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Der Würfel ist sein Schicksal. Wer kann den Mörder stoppen? Die brutale Mordserie von Helsingborg nimmt kein Ende. Der Würfelmörder tötet völlig willkürlich: Ein Rentner wird in einer Plastikhülle erstickt. Ein Kind wird nachts in seinem Bett ermordet. Ein Segler wird mit einem Schwert auf seinem Boot enthauptet. In seinem 5. Fall begreift Kommissar Fabian Risk als Erster, dass die Morde zusammenhängen: Alle haben kein Motiv und immer neue Methoden. Als Risk an einem Tatort einen Würfel findet, erkennt er, dass dieser Fall wie kein anderer ist. Der Mörder spielt ein Spiel. Und die Regeln kennt nur er selbst. Wird der Würfel auch über Risks Leben entscheiden? "Es packt dich auf der ersten Seite und lässt dich nicht mehr los." Hjorth & Rosenfeldt "Stefan Ahnhem gehört zur internationalen Krimi-Elite" Krimi-Couch Wie das Töten begann, lesen Sie in "Der Würfelmörder"
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Die Rückkehr des Würfelmörders
STEFAN AHNHEM ist einer der erfolgreichsten Krimiautoren Schwedens. Seine Bücher sind allesamt Bestseller und preisgekrönt. Bevor Ahnhem begann, selbst Krimis zu schreiben, verfasste er Drehbücher, unter anderem für die Filme der Wallander-Reihe. Er lebt mit seiner Familie in Kopenhagen.
Stefan Ahnhem
Thriller
Aus dem Schwedischen von Katrin Frey
Ullstein
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Die schwedische Originalausgabe erschien 2019unter dem Titel X sätt att dö bei Forum, Stockholm.
ISBN 978-3-8437-2241-4
Ungekürzte Ausgabe im Ullstein Paperback© für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2020/Ullstein Verlag. © Stefan Ahnhem 2019. Titel der schwedischen Originalausgabe: X sätt att dö (Forum, Stockholm)Published by agreement with Salomonsson AgencyUmschlaggestaltung: Bürosüd, MünchenTitelabbildung: © GettyImages / Thomas J PetersonAlle Rechte vorbehaltenE-Book Konvertierung powered by Pepyrus.com
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Titelei
Der Autor / Das Buch
Titelseite
Impressum
TEIL III
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TEIL IV
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EPILOG
Anhang
Danke
Leseprobe: Der Würfelmörder
Social Media
Vorablesen.de
Cover
Titelseite
Inhalt
TEIL III
Gott würfelt nicht.
A. Einstein
Alles, was ihr wisst, ist falsch …
Eine undurchdringliche Mauer aus Beinen versperrte ihm die Sicht. An die zwanzig Personen verschiedenen Alters standen mit ihren Einkaufswagen um ihn herum und starrten ihn an. Er setzte sich auf den blank polierten Steinfußboden und drehte sich zu der Mädchenstimme hinter ihm um. Es war Matilda, seine Tochter. Sie saß im Schneidersitz und sah ihn mit diesem neuen Blick an, mit dem er sich niemals anfreunden würde, weil es nicht ihrer war und sie nicht mehr sie selbst.
»Was hast du gesagt?«, fragte er.
Alles, was ihr wisst, ist falsch …
Die zarte Stimme kam aus ihrem Mund. Er sah, dass sich ihre Lippen synchron zu den Worten bewegten. Aber es war nicht Matildas Stimme, jedenfalls nicht die von seiner Matilda.
»Fabian, hörst du mich?« Fabian blickte auf, Sonja beugte sich über ihn. »Du bist ohnmächtig geworden.«
»Nein, Sonja.« Er schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht ohnmächtig geworden.«
Sie nickte nachdrücklich und lächelte. »Komm, ich helfe dir auf.« Sie zog ihn auf die Füße und sah sich zu den Schaulustigen um. »Sie können Ihren Einkauf jetzt fortsetzen. Die Vorstellung ist zu Ende.«
Die Leute setzten sich wieder in Bewegung, und im äußersten Winkel seines Gesichtsfelds erahnte er einen dunkel gekleideten Mann, der zur Fleischtheke huschte, woraufhin er langsam begriff, dass sie bei Ica Maxi in Hyllinge waren.
Sonja legte ihm die Hände auf die Wangen und drehte sein Gesicht in ihre Richtung. »Theodor und du. Ihr habt euch gestritten und so laut angeschrien, dass alle Leute stehen geblieben sind und euch angestarrt haben. Ich habe versucht, euch zu beruhigen, aber …« Sie schüttelte den Kopf. »Ich wusste nicht, dass er so stark ist. Du bist hintenübergefallen und mit dem Kopf auf dem Boden aufgeschlagen, und jetzt ist er … Matilda und ich haben versucht, ihn zurückzuhalten, aber es war unmöglich. Verstehst du? Und jetzt müssen wir ihn finden, bevor es zu spät ist.« Sie war kurz davor, in Tränen auszubrechen.
»Beruhige dich, Sonja.« Er strich über ihre Wange. »Wir werden ihn schon finden.«
Alles, was ihr wisst, ist falsch …
Abrupt drehte er sich zu Matilda um. »Bist du diejenige, die das immer wieder sagt?«
»Wieso fragst du, wenn du die Antwort schon weißt?«
Greta. Dieser Geist. Wollte sie ihm irgendetwas sagen? Ging es darum? Ausgerechnet ihm, der überhaupt nicht an Geister glaubte? Oder besser gesagt, geistige Wesen, wie Matilda sie beharrlich nannte. Und dann dieser dunkle Mann, der drüben an der Fleischtheke wartete, bis er an der Reihe war. Warum hörte er nicht auf, ihn anzuschauen? Was stimmte mit seinem Gesicht nicht?
Der Mann raste plötzlich auf den Tresen zu, stützte sich mit der linken Hand auf die gewölbte Scheibe, schwang sich in einem flüssigen Bewegungsablauf hinüber und flog geradezu hinter die Fleischtheke, wo er sich eins der Messer vom Schneidebrett schnappte und es in den Hals des Verkäufers rammte, in dem Fabian erst jetzt Assar Skanås mit der bis unter die Arme hochgezogenen Jeans und der beigefarbenen Jacke der Schwedendemokraten erkannte.
Skanås schrie vor Schmerz, während er sich eine Hand auf die Wunde hielt, um die Blutung zu stoppen, und sich mit der anderen gegen den Angreifer zur Wehr setzte. Der Druck in der Halsschlagader war jedoch so groß, dass der rote Strahl meterweit in alle Richtungen spritzte. Gleichzeitig stach der Angreifer wie von Sinnen mit dem Messer auf ihn ein.
Etwas so Furchtbares hatte Fabian noch nie gesehen. Trotzdem kam es ihm seltsam bekannt vor. Wie ein Widerhall von etwas noch viel Schlimmerem.
Alles, was ihr wisst, ist falsch …
Und dann diese zarte Mädchenstimme. Warum ließ sie ihn nicht einfach in Frieden? Matilda war doch diejenige gewesen, die bei der Séance die Frage gestellt und diese kryptische Antwort bekommen hatte. Oder etwa nicht? War die Antwort in Wirklichkeit an ihn gerichtet? Wurde sie deshalb unaufhörlich wiederholt?
»Nein, bitte geh nicht.« Sonja hielt ihn fest. »Wir müssen Theodor suchen. Du, ich und Matilda zusammen. Sonst finden wir ihn nie.«
Er hatte sich jedoch schon losgerissen und war auf dem Weg zu der blutüberströmten Fleischtheke, hinter der Skanås zusammensackte.
»Hör mir doch mal zu, verdammt noch mal!«, hörte er Sonja schreien. »Unser Sohn ist weg, und wir müssen ihn finden, bevor es zu spät ist!«
Es war seine Aufgabe, den Täter festzunehmen, das spürte er jetzt. Es gab sonst niemanden, auf den man sich verlassen konnte. Keinen Chef. Kein Team. Nur ihn.
Nachdem er den Tresen überwunden hatte, rutschte er in der sich immer weiter ausbreitenden Blutlache um Skanås aus, der mit einer Fleischgabel im Gesicht leblos dalag.
Das Blut war überall. An seinen Händen, auf seiner Kleidung, im Gesicht. Der klebrige Eisengeschmack lag ihm sogar auf der Zunge. Vom Täter hingegen war außer der hin und her schlagenden Schwingtür zum Personalraum nichts mehr zu sehen.
Alles, was ihr wisst, ist falsch …
Er rannte ihm hinterher und gelangte in eine Waschküche, wo sich der Täter über eine große gelbe Waschmaschine beugte und auf einen Schalter drückte.
»He, Sie!«, schrie er und griff nach dem Holster unter seinem Jackett. »Runter auf den Bauch! Mit ausgestreckten Armen!«
Doch da war keine Pistole. Er fand nicht einmal ein Holster. Der Mann rannte auf eine schwere Metalltür zu. Fabian setzte ihm nach, aber die Tür fiel vor ihm ins Schloss und war nicht mehr zu öffnen, sosehr er auch an der Klinke rüttelte.
Außer Atem, blutbeschmiert und nass geschwitzt drehte er sich zu den Waschmaschinen um und ging auf die gelbe zu, die inzwischen das Programm gestartet hatte und das Wasser einsog.
Alles, was ihr wisst, ist falsch …
Er ging in die Hocke und schaute durch die Luke direkt ins hypnotisch herumwirbelnde Dunkel.
Erst als direkt vor seinen Augen eine Hand gegen die runde Scheibe schlug, begriff er, dass dort jemand drin war. Jemand, der verzweifelt versuchte, herauszukommen, während sich die Trommel weiterdrehte. Zuerst in die eine Richtung, dann in die andere.
Um das Programm zu stoppen, drückte er die verschiedenen Schalter, und als das nichts nützte, schlug er darauf. Doch die Trommel drehte sich weiter, während das Wasser einströmte und die Hand immer verzweifelter von innen gegen die Scheibe schlug.
Er verfolgte das dicke Stromkabel der Maschine bis zu einer mit einem Schalter versehenen Steckdose, doch obwohl er den Strom abschaltete, hörte er, wie mehr Wasser einlief und die Trommel sich weiterdrehte.
Verzweifelt sank er vor der Luke auf die Knie und starrte wie gelähmt in die rotierende dunkle Hölle dahinter.
Alles, was ihr wisst, ist falsch …
Nicht einmal, als er begriff, dass es Theodors Gesicht war, das an die Scheibe gedrückt wurde, konnte er sich rühren. Sein eigener Sohn. Da war er und kämpfte um sein Leben, während ihn die rotierende Trommel in regelmäßigen Abständen mit Wasser überspülte.
Theodor schrie. Er selbst schrie auch aus Leibeskräften. Trotzdem war außer dem gluckernden Wasser und dem Geräusch der Trommel, die sich immer schneller drehte, bis Theodors verzerrtes Gesicht verschwamm, nichts zu hören.
Fabian öffnete die Augen und sah die Lampe, die ihnen der vorherige Hausbesitzer Otto Paldynski hinterlassen hatte und die immer noch in ihrem Schlafzimmer hing, obwohl weder er noch Sonja sie leiden konnten.
Es war nur ein Traum, wiederholte er im Geist. Ein Albtraum. In Wirklichkeit lief fast alles so gut wie seit Jahren nicht mehr. Da Sonja nackt neben ihm lag, Swingermörder Eric Jacobsén gefasst war und er die Bordkarten, die Ingvar Molanders Berlin-Alibi platzen ließen, an einem sicheren Ort aufbewahrte, war er nahezu wunschlos glücklich.
Sogar Theodor war zur Vernunft gekommen und hatte beschlossen, schon heute Nachmittag gemeinsam mit ihm über den Sund zu fahren und sich der dänischen Polizei zu stellen und als Zeuge im laufenden Prozess gegen die Smiley-Liga auszusagen.
Trotzdem hämmerte das Herz in seiner Brust wie ein galoppierendes Pferd, Vorbote einer drohenden Panikattacke, die seinem Gehirn jederzeit vorgaukeln konnte, er würde ersticken.
Hatte dieser Albtraum ihn so aufgewühlt, dass er sich noch immer nicht davon erholt hatte? Denn es war doch ein Traum gewesen, oder? Jedenfalls war alles so merkwürdig und verschachtelt gewesen, dass ihm der Verdacht, zu träumen, lange vor dem Aufwachen gekommen war. Doch die Angst rührte von etwas anderem. Das spürte er jetzt. Ihre Botschaft an ihn ließ das Adrenalin durch seinen Blutkreislauf schießen.
Er stand vorsichtig auf, um Sonja nicht zu wecken. Dann rannte er über den Flur und riss Theodors Zimmertür auf. Zu seiner großen Erleichterung lag er da. Sein geliebter Sohn, der tief atmete und nicht einmal aufwachte, als er ihn behutsam auf die Stirn küsste und zudeckte. Er war der Beweis, dass sich Matilda und diese Greta täuschten und sein ganzer Traum bedeutungslos war. Dass niemand aus seiner Familie sterben musste.
Oder hatte der Traum gar nicht von Theodor, sondern von etwas ganz anderem gehandelt?
Er rekapitulierte, so gut es ging, die Ereignisse in dem Traum und stellte bald fest, dass keins davon mit der Wirklichkeit übereinstimmte. Das Opfer hinter der Fleischtheke war eigentlich Lennart Andersson gewesen und nicht der pädophile Assar Skanås, der vermutlich den Waschkellermord an Moonif Ganem begangen hatte und inzwischen zum Glück inhaftiert war. Moonif, und nicht Theodor.
Nichts hatte gestimmt. Rein gar nichts.
Genau das hatte die zarte Mädchenstimme, die aus Matildas Mund kam, mehrmals gesagt.
Alles, was ihr wisst, ist falsch …
Und nun wusste er endlich, warum.
Als Fabian den Besprechungsraum im obersten Stock der Helsingborger Polizei betrat, war es erst Viertel vor sechs. In einigen Stunden würde sich das gesamte Team hier versammelt haben und Klippans Bericht darüber lauschen, was er bei der Durchsicht der Überwachungsvideos aus der Woche vor dem Mord an Lennart Andersson entdeckt hatte. Er war in den vergangenen Tagen mit dem Material beschäftigt gewesen, und nun hofften alle, seine Ergebnisse würden den Ermittlungen zu einem Durchbruch verhelfen. Sie waren bislang nicht vom Fleck gekommen, weil es weder Verdächtige noch konkrete Anhaltspunkte gab.
Doch Fabian war aus einem anderen Grund so früh gekommen. Er wollte den Raum für sich allein. Er war zwar kein Fan von Traumdeutung und dem Unbewussten, aber der Traum in der Nacht zuvor hatte ein Gefühl zum Ausdruck gebracht, das er schon seit einiger Zeit mit sich herumgetragen und mit aller Kraft verdrängt hatte. Daher bestand die einzige Gesellschaft, die er im Moment gebrauchen konnte, aus dicht beschriebenen Whiteboards.
Er überzeugte sich davon, dass alles noch da war. Obwohl zwei der Fälle so gut wie abgeschlossen waren, hingen noch immer Fotos von Opfern, Tatorten und Tätern an den Wänden. Listen verschiedener möglicher Motive teilten sich den begrenzten Platz mit Notizen und Ideen – einige durchgestrichen, andere eingekreist – und zahllosen bunten Pfeilen, die alles miteinander verknüpften.
Aus der Nähe erschienen die Gedankengänge einigermaßen logisch. Aus der Entfernung wirkte das Ganze jedoch wie ein einziges Chaos, das wiederum ihre Arbeitsweise in den vergangenen Wochen perfekt veranschaulichte.
Allerdings hatten sie auch mit drei Fällen gleichzeitig jongliert. Mit drei Morden, die keinerlei Parallelen aufwiesen. Drei vollkommen verschiedenen Universen mit ihren jeweils eigenen Opfern und Verdächtigen, Anhaltspunkten und Spuren, die verfolgt, Tatorten, die analysiert, und Hypothesen, die gedreht und gewendet, verworfen und wieder aufgegriffen werden mussten.
Er hatte keine Ahnung, wie viele Vernehmungen sie in der letzten Woche durchgeführt und wie viele Videos aus Überwachungskameras sie bis ins letzte Detail studiert hatten. Eine ganze Menge jedenfalls. Und obwohl ihnen einiges entgangen war hatten sie im Großen und Ganzen nach allen Regeln der Kunst ermittelt.
Aber wenn er ehrlich war, hatten sie auf ihrer Jagd nach Erklärungen im Dunkeln getappt. Und so schmerzlich dieses Eingeständnis auch sein mochte, sie taten es immer noch.
Genau wie es die zarte Mädchenstimme im Traum wiederholt hatte, war alles, was sie wussten, falsch.
Zweifellos hatte der Glasfaserkabelunternehmer Eric Jacobsén verbotenerweise Kameras in den Wohnungen verschiedener Frauen installiert, darunter Molly Wessman. Auch dass er in Gestalt seines Alter Egos »Columbus« Sex mit ihr gehabt und ihr sein Symbol zwischen die Beine tätowiert hatte, galt als gesichert. Er hatte es sogar zugegeben. Dass er sie mit Rizin vergiftet haben sollte, konnten sie hingegen weder beweisen noch erklären. Von einem Motiv ganz zu schweigen.
Dasselbe galt für Assar Skanås. Niemand bezweifelte, dass er ein Pädophiler war, der sich alle Finger der linken Hand abgehackt hätte, um die sechsjährige Ester Landgren ungestört zu vergewaltigen. Aber mit Pädophilie allein ließ sich nicht erklären, warum er den syrischen Jungen Moonif Ganem in eine große Waschmaschine gesperrt und zu Tode geschleudert haben sollte.
Genauso war es bei Lennart Andersson. Vielleicht würde es nach Klippans Bericht anders aussehen, aber noch hatten sie keine plausible Erklärung dafür, warum er vor den Augen zahlreicher Zeugen bei Ica Maxi erstochen worden war.
Da alle drei Morde innerhalb von wenigen Tagen geschehen waren, hatten sie sich redlich bemüht, einen gemeinsamen Nenner oder einen roten Faden zu finden, der die Fälle miteinander verband.
Als ihnen das nicht gelang, versuchten sie stattdessen, drei unabhängige Motive zu finden. Von Rassismus bis Sexsucht hatten sie alle nur denkbaren Beweggründe bis zur Unkenntlichkeit durchgeknetet, um sie mit den vorhandenen Spuren in Übereinstimmung zu bringen.
Motive, Motive und wieder Motive. Nichts anderes hatte ihre Diskussionen bestimmt. Als ob ein Motiv der Schlüssel war, mit dem sich alle Türen öffnen ließen. Hätten sie ihn erst gefunden, wäre der Täter auch nicht mehr weit.
Fabian holte sich einen Stuhl, setzte sich vor die Whiteboards und begann, entgegen seiner Art, im Geist einen Gedanken zu Ende zu denken. Einen Gedanken, der im Widerspruch zu allem stand, woran er und seine Kollegen glaubten. Und zu all der Erfahrung, die sie als Ermittler im Laufe der Jahre gesammelt hatten. Doch je länger er das Chaos aus Fotos und handschriftlichen Notizen betrachtete, desto offensichtlicher wurde es.
Nachdem noch etwas mehr Zeit verstrichen war, hatte sich das Chaos aufgelöst. Als ob es nie existiert hätte. Plötzlich sah er es ganz deutlich. Die Geografie und der zeitliche Rahmen waren das eine: Alles hatte innerhalb einer relativ begrenzten Zeitspanne im nordwestlichen Schonen stattgefunden. Aber er hatte etwas vollkommen anderes erkannt.
Die Ähnlichkeit der Unterschiede.
Jeder einzelne Fall war so spektakulär und einzigartig gewesen, dass sich der gemeinsame Nenner schlicht und einfach aus den extremen Unterschieden ergab. Der Gedanke erschien wagemutig, aber nach einer weiteren Minute meinte er sogar den roten Faden zu entdecken, nach dem sie schon so lange suchten.
»Ach, sieh mal einer an. Hier sitzt du also und heckst irgendwas aus.« Mit der Thermoskanne in der einen und einem Laptop in der anderen Hand trat Klippan ein. »Kommt nicht alle Tage vor, dass man dich hier so früh antrifft.« Er stellte den Kaffee auf den Tisch. »Es ist doch erst zwanzig nach sechs.«
»Du weißt ja, wie das im Sommer manchmal ist.« Fabian zuckte mit den Schultern. Er konnte es ihm nicht sagen. Noch nicht. »Ich bin aufgewacht, weil es hell war, und konnte nicht wieder einschlafen.«
Klippan nickte, aber sein Blick, der zwischen den Whiteboards und Fabian hin und her wanderte, verriet, dass er nicht überzeugt war. »Und da hast du dich ausgerechnet hierhin gesetzt. Interessant.«
»Ich hatte nichts Besseres zu tun.« Er brauchte mehr Zeit zum Nachdenken. Vor allem brauchte er eine bessere Begründung als die, seine Tochter hätte bei einer spiritistischen Sitzung einen Geist herbeigerufen, der sich in seine Träume eingemischt und ihm die Augen geöffnet hätte. »Und selbst? Ich wusste gar nicht, dass du so ein Frühaufsteher bist.«
»Dann kennst du mich aber schlecht. Im Gegensatz zu Berit werde ich immer früher wach. Wenn sie am Wochenende endlich aufsteht, bin ich reif fürs Bett. Wahrscheinlich sind wir deswegen noch verheiratet.« Klippan lachte und klappte den Laptop auf. »Aber heute wollte ich einfach nur rechtzeitig da sein und sichergehen, dass die Technik funktioniert.«
»Ach ja, du hast dir die Überwachungsvideos angesehen.«
Klippan nickte. »Und ich kann mit Stolz behaupten, ein paar interessante Dinge entdeckt zu haben. Aber davon wirst du erfahren, wenn alle da sind. Erzähl erst mal, was du so treibst.«
»Bitte?«
»Fabian, du sitzt da und starrst auf die Fälle, von denen zwei so gut wie abgeschlossen sind.«
»Aber der dritte nicht. Bei dem haben wir nicht mal einen Verdächtigen.«
Klippan seufzte und schüttelte den Kopf. »Tja, wenn du nicht reden willst, dann …« Weiter war er nicht gekommen, als sein Handy brummte. Er runzelte die Stirn. »Ja, Klippan hier … Sverker Holm, ganz richtig.«
Es waren nicht Klippans abgehackte Sätze, die Fabian verrieten, dass etwas Gravierendes vorgefallen war.
»Ah ja … Okay … Wir kommen.«
Es war die Farbe, die innerhalb von Sekunden aus Klippans Gesicht gewichen war.
Fabian nahm den stechend süßen Verwesungsgeruch nicht zum ersten Mal wahr. Während seiner Jahre bei der Stockholmer Polizei hatten im Sommer regelmäßig Leute in der Notrufzentrale angerufen, weil es in ihrem Treppenhaus nach Leiche stank. Hier fiel ihm eher auf, wie dezent der Geruch war. Vor allem, wenn man bedachte, dass Evert Jonsson aller Wahrscheinlichkeit nach schon über einen Monat hier lag.
Und da es sich außerdem um einen der heißesten Monate des Jahres handelte, erschien dieser Umstand umso merkwürdiger. Eigentlich hätten die Nachbarn schon vor zwei Wochen wegen des unerträglichen Gestanks die Polizei rufen müssen. Und doch hatte es bis heute gedauert, und der Anlass war auch nicht der Verwesungsgeruch gewesen, sondern ein an Evert Jonsson adressiertes Fensterkuvert des Energiekonzerns Sydkraft, das einer der Nachbarn in seinem Wohnungsflur gefunden hatte, als er sich die Tageszeitung holen wollte.
An Ihrer Stelle würde ich mal bei Jonsson in der Nachbarwohnung vorbeischauen, hatte in krakeliger Schrift auf dem Umschlag gestanden. Und anschließend würde ich sogar zum Hörer greifen und die Polizei rufen.
Die Erklärung für die geringe Intensität des Geruchs offenbarte sich Klippan und ihm, als sie das Wohnzimmer betraten und den zwei Meter langen zylinderförmigen Kunststoffkokon sahen.
Offenbar unfähig, irgendetwas anderes zu tun, als den Kopf zu schütteln, blieb Klippan mitten im Raum stehen. Daher trat Fabian selbst auf das dunkelgrüne Zelt aus Plastikfolie zu, hockte sich hin und versuchte hineinzuschauen. Doch obwohl die Sonne bereits hoch genug am Himmel stand, um durch das Fenster direkt auf die merkwürdige Konstruktion zu scheinen, konnte er nicht durch die Folie hindurchsehen.
Er drehte sich zu Klippan um, der offenbar seine Gedanken gelesen hatte und ihm sein Schweizer Armeemesser reichte, mit dem er einen zehn Zentimeter breiten Schlitz in die Plastikfolie schnitt.
Obwohl das entstandene Loch relativ klein war, schlug ihm der beißende Gestank mit solcher Wucht entgegen, dass er instinktiv zurückwich. Doch es war bereits zu spät. Im Laufe von Sekunden war die Luft im Raum von dem Geruch gesättigt, und er war froh, nicht gefrühstückt zu haben.
Klippan, der sich rasch einen Mundschutz übergestreift hatte, warf auch ihm einen zu, damit der quälende Geruch irgendwie auszuhalten war.
Etwa fünfzig weiße Maden waren bereits aus dem Loch gekrochen und auf den Boden gefallen, wo sie ausschwärmten, um auf Nahrungssuche zu gehen. Wie auch immer sie sich in dem hermetisch abgeschlossenen Kunststoffkokon gebildet haben mochten. Bakterien gab es zwar überall, aber Maden, die Leichen verzehrten, entstanden erst, wenn die Schmeißfliegen hereingekommen und ihre Eier im Kadaver abgelegt hatten, und bis jetzt hatte er noch keine einzige Fliege gesehen oder gehört.
Er beugte sich vor und schaute durch die Öffnung in der Folie, konnte aber kaum mehr als zwei Schienbeine und zwei Füße erkennen, deren Farbe zwischen Grün, Rot und Lila changierte. An einigen Stellen war die Verwesung schon so weit fortgeschritten, dass die Haut vollkommen schwarz geworden war. An den Innenseiten der Plastikfolien wucherte etwas Braungrünes, und auf dem Boden hatte sich eine zähflüssige braune Lache aus Leichenflüssigkeit gebildet.
»Schieß los«, sagte Klippan. »Was siehst du?«
»Nicht viel mehr als das, was du vermutlich schon weißt. Ob es Evert Jonsson ist, lässt sich noch nicht sagen, auf jeden Fall liegt irgendjemand da drin.« Fabian steckte das Messer in die Öffnung und verbreiterte den Schlitz um einen Meter, woraufhin ein Großteil der Plane herunterfiel und den Blick auf das Innere des Kokons freigab.
Klippan kam einen Schritt näher, hockte sich hin und betrachtete die Leiche, die auf dem Rücken lag und deren Beine, Arme und Hals an einem kräftigen Eisenrohr festgebunden waren, das sich wie eine Achse durch den gesamten Kokon zog und deren Enden jeweils an der Nabe einer Fahrradfelge befestigt waren.
»Nein, das geht nicht.« Klippan schüttelte den Kopf. »Nicht noch ein Fall. Nicht, nachdem wir es endlich geschafft haben, zwei Fälle zum Abschluss zu bringen, und unsere ganze Energie in den Ica-Mord stecken müssten.«
Die Teile des Körpers, die nicht mit Maden bedeckt waren, hatten eine dunkle Farbe angenommen und waren aufgequollen, ebenso wie die Augäpfel und die Zunge, die so groß geworden war, dass sie nicht mehr in den Mund passte. Am schlimmsten war jedoch der Bauch, der so prall war, als würde er jeden Moment platzen und seinen Inhalt in den Kokon ergießen.
»Wenn man schon unbedingt jemanden umbringen muss«, fuhr Klippan fort, der mit dem Kopfschütteln gar nicht aufhören konnte, »warum macht man es dann nicht auf einfache Weise? Wieso muss es so krank und kompliziert sein? Wie das hier?« Er zeigte auf eines der Handgelenke, an dem der Spanngurt die Haut weggescheuert und den Knochen freigelegt hatte. »Siehst du, wie er gekämpft haben muss, um sich zu befreien?« Er seufzte. »Ich weiß wirklich nicht, wie wir einen weiteren Fall packen sollen. Und wenn du mich fragst, sieht der hier mindestens so kompliziert aus wie die anderen.«
Fabian nickte, obwohl er sicher war, dass Klippan völlig falschlag. Dies hier war nicht irgendein weiterer Fall, ganz im Gegenteil. Vermutlich würde dieser genau dasselbe Muster aufweisen wie die drei früheren Fälle.
Irene Lilja nahm den Entsafter aus dem Umzugskarton und stellte ihn neben das Abtropfgestell auf die Arbeitsplatte. Das war alles andere als ideal, aber sie benutzte das Ding täglich, und es gab nun einmal keine andere freie Fläche mit Steckdose in Reichweite.
In gewisser Hinsicht sagte das einiges über ihre Trennung von Hampus und den Auszug aus dem Haus in Perstorp. Sie hatte keine Ahnung, wie sie ihren Kram in der kleinen Zweizimmerwohnung im südlichen Helsingborg unterbringen sollte. Sie hatte bereits fünfzehn Umzugskartons ausgepackt, und es standen noch mindestens genauso viele herum.
Irgendwie würde es schon gehen, und was nicht in die Wohnung passte, würde sie entweder loswerden oder einlagern, bis sie sich etwas Größeres leisten konnte. Hauptsache, sie hinterließ Hampus nicht den geringsten Fitzel ihres Eigentums. Sie hatte sogar die hässlichen, noch nie benutzten Flamingotopflappen mitgenommen, die sie zu Weihnachten von ihrer Mutter bekommen hatte.
Zum Glück hatte Klippan mit angepackt. Wenn er nicht gewesen wäre, hätte sie es nie geschafft. Obwohl das Ganze sehr viel länger gedauert hatte als erwartet, hatte er sich nicht beklagt. Ruhig und systematisch hatte er dafür gesorgt, dass alles im Umzugslaster unterkam, und den Anhänger hatte er mitgebracht, ohne dass sie ihn darum gebeten hatte.
Als sie endlich alles in die Wohnung hinaufgeschleppt hatten, lud sie ihn schräg gegenüber in Sam’s Bar ein, wo sie sich beide ein Holzfällersteak mit extra viel Sauce béarnaise und ein großes Bier bestellten. Anschließend kehrte sie in ihre Wohnung zurück, um dort Ordnung zu schaffen, und war stattdessen nach einer halben Stunde zwischen all den Klamottenhaufen auf ihrem Bett eingeschlafen.
Sie hatte die ganze Nacht durchgeschlafen und war am nächsten Morgen erst um acht aufgewacht, höchst verwundert, dass Hampus kein einziges Mal versucht hatte, sie anzurufen, nachdem er vom Autorennen in Knutstorp zurückgekommen war. Sie hatte damit gerechnet, dass er zum Telefon stürzen würde, sobald er bemerkte, dass nicht nur sie, sondern auch alle ihre Sachen weg waren.
Was er, wie ihr später klar wurde, auch getan hatte. Der Akku ihres Handys war leer gewesen, und als es wieder zum Leben erwachte, sah sie, dass er praktisch die ganze Nacht angerufen hatte. Zweiundzwanzigmal, um genau zu sein. Zweiundzwanzig Sprachnachrichten hatte er hinterlassen, in denen er seinen ganzen Frust über ihre Abartigkeit abgelassen hatte.
Mittlerweile hatte sie ihn blockiert, und bald würde sie sich eine anonyme Nummer zulegen. Hampus war nicht mehr Teil ihres Lebens. Endlich brauchte sie sich keine Sorgen mehr zu machen, weil er zu viel trank. Endlich kein Streit und keine harten Worte mehr. Endlich musste sie nicht mehr die personifizierte Nachsicht sein. Sie brauchte sich seinetwegen überhaupt keine Gedanken mehr zu machen.
Das Einzige, was sie an dem Umzug bedauerte, war, dass sie ihn so lange hinausgezögert hatte. Obwohl sie erst seit vierundzwanzig Stunden in der Innenstadt war, schien die Zeit mit Hampus bereits der Vergangenheit anzugehören. Genauso wie diese Vollblutnazis, die bei ihr zu Hause eingebrochen waren und Hakenkreuze an die Wände gesprüht hatten.
All das schien ihr in einem vollkommen anderen Leben passiert zu sein, an das sie sich bald nur noch bruchstückhaft erinnern würde. So als hätte nicht sie das Vereinsheim dieser Idioten in Schutt und Asche gelegt und ihnen gedroht, sie sofort zu verknacken, wenn sie auch nur noch ein einziges Mal in ihre Richtung guckten.
Noch ein Tag, und sie würde der Perstorper Polizei abkaufen, dass alles auf eine interne Racheaktion in kriminellen Kreisen hindeutete.
Sie nahm den Zahnputzbecher mit ins Bad und stellte ihn in den Schrank. Es roch hier anders. Nicht schlecht, nur anders. So war es bei jedem Umzug. Neue Gerüche und neue Geräusche, an die man sich gewöhnen würde.
Der Mietvertrag galt zwei Jahre. In Anbetracht der einfachen Ausstattung und der schlechten Lage war das eine lange Zeit. Die City Süd war nie ihr Ding gewesen. Doch im Moment war alles besser als Perstorp, und vielleicht würde sie sich ja mit ihrem neuen Viertel anfreunden.
Über die Nachbarn wusste sie nicht viel, aber sie waren wahrscheinlich wie die meisten Nachbarn. Nebenan wohnte eine alte Dame, die kurz vorbeigekommen war, als Klippan und sie die Möbel hinaufgeschleppt hatten. Sie hatte einen netten Eindruck gemacht, war aber ohne Hörgerät stocktaub, wie Klippan im Gespräch mit ihr feststellen musste.
Auf der anderen Seite wohnte P. Milwokh. Sie wusste nicht, wer das war. Trotzdem kam ihr der Name bekannt vor, so wie beim ersten Besuch in diesem Haus, als Molander Assar Skanås’ Handy nicht weit von hier geortet hatte.
Seit sich am Tag zuvor jedoch herausgestellt hatte, dass es Klippan ebenso erging, ihm aber genauso wenig etwas dazu einfallen wollte, hatte sie der Name nicht mehr losgelassen. So war sie am Vormittag hinübergegangen, um das Rätsel ein für alle Mal zu lösen.
Es hatte ihr niemand aufgemacht, und durch den Briefschlitz sah sie, dass hinter der Tür ein schwerer dunkler Vorhang hing. Minutenlang hatte sie auf den kleinen Knopf gedrückt, bevor sie aufgab und stattdessen wieder Kartons auspackte. Dafür hatte sie sich ja schließlich einen Tag freigenommen.
Das Geräusch jedoch lenkte ihre Gedanken wieder in eine andere Richtung. Das Rauschen einer Klospülung. Es war deutlich zu hören, aber schwer zu lokalisieren. Da sie durch die Rohre in der Ecke kein Wasser laufen hörte, konnte sie die Wohnung über ihr ausschließen. Außerdem erinnerte sie sich vage daran, dass Molander ihr einmal einen langen Vortrag darüber gehalten hatte, dass Schallwellen sich in Häusern eher nach unten als nach oben ausbreiten, weshalb die Wohnung unter ihr ebenfalls nicht in Betracht kam.
Blieb nur die Wohnung nebenan.
Die mit dem Namensschild P. Milwokh.
Sie stieg in die Badewanne und drückte ihr Ohr an die weiß gekachelte Wand zur Nachbarwohnung. Doch das Einzige, was sie hörte, war ihr eigener Pulsschlag.
Erst als sie vorsichtig an der kleinen Kette weiter unten an der Wand zog und die weiß lackierte Klappe öffnete, hinter der sich die Abwasserentlüftung verbarg, waren alle Zweifel beseitigt. Sie konnte nicht nur hören, wie in der Nachbarwohnung das Wasser ins Handwaschbecken floss und Sekunden später der Hahn abgedreht wurde, sie hörte sogar die letzten Tropfen im Becken aufprallen, bevor es wieder still wurde.
Obwohl die Hallberg-Rassy ein relativ großes Segelboot war, schien sie sich mit Leichtigkeit zwischen den anderen Booten im Yachthafen von Råån hindurchzubewegen, und als sie die Hafeneinfahrt hinter sich gelassen hatte, drehte sie in den Wind und hisste das Großsegel.
Mit der Hand an der Stirn, zum Schutz vor der hoch stehenden Sonne, stand Fabian auf dem etwa dreißig Meter entfernten Nordkai und beobachtete interessiert, wie die Schot am Baum dichtgezogen wurde, woraufhin das Großsegel den Wind einfing und auf seine lautlose und nahezu magische Weise die Arbeit des Außenborders übernahm.
Er war gerade aus dem Auto gestiegen, als er die schöne Yacht bemerkt hatte, von der er nun den Blick nicht abwenden konnte. Die Besitzer hatte er spät am vergangenen Abend kennengelernt, als er auf der Suche nach Hugo Elvins Petterssonboot war. Sie hatten ihm erzählt, dass sie, sobald sich das Wetter besserte, ins dänische Humlebæk hinübersegeln und von dort aus einen Nachttörn nach Göteborg unternehmen wollten.
Es kam ihm wie ein Zeichen vor, und irgendwo tief im Innern fasste er den Entschluss, den Kindern ihren Wunsch nach einem Segelboot zu erfüllen, sobald sich alles beruhigt hatte.
Er holte den Karton mit dem Inhalt von Elvins Schreibtischschublade aus dem Kofferraum und ging zu dem einsamen alten Holzboot seines toten Kollegen hinüber. Hillevi Stubbs hatte sich erstaunlicherweise noch nicht blicken lassen.
Sie kam fast nie zu spät. Im Gegenteil. Sie war immer früher als alle anderen vor Ort. Während ihrer Zusammenarbeit in Stockholm hatte sie unzählige Male die Augen verdreht, nur weil der Sekundenzeiger über die vereinbarte Zeit hinausgewandert war.
Andererseits brauchte sie von der Polizei in Malmö mit dem Auto eine gute Stunde und hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass sie weder Zeit noch Lust hatte und sich nur mit ihm traf, weil er es war.
Stubbs war alles andere als unkompliziert, aber damit musste er leben. Sie arbeitete effektiv und war eine der besten Kriminaltechnikerinnen im Land, und seine Ermittlungen über den Kollegen Ingvar Molander waren so weit fortgeschritten, dass er allein nicht weiterkam.
Er brauchte jemanden, mit dem er sich austauschen konnte, jemanden, der nicht dem Team in Helsingborg angehörte. Auf diese Weise konnte er zumindest sichergehen, dass er tragfähige Beweise in der Hand hielt, bevor er öffentlich Farbe bekannte. Außerdem erschien es ihm zunehmend wichtig, seine Arbeit für den Fall, dass ihm etwas zustoßen sollte, vor dem Vergessen zu bewahren.
Nicht, dass er sich ständig umgeschaut hätte. Aber er konnte auch nicht die Augen davor verschließen, dass Molander Elvin umgebracht hatte, als er begriff, dass dieser auf dem besten Weg war, ihn zu entlarven.
Mit dem Karton unter dem Arm kletterte er die Leiter hinauf, die am Heck lehnte, und stand kurz darauf vor Stubbs, die, kurz und breit, wie sie war, ausgestreckt auf dem Deck lag und die Sonne genoss.
»Da bist du ja.« Er stieg ins Boot.
»Wo sollte ich denn sonst sein? Oder dachtest du etwa, ich würde mich verspäten?«
»Nein, wieso solltest du?«
»Das ist eine fast so gute Frage wie ›Was mache ich hier eigentlich?‹« Sie öffnete die Augen und setzte sich auf. »Ja, ich habe verstanden, dass das hier Elvins altes Boot ist«, fuhr sie fort, bevor er zu Wort kam. »Und mir ist vollkommen bewusst, dass ich es für dich untersuchen soll, genau wie ich es mit seiner Wohnung gemacht habe. Aber warum?«
»Ich glaube, du siehst es dir am besten mit eigenen Augen an.« Fabian holte einen der beiden blau markierten Schlüssel hervor, die er in Elvins Schreibtischschublade gefunden hatte, und ging auf die Kajütentür zu.
»Sei jetzt nicht enttäuscht, aber ich bin nicht hier, um mir etwas anzusehen. Dafür habe ich keinen Freizeitausgleich genommen und den weiten Weg zurückgelegt. Ich bin gekommen, um dir begreiflich zu machen, dass du dir die Sache aus dem Kopf schlagen musst. Glaub mir, in dieser Wohnung deutete nichts auf etwas anderes als Selbstmord hin. Abgesehen von deinen, gelinde gesagt, abstrusen Science-Fiction-Szenarien.«
»Das stimmt nicht.« Vorsichtig steckte Fabian den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn um. »Aber lass uns das später besprechen.«
»Was verstehst du daran nicht? Es gibt da nichts zu besprechen. Ich muss mich unten in Malmö um eine Schießerei nach der anderen kümmern, und wenn mich nicht alles täuscht, habt ihr in Klippan gerade einen neuen Fall auf dem Tisch. Und du stehst hier rum, trauerst um einen alten Kollegen und verlangst von mir, sein Boot zu untersuchen.« Sie breitete die Arme aus. »Du hörst doch selbst, wie das klingt.«
»Stimmt.« Fabian klappte die beiden Türflügel auf und verschwand in der Kajüte. »Deswegen sollten wir so schnell wie möglich loslegen. Ich habe nämlich in anderthalb Stunden ein Kick-off-Meeting.«
Nachdem Stubbs einen ebenso langen wie schweren Seufzer von sich gegeben hatte, stieg sie ebenfalls ins Bootsinnere hinunter. »Wie anstrengend du bist, wusste ich schon aus unserer gemeinsamen Zeit in Stockholm. Aber schlimmer als ein Kind im Trotzalter?« Sie verstummte und sah sich in der engen Kajüte um, die mit Stapeln von Heftern, Fotos und Notizblöcken, beschrifteten Gläsern und Beweismitteln in Klarsichtbeuteln, elektronischen Geräten mit verschiedenfarbigen Kabeln, einem Computer mit einer ganzen Reihe von externen Festplatten, einem Mikroskop und vielen anderen Dingen vollgestopft war. Es war so viel Zeug, dass man sich nicht bewegen konnte, ohne irgendwo anzustoßen.
Als Fabian den Lichtschalter betätigte, gingen mehrere Lampen über dem Whiteboard, das mit Fotos und Notizzetteln bestückt war, und dem Papierstapel neben dem Computer an. Genau diesen Effekt hatte er sich erhofft. Er ließ Stubbs einige Minuten Zeit, sich umzusehen und alles auf sich wirken zu lassen. Schließlich drehte sie sich wieder zu ihm um.
»Okay. Lass hören.« Sie schob einen Stapel Bücher zur Seite und setzte sich auf die Bank.
Fabian machte vor ihr auf dem Tisch Platz und legte eine Serie von Schwarz-Weiß-Fotos einer Frau vor sie hin, die in einem sommerlichen Kleid anspaziert kam und dann auf dem Beifahrersitz eines Saab Platz nahm.
»Bis Sommer 2007 hatte Molander ein Verhältnis mit dieser Frau. Sie hieß Inga Dahlberg und wohnte im Haus neben seinem. Sein Schwiegervater Einar Stenson hatte bereits ein Jahr zuvor Verdacht geschöpft und die beiden heimlich fotografiert, wie du hier siehst.«
Stubbs betrachtete eingehend die Bilder, während Fabian eine Tatortbeschreibung hervorholte.
»Am 21. April 2007 verstarb Stenson zu Hause in seiner Küche in Ringsjöstrand. Die Polizei Eslöv interpretierte das Ganze offenbar als Unfall. Er soll auf dem frisch gebohnerten Küchenfußboden ausgerutscht und vornüber auf den Besteckkorb der herausgezogenen Spülmaschinenschublade gefallen sein, in der ein Messer mit der Spitze nach oben stand. Wenn man jedoch Elvin und seinen Aufzeichnungen Glauben schenken darf, war es alles andere als ein Unglücksfall, und nachdem ich der Sache persönlich nachgegangen bin, neige ich dazu, ihm zuzustimmen. Vier Monate später wurde Inga Dahlberg ermordet. Das war der sogenannte Venmord.«
»War das die Frau, die auf einer Europalette festgeschraubt worden war und von Råån bis nach Ven getrieben ist?«
Fabian nickte.
»In meiner Erinnerung ist jemand anders dafür verurteilt worden.«
»Du denkst an den dänischen Vergewaltiger Bennie Willumsen, der damals auf der schwedischen Seite sein Unwesen trieb. Die Kaltblütigkeit des Venmordes hatte offenbar so viel mit seiner Vorgehensweise gemein, dass man ihm, als er endlich geschnappt wurde, auch diese Tat anhängte. Das Problem war nur, dass Willumsen ein Alibi hatte und deshalb von allen Anklagepunkten freigesprochen wurde.«
»Okay, er bringt also seinen Schwiegervater um, damit niemand von der heimlichen Geliebten erfährt, das leuchtet mir ein. Aber warum bringt er sie um?«
Fabian zuckte mit den Schultern. »Vielleicht hatte sie es satt, sich heimlich zu treffen, und drohte damit, ihn zu verraten, falls er Gertrud nicht verließ.«
»Gertrud. Ist das seine Frau?«
»Ganz genau. Und jetzt hätte er sich ja zufrieden zurücklehnen können, möchte man meinen. Das Problem war schließlich aus der Welt. Aber drei Jahre später schlägt er wieder zu. Ich selbst war gerade hierher gezogen und ermittelte in einer Reihe von Mordfällen unter Mitschülern von mir.«
»Ja, davon habe ich gehört. Es muss furchtbar gewesen sein.«
Fabian nickte und schwieg einen Moment, bevor er fortfuhr. »Die Sache war die: Der Mordversuch an Ingela Ploghed, die ebenfalls in meiner Klasse gewesen war, unterschied sich von den anderen.«
»Inwiefern?«
»Nachdem sie entführt worden war, hatte man eine Hysterektomie an ihr durchgeführt. Eine operative Entfernung der Gebärmutter. Dieses Vorgehen passte zu den anderen Morden. Wenn sie nicht vor der Operation vergewaltigt worden wäre, was bei keinem anderen Opfer der Fall gewesen war.«
»Und was hat das restliche Team dazu gesagt?«
»Ich bekam keinerlei Unterstützung, schon gar nicht von Molander, aus naheliegenden Gründen. Und nachdem die Täter gefunden und unschädlich gemacht worden waren, geriet die Sache in Vergessenheit. Das dachte ich zumindest. In Wirklichkeit hatte Hugo Elvin ihn die ganze Zeit im Auge gehabt und eigene Ermittlungen angestellt, deren Ergebnisse wir hier sehen und die letztendlich zu seinem Tod geführt haben.«
»Und das kannst du alles beweisen?«
»Ich gehe davon aus, dass sich alles, was dafür nötig ist, hier drin befindet.« Fabian streckte die Hand aus. »Und ich hoffe, du wirst mir helfen, das Material durchzugehen.«
Stubbs sah sich um. »Ja, hier gibt es ohne Zweifel eine Menge Zeug. Das beweist aber noch nichts. Hätte er Beweise gehabt, hätte sich Elvin doch wohl aus der Deckung gewagt.«
»Vielleicht ist er nicht mehr dazu gekommen.«
»Und woher willst du wissen, ob Molander kein Alibi hatte? Genau wie dieser Willumsen? Ich meine, dann bricht doch das ganze Konstrukt zusammen.«
»Tatsächlich hat er ein Alibi für den Mord an Inga Dahlberg. Er hat nämlich ausgerechnet an dem Wochenende mit Gertrud in Berlin den gemeinsamen Hochzeitstag gefeiert. Aber schau dir das mal an.« Fabian holte den Ordner hervor, auf dessen Rücken »Berlin« stand, und blätterte darin, bis er auf den Ausdruck von zwei Bordkarten stieß. »Anhand dieser Bordkarten lässt sich nachvollziehen, dass er von Berlin aus hin- und zurückgeflogen ist und gerade genug Zeit hatte, um den Mord zu begehen.«
»Das ist gut, es fragt sich jedoch, ob es gut genug ist. Wenn ich hier mal den Advocatus Diaboli spielen darf, dann hat Molander diese Tickets vielleicht gar nicht selbst gekauft. Sondern jemand, der ihm etwas anhängen wollte. Aber lass uns ruhig mal annehmen, er wäre es wirklich gewesen. Und er hätte sogar eingecheckt. Das muss noch nicht heißen, dass er auch ins Flugzeug gestiegen ist. Und selbst wenn, dann hat er es möglicherweise gar nicht getan, um Inga Dahlberg umzubringen, sondern aus einem ganz anderen Grund.«
»Absolut, da hast du recht. Ganz wasserdicht ist die Theorie nicht. Ich bin aber fest davon überzeugt, dass ich mit deiner Hilfe genug Indizien finden werde, um ihn lebenslänglich hinter Gitter zu bringen. Sieh dir nur mal das hier an.« Fabian hielt eine kleine durchsichtige Figur in Form einer Eule hoch. »Sie sieht genauso aus wie die Kristalleulen, die seine Frau Gertrud sammelt, ist aber aus Plastik, und am Boden hat Elvin einen kleinen Hohlraum hineingefräst, in den man ein Mikrofon mit Sender und Batterie stecken kann.«
»Ich wusste gar nicht, dass er so geschickt war.«
»Ich auch nicht. Wahrscheinlich hat er die Idee von Molander geklaut. Er benutzt nämlich das gleiche Programm wie er, um Sounddateien zu analysieren.« Fabian ging zum Computer hinüber, weckte ihn auf und scrollte bis zur letzten einer langen Liste von Aufnahmen hinunter. »Das hier ist gestern Abend um 23:49 Uhr aufgenommen worden, als ich zufällig gerade hier war.« Er klickte ein dreieckiges Symbol an, woraufhin sich ein Zeitmarker über den Bildschirm zu bewegen begann.
»Du bleibst hier. Worüber habt ihr geredet?«, hörte er Molander fragen. »Gertrud, bleib hier, habe ich gesagt!«
»Ingvar, du machst mir Angst.«
»Ich will jetzt wissen, worüber ihr geredet habt!«
»Entspann dich erst mal.«
»Ich bin entspannt und frage dich nur …«
»Nein, das bist du nicht! Außerdem ist es schon viel zu spät. Wir sprechen ein andermal darüber, denn ich gehe jetzt ins Bett. Heute Nacht schlafe ich im Gästezimmer, und ich wäre dir dankbar, wenn du mich in Ruhe lassen würdest.«
»Du kannst bis in alle Ewigkeit deine Ruhe haben, wenn du mir erzählt hast, was zum Teufel Fabian Risk hier wollte!«
Man hörte Gertrud seufzen.
»Wenn es unbedingt sein muss. Er war hier, weil ich ihn darum gebeten habe. Und das habe ich getan, weil er und ich zusammen überlegen wollten, wie wir dich am besten bei der Arbeit überraschen können, wenn du diesen Winter deinen runden Geburtstag hast. Ja, du brauchst gar nicht so erstaunt zu gucken. Du wirst sechzig. Und wie du weißt, plane ich gerne frühzeitig, und daher habe ich bereits angefangen, ein großes Fest mit all deinen Freunden und Kollegen zu organisieren. Eine Überraschung wird es nun allerdings nicht mehr. Und jetzt sage ich Gute Nacht.«
Es war zu hören, wie Molander laut in die Hände klatschte. Zuerst einmal, dann noch einmal, und schließlich applaudierte er schleppend.
»Wow! Tolle Performance! Große Schauspielkunst. Beinahe hätte ich dir geglaubt.«
»Was meinst du damit? Ingvar, wie meinst …«
»Du lügst! Denkst du, ich merke das nicht? Ich will die Wahrheit wissen, und vorher gehst du nirgendwohin!«
»Von was für einer Wahrheit redest du? Sprichst du vom eigentlichen Grund unserer Hochzeitstagsreise nach Berlin? Spielst du auf diese Wahrheit an?«
»Ich verstehe nicht, was unsere Hochzeitstagsreise damit …«
»Nein, Ingvar, wirklich nicht? Bist du dir da ganz sicher? Oder willst du vielleicht noch einmal darüber nachdenken?«
»Ich verstehe überhaupt nicht, wovon du redest, und wenn du glaubst, du könntest dich einfach aus der Affäre ziehen, indem du das Thema wechselst …«
»Ingvar, ich habe keine Ahnung, was du treibst.« Gertruds Stimme klang erstickt. »Aber eins weiß ich. Wenn hier einer nicht bei der Wahrheit bleibt, dann bist du es.« Sie begann zu weinen. »Mein Gott, und mit dir bin ich verheiratet …«
»Jetzt warte doch mal, Gertrud«, hörte man Molander nun etwas weiter weg. »Gertrud, du bleibst hier! Solange ich mit dir rede, bleibst du hier!«
Man hörte, wie eine Tür ins Schloss fiel. Dann war es still.
Fabian blickte vom Computer auf und wartete Stubbs’ Reaktion ab.
»Hast du dich vergewissert, dass es ihr gut geht?«
»Ich habe heute Vormittag ein paarmal angerufen, und schließlich hat sie mich per SMS gebeten, sie in Ruhe zu lassen und stattdessen Ingvar zu kontaktieren, falls ich weitere Fragen hätte.«
»Sie traut sich nicht, und das ist vielleicht kein Wunder. Es ist am einfachsten für sie, den Kopf in den Sand zu stecken und so zu tun, als ob das alles nie passiert wäre.«
Fabian nickte.
»Etwas ganz anderes.« Stubbs wandte sich Fabian zu. »Ich habe zwar oben an Deck vor mich hin gedämmert und kann mich natürlich getäuscht haben, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich, wenige Minuten bevor du kamst, ein Auto hier anhalten gehört habe. Das warst nicht zufällig du?«
»Doch, wahrscheinlich schon.«
»Du bist also bis hierher gefahren?«
»Bin ich. Wieso?«
Stubbs schloss die Augen und schüttelte den Kopf. In der nächsten Sekunde verließ sie die Kajüte, und noch bevor Fabian oben an Deck war, hatte sie den Steg erreicht und rannte zu seinem Auto, das etwa fünfzehn Meter entfernt stand.
Er wollte gerade nach ihr rufen und sie fragen, was das sollte, als er begriff, was sie im Sinn hatte, und ihr stattdessen hinterherlief. Plötzlich wurde ihm der verhängnisvolle Fehler, den er soeben begangen hatte, geradezu schmerzlich bewusst.
Wie lange schon?
Während er ihr folgte, hallte die Frage in ihm wider, und als er das Auto erreicht hatte, lag Stubbs bereits darunter. Die Sorge war die ganze Zeit da gewesen, und im Lauf der vergangenen vierundzwanzig Stunden hatte sie sich verdichtet wie ein drohendes Unwetter. Trotzdem war er nicht einmal auf den Gedanken gekommen.
Er wusste nicht, wie lange er wartete, bis Stubbs endlich fertig war und aufstand.
»Wie ich vermutet habe«, sagte sie.
Jedes ihrer Worte fühlte sich an wie ein Schlag ins Gesicht. Vier Ohrfeigen kurz hintereinander.
Sie hielt ihm das kleine schwarze Stück Plastik hin. »Ich verstehe wirklich nicht, was du dir dabei gedacht hast.«
Er betrachtete den batteriebetriebenen Peilsender in ihrer Hand, und das Dröhnen, das die Frage auslöste, die ihm wieder und wieder durch den Kopf ging, seit er vom Boot gestiegen und zum Auto gerannt war, steigerte sich zu einem Crescendo.
Wie lange schon?
Wie lange war der Sender schon da?
Wie lange wusste Molander schon Bescheid?
Er studierte das Foto des frisch frisierten weißen Pudels, der auf den Hinterbeinen saß und mit seinen schwarzen Augen und leicht geneigtem Kopf in die Kamera schaute. Das Herrchen hatte sich an die Anweisungen auf seiner Homepage gehalten – seine Kunden waren überwiegend Herrchen – und das Tier vor einen einfarbigen Hintergrund platziert.
Nicht, dass er etwas gegen Hunde gehabt hätte, aber Pudel mochte er von allen Hunderassen am wenigsten. Sie waren zu nichts anderem zu gebrauchen, als spazieren zu gehen und niedlich auszusehen. Trotzdem wurden ihm am häufigsten Pudelbilder geschickt. Porträts von Hunden, die er ausschnitt und vor einen der verschiedenen Hintergründe montierte, zwischen denen man auf seiner Homepage wählen konnte.
Viertausend nahm er dafür. Wollte man auch noch einen Abzug und einen Goldrahmen, musste man, je nach Größe, mindestens noch einmal fünfhundert drauflegen. Daher beklagte er sich nicht. Er konnte sich generell kaum beklagen.
Seit er vor fünf Wochen und einem Tag zum ersten Mal gewürfelt hatte, war sein Leben eine einzige schwindelerregende Achterbahnfahrt, und genau danach hatte er sich gesehnt. Jeden Auftrag, den die Würfel ihm erteilt hatten, hatte er mit größter Sorgfalt ausgeführt, und obwohl einige davon die Grenze des Möglichen berührten, hatte er sie erledigt.
Manchmal war er der Ansicht gewesen, der Würfel würde sich irren und ihm zu viel auf einmal abverlangen, auf unnötig komplizierten Dingen bestehen oder gemein und ungerecht sein.
Doch nun erkannte er, dass der Würfel jedes Mal recht gehabt hatte. Wenn die vielen X nicht gewesen wären, die für die verschiedensten Zusatzaufträge verantwortlich waren, wäre die Polizei mit ihren Ermittlungen sicherlich schon sehr viel weitergekommen. Vielleicht hätte man ihn sogar schon gefasst.
Der einzige Misserfolg war die sechsjährige Ester Landgren. Sie hätte ertränkt werden müssen, und stattdessen war sie noch am Leben. Das Problem war, dass der Würfel ihm befohlen hatte, den Auftrag von einem Außenstehenden ausführen zu lassen. Hätte der Würfel ihm selbst die Aufgabe anvertraut, wären die Eltern des Mädchens jetzt mit der Organisation der Beerdigung beschäftigt.
Und dabei hatte er in dem pädophilen Assar Skanås, nach dem zu dem Zeitpunkt ohnehin gefahndet wurde, den perfekten Kandidaten gefunden. Aufgrund von unwahrscheinlichem Glück, ja, lauter glücklichen Zufällen, hatte er ihn sich geschnappt, bevor es die Polizei tun konnte. Bis dahin war alles in seinem Sinne verlaufen.
Hinterher war die Sache jedoch entgleist. Unter anderem hatte diese Polizistin namens Irene Lilja, die ihn zur Vernehmung einbestellt hatte, plötzlich vor seiner Tür gestanden und geklingelt, während Skanås gefesselt im Bett lag und seinen Stimmen lauschte.
Es war ihm ein Rätsel gewesen, wie sie ihn gefunden hatte, und nachdem er sich selbst und alle seine Handlungen genauestens geprüft und sich den Ablauf seiner Vernehmung noch einmal vergegenwärtigt hatte, war er zu dem Schluss gekommen, dass die einzige vernünftige Erklärung Skanås’ Handy war.
Es war ihm erst in den Sinn gekommen, als er ihm unten vor der Haustür aus dem Auto geholfen hatte. Zu dem Zeitpunkt war der Akku so gut wie leer gewesen, aber offenbar nicht leer genug, um der Polizei nicht doch noch einen Anhaltspunkt für seinen Aufenthaltsort zu geben.
Daraufhin hatte er beschlossen, Skanås mit aufgeladenem und eingeschaltetem Handy zu seinem Auftrag zu schicken. Die Idee zielte darauf ab, dass die Polizei es erneut orten und ihn diesmal auch festnehmen würde. Doch erst, wenn er mit dem Mädchen fertig war. Nicht mitten im Akt. Woher hätte er wissen sollen, dass die pädophile Missgeburt mehr als zwei Stunden brauchen würde, um zum Abschluss zu kommen?
Wie auch immer, er hatte sich die Fehleinschätzung selbst zuzuschreiben, es war eine Niederlage, die ihn quälte wie ein Stein im Schuh, und daher hatte er sich anschließend tagelang den Kopf darüber zerbrochen, wie er das Ganze wiedergutmachen könnte. Es gab keine Regel, die besagte, dass er nachträglich Korrekturen vornehmen konnte. Und außerdem war es im Grunde gar nicht sein Auftrag, was ja der Witz an der Zusatzaufgabe aus dem X-Buch war.
Andererseits würde es wohl nicht schaden, den Würfel nach seiner Meinung zu fragen. Der Würfel hatte schließlich die Entscheidung gefällt, und vielleicht war er ja der Meinung, dass etwas Unerwartetes passieren musste, bevor sie weitermachen konnten.
Um sich abzulenken, machte er mit dem Pudel weiter, der auf Wunsch seines Herrchens nun vor dem Schloss in Versailles saß. Doch sobald das Bild fertig und abgeschickt war, kreisten seine Gedanken wieder um den unvollendeten Auftrag, und schließlich begriff er, dass es nur eine Möglichkeit gab, sie zum Schweigen zu bringen. Deshalb holte er seine Sammlung von sechsseitigen Präzisionswürfeln aus anodisiertem Aluminium hervor.
Er nahm einen davon in die Hand, um herauszufinden, ob er überhaupt weitermachen sollte. Eine Eins, Zwei oder Drei entsprachen einem Ja, und die Vier, die Fünf und die Sechs bedeuteten Nein. Nachdem er den Würfel eine ganze Weile geschüttelt hatte, warf er ihn auf den grünen Filzbezug.
Eine Zwei.
Der Würfel wollte also gerne befragt werden. Er nahm ihn erneut in die Hand, schüttelte ihn, schloss die Augen und entließ ihn in die Freiheit. Nun musste er nur noch die Augen öffnen und nachschauen, ob er Ja oder Nein gesagt hatte. Was heißt »nur noch«, dachte er und hielt seine Augen geschlossen. Es standen immerhin Ester Landgrens Kindheit und ein Großteil ihres Lebens auf dem Spiel.
Er wollte gerade die Augen öffnen, als sich das enervierende Geräusch der Klingel in der Wohnung ausbreitete und an sein Ohr drang. Es klingelte fast nie jemand. Er hätte einfach darauf pfeifen und weitermachen können, aber die Stimmung war im Eimer.
Um die Äußerungen der Würfel zu genießen, brauchte er Ruhe. Wenn er den Vorgang einfach nur hinter sich brachte, war es witzlos. Er stand auf, ging durchs Schlafzimmer und weiter in den Flur, wo das Klingeln nun aggressiv und stoßweise ertönte.
Vorsichtig zog er die beiden Vorhänge auseinander, und nachdem er sich vergewissert hatte, dass die Person da draußen nicht durch den Briefschlitz guckte und auf seinen Fußboden schaute, drückte er das Gesicht an den Spion.
Bereits beim ersten Klingeln hatte er etwas geahnt. Vermutlich hatte er sein Spiel deshalb nicht fortsetzen können. Nun bestätigte sich sein Verdacht, was ihn jedoch nicht mit Befriedigung erfüllte.
Diese verdammte Irene Lilja schon wieder. Sie stand heute schon zum zweiten Mal vor der Tür und klingelte, als wollte sie nicht lockerlassen, bevor er die Tür aufmachte. Es war ihm ein Rätsel, wie sie ihn gefunden hatte. Dass sie einmal hier gewesen war, als die Polizei diesen Skanås verfolgte, war ja okay. Aber sie hatten den Kerl doch schon vor Tagen verhaftet.
Das Ganze war äußerst merkwürdig. Hätte die Polizei ihn auch nur im Entferntesten verdächtigt, wäre sie mit einer ganzen Mannschaft angerückt, anstatt eine einzelne Polizistin in Zivil vorbeizuschicken.
Nach ihrem letzten Besuch hatte er überlegt, die Klingel auszuschalten, aber damit hätte er verraten, dass er sich in der Wohnung befand, und ihr Interesse womöglich erst recht auf sich gezogen. Stattdessen legte er sich aufs Sofa, um abzuwarten, bis sie aufgab. Wenn sie ihn weiterhin terrorisierte, würde er sich damit befassen müssen.
Sieben Minuten später kehrte endlich wieder Stille in der Wohnung ein, und sobald auch er selbst wieder einigermaßen zur Ruhe gekommen war, stand er vom Sofa auf und ging zurück zum Würfel.
Und dann lag dessen Votum vor ihm. Das Urteil.
Eine Eins.
Lachend wischte er sich den Schweiß von der Stirn. Der Würfel hatte lauthals Ja gerufen. Endlich war er wieder auf seiner Seite. Endlich würde der Fehler korrigiert und die Ordnung wiederhergestellt werden.
Endlich.
Fabian saß allein im Besprechungszimmer und versuchte sich zumindest äußerlich mit Gelassenheit zu wappnen, bevor die anderen kamen. Aber das war leichter gesagt als getan. Der batteriebetriebene Peilsender, den Stubbs unter seinem Auto gefunden hatte, war ein eindeutiger Beweis für die konkrete Bedrohung, der er ausgesetzt war.
Er musste sich nicht mehr fragen, ob Molander wusste, dass er gegen ihn ermittelte und ihm auf der Spur war. Jetzt ging es darum, herauszufinden, welchen Schachzug der Kollege als Nächstes plante, wann und wie er zuschlagen würde und ob ihm selbst genügend Zeit blieb, belastbare Beweise gegen ihn zusammenzutragen.
Als er den kleinen schwarzen Peilsender zum ersten Mal sah, hatte er ihn instinktiv auf die Erde werfen und zertrampeln wollen. Stubbs hatte ihn jedoch davon abgehalten und auch begründet, warum dies das Schlechteste war, was er in dem Moment hätte machen können.
Molander würde nicht nur sofort begreifen, dass er entdeckt worden war. Er würde auch genau erkennen können, wo die Verbindung unterbrochen worden war, und im schlimmsten Fall sofort hinfahren.
Sie hatte ihm ein Argument nach dem anderen ins Gesicht geschleudert und ihn schließlich davon überzeugt, dass es das Beste war, den Sender wieder zu montieren und das Auto zu benutzen, als ob nichts gewesen wäre. Dass Molander glaubte, sie wüssten nichts von dem Sender, war im Augenblick ihr einziger Vorsprung.
Für den Fall, dass er per Triangulierung auch Fabians Handy ortete, hatten sie beschlossen, sich beide so schnell wie möglich neue Mobiltelefone mit Prepaidkarten zuzulegen. Außerdem mussten sie Elvins Boot woanders hinbringen, und da Stubbs mit einem großen alten Jeep mit Anhängerkupplung unterwegs war, hatte sie angeboten, das Boot zu ihrer Freundin Mona-Jill in Harlösa östlich von Lund zu transportieren.
»Ui, du bist schon da?«, rief Astrid Tuvesson, die mit der Sonnenbrille auf dem Kopf und einem Becher Kaffee in der Hand hereinkam. Sie sah erholt und frisch aus. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass sie am Abend zuvor, als er sie angerufen hatte, um von Molander zu erzählen, rückfällig geworden und stark angetrunken gewesen war.
»Ja, ich wollte rechtzeitig da sein. Gegen drei muss ich ja wieder los.«
»Ja, wieso noch mal?«
»Theodor und ich fahren rüber, um mit dem dänischen Staatsanwalt zu sprechen.«
»Ach ja, das. Hoffentlich geht alles gut. Bitte zögere nicht, mich anzusprechen, falls ich irgendwas tun kann. Okay?«
Fabian nickte.
»Außerdem hat Lilja heute frei, mal sehen, wie das wird.« Sie trank ihren Kaffee aus und stellte den Becher auf den Tisch. »Wenn ich es richtig verstanden habe, ist dieser Mord in Klippan anders als alles bisher Dagewesene.« Sie schüttelte den Kopf. »Und ich dachte, uns wäre endlich etwas Ruhe vergönnt. Wenn ich gewusst hätte, dass so etwas kommt, hätte ich weder Lilja noch dir freigegeben. Ach, übrigens, wo wir schon mal unter uns sind.« Sie machte die Tür zu und drehte sich zu ihm um. »Haben wir gestern am späten Abend telefoniert? Ich erinnere mich nämlich vage, dass du angerufen und mich geweckt hast.«
Fabian überlegte noch, wie er darauf antworten sollte, als er merkte, dass er bereits den Kopf schüttelte. »Nicht dass ich wüsste.« Er zuckte mit den Schultern. »Wieso sollte ich?«
»Genau das frage ich mich auch.«
»Vielleicht hast du nur geträumt.«
»Geträumt?«
»Du hast doch gesagt, ich hätte dich geweckt. Vielleicht war es nur ein Traum.«
»Ja, vielleicht.« Tuvesson schien ganz und gar nicht überzeugt. »Oder es gibt eine ganz andere Erklärung …«
Die Tür ging auf, und Klippan kam, gefolgt von Molander, herein.
»Wow, ihr seid schon da.« Klippan legte seinen Laptop auf den Tisch. »Dann haben wir ja vielleicht sogar Zeit für meinen Bericht über die Überwachungsfilme aus dem Ica Maxi.«
»Lasst uns mit dem Mord in Klippan anfangen und abwarten, wie lange wir dafür brauchen. Fabian muss nämlich schon um drei los, und deshalb verschieben wir Ica eventuell auf morgen.«
Klippan schüttelte den Kopf und seufzte.
»Warum so in Eile?« Molanders Frage fiel kaum auf, und in Tuvessons und Klippans ahnungslosen Ohren klang sie vollkommen harmlos.
»Da kannst du seufzen, so viel du willst«, fuhr Tuvesson fort. »Aber morgen passt schon deshalb viel besser, weil Lilja dann wieder da ist.«
In Wirklichkeit flog seine Frage wie ein vergifteter Pfeil durch den Raum.
»Mein Sohn und ich haben einen Termin«, antwortete Fabian und konnte sich nicht verkneifen, nachzusetzen: »Was dagegen?«
»Wir haben aber heute gute Laune.« Molander setzte ein breites Grinsen auf.
»Und das hat vielleicht nichts mit dir zu tun, Ingvar«, sagte Tuvesson.
»Nein, vielleicht nicht«, sagte Molander, ohne Fabian aus den Augen zu lassen.
»Also lasst uns lieber anfangen.« Tuvesson wartete, bis Klippan und Molander sich hingesetzt hatten. »Wie ihr alle wisst, haben wir einen neuen Mordfall auf dem Tisch. Einen, der mit nichts zu vergleichen ist. Ich habe gerade mit Flätan gesprochen, der annimmt, dass Evert Jonsson vor circa vier Wochen aufgrund von Sauerstoffmangel gestorben ist, weil der Kokon, oder wie man das Ding nennen soll, in dem er sich befand, nahezu hermetisch war.«
»War das alles, was er zu bieten hatte?«, fragte Klippan. »Es bestätigt ja nur, was wir bereits wissen.«
»Du hast die Leiche ja selbst gesehen. Laut Flätan ist der Verwesungsprozess so weit fortgeschritten, dass einige Tests nicht mehr durchgeführt werden können. Eine tiefe Fraktur am Hinterkopf deutet jedoch darauf hin, dass das Opfer bewusstlos geschlagen wurde. Anschließend ist der Mann vermutlich an dieser Konstruktion festgekettet worden und ist erst aufgewacht, als die Hülle geschlossen war. Es gibt außerdem deutliche Hinweise darauf, dass er mit aller Kraft versucht hat, sich zu befreien. Die eine Schulter war zum Beispiel ausgerenkt, und einige der Spanngurte an seinen Handgelenken hatten sich bis auf den Knochen durchgefressen. Wenn man Flätan Glauben schenken darf, hat es bis zu drei Stunden gedauert, bevor er endgültig das Bewusstsein verlor.«
»Mit anderen Worten, ein ziemlich anstrengender Tod«, sagte Molander.
»Das kann man wohl sagen. Aber lasst uns mit dem Opfer anfangen. Was wissen wir über den Mann?«