Minus 18 Grad - Stefan Ahnhem - E-Book
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Stefan Ahnhem

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Beschreibung

In Helsingborg an der schwedischen Westküste wird ein Auto aus dem Hafenbecken geborgen. Eigentlich wäre der Fall klar: ein Unfall. Doch bei der Obduktion stellt sich heraus, dass der Fahrer schon lange tot war, als das Auto ins Wasser stürzte. Kommissar Fabian Risk und seine Kollegen untersuchen den mysteriösen Todesfall. Jemand glaubt, den Toten erst letzte Woche gesehen zu haben. Wie ist das möglich? Risk hat einen Verdacht, aber der ist so absurd, dass er ihn zunächst selbst nicht glauben will. Eins ist allerdings sicher: Es wird noch weitere Opfer geben, ein Serienmörder ist am Werk. Nur durch Zufall ist die Polizei jetzt auf seine Spur gekommen. Der Tote im Hafenbecken war nicht das erste Opfer, und noch lange nicht das letzte ...

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Seitenzahl: 730

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Das Buch

In Helsingborg an der schwedischen Westküste wird ein Auto aus dem Hafenbecken geborgen.

Eigentlich wäre der Fall klar: ein Unfall. Doch bei der Obduktion stellt sich heraus, dass der Fahrer schon lange tot war, als das Auto ins Wasser stürzte.

Kommissar Fabian Risk und seine Kollegen unter-

suchen den mysteriösen Todesfall. Jemand glaubt, den Toten erst letzte Woche gesehen zu haben.

Wie ist das möglich? Risk hat einen Verdacht, aber der ist so absurd, dass er ihn zunächst selbst nicht glauben will. Bald ist nichts mehr sicher.

Der Autor

Stefan Ahnhem ist einer der erfolgreichsten Krimiautoren Schwedens. Seine Bücher sind allesamt Bestseller und preisgekrönt. Minus 18 Grad ist der dritte Teil seiner beliebten Krimiserie um den Kommissar Fabian Risk. Bevor er begann, selbst Krimis zu schreiben, verfasste er Drehbücher unter anderem für die Filme der Wallander-Reihe. Er lebt mit seiner Familie in Stockholm.

Stefan Ahnhem

Minus 18 Grad

Kriminalroman

Aus dem Schwedischen von Katrin Frey

List

Die schwedische Originalausgabe erschien 2016 unter dem Titel Arton grader minus

bei Forum, Stockholm

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Empfohlene Lesereihenfolge der Fabian-Risk-Reihe:

Herzsammler

Und morgen du

Minus 18 Grad

ISBN 978-3-8437-1480-8

© 2016 by Stefan Ahnhem

© der deutschsprachigen Ausgabe

Ullstein Buchverlage GmbH, Berlin 2017

Umschlaggestaltung: zero-media.net, München

Umschlagmotiv: FinePic®, München

E-Book: LVD GmbH, Berlin

Alle Rechte vorbehalten.

PROLOG

28. Oktober 2010

Es war bereits nach Mitternacht, als das Taxi langsamer wurde und vor dem Haus stehen blieb. Nachdem zwei Fünfhunderter den Besitzer gewechselt hatten, stieg der Mann aus, ohne auf das Wechselgeld zu warten. Vom pechschwarzen Kattegat fegte ein eiskalter, schneidender Wind mit solcher Geschwindigkeit herein, dass Salzwassertropfen vom etwa vierzig Meter entfernt in der Dunkelheit liegenden Pier bis zu ihm spritzten.

Die dünne Eisschicht unter seinen Schuhsohlen verriet, dass die Temperatur unter null Grad gesunken war. Er ging um das Taxi herum, öffnete die hintere Tür und half seiner Begleitung heraus, damit sie auf ihren gefährlich hohen Absätzen nicht ausrutschte.

Nur noch dreißig Meter, dachte er und schlug die Autotür hinter ihr zu. Dreißig Meter, auf denen es darauf ankam, dass er einen vertrauenerweckenden Eindruck machte, ohne übereifrig zu wirken. Er musste ihr das Gefühl geben, dass es ihre eigene Entscheidung gewesen war, ihn zu begleiten.

Fröstelnd hielt sie mit der rechten Hand ihre schmale Pelzweste zu und überließ ihm auf dem Weg zum Haus den linken Arm. Ein gutes Zeichen. Vor allem im Hinblick auf ihre Reserviertheit, die er während des Abendessens gespürt hatte. Er hatte all seine Tricks anwenden müssen, damit sie nicht die Risse in seinem dünnen Lächeln bemerkte, hinter die Fassade schaute und schließlich einfach aufstand und ging.

Wie vereinbart hatten sie sich im Grand Hôtel Mölle getroffen. Sie hatte die langen schlanken Beine übereinandergeschlagen und saß mit einem Drink in der Hand wie hingegossen auf einem Ledersessel in der Lobby. Ihm war sofort aufgefallen, dass ihr Anblick exakt mit dem Foto übereinstimmte. Das dunkle, fast jungenhaft kurze Haar, die roten Lippen und hohen Wangenknochen, sogar ihr Teint, von dem er angenommen hatte, er wäre mit Photoshop bearbeitet worden, war scheinbar noch nie einem Sonnenstrahl ausgesetzt gewesen.

Das kam so gut wie nie vor. Die Wirklichkeit enttäuschte fast immer. Die Frage war nur, in welchem Ausmaß. Vernarbte Haut, wuchernde Augenbrauen und Speckröllchen an der Taille, die sich selbst unter lässig geschnittener Kleidung nicht verbergen ließen. Manchmal war die Kluft zwischen Bild und Realität so tief, dass er nur den Kopf geschüttelt und noch vor der Begrüßung kehrtgemacht hatte.

Doch an diesem Abend hatte er kämpfen müssen, und während sie im Schein der automatischen Außenbeleuchtung über den Plattenweg zur Haustür gingen, sagte er sich, dass er sich den Spaß heute Nacht verdient hatte. So viel Spaß, dass sie mindestens eine Woche lang nicht würde gehen können. Er brauchte nur noch eine Versicherung. Ohne die waren ihm die Hände gebunden. Er blieb dort stehen, wo das Licht am hellsten war und die Überwachungskamera sie gut im Blick hatte, und drehte sich zu ihr um.

Sie sah ihm in die Augen, er presste seine Lippen auf ihre. Sie brauchte den Kuss nicht zu erwidern, sie musste ihn nur geschehen lassen. Solange sie ihn nicht fortstieß oder ihm eine Ohrfeige gab, hatte er einen Beweis dafür, dass es freiwillig geschehen war, und die Vorwürfe, die man gegen ihn erheben würde, nur unhaltbare Behauptungen waren, die sie sich im Nachhinein zurechtgelegt hätte, um an sein Geld zu kommen. Mit anderen Worten, bald konnte er mit ihr machen, was er wollte.

Er half ihr aus der Pelzweste und führte sie durchs Haus. Genau wie alle anderen, die es bis hierher geschafft hatten, konnte sie kaum verhehlen, wie beeindruckt sie war von dem großen offenen Raum, dem Feuer, das bereits im Kamin brannte, und den maßgefertigten Möbeln. Verglichen mit der Kunst an diesen Wänden wirkte jede Ausstellung im Kulturhus Dunkers in Helsingborg wie ein Kindergarten.

Er stellte ihr an der Bar im Untergeschoss den besten Mojito ihres Lebens in Aussicht. Sie strahlte wie ein Honigkuchenpferd und folgte ihm anstandslos die Treppe hinunter. Angesichts der erheblichen Anlaufschwierigkeiten während des Essens ging nun alles erstaunlich leicht. Er ließ ihr im weiß gekalkten Flur den Vortritt, dirigierte sie am Wellnessbereich vorbei und wies sie an, ganz am Ende, wo der Korridor rechts abbog, durch die Öffnung links vom eingebauten Bücherregal zu gehen.

Sie tat, was er sagte, doch als sie den fensterlosen Raum betreten hatte, drehte sie sich – genau wie alle anderen vor ihr und zweifellos alle, die nach ihr kommen würden – verwundert zu ihm um. Sie alle fragten sich, wo denn die Bar sein mochte.

Stattdessen stand dort ein großes Bett mit vier kräftigen Eisenringen, an denen Spanngurte hingen, die wiederum an Stahlseilen befestigt waren, die über den Boden und an den Wänden entlangliefen und durch Flaschenzüge gezogen waren, die dank ihres dezenten weißen Anstrichs kaum auffielen.

Der Schlag geriet etwas härter als gewollt. Er hatte nicht beabsichtigt, ihr hübsches Gesicht zu zerstören. Jedenfalls noch nicht. Sie verlor das Gleichgewicht und fiel rückwärts aufs Bett. Während er einen Draht an ihrem Handgelenk festmachte, sah er aus den Augenwinkeln, dass ihre Nase blutete. Da sie viel zu benommen war, um sich zu wehren, hatte er nach wenigen Sekunden Arme und Beine fixiert und konnte sie in aller Ruhe in die gewünschte Position zurren.

Er hatte damit gerechnet, dass sie – wie alle anderen – ihre Energie verschwenden würde, indem sie versuchte, sich zu befreien. Stattdessen lag sie einfach da, mit ausgebreiteten Armen und gespreizten Beinen, und sah ihn an. Sie schien ihn geradezu darum zu bitten, besonders hart rangenommen zu werden, also warum sollte er sie enttäuschen?

Er öffnete den Schrank mit den Spielsachen und dem Werkzeug, holte die Stoffschere und den neuen Ballknebel heraus, stopfte ihr Letzteren in den Mund und befestigte ihn mit den Riemen im Nacken. Sie wehrte sich noch immer nicht. In gewisser Weise war es fast zu schön, um wahr zu sein. Auf der anderen Seite erhöhte Widerstand den Reiz, überlegte er, während er sich rittlings auf sie setzte und sich daranmachte, ihre Kleidung aufzuschlitzen.

Als er damit fertig war, stellte er sich aufs Bett und musterte ihren nackten Körper. Sie war schlank und sportlich, fast ein wenig zu schmal für seinen Geschmack. Die Hüften hatten, wie auch ihre Figur, etwas Knabenhaftes an sich, und am Bauch zeichneten sich Muskeln ab, die sich im Rhythmus ihrer Atmung hoben und senkten. Ein Fitnessjunkie. Ihre Brüste wären mit Sicherheit zwei Körbchen größer gewesen, wenn sie sich die Dinger nicht abtrainiert hätte. Aber die Arme gefielen ihm. Mit den schön definierten Bizepsen und Trizepsen waren sie nahezu perfekt. Und die Möse. Er mochte es, wenn sie rasiert waren, und diese wirkte so glatt, als wäre noch nie ein Haar auf ihr gesprossen.

Er wanderte mit den Augen ihren Körper hinauf, bis ihre Blicke sich trafen. Sie war vollständig in seiner Gewalt und hatte keine Ahnung, was sie erwartete. Trotzdem sah sie ihn vollkommen ruhig an. Sie wollte es. Das musste es bedeuten. Seine Spucke, die sie an der Wange getroffen hatte, lief ihr den Hals hinunter. Noch immer keine Reaktion. Er setzte sich auf sie, klemmte ihre rechte Brustwarze zwischen Daumen und Zeigefinger und drückte zu, bis seine Fingernägel weiß wurden.

Da. Endlich konnte er Schmerz und einen Hauch von Angst in ihrem Blick erkennen. Zufrieden und in der Gewissheit, dass es ihm gelingen würde, sie zu brechen, verließ er den Raum und ging hinüber in den Wellnessbereich, wo er sich auszog, sein Bedürfnis verrichtete und duschte. Er seifte seinen ganzen Körper ein und drehte das heiße Wasser auf, bis seine Haut brannte.

Nachdem er sich abgetrocknet und die Zähne geputzt hatte, legte er einen Badeschwamm in eine Schüssel, die er mit heißem Wasser und Duschgel füllte, und kehrte zurück in den fensterlosen Raum. Auf einen Tastendruck hin schloss sich vollkommen geräuschlos die Öffnung hinter ihm. Er legte die Fernbedienung beiseite und beobachtete, wie sie den tropfenden Schwamm in seiner Hand mit dem Blick verfolgte, während er auf das Bett stieg und begann, sie zwischen den Beinen zu waschen. Die Prozedur erregte ihn, und er half seinem Ständer mit der freien Hand zusätzlich auf die Sprünge, bis das Blut in den Adern pochte.

Als er zufrieden war, ließ er den Schwamm fallen und beugte sich hinunter, um von ihr zu kosten. Doch als er die Zunge herausstreckte, traf ihn ein Schlag. Der Schmerz und der schrille, nicht enden wollende Ton in seinem rechten Ohr rissen mit solcher Wucht an seinem Kopf, dass er befürchtete, er könnte sich im nächsten Moment vom Körper lösen und über den Boden kullern.

Er begriff überhaupt nichts. Was war passiert? Hatte sie ihn geschlagen? Nein, das war unmöglich. Sie war ja gefesselt. Er betastete sein schmerzendes Ohr und die Kopfhaut. Offenbar blutete er nicht, aber er spürte deutlich die pulsierende Beule, die immer größer wurde.

Jetzt sah er, dass sich einer der Stahldrähte gelöst hatte. Er war durchtrennt worden. Aber wie um alles in der Welt … Die Zange in ihrer Hand hätte dort eigentlich gar nicht sein können, aber sie war es. Wo hatte sie die her? Und woher den Gummihammer in ihrer anderen Hand? War das sein Werkzeug? Er ging im Geiste den Inhalt seines Schranks durch und war gerade bei seiner Peitschensammlung angelangt, als ihm mit dem Hammer ein weiteres Mal auf den Kopf geschlagen wurde. Diesmal so fest, dass er keinen Schmerz mehr spürte, sondern bewusstlos auf ihr zusammensackte.

TEIL I

9.–15. Mai 2012

Das Schiff des Theseus

In der griechischen Mythologie rettete Theseus vierzehn junge Frauen und Männer davor, auf der Insel Kreta dem Minotaurus geopfert zu werden. Das Schiff, mit dem der Held nach Athen zurückkehrte, wurde zur Erinnerung an den Sieg über das stierköpfige Ungeheuer in Ehren gehalten. Rasch entwickelte es sich zum Symbol dafür, dass auch das Unmögliche möglich ist.

Doch Wind und Wetter ließen das Schiff verwittern. Es knarrte und knirschte an allen Ecken und Enden, und man beschloss, die morschen Planken, Segel und Masten zu ersetzen.

Schließlich waren alle Teile des Schiffs erneuert worden.

Doch es fragte sich, ob es wirklich noch das ursprüngliche Schiff war. War es immer noch das Schiff des Theseus?

Kapitel 1

Kaum hatte Kripochefin Astrid Tuvesson das Haus verlassen und die Tür hinter sich abgeschlossen, ärgerte sie sich. Das Licht war greller, als sie erwartet hatte. Wenn sie nicht bald die Sonnenbrille in ihrer beschissenen Handtasche fand, würde ihr der Kopf vor Schmerzen platzen. Sie sah schon vor sich, wie Molander und seine Männer ankamen, alles absperrten und ihre Überreste einsammelten. Endlich, da war sie ja. Total zerkratzt und voller Fingerabdrücke, aber was sollte es.

So ein Mist … Nun musste sie plötzlich pinkeln. Manchmal ging sie sich selbst auf den Geist. Typisch, dass ihr das nicht eingefallen war, bevor sie das Haus verlassen und ihren Schlüssel in der Tasche versenkt hatte, wo er natürlich nicht mehr auffindbar war. Diese Tasche war schlimmer als der Zauberkünstler Joe Labero. Sie konnte darin nach dem dämlichen Hausschlüssel suchen, so lange sie wollte. Er war weg, vermutlich für immer futschikato, sagte sie sich, zog Hose und Slip hinunter und hockte sich hinter das Beet.

Es war schließlich ihr Garten, und deshalb konnte sie darin machen, was ihr passte. Wer etwas dagegen hatte, konnte ja die Polizei rufen. Der Gedanke brachte sie zum Lachen und ließ den Strahl zwischen ihren Beinen, ähnlich wie bei einem Springbrunnen, stoßweise hervorspritzen.

Eigentlich begriff sie selbst nicht, wieso sie nicht einfach zu Hause bleiben konnte, sondern unbedingt ins Auto steigen und den Zündschlüssel umdrehen musste. Den Autoschlüssel hatte sie mühelos gefunden. Sie hatte sich nach dem letzten Montag für drei Tage krankschreiben lassen, was im Vergleich zu anderen Kollegen harmlos war.

In gewisser Hinsicht war es die Schuld von Gunnar, diesem Idioten. Ohne ihn wäre nichts von alldem passiert. Dann hätte sie ganz normal zur Arbeit gehen können, anstatt, so wie jetzt, zu Hause im Bett zu liegen und … Als es knallte, trat sie auf die Bremse. Was zum Teufel war das? Nachdem sie den Rückspiegel richtig eingestellt hatte, sah sie, dass nur dieser Scheißbriefkasten schuld sein konnte, der auch einen dritten Weltkrieg überleben würde, weil dieser Idiot ihn ja unbedingt hatte einzementieren müssen. Das fehlte ihr gerade noch. Sie mochte gar nicht daran denken, wie das Auto wohl von hinten aussah. Jedenfalls nicht jetzt.

Sie fuhr einige Male vor und zurück, bevor sie auf die Singögata abbog und Gas gab, ehe die Nachbarn rauskommen und glotzen würden. Genau das meinte sie. Alles, wirklich alles, was in ihrem Leben nicht gut lief, war die Schuld von Gunnar, diesem Idioten.

Sie bog links ab auf die E20 in nördliche Richtung, drückte den Zigarettenanzünder hinein und zog die letzte Zigarette aus dem Päckchen, das im Türgriff klemmte. Die Glut breitete sich aus, und sie atmete den Rauch so tief ein, wie ihre Lunge es erlaubte, während sie auf der Autobahn beschleunigte.

Noch vor wenigen Jahren hatte sie ihn verlassen wollen. Sie hielt schon so lange die Zügel in der Hand und hatte von ihm so dermaßen die Schnauze voll, dass sie schlechte Laune bekam, sobald sie ihn sah. Da er sich jedoch nicht trennen konnte und an ihr klebte wie an einem Fliegenfänger, war die eingeschlafene Liebe langsam, aber sicher in pure Verachtung übergegangen. Die ganze Situation schien sie in ein gehässiges Monster verwandelt zu haben, und als er schließlich den einzig richtigen Schritt tat und sie verließ, kam alles anders, als sie gedacht hatte. Vollkommen anders.

Zuerst verstand sie nicht, was vor sich ging, als es krachte und der linke Seitenspiegel abgerissen wurde und, nur noch an ein paar Kabeln hängend, gegen die Karosserie hämmerte wie ein aufgeregter Specht. Dann sah sie den roten BMW, der jetzt direkt vor ihr her fuhr. Sie drückte wie wild auf die Hupe, woraufhin der Wagen beschleunigte und abzog. Doch so schnell sollte ihr das Arschloch nicht entkommen. Sie trat das Gaspedal durch und hatte ihn bald eingeholt.

Nichts verabscheute sie so sehr wie kleine neureiche Männer mit teuren Autos, und sie war sich sicher, dass in diesem nicht nur ein männliches Wesen saß, sondern eins, das in jeder messbaren Hinsicht klein war. Sie überholte ihn auf der rechten Spur, fädelte sich mit eingeschalteter Warnblinkanlage wieder auf der linken ein und verringerte, den Dienstausweis erhoben, allmählich die Geschwindigkeit. Als ob er den Ausweis hätte sehen können. Aber das war ihr scheißegal. Er sollte anhalten.

Stattdessen zog der BMW auf der rechten Spur an ihr vorbei, als wäre es ein Kinderspiel. Willst du Krieg, du alter Sack? Kannst du haben. Sie hielt den linken Arm aus dem Fenster und trennte den Seitenspiegel mit einem Ruck von den Kabeln, die ihn noch hielten, und nahm gleichzeitig mit bis auf die schmutzige Gummimatte durchgetretenem Gaspedal die Verfolgung des roten Autos auf, das zwischen den Spuren hin- und herwechselte, als hätte ihm jemand Slalomstangen aufgestellt.

Nach einer Minute hatte sie ein Tempo erreicht, das die erlaubte Geschwindigkeit bei weitem überschritt. Der Toyota Corolla zitterte und zeigte auch sonst auf jede erdenkliche Weise, dass er nicht mehr mitmachen wollte. Sie hatte jedoch alles unter Kontrolle und fuhr wie eine Göttin, wenn sie sich diese Ausdrucksweise erlauben durfte, und nach der Abfahrt Helsingborg Süd hatte sie ihn mit Warnblinkanlage wieder eingeholt.

Leider hatte der BMW nicht die geringste Lust, langsamer zu fahren. Stattdessen wurde er noch schneller. Offenbar wusste er nicht, mit wem er es zu tun hatte. Sie wühlte in ihrer Handtasche auf dem Beifahrersitz. Das Handy musste irgendwo darin sein, da war sie sich sicher. Ah, hier war zumindest der Hausschlüssel.

Sie angelte sich das Handy und warf einen kurzen Blick auf das Display, um es zu entsperren und die Kamerafunktion zu suchen. Wo war die denn noch mal? Dieses Scheißding von Samsung. Sie hasste es. Oh, wie sie ihr Telefon hasste. Ganz zu schweigen von dem Grünschnabel, der ihr eingeredet hatte, Android wäre viel besser als iOS. Zum Schluss hatte sie nur nachgegeben, damit der Trottel endlich die Klappe hielt. Oh, offenbar filmte die Kamera bereits. Wie sie das hingekriegt hatte, war ihr ein Rätsel, aber es funktionierte.

Sie richtete die Kameralinse auf das Auto vor ihr, nur um im nächsten Augenblick festzustellen, dass sie auf dem Weg in den Straßengraben war. Reflexartig trat sie mit aller Kraft auf die Bremse, woraufhin ihr Wagen ins Schleudern geriet und zur Seite kippte, und innerhalb des Bruchteils einer Sekunde ertönte rings um sie herum eine Kakophonie aus hupenden Autos und trötenden LKWs.

Es ist vorbei, war alles, was sie denken konnte. Aber das war vielleicht auch gut so. Sie war sowieso nur noch eine Versagerin, die kilometerweit nach Klimakterium roch, und eine Schande für ihren Berufsstand. Doch ihre Hände schienen offenbar nicht bereit zu sein aufzugeben, denn sie versuchten, das Steuer herumzureißen, gegenzusteuern und gleichzeitig einen niedrigeren Gang einzulegen. Ebenso ihr rechter Fuß, der das Gaspedal durchtrat, und dann gelang es ihr wie in einer unrealistischen Computeranimation, die Kontrolle über das Auto wiederzuerlangen. Sie stieß einen Freudenschrei aus, ging aber schon im nächsten Moment dazu über, wie ein Mantra zu wiederholen, sie habe alles im Griff.

Der BMW befand sich nun etwa fünfzig Meter vor ihr, und während sie das Handy aufhob und weiterfilmte, sah sie ihn abbremsen und die Ausfahrt in Richtung Elineberg und Råå nehmen. Bald würde sie ihn einholen, und dann gnade ihm Gott.

Ob es an ihrer Anwesenheit oder an den Autos lag, die sich vor dem Kreisverkehr stauten, wusste sie nicht. Jedenfalls entschied er sich um, fuhr zurück auf die Autobahn und hatte offenbar nicht die geringste Absicht, seine Geschwindigkeit zu drosseln, obwohl sie sich auf direktem Weg ins Helsingborger Stadtzentrum befanden.

Erst auf Höhe des alten Polizeigebäudes konnte sie eine leichte Verringerung seines Tempos feststellen, doch die rote Ampel an der Kreuzung zwischen Malmöled und Trädgårdsgata beeindruckte ihn überhaupt nicht. Sie hatte wahrlich nicht vor, hinter ihm zurückzubleiben, und pflügte sich mit gehaltener Hupe durch den Verkehr auf der Kreuzung, während sie immer lauter werdende Polizeisirenen hörte. Wow, die Uniformen waren erwacht. Es wurde auch Zeit. Sie stießen offenbar aus der Gasverksgata dazu.

Ein Blick in den Rückspiegel bestätigte, dass sie bereits dicht hinter ihr waren. Sie forderte sie per Handzeichen auf, langsam zu machen. Hier einfach anzutanzen und ihr die Show zu stehlen, konnten sie vergessen. Diesen Hampelmann da vorne würde sie sich höchstpersönlich vorknöpfen.

Die zirka zwanzig Zentimeter hohe kreisförmige Fontäne war eigentlich keine richtige Fontäne, sondern erinnerte eher an eine große blaue Frisbee-Scheibe aus zerdepperten Kacheln. Aus einer Öffnung in der Mitte rann Wasser, das permanent über die Kachelscherben floss und dafür sorgte, dass das Ganze ständig nass war. Astrid Tuvesson hatte noch nie etwas für diesen Brunnen übriggehabt, und er gefiel ihr auch nicht besser, als wie aus dem Nichts die Linkskurve zum Hamntorg auftauchte und ihr weder das Wegwerfen des Handys noch der Versuch gegenzusteuern irgendetwas nützten.

In vollendeter Harmonie mit der Höhe und den abgerundeten Kanten der Brunnenanlage gelang es Aufprallwinkel und Geschwindigkeit des Corollas, den Wagen umzustürzen und sein Dach auf den Kacheln zu zerkratzen. Als das schlitternde Gefährt nach einigen Metern schließlich wie ein hilfloser Käfer auf dem Rücken mitten auf dem Fahrradweg zum Stillstand kam, öffnete Astrid den Sicherheitsgurt und krabbelte aus dem Auto. Verfluchte Scheiße … Ihr Kopf dröhnte, und sie sah … entweder doppelt oder schief, das wusste sie noch nicht genau. Nicht gut jedenfalls. Er würde ihr entkommen. Sie fühlte, dass dieses Arschloch sich einfach weiter durchs Leben mogeln würde, als ob nichts passiert wäre. Als wäre das alles nur ein verdammtes Spiel.

Sie schaute dem roten Auto hinterher, das bald rechts in die Kungsgata einbiegen und anschließend mit hoher Wahrscheinlichkeit rechts und wieder rechts abbiegen und in die Richtung zurückfahren würde, aus der es gekommen war. Es bog jedoch nicht ab. Stattdessen passierte es »The Tivoli« – den Nachtclub im ehemaligen Fährhaus – und hielt auf den Kai zu.

Was machte er da? Sie rannte über das Kopfsteinpflaster zum Wasser. Alles schwankte, wie beim Mittsommerfest, wenn man eines dieser überaus beliebten Spiele mitgemacht hatte. Mehrmals war sie kurz davor zu stolpern. Offenbar war sie härter als gedacht mit dem Kopf aufgeschlagen. Aber damit konnte sie sich jetzt nicht befassen, denn zuerst musste sie …

Der Anblick des BMWs, der über die Kaimauer hinausschoss und einige Meter durch die Luft flog, bevor er auf die Wasseroberfläche klatschte, riss sie aus ihren Gedanken. Sie rannte weiter und sah nun noch mehr Leute aus verschiedenen Richtungen herbeieilen und an der Kaimauer eine Traube bilden. Sie selbst blieb in einigen Metern Entfernung stehen, rang nach Luft und räusperte sich.

»Hallo, hier spricht die Polizei«, sagte sie mit so strenger Stimme wie möglich. »Wir werden das Gebiet absperren müssen, also treten Sie bitte mindestens zwanzig Meter zurück.«

Die meisten drehten sich zu ihr um.

»Ja, genau, Sie sind gemeint! Jetzt machen Sie schon und gehen so schnell wie möglich zur Seite!« Sie breitete die Arme aus.

Da die meisten daraufhin Platz machten, konnte sie sehen, wie das rote Heck blubbernd im dunklen Wasser versank.

»Das betrifft auch Sie.« Sie zeigte mit der ganzen Hand auf die Letzten, die sich einfach nicht losreißen konnten, und ging nun selbst auf die Kante zu.

Vom Fahrer war nichts zu sehen. Jedenfalls nichts außer Unmengen von Blasen, die an die Oberfläche stiegen. Eigentlich hätte sie hineinspringen müssen, aber dazu war sie nicht in der Lage. Das wusste sie. Im Wasser hatte sie sich noch nie besonders wohl gefühlt, und sie hatte keine Ahnung, wie tief es hier war.

»Astrid Tuvesson?«

Sie zuckte zusammen und hätte beinahe das Gleichgewicht verloren, als sie sich umdrehte.

»Darf ich Sie bitten, hier hineinzublasen«, fuhr der uniformierte Polizist fort und hielt ihr einen Alkomat hin.

Kapitel 2

Theodor Risk stieg auf die Bank, setzte sich auf die Rückenlehne und ließ seinen Blick über den leeren Schulhof schweifen, während er eine Zigarette aus dem Päckchen zog und sich über das Schild hinwegsetzte, das über das Rauchverbot auf dem gesamten Schulgelände informierte. Obwohl er die Stille zu schätzen wusste, setzte er die roten Beats-Kopfhörer auf, die er von seinem Vater zu Weihnachten bekommen hatte, und suchte auf seinem Handy »Ace of Spades« von Motörhead. In wenigen Minuten würde die Ruhe ohnehin von einer Horde schreiender Schüler durchbrochen werden, und die anderen aus seiner Klasse würden mit ihren exklusiven Sportrucksäcken über der Schulter frischgeduscht und mit nass gekämmten Haaren von der Doppelstunde Sport zurückkehren.

Er selbst hatte die vergangene Stunde bei seiner Therapeutin verbracht, die ihm wie üblich in ihrem ätzenden südschwedischen Dialekt gepredigt hatte, wie wichtig es für ihn sei, Kontakte zu knüpfen und Freunde zu finden. Teil einer Gemeinschaft zu werden, wie es so schön hieß. Und wie immer hätte er ihr am liebsten ins Gesicht gekotzt. Dieses Schonisch widerte ihn an. Von allen schwedischen Dialekten war es mit Abstand der ekelhafteste. Trotzdem hatte er, wie jede Woche, dagesessen wie eine hirnamputierte Marionette, die zu allem Ja und Amen sagte, und sich klaglos ihre Plattitüden angehört.

Wie wichtig es sei, dass er sich öffne und erzähle, nicht nur, wie es ihm gehe, sondern auch, was er da tief drinnen in seinem innersten Raum denke. Sein innerster Raum. Über den redete sie am liebsten. Komm, wir gehen gemeinsam hinein, konnte sie in ihrem widerlichen Schonisch sagen und ihm die Hand hinhalten, als würde sie ernsthaft erwarten, dass er danach griff. Erst wenn er sie wirklich an sich heranließe, könne sie ihm richtig helfen. Er zog den Rauch ein und schüttelte schon bei dem Gedanken den Kopf. Als ob irgendjemand ihm jemals helfen könnte.

Dabei hatte er ihr in den ersten Monaten aufs Wort gehorcht und ihr genau erzählt, was er dachte und wie sich alles anfühlte. Er hatte über die Beziehung zu seinem Vater gesprochen, der tatsächlich glaubte, bei ihm stünden die Kinder an erster Stelle, obwohl er in Wahrheit nie da war, wenn man ihn brauchte. Der ihn tagelang sich selbst überlassen hatte, ganz allein zu Hause. Dass sein Vater ihn dermaßen im Stich gelassen hatte, brannte noch immer wie eine offene Wunde, wurde aber totgeschwiegen, als wäre es nie passiert. Er sprach über die Panikattacken, die ihn überfielen, seitdem er in einem sargähnlichen Raum eingesperrt gewesen war und geglaubt hatte, sterben zu müssen. Er hatte Todesangst gehabt.

Ganz zu schweigen von der schizophrenen Enttäuschung, die ihn durchströmt hatte, als er begriff, dass er überleben würde. Dass sein Leiden noch für unbestimmte Zeit andauern würde. Einmal hatte er sich sogar überreden lassen, ihre Hand zu halten und ihr mit geschlossenen Augen den Weg bis zu seinem innersten Raum zu zeigen. Sie hatte ihn trotzdem weitergenervt, als hätte sie nichts anderes auf Lager.

Nach einer Weile sah er keinen anderen Ausweg mehr, als ihr Lügen aufzutischen. Er erzählte ihr von den vielen Freunden, die er angeblich gefunden hätte, und wie beliebt er mittlerweile wäre. Dass seine Lebenslust allmählich zurückkehrte und dass es ihm manchmal sogar Spaß machte, zu Hause zu bleiben und zu lernen oder etwas mit seiner Familie zu unternehmen. Er hatte behauptet, der Klumpen in seiner Brust wäre immer kleiner geworden und er könnte endlich wieder freier atmen.

Jetzt hatte sie ihn offenbar durchschaut. Ihr krebserregendes Gelaber von den Freunden hatte jedenfalls zugenommen. Sie kapierte einfach nicht, dass sein Problem nicht der Mangel an Leuten war, die gern mit ihm befreundet gewesen wären. Er war derjenige, der sich mit niemandem anfreunden wollte. Seufzend atmete er den Rauch aus und betrachtete die Idioten, die nun auf den Schulhof strömten.

Peinlich waren die. Beschränkte Zweibeiner, die zu allem Überfluss einen potthässlichen Dialekt sprachen. Doch er war ein braver Junge gewesen und hatte keinem von ihnen etwas zuleide getan. Nicht ein einziges Mal hatte er die Grenze überschritten, obwohl er genau das wollte.

Mit Alexandra aus der Parallelklasse war das anders. Sie unterschied sich von dem restlichen Pack und sprach weder Schonisch, noch stand sie kichernd mit den anderen Mädchen herum. Wenn er es sich genau überlegte, war sie die Einzige, über die er sich noch nie geärgert hatte. Er hatte niemandem von seinen Gefühlen erzählt und war sich nicht sicher, ob er selbst sie verstand. Aber irgendetwas war da, und im hintersten Winkel seines innersten Raums ahnte er, dass sie genauso empfand. Jedenfalls wich ihr Blick seinem aus, sobald er sie ansah. Was jeden Moment passieren würde.

Sie stand mit ein paar Spacken aus ihrer Klasse vor der Kletterwand, und er hatte die Zeit zwar noch nie gestoppt, aber er war überzeugt, dass sie seinen Blick noch nie so lange erwidert hatte. Was hatte das zu bedeuten? Sie sah fröhlich aus. Sollte er zu ihr rübergehen? Aber um was zu sagen? Und wie sollte er mit ihren Freundinnen umgehen?

Der Zauber wurde zerstört. Nicht von einem sich abwendenden Blick, sondern vom Klingelton aus den Kopfhörern, der Lemmy zum Schweigen brachte. Er brauchte den Anruf gar nicht erst anzunehmen, um zu wissen, wer dran war. Natürlich musste er ausgerechnet jetzt stören.

»Tja«, sagte er so neutral wie möglich, spürte aber, wie seine Gereiztheit durchsickerte.

»Hallo Theodor, hier ist Papa. Wie geht es dir?«

»Ganz okay.«

»Gut. Und die Therapie? War es gut heute?«

»Wie immer.«

»Worüber habt ihr denn geredet?«

»Alter … das geht nur sie und mich etwas an, und das weißt du auch.«

»Ja, aber es ist nicht verboten, darüber zu sprechen. Falls du das möchtest.«

»Nein, will ich nicht.«

»Okay, klar. Ganz was anderes. Du weißt doch, dass Mama morgen Abend ihre Vernissage im Dunkers hat. Ich wollte nur sichergehen, dass du spätestens um sechs da bist.«

»Muss ich?«

»Ja, das musst du, und am Wochenende wollte ich sie mit einem Familienausflug nach Kopenhagen überraschen.«

»Heißt das, da muss ich auch mitkommen?«

»Das wird bestimmt toll. Du weißt schon, im Hotel übernachten, in den Tivoli gehen und rote Würstchen essen.«

Theodor versuchte gar nicht erst, den Seufzer zu unterdrücken. Jetzt ärgerte er sich richtig. »Ich kann aber nicht. Ich schreibe nächste Woche drei Tests und muss lernen«, sagte er, obwohl ihm durchaus bewusst war, dass nur die erste Hälfe des Satzes der Wahrheit entsprach. Auf der anderen Seite saß er tausendmal lieber in seinem Zimmer und machte Hausaufgaben, als ein ganzes Wochenende mit seiner Familie zu verbringen.

»Ja, ja, wir reden heute Abend noch mal darüber. Vielleicht kann ich dir ja helfen. Freut mich, dass es bei deiner Therapeutin gut gelaufen ist.«

Theodor überließ es dem Schweigen, seine Sicht der Dinge zum Ausdruck zu bringen, und nachdem sie sich aus Pflichtgefühl noch drei Minuten über nichts unterhalten hatten, konnte er das Gespräch endlich beenden und Lemmy wieder zu Wort kommen lassen.

Die anderen Schüler bewegten sich auf das Gebäude zu. Alexandra war natürlich nirgendwo zu sehen. Ohne es zu bemerken, hatte er seinen Fingernagel in die Innenseite seines linken Handgelenks gebohrt und den Schorf abgekratzt.

Er sah auf die offene Wunde hinunter, die zwischen Senfgelb und Blutrot changierte, presste den Nagel in das Schleimige und spürte, wie sich der befreiende Schmerz im Arm und von dort aus im ganzen Körper ausbreitete.

Kapitel 3

Einar Greide nippte an seinem dampfenden Roibuschtee, der seit dem frühen Morgen in der Kanne gezogen hatte, damit er diesen vollmundigen kräftigen Geschmack entwickelte, den nur die Sorte »Madagaskar Vanille« von Celestial Seasonings zu bieten hatte. In der rechtsmedizinischen Abteilung in den Katakomben unter dem Helsingborger Krankenhaus war Kaffeezeit, und obwohl Kaffeepausen in Einar Greides Augen zu den sinnlosesten Abschnitten eines Arbeitstags gehörten, hatte er eigentlich nichts Wichtigeres zu tun gehabt, als dafür zu sorgen, dass der Tee perfekt wurde.

Es war schon Mittwoch, und die Woche hatte ihm bisher erst drei vollkommen eindeutige Todesursachen beschert. Dass die Ärzte in solchen Fällen Obduktionen anordneten, war die reinste Verschwendung von Steuergeldern. Trotzdem hatte er nach allen Regeln der Kunst seine Arbeit getan und die ohnehin auf der Hand liegenden Schlussfolgerungen mit seiner schludrigen Handschrift zu Papier gebracht. Außerdem war er dazu gekommen, alte Mails von seinem Computer zu löschen, seinen Schreibtisch aufzuräumen und die vergilbten Woodstock-Plakate durch die neuen Poster von bunt bemalten VW-Bullis zu ersetzen, die Franz und er in Berlin gekauft hatten. Die Frage war, womit er sich in den anderthalb Stunden beschäftigen sollte, die nach der Kaffeepause noch von seiner Schicht übrig waren. Ganz zu schweigen vom gesamten morgigen Tag und dem darauffolgenden Freitag.

Seit dem Sommer 2010 war nichts vorgefallen, was sein Interesse geweckt hatte, und das war nun fast zwei Jahre her. Er würde vor Langeweile noch Krebs bekommen, wenn nicht bald etwas passierte. Er kam sich vor wie ein Fitnessjunkie, der seit einem halben Jahr zur Bewegungslosigkeit verurteilt war. Sein Gehirn war weich und matschig und auf dem besten Weg zu verschrumpeln. Damals war eine ganze Schulklasse ausgelöscht worden, und er hatte so viele Zöpfe flechten müssen – für jedes Opfer einen –, dass er am Ende aussah wie Snoop Dog. Jetzt trug er einen schlaffen grauen Pferdeschwanz und zog ernsthaft in Erwägung, sich die Haare abschneiden zu lassen.

Sein Kollege Arne Gruvesson hatte das sinkende Schiff natürlich längst verlassen und stotterte Überstunden ab. Nicht einmal eine ordentliche Kaffeepause hatten sie zusammen gemacht, bevor Arne mit seiner Frau zum Großeinkauf für eine Konfirmation oder was auch immer gehastet war. »Toll, dass du hier die Stellung hältst«, hatte er ihm aus dem Flur zugerufen und mitgeteilt, er sei mobil zu erreichen, falls etwas passiere.

Als ob er Arne anrufen würde, wenn etwas passierte. Als ob er jemals auf die Idee kommen würde, diese Null anzurufen. Dass Arne es überhaupt geschafft hatte, Pathologe zu werden, war ihm ein Rätsel, das zu lösen er bereits lange aufgegeben hatte. Wenn »schlampig« schon kein Ausdruck war, so traf es »schlaff« schon etwas besser und »total nutzlos« hundertprozentig.

Dass Gruvesson etwas übersah, war eher die Regel als eine Ausnahme. Meistens irgendein Detail, das keinen Einfluss auf die Diagnose der Todesursache hatte. Zum Glück brauchte man kein Einstein zu sein, um nach einem Autounfall festzustellen, dass Schädeltrauma, innere Blutungen oder der aufgeschlitzte Bauch dem Opfer den Garaus gemacht hatten.

Manchmal entging ihm jedoch etwas viel Entscheidenderes. Wie damals vor zwei Jahren, als er während der auf Hochtouren laufenden Ermittlungen angenommen hatte, eins von Torgny Sölmedals vielen Opfern wäre bei einem gewöhnlichen Verkehrsunfall ums Leben gekommen, obwohl die Frau an beiden Augen Verbrennungen aufwies, die unmöglich von dem Unfall herrühren konnten. Die verletzten Augen waren vielmehr die Ursache des Zusammenpralls.

Und heute hatten sie ein neues Unfallopfer hereinbekommen, das sein Leben nach einer spektakulären Verfolgungsjagd durch die Innenstadt auf dem Grund des Hafenbeckens beendet hatte. Der Gott der Ironie schien zu Scherzen aufgelegt gewesen zu sein, als er diese Leiche auf Gruvessons Tisch platzierte, während er mit etwas so Spannendem wie der vierundneunzigjährigen Gerda Nilsson zugange war.

Der Gedanke hatte schon den ganzen Nachmittag in ihm gearbeitet, war aber erst jetzt zu voller Blüte gereift. Warum auch nicht. Er hatte ohnehin nichts Besseres zu tun, sagte er sich, trank den letzten Schluck seines mittlerweile erkalteten Roibuschtees und verließ den Pausenraum.

Der Bericht enthielt, was er erwartet hatte. Die toxikologische Analyse hatte zwar ganze 2,75 Promille ergeben, was natürlich für die Theorie sprach, dass es sich um einen schwerwiegenden Fall von Trunkenheit am Steuer handelte und das Opfer ertrunken wäre, nachdem es beim Aufprall des Wagens auf die Wasseroberfläche bewusstlos geworden war. Was die schweren Verletzungen im Gesicht zu bestätigen schienen. Vermutlich war es genau so gewesen, aber wie gesagt, er hatte ja sonst nichts zu tun.

Er las seine Sicherheitskarte ein, öffnete die Tür zu dem Raum, in dem die Leichen aufbewahrt wurden, und saugte auf dem Weg zu den Kühlboxen die kühle, trockene Luft ein. Er öffnete die Klappe, die Gruvesson mit »Peter Brise« und dem Datum beschriftet hatte, und zog die Bahre heraus. Sofort bemerkte er, dass beide Beine wie in Embryonalhaltung an den Körper herangezogen waren. Als hätte die Leichenstarre die Gliedmaßen noch immer im Griff, obwohl das kalte Wasser ihre Auswirkungen erheblich gemindert haben müsste.

Außerdem fiel ihm auf, wie unverletzt der Körper wirkte. Vor allem in Anbetracht der Geschwindigkeit, mit der der Wagen auf die Wasseroberfläche getroffen sein musste. Nicht einmal der Sicherheitsgurt hatte einen Abdruck an der linken Schulter hinterlassen, obwohl das bei kräftigen Kollisionen fast immer vorkam. Vor allem, wenn der Airbag aus irgendwelchen Gründen nicht aufgegangen war. Ob der BMW, um den es hier offensichtlich ging, überhaupt mit einem Airbag ausgestattet war, wusste er nicht, und Gruvesson hatte sich selbstverständlich nicht die Mühe gemacht, es herauszufinden.

Im Gegensatz zum Körper war das Gesicht so stark beschädigt und angeschwollen, dass die Leiche auf anderem Wege identifiziert werden musste. Die Schwere der Verletzungen reichte bei weitem aus, um den Mann, der höchstens fünfundsiebzig Kilo zu wiegen schien, das Bewusstsein verlieren zu lassen. Und genau wie Gruvesson in seinem ansonsten recht dürftigen Bericht festgehalten hatte, hatte der linke Wangenknochen mit der offenen Wunde direkt unter dem Auge den kräftigsten Stoß abbekommen. Links und rechts zu verwechseln war normalerweise einer von Gruvessons Klassikern.

Allerdings … oder vielleicht auch nicht. Anstatt den Gedanken weiterzudenken, beugte er sich nach vorn, um die Wunde aus der Nähe zu betrachten. Sie sah relativ sauber aus und nicht besonders blutig. Was angesichts der Tatsache, dass sich der Tote eine oder zwei Stunden lang unter Wasser befunden hatte, kein Wunder war. Das Seltsame war, dass das vorhandene Blut getrocknet zu sein schien.

Mit Hilfe eines Skalpells schabte er vorsichtig am Wundrand, und tatsächlich war das Blut angetrocknet. Aber wie kam das? Er konnte es sich nicht erklären. Ein Schauer durchfuhr ihn. Eine Idee hatte bereits begonnen, Gestalt anzunehmen, aber bevor er sich ganz sicher sein konnte, musste er weitere Proben nehmen. Vielleicht war die Leichenstarre gar nicht der Grund für die Embryonalhaltung.

Mit erhöhtem Puls zog er sein Skalpell und die Hakenpinzette aus der Brusttasche und richtete seine Aufmerksamkeit auf den unteren Teil des Torsos, wo der ansonsten schlanke Körper einen ringförmigen Ansatz zu Fettdepots aufwies. Das Skalpell drang mühelos ins Fleisch ein, und nach einigen sorgfältig gesetzten Schnitten konnte er mit der Pinzette eine Gewebeprobe von der Größe eines Zuckerwürfels entnehmen.

Als handelte es sich um einen Wettlauf, eilte er durch den Korridor zum Labor, wo er eine hauchdünne Scheibe von der Biopsie abschnitt, auf einem Objektträger ausbreitete, ein Deckglas darauf legte und die Lampe des Mikroskops einschaltete. Ehe er auf dem hohen Hocker Platz nahm, holte er tief Luft und machte ein paar Sekunden lang die Augen zu, bevor er die Brille hochschob und sich nach vorn beugte.

Es dauerte nicht lang, bis er feststellte, dass sein Verdacht zutraf. Er hatte die Erklärung für das getrocknete Blut, den im Großen und Ganzen unverletzten Körper und die Embryonalhaltung gefunden. Wie und warum es dazu gekommen war, konnte er nicht sagen, aber das herauszufinden war auch nicht seine Aufgabe. Und natürlich musste er den Brustkorb öffnen und eine gründliche Untersuchung der Lunge durchführen, bevor er die Sache an die große Glocke hängen konnte. Doch er war vollkommen unbesorgt, im Gegenteil, er war überzeugt davon, dass Arne Gruvesson sich wieder einmal einer fatalen Fehleinschätzung schuldig gemacht hatte.

Endlich … Eine Last schien von seinen Schultern zu fallen, und seine Mundwinkel waren ganz offensichtlich nicht mehr der Schwerkraft unterworfen. Endlich konnte er seinen ersten Zopf seit zwei Jahren flechten.

Kapitel 4

Auf dem Schwarzweißfoto mit den stattlichen Maßen von 180 x 135 Zentimetern war ein Dschungel aus Mangroven und dem nahezu unendlichen Chaos ihrer schlangenartigen Wurzeln zu sehen. Zudem war der mit Blei eingefasste Rahmen schwerer, als man hätte meinen können. Während er das letzte Bild aus der Bäume-Serie anhob und aufhängte, schickte Fabian Risk insgeheim ein Stoßgebet zum Himmel, dass sie nun endlich fertig wären. Seine Lendenwirbelsäule protestierte seit einer Stunde immer vehementer, und wenn diese nicht bald eine Pause bekam, würde sich die Verkrampfung zu einem echten Hexenschuss auswachsen.

Sonja sagte er nichts davon, weil er die Stimmung nicht dämpfen wollte. Er war ihretwegen hier. Es war eine Überraschung für sie gewesen, dass er sich den ganzen Tag freigenommen hatte, um ihr zu assistieren, wenn sie ihre erste große Kunstausstellung vorbereitete.

Die Ausstellung fand zwar im kleinsten der drei Säle im Kulturhus Dunkers statt, aber immerhin. Es war eine große Sache. Nach jahrelanger Schinderei und destruktiven Zweifeln bekam sie endlich die Gelegenheit zum großen Durchbruch, und wenn das Glück mitspielte, würde sie sich einen Namen machen. Daher konnte er nachvollziehen, warum es ihr so wichtig war, dass jedes Detail stimmte.

Trotzdem ließen ihm die Polizeisirenen, die von den Fassaden am Hamntorg widergehallt hatten, als er ihre letzten Werke ins Kulturhus schleppte, keine Ruhe. Das sagte einiges über die Flaute aus, die er in letzter Zeit bei der Arbeit erlebt hatte. Per Handy konnte er die Lokalnachrichten auf Radio P4 Malmö verfolgen, die über die wahnsinnige Verfolgungsjagd durch die Innenstadt von Helsingborg berichteten, an deren Ende einer der Fahrer im Norra Hamn über die Kaimauer hinausraste und ins Wasser stürzte.

Als eine knappe Stunde später die Identität des mittlerweile verschiedenen Fahrers bekanntgegeben wurde, schaffte es die Neuigkeit auch in die landesweite Nachrichtensendung. Peter Brise war offenbar ein Star in der schwedischen IT-Szene gewesen. Dass seiner Firma Ka-Ching, die ihre Umsätze im vergangenen Jahr vervielfacht hatte, eine strahlende Zukunft vorausgesagt wurde, ließ den Verlauf der Ereignisse in Fabians Augen noch merkwürdiger erscheinen. Außerdem wunderte ihn, dass der Fahrer des zweiten Wagens mit keinem Wort erwähnt wurde.

»Das ist schief.«

Sonjas Stimme riss ihn aus seinen Gedanken. Fabian senkte das Bild auf der linken Seite etwas ab.

»Das war zu viel.«

Kaum hatte er den Rahmen mit der Fingerspitze berührt, jubelte Sonja, nun hänge das Bild perfekt, und ging rückwärts in die Mitte des Ausstellungssaals. Hier holte sie tief Luft und drehte sich so langsam im Kreis, dass Fabian sein Stoßgebet wiederholte. Sie ließ nämlich bei weitem nicht zum ersten Mal die Hängung der Werke und ihre verschiedenen Energiefelder auf sich wirken.

»Es tut mir leid, aber so funktioniert es nicht.« Ermattet breitete sie die Arme aus. »Der Kontrast zwischen den Mangrovenbildern und der Öresund-Serie ist nicht stark genug. Ich glaube, es wäre besser, wenn sie unten bei den Bodenskulpturen ihre Ruhe hätten.«

»Du meinst, wir sollen alles noch mal umhängen?« Fabian begriff sofort, dass seine Frage nicht gut ankam, und wünschte, es hätte eine Möglichkeit gegeben, sie zurückzuziehen und durch ein schlichtes Okay zu ersetzen, eventuell gefolgt von einem: Klar, das machen wir.

»Ja. Na und?«, erwiderte Sonja in einem Ton, der unmissverständlich klarstellte, dass die gute Stimmung nicht mehr zu retten war. »Hast du eine bessere Idee?«

Und die hatte er tatsächlich. Um genau zu sein, hätte er am liebsten exakt den gleichen Vorschlag gemacht wie die drei letzten Male, als sie ihn zwang, noch einmal von vorne anzufangen. Doch auch jetzt würde er nicht Klartext reden. Wobei das vielleicht besser gewesen wäre. Möglicherweise wartete sie nur darauf.

Er hatte sich gerade dazu durchgerungen, es zu riskieren, als das Handy in seiner Hosentasche zum Leben erwachte. Es war Einar Greide aus der Rechtsmedizin. Dass er ausgerechnet ihn und keinen anderen aus dem Team anrief, konnte nur eins bedeuten.

»Hallo Flätan.«

Es war etwas passiert. Etwas Außergewöhnliches.

»Es geht um den Toten im Auto.«

»Du meinst den Mann, der über die Kaimauer gerast ist?«

»Wen denn sonst?«

»Entschuldige bitte, Flätan, aber ich habe heute frei und weiß auch nicht mehr, als sie in den Nachrichten berichten. Ich weiß ja kaum, wer dieser Brise oder wie er hieß ist.«

»Hast du noch nie von Murder Snails gehört?«

»Nein. Sollte ich?«

»Das sind mutierte Killerschnecken, die deine Haustiere auffressen. Auf welchem Planeten lebst du eigentlich?«

Am anderen Ende der Leitung stieß Flätan einen Seufzer aus, der wahrscheinlich bis zu Sonja drang, die die Sache nun selbst in die Hand genommen hatte und bereits dabei war, das kleinste Bild von der Wand zu nehmen.

»Wir sprechen von der beliebtesten App des vergangenen Jahres«, fuhr Flätan fort. »Ein absolut geniales Spiel, wenn du mich fragst. Aber darüber reden wir jetzt nicht. Es ist nämlich so, dass wir, oder besser gesagt mein Kollege Arne Gruvesson, Brises Leiche vor ein paar Stunden auf den Tisch bekommen haben. Der Gute kam zu dem Schluss, es handle sich um ein gewöhnliches Verkehrsopfer.«

»Okay, aber jetzt komm bitte zum Punkt. Ich muss zurück zu meiner …«

»Arne did it again.«

»Was denn?«, fragte Fabian, bevor ihm klarwurde, dass er darauf selbst hätte kommen müssen.

»Er hat geschludert«, sagte Flätan mit einer solchen Verachtung, dass Fabian die Spucke förmlich aus dem Hörer in sein Ohr spritzen fühlte. »Ich habe die Leiche nämlich noch einmal untersucht, und dabei hat sich herausgestellt, dass Peter Brise keineswegs heute ums Leben gekommen ist, sondern vor ungefähr zwei Monaten.«

»Was? Was soll das heißen, vor zwei Monaten?« Fabian kämpfte mit dem Brett vor seinem Kopf. »Saß er nicht am Steuer?«

»Doch, das tat er schon, aber er war tiefgefroren, als sich der Wagen mit Wasser füllte.«

»Tiefgefroren«, wiederholte Fabian und kam sich wie ein geistig benachteiligter Papagei vor. »Was meinst du mit tiefgefroren?«

»Kalt und hart wie das zerlegte Lamm in deiner Tiefkühltruhe.«

Kapitel 5

Auf den ersten Blick schien es ein ganz normaler Vormittag in Helsinborg zu sein. Die Frühlingssonne strahlte, als stünde der Sommer bereits in voller Blüte und die großen Ferien könnten jeden Augenblick beginnen. Nichts Böses ahnende Fußgänger flanierten durch die friedliche Fußgängerzone.

Doch irgendetwas stimmte nicht, und obwohl die meisten Spaziergänger keine Ahnung hatten, was los war, breitete sich unter ihnen kurz darauf eine diffuse Nervosität aus wie ein kalter Wind. Ein Kind begann laut zu schreien, weil ihm das Eis heruntergefallen war. Eine ältere Frau war überzeugt, der Mann, der eben an ihr vorbeigegangen war, hätte ihr das Portemonnaie gestohlen, und eilte ihm laut rufend hinterher. Eine Mutter blickte sich nach ihrer Tochter um, die eben außer Sichtweite verschwunden war. Ohne dass jemand in Worte hätte fassen können, warum, war die Stimmung gekippt.

Im Grunde konnten nur die Leute vor dem Teliageschäft gegenüber vom Fachwerkhaus mit eigenen Augen sehen, was passiert war. Der Anblick ließ sie instinktiv zurückweichen und sich an den Hauswänden zusammendrängen. Die Menschenmenge teilte sich wie ein Meer und bildete einen Korridor.

Und dort kam sie.

In einem T-Shirt, das einst weiß gewesen, aber nun voller Blut war, genau wie ihr Gesicht, ihre Hände und ein Teil ihrer Unterarme. Ihr Blick flackerte die ganze Zeit hin und her, als wollte sie sich vergewissern, dass die Leute Abstand hielten, während sie durch die Menge ging.

Und das taten sie. Einige nahmen sogar Zuflucht in den Nebenstraßen, während andere sich mit vor Entsetzen geweiteten Augen an die Häuser drückten. Ein Grüppchen sah sich lachend und witzelnd nach der versteckten Kamera um. Aber die war nicht da.

Was immer hier geschah, war echt.

Kapitel 6

»Zwei Monate lang tiefgefroren?« Klippan verzog das Gesicht, als würde mit dem Croissant, das er sich soeben in den Mund gestopft hatte, etwas nicht stimmen. »Machst du Witze?«

»Wenn man Flätan Glauben schenken darf, nicht.« Fabian stand auf und schob die Hüfte nach vorne, damit der Schmerz im unteren Rücken nachließ. Am Vortag war er ihm wie eine Auszeichnung für seinen selbstlosen Einsatz im Dienste von Sonjas Ausstellung erschienen. Mittlerweile war er nicht mehr ganz so überzeugt davon. Sie war zwar am Ende zufrieden gewesen und hatte ihn zum Dank zu einer Pizza eingeladen, aber zu mehr war es nicht gekommen.

»Okay, aber kann mir das bitte mal jemand erklären, ich verstehe kein Wort.« Klippan streckte die Hand nach den Croissants aus, doch Hugo Elvin, der mindestens so rund wie er, aber zwei Köpfe kleiner war, schnappte ihm den Korb weg.

»Vielleicht möchten andere auch was haben.«

»Verzeihung, ich dachte, es hätten schon alle was abbekommen.« Klippan hob entschuldigend die Hände.

»Haben sie auch, aber keiner so viel wie du.« Demonstrativ nahm sich Elvin ein Croissant, bevor er den Korb wieder auf den Tisch stellte.

»Okay«, sagte Klippan in dem Versuch, die peinliche Attacke hinter sich zu lassen. »Wo war ich stehengeblieben?«

»Du verstehst kein Wort«, murmelte Elvin mit vollem Mund.

»Ach ja, genau. Damit wollte ich sagen, dass Peter Brise unmöglich tot gewesen sein kann, schließlich ist er doch gefahren, verdammt. Oder bin ich da völlig auf dem Holzweg?«

»Nein, ich weiß es auch nicht.« Kriminaltechniker Ingvar Molander schüttelte den Kopf. »Das Ganze ist tatsächlich äußerst merkwürdig, muss ich sagen.«

»So kenne ich dich ja gar nicht, Ingvar.« Irene Lilja setzte sich an den ovalen Versammlungstisch und zog die Mappe mit ihren Notizen aus der Tasche. »Du hast doch sonst immer eine Erklärung in petto.«

»Wer sagt denn, dass nicht jemand anders hinterm Lenkrad saß?« Fabian schaute durchs Fenster auf das niedrig bebaute Industriegebiet von Helsingborg hinaus. Wenn man von Norden kam, begrüßte einen die ansonsten so schöne Stadt mit ungewöhnlicher Hässlichkeit.

»Ich habe mit den Tauchern gesprochen, und die haben ihn auf dem Fahrersitz gefunden«, sagte Molander.

»Außerdem standen massenhaft Leute am Kai, die ihn mit eigenen Augen im blubbernden Wasser untergehen sahen.« Klippan trank schlürfend seinen heißen Kaffee. »Laut denen und den Uniformierten vor Ort kam niemand an die Oberfläche geschwommen. Folglich kann außer Peter Brise niemand im Auto gewesen sein.«

»Du meinst also, es war nur ein Unfall, und er war noch am Leben, als das Auto am Vormittag auf die Wasseroberfläche prallte und versank?«, fragte Fabian, dem gleichzeitig bewusst wurde, dass er sich überhaupt keinen Reim auf die Zusammenhänge machen konnte.

»Ja.« Klippan nickte. »Wenn mich nicht alles täuscht, soll er ziemlich viel Promille gehabt haben. Ich weiß nicht, wie ihr das seht, aber meiner bescheidenen Erfahrung nach erklärt das einiges.« Mit einem Grinsen in Elvins Richtung nahm er sich noch ein Croissant. »Wenn Flätan mich jetzt hören könnte, würde er mich vermutlich nackt und lebendig an seinen Marterpfahl knüpfen«, Klippan schaute in die Runde, »aber in meinen Augen kann das nur bedeuten, dass Flätan sich ausnahmsweise mal irrt.« Er führte die Kaffeetasse zum Mund, entschied sich aber im letzten Moment um und stellte sie wieder ab.

Ein seltsames Schweigen breitete sich aus. Anstatt wie üblich Gegenargumente und Einwände zu äußern, hielten alle den Mund. Nicht, um Zustimmung zu bekunden. Eher im Gegenteil. Eigentlich glaubte niemand, dass Flätan mit seiner Behauptung, Peter Brise sei seit über zwei Monaten tiefgefroren, falsch lag. Nicht einmal Klippan selbst. Trotzdem sagte keiner etwas. Niemand beleuchtete den Fall aus einem anderen Blickwinkel oder stellte eine neue Idee in den Raum.

Fabian war sich sicher, dass es allen so ging wie ihm. Brises unerklärliche Todesfahrt durch die Stadt hatte sie völlig verschlafen, oder besser gesagt verpennt, aus ihren warmen Betten geschubst. Nachdem sich alle durch einen zähflüssigen Arbeitstag nach dem anderen gewurschtelt hatten, hatten sie ihre Gehirne noch nicht wieder eingeschaltet. Sie mussten sich erst daran gewöhnen, kritische Fragen zu stellen, analytisch zu denken und jedes noch so winzige Detail von allen Seiten zu betrachten. Und das war allen schlagartig bewusst geworden.

Dies war alles andere als ein Routinefall, den man in der regulären Arbeitszeit mit links aufklärte. Es roch bereits nach Überstunden, schlechtem Kaffee und dem Nickerchen am Schreibtisch. Ihre Sinne waren gereizt und schärften sich gleichzeitig auf genau die Weise, die sie alle insgeheim vermisst hatten.

Dann war da noch der rosa Elefant. Er saß auf Astrid Tuvessons Stuhl. Jeder hatte zur Kenntnis genommen, dass dieser frei geblieben war. Trotzdem hatte keiner von ihnen ein Wort darüber verloren, nicht einmal in einem Nebensatz. Nicht, dass sie nicht im Bilde gewesen wären, im Gegenteil, sie wussten alle, dass Astrid trank und dass es seit der Trennung von Gunnar im vergangenen Herbst noch viel schlimmer geworden war. Es war nicht zu übersehen gewesen, dass sie plötzlich begonnen hatte, wie eine Wahnsinnige Kaugummi zu kauen, ständig die Tür zu ihrem Büro zumachte und sich bei jeder günstigen oder, so wie jetzt, ungünstigen Gelegenheit krankschreiben ließ.

Aber anstatt darüber zu reden und sie vielleicht sogar darauf anzusprechen, hatten sie einen Bogen um das Problem gemacht, in der Hoffnung, es würde sich vielleicht von allein lösen. Infolgedessen war mit ihr allmählich immer weniger zu rechnen gewesen. War sie da, leitete sie wie immer das Team. Wenn nicht, füllten die anderen ihre Lücke gemeinsam. Keiner von ihnen übernahm eine führende Rolle. Formal betrachtet, war eigentlich Klippan dafür zuständig, und hin und wieder startete er halbherzige Versuche, ans Ruder zu kommen, die aber weder er selbst noch sonst jemand im Team wirklich ernst nahm.

Bislang hatte das keine direkten Auswirkungen mit sich gebracht, was größtenteils daran lag, dass sich ihre derzeitigen Fälle auf, milde ausgedrückt, Anfängerniveau abspielten. Doch wenn Fabian nicht alles täuschte, würde die Situation bald unhaltbar werden.

Lilja war diejenige, die dem Schweigen schließlich ein Ende bereitete. »Okay, bevor wir uns ganz in diesen Brise vergraben, möchte ich nur erwähnen, dass ich eine Sache auf dem Tisch habe, die nicht warten kann.«

»Kein großes Ding, aber da wir in der letzten Zeit nicht gerade an Arbeit erstickt sind, habe ich einer Frau, deren Mann offenbar seit Montag verschwunden ist, versprochen, mich mit ihr zu treffen.«

»Gibt es denn Hinweise auf ein Verbrechen?«, fragte Elvin.

»Das soll ich ja herausfinden. Vermutlich lässt sich das Ganze leicht erklären. Sie heißt Ylva Fridén und er Per Krans. Kennt einer von euch die beiden zufällig?«

Elvin und die anderen schüttelten den Kopf.

»Alles klar. Die Frage ist, wie der Rest des Teams jetzt weitermacht.« Fabian hatte beschlossen, das Heft in die Hand zu nehmen. »Es ist schon Viertel nach.«

»Weiß jemand von euch, ob Tuvesson im Anmarsch ist?«

Die anderen schüttelten die Köpfe und sahen sich an, als dächten sie alle das Gleiche.

»Dann schlage ich vor, dass wir ohne sie anfangen.« Fabian ging zum Whiteboard hinüber und wischte Klippans Strichmännchen, die Einkaufslisten für das Kaffeegebäck und das fünf Monate alte Ergebnis des Weihnachtsrätsels ab. »Peter Brise. Was wissen wir über ihn, abgesehen davon, dass er mit diesem Mörderschnecken-Spiel steinreich geworden ist?«

»Er wohnte in der Trädgårdsgata unten in der Stadt.« Klippan reichte Fabian ein Porträtfoto von Brise. »Wie hieß seine Firma noch mal?«

»Ka-Ching.« Molander schüttelte den Kopf. »Eine Goldgrube.«

»Stimmt. Die Firmenadresse ist in Lund, soviel ich weiß.«

»Ich habe irgendwo gelesen, dass sie die Zahl ihrer Angestellten in den vergangenen sechs Monaten vervierfacht und schon im Februar ihr Umsatzziel erreicht haben«, sagte Lilja. »Und das mit einem Handyspiel für sieben Kronen.«

»Das außerdem stinklangweilig ist«, fügte Molander hinzu.

»Ich würde sagen, es macht süchtig. Man kann ja nicht mehr aufhören.«

»Genau deshalb probiere ich es gar nicht erst aus«, sagte Klippan. »Berit hat bereits mehrmals versucht, davon loszukommen, aber nach wenigen Minuten sitzt sie wieder da und klickt auf ihr Display, bis sie Blasen an den Fingerkuppen bekommt.«

»Ja, und was daran so toll sein soll, geht über meinen Horizont hinaus«, sagte Molander.

»Vielleicht können wir uns wenigstens darauf einigen, dass er Geld hat wie Heu.« Elvin verdrehte die Augen.

»Das wollte ich auch gerade sagen.« Fabian bedankte sich insgeheim bei Elvin, während er ein Dollarzeichen neben das Bild kritzelte, auf dem Brise mit seinem weißen Hemd, dem kahlrasierten Schädel und der schwarzen Sonnenbrille eher wie ein Investmentbanker als wie ein Spiele-Nerd aussah. »Noch was? Hatte er Familie? War er verheiratet? Gibt es Geschwister und so?«

»Single, Einzelkind und homosexuell, wenn du mich fragst«, sagte Lilja.

»Woher weißt du das? Hat er sich geoutet?«

»Nein, aber dazu braucht man nur sein Spiel zu spielen, das enthält unzählige Anspielungen. Ihr müsstet mal die Schnecken auf Level 33 sehen.« Lilja schüttelte den Kopf.

»Ach ja«, sagte Klippan.

»Sieh mal einer an, du spielst es also doch.« Lilja warf ihm ein Grinsen zu.

»Moment mal.« Elvin lehnte sich in einem der beiden ergonomischen Stühle zurück, die sein Rückenleiden lindern und den Steuerzahler angeblich eine fünfstellige Summe gekostet haben sollten. »Erinnert das nicht an Johan Halén, der sich vor einem guten Jahr in seiner Garage vergast hat?«

»Du meinst den Sohn dieses Reeders?«, sagte Klippan. »Der unten in Viken direkt am Hafen wohnte, nur einen Katzensprung von mir entfernt. Das reinste Traumhaus.«

Elvin nickte.

»Oder was meinst du, Ingvar? Du hast doch damals an dem Fall mitgearbeitet.«

»Was heißt schon erinnern.« Molander zuckte die Achseln. »Ich weiß nur noch, dass wir nie diesen geheimen Sexraum gefunden haben, den er angeblich im Keller hatte.«

»Was für ein Sexraum?«, fragte Fabian.

»Wahrscheinlich war es nicht mehr als ein Gerücht«, sagte Elvin. »Jedenfalls wenn wir uns auf unseren Experten hier verlassen können, der ihn nicht gefunden hat.«

»Was soll das bedeuten?« Molander sah Elvin mit beleidigtem Gesichtsausdruck an.

»Nur, dass auch die hervorragendsten Kollegen mal was übersehen.« Elvin schenkte Molander ein Lächeln. »Ich will darauf hinaus, dass Halén, genau wie Brise, stinkreich war. Außerdem waren beide Einzelkinder und alleinstehend.«

»Okay, aber wenn wir Flätan Glauben schenken können, hat Peter Brise sich ja nicht umgebracht«, sagte Fabian.

»Sag das nicht«, erwiderte Klippan. »Wer weiß, er könnte sich doch vor zwei Monaten selbst eingefroren und das Auto in Gestalt eines Geists gefahren haben.« Lachend schüttelte er den Kopf.

»Glaubst du wirklich, dass er sich irrt?«, fragte Lilja.

»Nein, ich glaube gar nichts, aber …« Klippan seufzte. »Okay, ich will mal nicht so sein. Nehmen wir also an, Flätan hat recht und Brise wurde tatsächlich vor über zwei Monaten ermordet. Motive gibt es wahrscheinlich so viele, wie er Millionen auf dem Konto hat. Doch warum in Gottes Namen friert man ihn wochenlang ein, um ihn anschließend vor den Augen zahlloser Zeugen im Hafen zu versenken?«

Die Frage blieb unbeantwortet. Stattdessen breitete sich erneutes Schweigen aus. Diesmal ein so konzentriertes, dass sogar das brummende Rauschen der Klimaanlage nur wie ein weit entfernter Sattelschlepper im Leerlauf klang.

Genau wie die anderen am Tisch, war Fabian vollauf damit beschäftigt, irgendeine Art von Logik in dem merkwürdigen Handlungsverlauf zu erkennen, aber er erschien ihm so abstrus wie ein Zauberwürfel, bei dem jemand die Klebeetiketten vertauscht hatte.

Kapitel 7

Der frühmorgendliche Streifendienst von Dunja Hougaard und ihrem Kollegen Magnus Rawn ging gerade seinem Ende zu, als die Nachricht über Funk kam. Sie befanden sich nach einer Nacht, in der nichts, aber auch wirklich gar nichts von Interesse passiert war, auf der Rückfahrt zum Präsidium im Prøvstensvej 1, und vielleicht lag es an dieser Ereignislosigkeit, dass der Funkspruch über die blutüberströmte Frau in der ansonsten so idyllischen Einkaufsstraße im Stadtzentrum Dunjas Puls in die Höhe jagte.

Sie hatte Magnus die ganze Nacht den Platz hinterm Lenkrad überlassen. Nicht, weil er der bessere Fahrer gewesen wäre, eher im Gegenteil. Aber wenn sie darauf bestand, selbst zu fahren, wurde er so nervös, dass er bei jedem Spurwechsel ängstlich die Luft anhielt, und deshalb saß fast ausschließlich er am Steuer, obwohl sie für das gesamte Nordseeland zuständig waren und pro Schicht mindestens zweihundert Kilometer zurücklegten.

Und wie immer, wenn das Wochenende näher rückte, hatte er versucht, sie ohne besondere Raffinesse über ihre Pläne auszuquetschen. Ob sie zu Hause bleiben und vor dem Fernseher abhängen wolle oder mit Freunden verabredet sei oder möglicherweise sogar vorhabe, tanzen zu gehen. Um ihn nicht zu verletzen, antwortete sie so ausweichend wie möglich und lenkte das Gespräch in eine andere Richtung. Darin war sie im Laufe der vergangenen sechs Monate richtig gut geworden.

Doch diesmal hatte er sich nicht so einfach geschlagen gegeben. An der roten Ampel kurz hinter der Jet-Tankstelle im Kongevej hatte er sie angesehen und sie direkt gefragt, ob er sie nicht mal ins Baron von Dy einladen dürfe, ein Fonduerestaurant mitten in Kopenhagen, wo man so viel Fleisch essen durfte, wie man schaffte. Nur für die Getränke müsse man extra bezahlen.

Nach kurzem Überlegen beschloss sie, den Stier bei den Hörnern zu packen und ihm zu erklären, dass sie ihn als Kollegen sehr gern habe, aber nicht auf die Art, die für ein Date erforderlich sei. Viel weiter war sie nicht gekommen, als das Funkgerät knisterte und alle Streifenwagen in der Nähe der Fußgängerzone anforderte.

»Das war haarscharf.« Magnus warf einen Blick auf die Uhr, während er die Wartezeit auf die nächste Grünphase überbrückte, indem er mit den Fingerspitzen aufs Lenkrad klopfte.

»Damit willst du doch wohl nicht sagen, dass wir einfach darauf pfeifen sollen?« Dunja juckte es in den Fingern, das Steuer an sich zu reißen.

»Nein, ich meine nur, dass unsere Schicht zu Ende ist, und wir müssen ja noch den Wagen waschen und unseren Bericht schreiben.«

»Das müssen wir gar nicht.« Dunja schnappte sich das Funkgerät. »Hallo Anna, hier Dunja Hougaard. Magnus und ich übernehmen das.«

»Okay, perfekt«, erwiderte eine weibliche Stimme, woraufhin Dunja über das Armaturenbrett langte und das Martinshorn einschaltete.

»Du willst doch nicht etwa, dass ich bei Rot fahre?«

»Doch, genau das will ich. Jetzt mach schon. Anna, weißt du, wo genau in der Stengade sie sich befindet?«