Die Rückkehr der Wölfe - Wolfgang Hachtel - E-Book

Die Rückkehr der Wölfe E-Book

Wolfgang Hachtel

0,0

Beschreibung

Schon gleich nach dem Zweiten Weltkrieg wanderten immer wieder Wölfe nach Deutschland ein, im westlichen Teil bevorzugt in die Heidegebiete im Bundesland Niedersachsen. Meine Erzählung Ein Wolf in der Heide lehnt sich an Geschehnisse in dieser Zeit an; ich habe sie an den Anfang gestellt. Besonderes Aufsehen erregte bereits im Jahr 1948 ein historischer Heidewolf, der Würger vom Lichtenmoor, der zwischen Weser und Aller nordöstlich von Nienburg sein Unwesen trieb. Seit den 1990er Jahren, der Wolf ist nun streng geschützt, wird Deutschland aus östlichen und südlichen Nachbarländern neu von Wölfen besiedelt. Im sächsischen und brandenburgischen Teil der Lausitz bewohnen Wölfe ein geschlossenes Vorkommensgebiet von 3200 Quadratkilometern (im Jahr 2012), das sich in Polen fortsetzt. Die im Jahr 2000 im sächsischen Teil der Lausitz nachgewiesene Aufzucht von Welpen war der Beginn einer neuen Populationsdynamik, die mit weiterer Jungenaufzucht und Ausbreitung, auch nach Niedersachsen, einherging. Nachdem der Wolf bereits 2008 in Niedersachsen erneut aufgetaucht war, wurde die eigentliche Lüneburger Heide im Jahr 2011 wieder Wolfsland, in dem sich mittlerweile mehrere Wolfsfamilien etabliert haben. Es konnten nach über 100 Jahren im Jahre 2012 zweifelsfrei erstmals wieder Wolfswelpen nachgewiesen werden. Die Lebensweise des Wolfes, das Wolfsmonitoring, Konfliktpotentiale, wie viele Wölfe das Land verträgt, das Für und Wider der Rückkehr der Wölfe sind wichtige Themen, auf die im Buch eingegangen wird.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 138

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Einleitung

Teil 1:

Ein Wolf in der Heide - Erzählung aus der Nachkriegszeit

Teil 2:

2.1 Der Wolf vom Lichtenmoor

2.2 Andere Niedersächsische Heidewölfe der Nachkriegszeit bis in die Mitte der 1950er Jahren

Teil 3:

Niedersächsische Heidewölfe im 21. Jahrhundert

Teil 4

:

4.1 Wie viele Wölfe gibt es in den einzelnen Bundesländern?

4.2

Wölfe in der DDR und die Anfänge der Wolfsrückkehr nach der Wende

Teil 5:

5.1 Die Lebensweise des Wolfes

5.2 Wolfsmonitoring

5.3 Konfliktpotentiale

5.4. Wie viele Wölfe verträgt das Land?

5.5 Für und gegen die Rückkehr der Wölfe

Einleitung

„In einer Winternacht wechselt ein wandernder Wolf irgendwo zwischen Ostsee und Harz über die Zonengrenze und sucht sich ein Revier in der Heide, nicht fern von den großen Straßen, auf denen bei Tag und Nacht die Autos fahren; nicht fern von den rauchenden Schloten großer Fabriken – ein Bote der Wildnis.“

So beginnt der Klappentext zum Roman Fremde Gräser von Hans Lipinsky-Gottersdorf, der in der Deuerlichschen Verlagsbuchhandlung Göttingen im Jahr 1955 erschienen ist; meine Mutter hat das Buch zu Weihnachten 1955 geschenkt bekommen, seither steht es in der Hachtelschen Bibliothek. Der Roman erzählt von den Schicksalen der Menschen eines Dorfes in der Heide. Es sind Bauern, die durch menschliches Schicksal und durch Naturgeschehen eng miteinander verbunden sind. Meine Erzählung Ein Wolf in der Heide lehnt sich an Geschehnisse in diesem Roman an; ich habe sie an den Anfang gestellt.

Der Wolf wurde über Jahrhunderte als Viehdieb und Nahrungskonkurrent gnadenlos vom Menschen verfolgt. Im 17. Jahrhundert war der Wolf in Niedersachsen noch weit verbreitet. Danach gingen die Bestände in Folge der Bejagung immer weiter zurück. Im Jahre 1872 wurde im Becklinger Holz der letzte Wolf des Celler Landes erlegt. Schon nach dem Zweiten Weltkrieg wanderten immer wieder Wölfe nach Deutschland ein, im westlichen Teil bevorzugt in die Heidegebiete im Bundesland Niedersachsen. Bis 1990 wurden in Deutschland mindestens 21 Wölfe geschossen oder mit Fallen gefangen. Weitere wurden Opfer des Straßenverkehrs.

Über die niedersächsischen Heidewölfe der unmittelbaren Nachkriegszeit bis in die Mitte der 1950er Jahren berichte ich im Teil 2. Besonderes Aufsehen erregte bereits im Jahr 1948 der Würger vom Lichtenmoor, der dort, zwischen Weser und Aller nordöstlich von Nienburg, sein Unwesen trieb.

In den Teilen 3 und 4 werfe ich einen Blick auf die niedersächsischen Heidewölfe im 21. Jahrhundert und die Situation in den anderen Bundesländern. Seit den 1990er Jahren – der Wolf ist nun streng geschützt – wird Deutschland aus östlichen und südlichen Nachbarländern neu von Wölfen besiedelt. Im sächsischen und brandenburgischen Teil der Lausitz bewohnen Wölfe ein geschlossenes Vorkommensgebiet von 3200 Quadratkilometern (im Jahr 2012), das sich in Polen fortsetzt. Die im Jahr 2000 im sächsischen Teil der Lausitz nachgewiesene Aufzucht von Welpen war der Beginn einer neuen Populationsdynamik, die mit weiterer Jungenaufzucht und Ausbreitung, auch nach Niedersachsen, einherging. Nachdem der Wolf bereits 2008 in Niedersachsen erneut aufgetaucht war, wurde die eigentliche Lüneburger Heide im Jahr 2011 wieder Wolfsland, in dem sich mittlerweile mehrere Wolfsfamilien etabliert haben. Es konnte nach über 100 Jahren im Jahre 2012 zweifelsfrei erstmals wieder Wolfswelpen nachgewiesen werden. Seit 2012 gibt es ein Wolfsmonitoring durch die Landesjägerschaft Niedersachsen e.V. im Auftrag der niedersächsischen Landesregierung; der zuletzt veröffentlichte Bericht umfasst das Monitoringjahr 2016/17.

Teil 1

Ein Wolf in der Heide

Eine Geschichte aus der Nachkriegszeit

In Anlehnung an den Roman Fremde Gräser von Hans Lipinsky-Gottersdorf – Deuerlichsche Verlagsbuchhandlung Göttingen 1955

Der Arbeiter Heinz Feldmann behauptet, dass der große graue Hund, den er gesehen hat, ein Wolf war, und andere Dorfbewohner machen sich über ihn lustig

Es klopfte. „Herein“, antwortete Lisa. Beim Eintreten, noch in der Tür, fragte der alte Kindereit: „Was gibt’s Neues?“ Er kam in die Wohnung und zog die Tür hinter sich zu. „Warte, ich muss dir etwas erzählen. Feldmann hat nämlich etwas gesehen …“ „Erzähl schon“, sagte sie, „sonst erstickst du noch daran“.

Kindereit setzte sich auf den Stuhl in der Ecke neben dem Schrank, zog eine Flasche Bier aus der Jackentasche und stellte sie auf den Fußboden.

„Es war so. Gestern, am Sonntag, saßen wir zusammen im Krug und spielten Karten. Feldmann kam dazu, setzte sich neben uns und stopfte die Pfeife. Wir sahen gleich, dass er etwas auf dem Herzen hatte, aber er kam noch nicht raus damit. Du weißt, er macht sich gern wichtig, seit er Vorarbeiter geworden ist in seiner Fabrik.“ Sie nickte. Sie wusste es.

„Aber keiner hat ihn gefragt. Er hat doch sonst ein großes Maul. Soll er also selber erzählen, was er weiß, dachten wir.

Er saß da, ganz geschwollen von seiner Neuigkeit, und guckte uns nacheinander an. Keiner sagte etwas, nur Druschek streckte seine Hand nach der Tabakdose aus, denn er ist ein alter Schnorrer. Feldmann hätte ihm sonst niemals etwas gegeben – diesmal gab er ihm den Tabak. Vielleicht glaubte er, Druschek wird ihn dann fragen. Aber Druschek fragte nicht, stopfte nur seine Pfeife ganz fest, gab dann den Tabak zurück und ließ sich auch noch Feuer reichen. Von uns anderen fragte auch immer noch keiner.

Schließlich legte Feldmann seine Ellenbogen auf den Tisch und sagte:

„Ich habe heute einen Hund gesehen.“

„Er hat einen Hund gesehen“, sagte Druschek zu mir und mischte. „Heb ab! Aber er hätte besser einen Hasen gefunden.“

Feldmann bekam schon einen roten Kopf. Er ist schnell beleidigt, das weißt du ja, Lisa.

„Scheiß auf den Hasen“, sagte Feldmann, „es war gar kein Hund.“

„Kein Hund?!“ sagten wir alle wie aus einem Mund.

„Nein“, sagte Feldmann zufrieden, weil wir nun doch was gesagt hatten, „es war gar kein Hund.“

„Heinz“, sagte der Schuster, „war es nicht vielleicht doch ein Hund? Ich sehe hier und da auch einen. Man glaubt gar nicht, wieviel Hunde es gibt. Der Kern mit seinem Motorrad hat im Herbst sogar einen totgefahren. Es wird schon ein Hund gewesen sein.“

„Ich weiß, was ich weiß“, sagte Feldmann wütend, „und ich weiß bestimmt, dass es kein Hund war.“

Jetzt ist Druschek an der Reihe. Er saugt an der Pfeife und blickt in die Runde.

„Dein Tabak“, sagte er, „taugt nichts, Heinz. Sie hätten dich nicht zum Vorarbeiter machen sollen: seitdem rauchst du nur noch Lumpen und Knochen. – Wieso war es denn kein Hund? Ich denke, du hat einen gesehen?“ Feldmann sagte erbost: „Ich hab´ einen gesehen, aber es war keiner!“

„Er war betrunken“, sagte Lisa, „warum musstet ihr ihn so ärgern?“

„Nein“, sagte der Alte, „er war nicht betrunken. Ich dachte das auch und sagte, er solle uns die Schnapsflasche geben, weil es für ihn schon reicht, aber er schlägt mit der Faust auf den Tisch und schreit hitzig: „Es war aber kein Hund, ich kenne doch Hunde, er war so groß wie ein Kalb, grau mit einem dicken Hals – ist das ein Hund, he, ihr Idioten?“

„Was war es denn?“ fragte Lisa neugierig.

„Er sagte, es war ein Wolf. Im Heidewald vor Elze ist das Tier ihm begegnet – es stand am Weg und starrte ihn eine Weile an; dann verschwand es plötzlich.“

„Ein Wolf“, sagte Lisa unbehaglich. Sie dachte an ihren kleinen Jungen, der nebenan in seinem Bett schlief.

„Du brauchst keine Angst zu haben. Wenn es wirklich einer war, werden sie ihn bald abgeschossen haben. Dieser verdammte Feldmann! Wer weiß, was er gesehen hat. Vielleicht war es Rosa Petersens grauer Kater. Den sucht sie schon eine Weile.“

„Der war es nicht, weil die Schustersfrau ihn vorigen Sonntag auf dem Mittagstisch hatte…“, sagte Lisa.

„Jedenfalls muss er es auf dem Amt melden.“

Die Grenzposten waren sich uneins, ob sie einen Wolf oder nur einen großen Hund gesehen hatten

Wochen vorher war der große Wolf zum ersten Mal auf Menschen getroffen. Es waren kalte Nächte, klar, mit unzähligen Sternen. Der Wolf tauchte jäh und lautlos aus dem flimmernden Licht über dem Schnee und überquerte den Weg. Er lief einen schnellen, federnden Trab; den Kopf und den gedrungenen Hals weit vorgestreckt, glitt er ohne zu hecheln an den Posten vorbei und war verschwunden. Der Rotarmist griff nach der Waffe, aber er war nicht schnell genug. Er sagte etwas, ein kurzes Wort, das sich hinten im Gaumen bildete und dumpf klang, wie erstickt: „volk, Волк“.

„Ja?“ fragte der Volkspolizist neben ihm; er fror in dem eisigen Wind. „Was ist?“ fragte er abermals, „ein streunender Hund!“ Der Russe suchte nach einem deutschen Wort, fand es nicht und seufzte. „Komm, wir gehen zurück!“ sagte er dann. Unter ihren Stiefeln knirschte der Schnee.

Der Hund lief über die Felder nach Westen. Hinter ihm, in dem lockeren Weiß, blieb ein dünner Strich, seine Spur. Sie war langgezogen und schnurgerade. Hinter Hügeln und Bäumen verschwand sie in der Nacht. Vorn wuchs sie immer weiter, überquerte Ackerstücke, Wege und Straßen – der Wolf, das große, graue Tier, lief vorwärts, wie es seit Tagen, Wochen gelaufen war, federnd, mit gleichmäßigen, kraftvollen Bewegungen.

Manchmal machte er einen kleinen Bogen, wenn ein Dorf in der Nähe war oder ein Haus; hier und da bellten Hunde in fremden Gehöften. Dann blieb er einen Augenblick stehen; seine Ohren bewegten sich und er nahm die Witterung der fremden Tiere auf. Nach einer Weile lief er weiter, nach Westen, seinem unbekannten Ziel entgegen.

Er war grau und hager; In seinen Gedärmen nagte der Hunger. Aber er lief durch die ganze Nacht. Dann, als der Schnee verblasste, suchte er ein kleines Gehölz

Vor der grauen Eisfläche eines Flusses zögerte er lange. Er bog nach Süden und Norden. Dann sprang er hinab. Unter der dicken Eisschicht hörte er das Gurgeln des Wassers. Manchmal kamen Stöße aus der Tiefe und ebbten wieder ab. Mit langen Sätzen jagte er hinüber. Unter der meterhohen Böschung des westlichen Ufers duckte der Wolf sich jäh und presste sich flach an die Wand. Tabakrauch zog herab. Oben gingen zwei Männer vorbei, zehn Schritte weiter blieben sie stehen. „Drüben schlafen alle, oder sie sitzen in ihren Häusern und spielen Karten. Wer ist schon unterwegs in dieser Kälte. Komm!“ sagte der ältere.

Der Wolf spürte die schwache Erschütterung. Sein Fell war eisig kalt.

Er richtete sich auf, spannte die Hinterläufe und sprang. Mit den Krallen der Vorderläufe erreichte er Wurzelstöcke und gefrorene Erdklumpen. Er kratzte, zog und schob, dann war er oben.

Einer der Männer vom Grenzschutz hörte das leise Geräusch und schaute zurück. Der Wolf stand zwanzig Meter entfernt und rührte sich nicht. Seine Augen leuchteten grün.

„Ksch! Ksch!“ Machte der Mann und klatschte in die Hände. Ohne einen Laut, wie ein Schatten, verschwand das Tier.

Die Männer schauten sich an.

„Was war das?“ fragte der Jüngere.

„Ein Hund – was sonst. Warum fragst du?“

„Weil er aussah wie ein Wolf.“

Der andere lachte leise.

„Ein Wolf …“ sagte er leise. „Sieh´ lieber nach den Sternen“.

Dann gingen sie weiter. Der Postenweg zog sich leer und verlassen am Ufer hin. Vom Fluss her wehte ein leichter Wind. Ein Zweig bewegte sich am Gebüsch, ein wenig Schnee stäubte. Leichter Nebel kam auf.

Es wurde langsam hell, und die Sterne erloschen nach und nach.

Tief im Unterholz reckte sich der Wolf. Er machte sich ganz lang und schleifte die Hinterpfoten ein Stück durch den lockeren Schnee. Er war weit genug gelaufen und legte sich in eine Grube zum Schlaf.

Nun glaubte auch der Bauer Roggenkamp, den Wolf gesehen zu haben. Doch eigentlich wusste er selbst nicht genau, was ihm dort bei den alten Steinen begegnet war.

Es war früher Morgen. Der Bauer Roggenkamp war auf dem Weg zu dem Acker bei den drei Steinen, mächtige, graue Granitblöcke, die seit undenklichen Zeiten dort liegen.

Er wollte sehen, wie die Saat dort aufgegangen war.

Seine Frau war ja dagegen gewesen, den längst aufgegebenen Acker wieder unter den Pflug zu nehmen. „Die Leute behaupten, dort sei ein Gefangenentransport vorbeigezogen“, hatte sie gesagt. „Es war in den letzten Kriegstagen. Sie sollten in ein anderes Lager gebracht werden. Es waren einige dabei, die nicht weiter konnten, sie seien dort erschossen und verscharrt worden.“ Roggenkamp aber meinte, es dürfe nichts brachliegen bleiben.

Er hatte den kürzeren Weg am Wald entlang genommen. Zwischen den Stämmen am Waldrand braute der Nebel, weißgraue Schwaden hingen regungslos in der Luft oder zogen lautlos Kreise. Warum ist es nur so still, fragte er sich. Bald hörte der Weg auf, nur einige verwachsene Wagenspuren liefen dort weiter.

Plötzlich hielt er an. Er sah den Fuchs.

De Fuchs sah ihn nicht, er konnte ihn auch nicht wittern, leichter Wind stand auf den Bauern zu. Der Fuchs schnürte gemächlich am schmalen Saum zwischen Waldrand und Acker, an seinen Lefzen klebten ein wenig Blut und ein Büschel Haare. Der Nebel bewegte sich in seiner Nähe, der Rote hob den Kopf, seine Ohren spielten, aber er ging noch weiter. Die ersten Nebelschwaden streiften ihn – er hielt inne, mit gehobenem Vorderlauf stand er da, seine Nackenhaare richteten sich auf, und er knurrte leise. Ganz dicht bei ihm, in den Höhlungen des halbverrotteten Wurzelstocks einer Kiefer, war etwas, da sammelte es sich, wartete noch, dann glitt plötzlich ein weißleuchtender Nebelstreif zu Boden, umfloss Baumstümpfe, kroch über dickes Wurzelgewirr und näherte sich rasch.

Der Fuchs warf sich herum, er flüchtete mit einem Satz und verschwand hinter Stapeln trockener Zweige. In seiner Spur bildeten sich Wirbel, lange, dünne Halme schwankten hin und her, und im selben Augenblick schwankten auch die Baum-wipfel, fuhr ein Windstoß durch den Wald, die Baumwipfel rauschten. Der Wind war erwacht, aber nur für einen Augenblick, dann war es wieder still, nur die Luft war sehr kalt geworden, und überall stand jetzt plötzlich der Nebel.

Warum ist es nur so still, fragte sich Roggenkamp und vergaß, dass er sich eigentlich nicht vor dem Wolf fürchten wollte.

Baron Lodenberg hätte zu gerne den Wolf geschossen

Im Herrenhaus des Gutshofs klingelte das Telefon. Der kleine Apparat tanzte auf der Tischplatte und rasselte ungeduldig und laut. Er schwieg eine Weile. Dann hob er von neuem an. Es gellte durch die Flucht der stillen Zimmer, durch die Diele und das Treppenhaus.

Die Baronin erwachte. Es war früher Morgen.

„Oskar“, sagte sie, „du bist doch wach. Steh auf!“

Das Telefon klingelte weiter. „Ja. Ja doch“ sagte er.

Er stieg aus dem Bett und fuhr in seinen Schlafrock.

Das Telefon schrillte. Der Baron ging hinunter und nahm den Hörer ab. „Lodenberg“.

Er hatte im Stillen gehofft, es könne sich vielleicht um den Wolf handeln, aber es war nichts damit.

Seit er zum ersten Mal von dem Wolf gehört hatte, war er unruhig geworden. Irgendwo sollen Kühe auf der Weide gerissen worden sein. Die Leute redeten von einem Wolf. Hier gab es eine Gelegenheit, die er nicht verpassen wollte. Ein Wolf, das wäre etwas.

„Schon gut“, sagte er und legte das Telefon beiseite.

Er war schon hierhin und dorthin gefahren und hatte dem Wolf nachgespürt; bisher hatte er ihn nicht gefunden.

„Wenn ich den kriege“, sagte er, „Menschenskind, das gibt eine Feier! Von der Nordsee bis an den Harz werden mich alle beneiden“.

Heute würde er seinen Jagdwagen bald nach Hause schicken. Er wollte zu Fuß in die Heide gehen und die Gegend östlich des Baches absuchen.

Eigentlich sind wir ganz und gar überflüssig geworden, dachte er, da muss man dankbar sein für einen Wolf.

Nach dem Winter werden die Schafe wieder in die Heide getrieben

Außerdem wurden an diesem Tag die Schafe in die Heide getrieben.

Der Schäfer stand auf der Straße. Er brauchte nichts zu tun als zu warten. Die Tiere wurden aus den Ställen des Dorfes gelassen, kleine schwarzgraue, zottige Schnucken. Sie rannten eine Weile hin und her und blökten und freuten sich über die gewonnene Freiheit. Dann aber, als die Muttertiere den Schäfer erblickten, liefen sie zu ihm hin, scharten sich um ihn und schienen ihn voller Erwartung anzublicken. Es wurden immer mehr und mehr, schließlich wogte es über die ganze Breite der Straße, ein Strom dunkler, eng aneinander gedrückter Rücken, und scharfer Stalldunst erfüllte die Luft. Der Schäfer stand da, klein und mager, auf seinen Stecken gestützt, und rührte sich nicht.

Für niemand war ein Durchkommen. Da trat auch der Bürgermeister auf die Straße. Als die Frau des Schäfers ihn sah, begann sie lauthals zu zetern. „Du hast ihm eine Pistole gegeben. Der Teufel sitzt in den Männern, sobald sie eine Waffe in die Hand kriegen. Aber da ist er doch der Falsche. Er hat viel zu viel Angst vor dem Knall.“

Ein Spaziergang durch Wald und Heide – ob man den Wolf trifft?