gerade fokussiert ist und wie der aktuelle Lebenskontext sich im Moment gestaltet.

Die Urform aller therapeutischen Geschichten sind unsere Träume. Sie begleiten uns und sind die ursprünglichste Art, mit der wir unser Leben sortieren und nach Lösungen suchen. Im Traum ordnen wir unser psychisches und soziales tägliches Erleben. Unser Kopfkino hilft uns, Eindrücke zu verarbeiten, Fragen zu stellen und Lösungen spielerisch (oder „träumerisch“) zu erproben, mögliche Wege zu prüfen und so, nachts und ganz ohne das Zutun unseres Bewussten, nach Impulsen zu suchen, die uns auf den einen oder anderen Weg bringen können.

Träume lassen sich nach verschiedenen Funktionen einteilen. Es gibt Träume, denen eher eine Suchhaltung zugrunde liegt, wie ein Fischer, der früh am Morgen seine Netze auswirft und nach Krabben, Verzeihung: Lösungen fischt. Es gibt Albträume, die uns vor Gefahren warnen wollen. Und dann gibt es die wunderbaren Träume, die das stärken, was uns als Ressource zur Verfügung steht und im Leben gut gelungen ist, und die lautstark nach „mehr davon“ rufen.

Manche Träume dienen der Nachbereitung, manche der Vorbereitung auf ein Ereignis. Vielleicht haben einige von Ihnen schon erlebt, dass künftige Dinge, wie Prüfungen oder große Feste, zum Beispiel eine Hochzeit, nicht nur ihre Schatten, sondern auch ihre Träume vorausschicken?

Träume und Geschichten sind aber nicht so verschieden, wie wir vielleicht denken. Genauso wie es die verschiedenen Grundformen oder Funktionen von Träumen gibt, gibt es diese bei Metaphern und Erzählungen. Und das lässt sich therapeutisch nutzen. Geschichten repräsentieren die Zielrichtung, Stärkendes zu verstärken, vor Schädlichem zu warnen und sich auf die Suche nach neuen Lebensmöglichkeiten zu machen. Sie regen an nachzudenken, die Gedanken frei und ungezwungen herumspazieren zu lassen und sich auch einmal mit ganz und gar ungewöhnlichen Dingen und Ideen auseinanderzusetzen.