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Es existieren Wege zu einer besseren, humaneren Gesellschaft.Wir leben in einer Gesellschaft, in der Korruption, Betrug und Gewalt, rücksichtsloser Karrierismusund grenzenlose Gier von vielen unhinterfragt akzeptiert werden. Doch muss es so sein? Wo ist das individuelle und kollektive Verantwortungsgefühl geblieben? Wieso existiert immer weniger Unrechtsbewusstsein? Rotraud A. Perner begibt sich auf die Suche nach dem verlorenen Mut zur Verantwortung. Sie analysiert die Ursachen und beschreibt die Wege zu einer besseren, humaneren Gesellschaft. Perner hat nicht nur eine der spannendsten Analysen der heutigen Zeit geschrieben, sondern zeigt die reinigende Kraft der Reue und die Vielfalt der Möglichkeiten einer Kultur der Wahrhaftigkeit auf.
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Seitenzahl: 345
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Rotraud A. Perner
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek:Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografischeDaten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
www.residenzverlag.at
© 2013 Residenz Verlagim Niederösterreichischen PressehausDruck- und Verlagsgesellschaft mbHSt. Pölten – Salzburg – Wien
Alle Urheber- und Leistungsschutzrechte vorbehalten.Keine unerlaubte Vervielfältigung!
ISBN ePub:978-3-7017-4373-5
ISBN Printausgabe:978-3-7017-3317-0
Der Verlust der Wahrheit
Das Zeitalter der Seelenvergiftung
Die Lügen der Gier
Die Lügen der Trägheit
Die Lügen des Zornes
Die Lügen des Geizes
Die Lügen des Hochmuts
Die Lügen der Unkeuschheit
Die Lügen des Neides
Das Behagen in der Unkultur
Die reinigende Kraft der Reue
Seelenreinigung konkret
Anmerkungen
Literaturangaben
Es gibt Zeiten, in denen die einfachsten und klarsten Wahrheiten der Menschheit genötigt sind, sich zu vernebeln und zu verkleiden, um zu den Menschen zu gelangen, da die humansten und heiligsten Gedanken verhüllt und vermummt wie Diebe durch Hintertüren sich einschmuggeln müssen, weil die offene Pforte von den Schergen und Zöllnern der Machthaber bewacht ist.
STEFAN ZWEIG1
Es war einmal … es war einmal eine Zeit, in der Fehlverhalten nicht übersehen, nicht verharmlost und nicht vorauseilend verteidigt und entschuldigt wurde. Ich meine die Zeit der 1960er-Jahre, in denen erstmals Menschen, die keine Macht hatten, von denjenigen, die Macht hatten bzw. gehabt hatten, Verantwortung einforderten. Sie benützten dazu wissenschaftliche Methoden wie den beabsichtigt »herrschaftsfreien Diskurs«2 statt traditioneller Anprangerungen und Blutgerichte und suchten durch Analysen und Alternativkonzeptionen Machtmissbrauch künftighin obsolet zu machen.
Das Dichterwort sagt, wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.3 Ich sage: leider auch umgekehrt. Wo etwas Rettendes, Befreiendes, Reinigendes auftaucht, wächst gleichzeitig die Gefahr der gezielten Vergiftung, der Fixierung und der Verunreinigung – und das vor allem dann, wenn sich damit Gewinn machen lässt.
Wenn es um unseren physischen Verdauungsapparat geht, erfahren wir schon in frühester Kindheit, dass man bei Vergiftungen eine Entgiftung oder ein Gegengift braucht; wir erfahren, dass Fixierungen nicht nur Bewegungsfreiheit, Entwicklungsraum nehmen, sondern oft auch Schmerzen und Striemen verursachen (auch wenn diese verborgen oder abgestritten werden) und dass man sich nach Verunreinigungen säubern sollte – und meist schätzen wir auch das wohltuende Gefühl nach solch einer Reinigungsprozedur. Wir kennen dieses Gefühl von Sauberkeit nicht nur hinsichtlich des eigenen Körpers, sondern auch was die Umwelt betrifft: Wenn wir den Schreibtisch frei bekommen haben oder die Wohnung entmüllt, Auto oder Kühlschrank geputzt und postalische Altlasten erledigt haben, und wir kennen es aus dem psychischen Bereich, wenn wir Konflikte be-reinigt und uns von seelisch Bedrückendem ent-sorgt haben.
Ich ziehe dazu gerne den Vergleich mit einem Gewitter: Zuerst lädt sich die Atmosphäre mit Plus-Ionen auf – es herrscht »dicke Luft« –, bis es blitzt und donnert und so endlich zur Entladung kommt und dann ein reinigender Regen (sofern er nicht radioaktiv verseucht ist) »frische«, nämlich saubere Luft zuführt; dann pflegen wir uns zum Durchatmen aufzurichten und öffnen Herz und Lungen … Das braucht allerdings mehr Zeit als flaches oder verhaltenes Atmen.
Den Atem halten wir automatisch zurück, wenn wir attackiert werden oder uns gegen andere Gefahren schützen wollen: Wir machen uns dann klein, verringern die Angriffsfläche unseres Körpers und versuchen auch, uns unhörbar zu machen; wir stellen uns gleichsam tot wie manche Tiere und zeigen damit eine uralte Überlebensstrategie. Sie sollte jedoch keinesfalls chronisch werden (müssen).
Eine andere Überlebensstrategie bezeichne ich mit »clever und smart«. Dabei meine ich nicht die beiden Comic-Helden, sondern das klassische Verteidigungsverhalten vor Gericht: Man behauptet erstens, gar nicht dabei gewesen zu sein, wenn das aber nachgewiesen wird, als zweites nicht gewusst zu haben, worum es geht, und falls man auch dieser Kenntnis überführt wird, dann drittens, eigentlich doch etwas ganz anderes beabsichtigt zu haben.
Wir kennen diese Reaktionen von Kindern – dort lauten sie: Ich war es nicht – ich hab das nicht gewusst – ich hab das nicht gewollt. Auch diese Strategie stammt aus dem Tierreich – nur dort ist es der Vogel Strauß, der seinen Kopf in den Sand steckt und vermutlich wähnt, nun könne man ihn nicht sehen, weil er nichts mehr sieht – oder aber möglicherweise nur den wichtigsten Körperteil vor Verletzungen schützen will. Ähnliches zeigen die sogenannten drei heiligen Affen von Benares, die sich Augen, Ohren und Mund »zu«halten: nicht sehen, nicht hören und – sich oder andere – nicht durch Laute verraten, übrigens auch Motto in den dunklen Gefilden der Gesellschaft und überall dort, wo dunkle Geschäfte das Licht der Wahrheit scheuen.
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