Die Salzbergwerke Mecklenburgs - Günter Pinzke - E-Book

Die Salzbergwerke Mecklenburgs E-Book

Günter Pinzke

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Beschreibung

Das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern wird heutzutage assoziiert mit Begriffen wie Urlaub, Gesundheit, Wälder, Seen und Meer. Nur ältere Einheimische wissen noch, dass auch hierzulande eine rege Suche, Erkundung und Gewinnung von Kali- und Steinsalz sowie Braunkohle stattgefunden hat. Die Gewinnung dieser Bodenschätze erfolgte im Untertagebetrieb. In einem zweiten Buch soll hier der Bergbau auf Kali-und Steinsalz in Südwest-Mecklenburg vorgestellt werden. Ein weiteres Buch wird sich dem Bergbau auf Braunkohle widmen. Alle drei Salzbergwerke hatten auch Einmaliges: Hier wurde der erste Schacht weltweit mittels des Gefrierschacht-Verfahrens abgeteuft. Die Schachtröhre eines zweiten Salzbergwerks wurde 64 Jahre nach dessen Ersaufen als erster Kalischacht Deutschlands mittels einer selbstaushärtenden Suspension aus Braunkohle-Filterasche und zwischengelagerten Zementbrücken so standfest verwahrt, dass die Standsicherheitsberechnungen für mindestens weitere 200 Jahre keine Gefährdungen erwarten lassen. Und das Kali- und Steinsalzbergwerk Conow, stillgelegt in der Zeit der Weltwirtschaftskrise nach dem I. Weltkrieg, wurde als erstes Kalibergwerk zur Erhaltung der untertägigen Grubenbaue mit den gesättigten Salzlösungen aus dem sog. Caprock geflutet. Dies sowie die speziellen geologischen und hydrogeologischen Einzelheiten, die Zutritte von Wässern und Salzlösungen in die Grubenbaue sowie das hiesige Bergrechts- und Knappschaftswesen werden in dem reich bebilderten Buch, geschrieben von einem promovierten Bergbauwissenschaftler, vorgestellt.

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Möge dieses Buch das Andenken an den mecklenburgischen Kali- und Steinsalzbergbau, an seine Gründungsinitiatoren sowie an die einst in diesen Schachtanlagen Beschäftigten wachhalten!

In Südwest-Mecklenburg befinden sich drei stillgelegte Kaliwerke:

Das Abteufen des ersten Kalischachtes datiert bereits in das Jahr 1886; das letzte Kali- und Steinsalzbergwerk förderte Salze bis 1926.

Alle drei Salzbergwerke haben etwas Einmaliges:

Der Schacht des „Kali-und Steinsalzbergwerkes Herzog-Regent Jessenitz" war weltweit der erste, welcher im Gefrierschacht-Verfahren abgeteuft wurde. Bereits 1886 war man schon in der Lage, das stark salzwasserhaltige Gebirge mittels Tiefkühlmaschinen in einen kompakten Eisblock zu verwandeln, um anschließend ‚trockenen Fußes‘ mit herkömmlicher Technik weiter zu arbeiten.

Der Schacht des „Kali- und Steinsalzbergwerkes Friedrich Franz Lübtheen" wurde 64 Jahre nach dem Ersaufen des Bergwerkes als erster Kalischacht Deutschlands mittels einer sich im Salzwassermilieu erhärtenden Suspension aus Braunkohlen-Filterasche und Zementbrücken verfüllt. Die Auswertung der Kontrollbohrungen und numerische Berechnungen aus dem Jahre 2008 belegen rechentechnisch die Standsicherheit dieser Bergwerksanlage für weitere 200 Jahre.

Und letztlich wurden die Grubenbaue des infolge der Weltwirtschaftskrise 1926 stillgelegten „Kali- und Steinsalzbergwerkes Conow" als erste weltweit mittels Salzwässern aus dem Gipshut des Salzstockes Conow geflutet in der Absicht, die Stabilität der Grubenbaue zu erhalten, um eines Tages die Förderung von Salzen wieder aufnehmen zu können, sollten sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einer untertägigen Salzgewinnung gebessert haben.

Die Details dieser bemerkenswerten bergmännischen Leistungen und vieles mehr zur

Geschichte der untertägigen Salzgewinnung in Mecklenburg

finden Sie in dem von einem bergschadenkundlichen Begutachter dieser Werksanlagen geschriebenen und reichlich bebilderten Sachbuch.

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkungen

1. Einführung

2. Das Bergrecht im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin

3. Die geologischen und hydrogeologischen Verhältnisse im Bereich der Salzstöcke Lübtheen und Conow

3.1. Die Geologie des Salzstockes Lübtheen-Jessenitz

3.2. Die Geologie des Salzstockes Conow

3.3. Die hydrogeologischen Verhältnisse im Bereich des Salzstockes Lübtheen-Jessenitz

3.4. Die hydrogeologischen Verhältnisse im Bereich des Salzstockes Conow

4. Das Kali- und Steinsalzbergwerk Herzog-Regent Jessenitz

4.1. Die Gesellschaftsgründungen

4.2. Vorstand, Aufsichtsrat und Betriebsführung

4.3. Das Abteufen des Schachtes im Gefrierschachtverfahren

4.4. Das weitere Abteufen durch Abbohren nach Kind-Chaudron

4.5. Die Gewinnungsarbeiten

4.6. Die Tagesanlagen

4.7. Das Betriebsende

4.8. Die Abteufarbeiten des Schachtes Jessenitz II (Schacht „Volzrade“)

4.9. Verwahrungsarbeiten an den Schächten

5. Das Kali- und Steinsalzbergwerk Friedrich Franz Lübtheen

5.1. Die Gesellschaftsgründung

5.2. Vorstand, Aufsichtsrat und Betriebsführung

5.3. Das Abteufen des Schachtes

5.4. Die aufgeschlossenen Salze

5.5. Aus- und Vorrichtung, Abbau- und Versatzverfahren

5.6. Die Tagesanlagen in Lübtheen

5.7. Das Ersaufen der Schachtanlage Lübtheen

5.8. Die Verwahrung der Schachtröhre

5.9. Kontrollmaßnahmen

5.10. Sicherheitsbewertung der Verwahrung der Schachtanlage

6. Das Kali- und Steinsalzbergwerk Conow

6.1. Die Gesellschaftsgründung

6.2 Der Schachtbau

6.3. Aus- und Vorrichtung der Lagerstättenbereiche sowie die Bewetterung der Grubenbaue

6.4. Gewinnung, Förderung und Versatz

6.5. Fabrikatorische Verarbeitung in Conow

6.6. Die Stilllegung des Werkes

6.7. Entnahme von Lösungen aus der Schachtröhre; Beseitigung eines Lothindernisses

6.8. Die Lösungszutritte im Grubenfeld Conow

6.9. Die Flutung des Grubengebäudes

6.10. Die Demontage des Werkes

6.11. Die Verwahrung der Schachtröhre

7. Der Beginn des Knappschaftswesens in Mecklenburg

8. Die Salzgewinnung in Südwest-Mecklenburg nach dem II. Weltkrieg

9. Anhang

10. Glossar

11. Benutzte Archiv- und Literaturquellen

12. Der Autor Dr. Günter Pinzke

Vorbemerkungen

Die allgemeine Kenntnis der in vielerlei bemerkenswerten bergbaulichen Tätigkeiten in Mecklenburg ist - insbesondere außerhalb Mecklenburg-Vorpommerns - nicht allzu breit gestreut. So jedenfalls hat es der Autor in seinem Berufsleben erfahren. Das betrifft sowohl den Bergbau-Tiefbau auf Kali- und Steinsalz als auch auf Braunkohle.

Es war seinerzeit schon ein großes unternehmerisches Risiko, finanzielle und materielle Ressourcen in Bergbau-Unternehmen zu investieren, dessen wirtschaftlichen Erfolg niemand voraussagen konnte. Dafür war der geologische Erkenntnisstand noch nicht ausreichend vorhanden; man begab sich sozusagen in unbekanntes Neuland.

Diese Pioniere des mecklenburgischen Salzbergbaus, aber auch die wagemutigen Investoren und die in den Archivalien erwähnten Bergbeamten und Bergleute haben es verdient, hier - soweit überliefert - namentlich genannt zu werden.

Ebenso wie die damaligen bergbaulichen Arbeiten (insbesondere das Abteufen der Schächte) sowie die späteren verschiedenen Sicherungs- und Verwahrungsarbeiten an den Schachtröhren waren bergbautechnisches Neuland.

Dieses Sachbuch soll nicht nur die Salzbergbau-Geschichte Mecklenburgs vom ersten Spatenstich an umfassend dokumentieren, sondern auch die Nachsorgemaßnahmen und -arbeiten zur Gewährleistung der Bergbau- und öffentlichen Sicherheit im Bereich der Schächte und der untertägigen Auffahrungen erläutern. Sind doch heute noch in diesen Arealen Betriebe angesiedelt bzw. stehen obertägig Ortschaften über den ersoffenen bzw. gefluteten Grubenbauen.

Zur Zeit der ersten Schachtkontrollen ab dem Jahre 1974 unter Leitung des Autors hießen die betroffenen Betriebe noch „VEB Fahrzeuganhängerwerk ‚Ernst Thälmann‘ Lübtheen" sowie „VEB Nordfrucht Conow". Die seinerzeitigen Betriebsleitungen hatten viel Verständnis für diese gesetzlich (gemäß der ‚Verwahrungsanordnung vom 19. Oktober 1971‘, GBl. der DDR 1971 Teil II S. 621) geforderten notwendigen Arbeiten. Auch halfen sie z.B. mit der Zurverfügungstellung von Personal und Ausrüstungen oder der Anfertigung von speziellen Gerätschaften. Diesen Helfern gebührt auch hier mein Dank.

Einzelbeiträge zur Salzgewinnung in Mecklenburg hat der Autor bereits in verschiedenen Fachzeitschriften sowie in der Enzyklopädie WIKIPEDIA publiziert. Hier folgend aber wird der Bergbau auf Kali- und Steinsalz in Mecklenburg zusammenfassend dargestellt und um viele neue Details und Abbildungen bereichert. Mit ihrer Veröffentlichung ist ein Sachbuch fast überfrachtet; es dient aber der Erhaltung wichtiger Zeitdokumente.

Für den bergbauunkundigen Leser/-in werden einfache Fachbegriffe als Fußnoten im Text und kompliziertere in einem Glossar am Ende des Buches umfassender erläutert.

Abschließend gilt mein besonderer Dank den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Landeshauptarchivs Schwerin, des Kreisarchivs Ludwigslust-Parchim, des Landesamtes für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern sowie des Museums „Altes Küsterhaus" Lübtheen und namentlich seiner Leiterin, Frau Marlies Bünsch, für die mir zuteil gewordene Unterstützung bei den Archivrecherchen und der Zurverfügungstellung vieler seltener, wenn nicht gar einmaliger Fotos und Dokumente.

Schwerin, im Juli 2014

Dr.-Ing. Günter Pinzke

1. Einführung

Bergbau auf Gold, Silber, Kupfer, Blei und viele andere Mineralien inklusive der Auf- und Weiterverarbeitung dieser Bodenschätze sind bereits seit der frühen Neuzeit belegt. So stellt sich die Frage, warum erst seit knapp eineinhalb Jahrhunderten Bergbau auf Kalisalze stattfindet?

Eng verknüpft mit der Salzgewinnung aus einer Saline ist die im Jahre 806 erstmalig urkundlich erwähnte anhaltinische Stadt Staßfurt. Hier sollen Salzquellen - alten Überlieferungen nach – von einem durch Kaiser Karl der Große (* wahrscheinlich am 2. April 747 oder 748; † 28. Januar 814) gefangen genommenen und wieder freigelassenen Wendenführer entdeckt worden sein. Der ‚Schöpfer der sächsischen Salinen‘, der Bergrat Johann Gottfried Borlach (* 24. Mai 1687; † 4. Juli 1768), hatte bereits als einer der Ersten die Auffassung vertreten, dass dort, wo sich Salzquellen zeigen, auch im Untergrund Steinsalz vorhanden sein muss. Und so erreichte auch eine im Jahre 1837 bei Artern niedergebrachte Bohrung ein Steinsalzlager.

Es wird angenommen, dass die Staßfurter Burg (Schloss), die neben der alten Saline stand, ursprünglich zum Schutz der Solquellen angelegt worden ist. Hier begann man im Jahre 1839 auf der Grundlage eines von C. Reinwarth vorgelegten Gutachtens auf dem Salinegelände mit dem Abteufen (= Niederbringen) einer Tiefbohrung, welche als Bohrloch für die Gewinnung einer reichhaltigeren Sole für den Siedebetrieb dienen sollte. Diese Bohrung wurde nach zwölfjähriger Bohrzeit im Jahre 1851 in einer Teufe (= Tiefe) von 581m im Steinsalz eingestellt.

Doch die diesem Bohrloch entnommene bitterschmeckende Sole enthielt zur allgemeinen Enttäuschung eine große Menge unerwünschter Beimengungen (so u. a. Kaliumchlorid). Man hatte die Wahl entweder das Bohrloch aufzugeben oder sie als Vorbohrung für einen Schacht zu nutzen, durch den man das benötigte reine Steinsalz zur Soleanreicherung separat gewinnen konnte. Man entschied sich letztlich zum Abteufen zweier dicht nebeneinander liegender Schächte (Teufbeginn Schacht „von der Heydt" am 4. Dezember 1851; Teufbeginn Schacht „von Manteuffel" am 9. Februar 1852). Als der erste Spatenstich für das Abteufen eines neuen Salzschachtes erfolgte, ahnte keiner der Anwesenden, welch weitreichende Bedeutung dieses Unternehmen haben sollte.

Die bergmännische Gewinnung von Steinsalz begann im Jahre 1857. Ende 1858 durchörterte ein Querschlag das Kalilager, musste aber infolge eines Laugenzuflusses* eingestellt werden. Erst im März 1860 konnten diese Aufschlussarbeiten erfolgreich weitergeführt werden. Die zwangsweise mit zutage geförderten Kalisalze wurden zunächst als unverwertbar auf Halde gekippt. Die inzwischen von verschiedenen Chemikern nachgewiesene fabrikatorische Trennung des in diesen ‚wertlosen‘ Kalisalzen enthaltenen Kaliums, dessen Wirksamkeit für das Pflanzenwachstum bereits Justus von Liebig um das Jahr 1840 erkannte, sowie die verfahrenstechnische Umsetzung einer auf Kalisalzen aufbauenden Düngemittelproduktion durch Adolph Frank im Jahre 1861 bildeten den Startpunkt einer nahezu euphorischen Suche und Erkundung weiterer Kalisalzlagerstätten in Deutschland.

Die aller Ortens schnell umlaufende Kunde vom Fund dieser Kalisalze, das sogenannte Staßfurter Berggeschrey, vernahm man auch im landwirtschaftlich geprägten Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin. Trotz der seinerzeitigen Auffassung, dass Kalisalze nur im Magdeburg-Halberstädter Raum, insbesondere am sogenannten Staßfurter Sattel zu finden seien, regte es dennoch auch hierzulande die Suche nach geeigneten Lagerstätten an.

Weil in der die mecklenburgische Kalisalzgewinnung betreffenden Literatur insbesondere in der Chronologie dieser Ereignisse Unstimmigkeiten festzustellen sind, soll hier der zu den Pionieren des hiesigen Salzbergbaus gehörende, aus Dresden stammende Bergdirektor Albert Nettekoven zitiert werden:

„[…] Am 1. August des Jahres 1874 liess die Mecklenburgische Regierung in dem Lübtheener Gypsbruche eine Tiefbohrung in Angriff nehmen, welche die Tiefe von 477m erreichte und am 3. Dezember 1878 beendigt wurde.

Abbildung 1: Lage der mecklenburgischen Salzstöcke und Kalibergwerke

Gutachter war Berghauptmann Ottiliae-Clausthal, ausführender Bohringenieur W. Stoz-Stuttgart. Das Bohrloch traf von 327m abwärts ‚ein Salzlager, welches mit Carnallit beginnt und den Salzlagern in Staßfurt entspricht‘. Aus Anlass dieses Salzfundes wurde am 18. Oktober 1877 von der Bevölkerung Lübtheen‘s ein Volksfest - das Salzfest - veranstaltet" (NETTEKOVEN/1905).

In der Folge erließ die Großherzogliche Regierung durch landesgesetzliche „Verordnung vom 16. Mai 1879" den Salzbergbau verstaatlichen. Mit dieser von den Landständen gebilligten Rechtsvorschrift war zunächst für die kommenden 15 Jahre die ‚Aufsuchung und Gewinnung von Steinsalz und beibrechenden Salzen‘ ausschließlich der Regierung vorbehalten und nicht mehr ‚gemeines Recht des Grundeigentümers‘. Sollte nach diesen 15 Jahren kein staatseigenes Bergwerk eröffnet bzw. wieder eingestellt worden sein, so hätten die Stände das Recht gehabt, die Aufhebung dieser Verordnung zu beantragen.

Lediglich dem Eigentümer des Rittergutes Jessenitz, Ernst Meyer, verblieb durch ‚allerhöchstes Reskript‘ vom gleichen Tage das Recht auf Suche, Erkundung und Gewinnung von Salzen unter der Bedingung, dass der Gutseigner innerhalb einer Frist von 25 Jahren auf dem Gebiet ein Salzbergwerk errichtet habe.

Kurz vor Ablauf der dem Staatswesen eingeräumten 15-Jahres-Frist verhandelte das Großherzogliche Finanzministerium mit dem auch im Staßfurter Kalibergbau engagierten Bergwerksbesitzer Hugo Sholto Douglas (Freiherr seit 1886, Graf seit 1888; * 19.4.1837, † 19.4.1912).

Mit Vertrag vom 24. November 1894 und der später auch erfolgten Zustimmung der Stände gestattete die Regierung Herrn Douglas und seinen Rechtsnachfolgern für die kommenden 99 Jahre, genau bis zum 1. Juli 1994, die Suche und Ausbeutung von Salzlagerstätten auf dem gesamten Landesterritorium, mit Ausnahme des Rittergutes Jessenitz.

Salzhaltige Wässer aus dem Untergrund des Gipsbruches in Lübtheen sowie die Überlieferungen von der einstigen Saline Conow waren Anlass zu weiteren Erkundungsbohrungen im Bereich des Salzstockes Lübtheen und später auch auf dem Salzstock Conow. Auch sie erbrachten Nachweise von Kalisalzen innerhalb der sogenannten Staßfurt-Formation (Perm, Zechstein), welche die Gründung von zwei weiteren Bergwerksbetrieben zur Gewinnung von Kali- und Steinsalz (siehe Abbildung 1) ermöglichten.

Deutschlandweit stieg die Zahl der Kali- und Steinsalzbergwerke von vier im Jahre 1878 auf 15 zur Jahrhundertwende sowie auf 229 im Jahre 1933.

Heute - im Jahre 2014 - existieren nur noch sechs Kalibergwerke sowie drei Steinsalzbergwerke. Letzter abgeteufter Kalischacht ist der im Jahre 1965 bis zur 940-m-Sohle niedergebrachte Schacht Kolenfeld bei Wunstorf/Hannover des „Werkes Sigmundshall der K+S KALI GmbH".

Abbildung 2: Die mecklenburgische ‚Bergordnung‘

* Das Wort „Laugenzufluss” ist ein alter, im Salzbergbau verwendeter Begriff für in Grubenbaue eintretende Wässer bzw. Salzlösungen aus dem umgebenden Gebirge, unabhängig von der Genese, der chemischen Zusammensetzung und der Zutrittsmenge; korrekter ist das Wort „Lösungszutritt”.

2. Das Bergrecht im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin

Im Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, wo bereits seit dem Jahre 1817 Bergbau auf Braunkohle betrieben wurde, fehlte bis zum Aufschluss der Kali- und Steinsalzlagerstätte bei Jessenitz eine diese bergmännischen Arbeiten regelnde gesetzliche Vorschrift.

Erst mit der „Verordnung vom 22. Juni 1900, betreffend den Betrieb und die Beaufsichtigung des Salz-Bergbaues" (siehe Abbildung 2) schuf Herzog-Regent Johann Albrecht ein Regelwerk für die Ausführung und Beaufsichtigung dieser mit vielen spezifischen Gefahren verbundenen Arbeiten.

Diese sogenannte mecklenburgische ‚Bergordnung‘ war den seinerzeit bereits modernen bergbaulichen Gegebenheiten angepasst und nicht zu vergleichen mit den wesentlich älteren Bergordnungen anderer Bergbaureviere.

Mit dieser Verordnung wurden die bergbehördliche Aufsicht, der Bergwerksbetrieb, der Schutz der Erdoberfläche, die Verfahrensweise bei der Abwehr von Gefahren beim Betrieb der Bergwerke, bei Zuwiderhandlungen gegen diese Rechtsvorschriften sowie die besondere Schadensersatzpflicht des Bergwerksbesitzers geregelt.

Als oberste Aufsichtsbehörde fungierte das Ministerium des Innern.

Die Aufsicht erstreckte sich gemäß § 3 auf:

„ 1. die Sicherheit der Baue,

2. die Sicherheit des Lebens und der Gesundheit der Arbeiter,

3. die Aufrechterhaltung der guten Sitten und des Anstandes durch die Einrichtung des Betriebes,

4. den Schutz der Oberfläche im Interesse der persönlichen Sicherheit und des öffentlichen Verkehrs,

5. den Schutz gegen gemeinschädliche Einwirkungen des Bergbaues".

Vorgeschrieben waren bereits unter anderem das Führen eines Zechenbuches (§ 6), die Führung des Bergwerksbetriebes auf der Grundlage eines genehmigten Betriebsplanes (§ 7), die Anfertigung eines Grubenbildes durch einen zugelassenen Markscheider*1 (§ 11) und der Einsatz befähigter Personen als Betriebsführer, Steiger und technische Aufseher (§ 12).

Die „Ausführungs-Bestimmungen vom 29. Juni 1900 zu der Landesherrlichen Verordnung vom 22. Juni 1900, betreffend den Betrieb und die Beaufsichtigung des Salzbergbaues" enthielten grundsätzliche Vorgaben für die Schachtanlagen als solche (§§ 1-2), den Grubenbetrieb (§§ 3-5), die Fahrung (§§ 6-8), die Förderung (§§ 9-11), die Schießarbeit (§§ 13-25), die Wetterführung*2 (§§ 26-30), die Maschinen (§§ 31-34) aber auch für die Arbeiter (§§ 35-39).

Die mecklenburgische ‚Bergordnung‘ wurde später durch das „Berggesetz vom 2. März 1922" (Regierungsblatt für Mecklenburg-Schwerin, Jahrgang 1922; ausgegeben am 30. März 1922) abgelöst. Dieses neue Bergrecht für den seit 1919 bestehenden Freistaat Mecklenburg-Schwerin war mit 116 Paragraphen wesentlich umfassender als die Verordnung vom 22. Juni 1900. Sie galt natürlich auch noch für die letzten Betriebsjahre des Kali- und Steinsalzbergwerkes Conow. Wenn es in der alten Verordnung zum Geltungsbereich noch hieß „[…] zur Aufsuchung und Gewinnung von Steinsalz nebst den mit denselben zusammen vorkommenden Salzen, namentlich Kali-, Magnesia- und Borsalzen, und den in den Betrieb zu nehmenden Salzlagern vorkommenden Soolquellen unterliegt…“, so beinhaltete der Paragraph 1 des Berggesetzes von 1922: „[…] Steinsalz und alle übrigen Salze, sowie Bitumen in festem, flüssigen und gasförmigen Zustand, insbesondere Erdöl, Erdgas, Bergwachs (Ozokerit), Asphalt, sowie die wegen ihres Gehaltes an Bitumen nutzbaren Mineralien und Gesteine, ferner Steinkohle, Braunkohle und Graphit, Sole, Metalle und deren Erze, Schwefel, Alaun- und Vitriolerze sowie Edelsteine sind von dem Verfügungsrecht des Grundstückseigentümers ausgeschlossen. Als Grundstückseigentümer im Sinne des Gesetzes gilt auch der Nutzeigentümer".

Bei der an späterer Stelle folgenden Abhandlung der einzelnen Salzbergwerke wird auf deren spezielle bergrechtliche Verhältnisse noch näher eingegangen.

*1 Ein Markscheider ist ein im Bergwerk tätiger Vermessungsingenieur, der eine Konzession und eine zusätzliche staatliche Ausbildung erhalten hat.

*2 Bewetterung oder Grubenbewetterung steht als Begriff aus dem Bergbau ganz allgemein für technische Maßnahmen zur Versorgung von Bergwerken mit frischer Luft.

3. Die geologischen und hydrogeologischen Verhältnisse im Bereich der Salzstöcke Lübtheen und Conow

3.1. Die Geologie des Salzstockes Lübtheen-Jessenitz

Der Salzstock Lübtheen-Jessenitz, oftmals auch nur kurz als Salzstock Lübtheen bezeichnet, streicht in nordwest-südöstlicher Richtung und sitzt einem etwa 17 Kilometer langen und etwa zehn Kilometer breiten Nordwest gerichteten Salzfuß auf. Der Salzspiegel* liegt bei -240m NN (NN = Normalnull = Synonym für ‚über dem Meeresspiegel‘). Der Durchbruch des Salzstockes geschah vor ca. 100 Millionen Jahren im Albium (kurz auch Alb genannt = Zeitabschnitt in der Erdgeschichte; höchste Stufe der Unterkreide-Formation). Der weitere Aufstieg des Salzes erfolgte vor ca. 55 Millionen Jahren im Tertiär und seine Hauptentwicklungsphase wird ins Oligozän (vor etwa 25 Millionen Jahren) und Neogen (vor etwa 5 Millionen Jahren) datiert. Auf rezente Aufstiegsbewegungen deutet der Geländeanstieg über dem Salzstock hin. Auch die auf den Salzstock niedergebrachten Tiefbohrungen sowie die bergmännischen Auffahrungen im Bergwerk Jessenitz selbst und die des etwa zwei Kilometer entfernt liegenden Kali- und Steinsalzbergwerkes Friedrich Franz Lübtheen lassen keine ausreichende Klärung des geologischen Baus der Salzstruktur zu. Pleistozäne und tertiäre Schichtenglieder bilden das Deckgebirge über dem Salzstock.

Das Pleistozän (Beginn vor etwa 2,6 Millionen Jahren und endete um 9.660 ± 40 Jahre v. Chr. mit dem Beginn der Holozän-Serie, der Jetztzeit) zeigte in den nachstehenden Aufschlüssen folgende Mächtigkeiten:

Bohrung Lübtheen I = 22,3m; Bohrung Lübtheen II = 64,8m;

Bohrung Lübtheen III = 39,0m; Bohrung Lübtheen IV = 133,0m;

Bohrung Lübtheen V = 44,5m; Bohrung Lübtheen VI = 29,3m;

Bohrung Lübtheen VII = 17,0m.

Bohrung Jessenitz I = 33,5m; Bohrung Jessenitz II = 29,0m;

Bohrung Jessenitz III = 56,7m; am Schacht Jessenitz = 34,9m.

Zumeist bestehen diese pleistozänen Ablagerungen aus gelben Sanden und Kiesen. Unter etwa 2m feinem gelblichen Heidesand, der vielfach zu Dünen zusammengeführt und von moorigen Niederungen durchzogen ist, folgen stellenweise mehrere Meter mächtige Geschiebemergelschichten und solche, die mit groben Geröllen unterlagert sind. Diese rolligen und bindigen Gesteine erreichen bis zu 40m Mächtigkeit.

Die tertiären Ablagerungen (Beginn des Tertiärs vor 65 Millionen Jahren; Dauer bis zum Beginn der Klimaveränderung vor rund 2,6 Millionen Jahren) rechnete der Geologe Eugen Geinitz einer einheitlichen Mulde zu, welche sich über Hohen Woos bis nach Malliß und Bockup erstreckt. Die hier bei Malliß vorgefundene Braunkohle wurde später auch bergmännisch gewonnen. Weitere tertiäre Ablagerungen sind Tone (jahrzehntelang in Ziegeleien im Raum Malliß-Bockup verarbeitet), Glimmer- und Glaukonit-Sande sowie ‚erdige‘ Braunkohle. An den Flanken des Salzstockes reicht das Tertiär bis in 550m Tiefe hinab.

Sogenannte Pingen - das sind Einbrüche bzw. Einsenkungen an der Erdoberfläche, die infolge von Auslaugungen im darunter liegenden Salzgebirge, durch Spaltenzüge im darüber befindlichen Gipshut sowie durch salinar- tektonische Störungen entstanden sind - liegen in einer breiten, nordwestsüdöstlich verlaufenden Zone über dem Salzstock und lassen dessen Verlauf an der Tagesoberfläche transparent werden.

Als wichtigste Pingen wären zu nennen der 6,4 Hektar große See in Probst Jesar und der ‚Große Sarm‘ bei Trebs. Etwa 200m südlich des ‚Großen Sarms‘ lag noch eine weitere Pinge, der ‚Kleine Sarm‘. Diese Pinge wurde jedoch im Rahmen der Errichtung der Tagesanlagen der Bergwerksanlage zugeschüttet. Im Forstbereich von Volzrade, an der sogenannten Benzer Scheide, befindet sich eine weitere Pinge namens ‚Kirchenstelle‘, auch als ‚Kirchenversunk‘ bei Volzrade bezeichnet. GEINITZ/1906 erwähnt in seinem Beitrag in der Festschrift zur Feier der Inbetriebnahme des Salzbergwerkes Friedrich Franz Lübtheen, dass hier der Sage nach in der Johannisnacht (das ist die Nacht auf den Johannistag, vom 23. auf den 24. Juni) die Glocken einer versunkenen Kirche ertönen sollen. Weitere kleine Pingen liegen im Forstbereich Kamdohl.

Abbildung 3: Schematisches Profil durch den Salzstock von Lübtheen-Jessenitz

Nach Geinitz zeigt die Kalisalz-Lagerstätte eine schwierig klarzustellende Tektonik*.

Als Leitlinie wird von ihm der sogenannte ‚schwarze Streifen‘, einer tonig-mergeligen bis bituminös-anhydritischen und bis zu 10cm, auch stellenweise mehr mächtigen Schicht innerhalb des Steinsalzmittels, herangezogen. Sie markiert das verbogene Streichen der Lagerstätte.

„[…] Bisweilen sind kleine oder größere scharfe Biegungen, auch wohl kleine Verwerfungen (bis zu 15cm Sprunghöhe) zu sehen. Eine sehr auffällige Ablenkung im streichenden Verlauf erfährt der schwarze Streifen in der 500m- und 600m- Sohle, 70m nördlich vom Schacht in der streichenden Strecke. Nachdem er parallel dem Stoß verlaufen, wendet er sich in den östlichen Stoß, um alsbald mit rechtwinkliger Umbiegung wieder zu erscheinen und noch innerhalb der 2,5m breiten Strecke, nach dem Weststoß wieder in die alte Richtung mit erneuter scharfer Umlenkung einzubiegen. 15m weiter verliert er sich dann und stößt gegen den Carnallit II an. 2,2m nach der Umbiegung stößt der Streifen rechtwinklig gegen eine scharf begrenzte Partie des roten Carnallits II, in welcher eine große Scholle von weißem Carnallit (mit Steinsalzkugeln) liegt. In der entsprechenden Lage finden wir dieselbe Verbiegung auch in der 600m- Sohle wieder; macht man sich ein kleines Modell, so sieht man klar die Zusammengehörigkeit der weit gestellten Salzschichten. Die Schleifen sind stärker verengt als oben. Sie entsprechen einer streichenden Zusammenfaltung der Schichten. Auch auf der 676m-Sohle ist eine ähnliche Umbiegung zu sehen, sie liegt aber ca. 25m südlich von der Stelle und scheint sonach nicht mit der obigen Schleife in Zusammenhang zu bringen sein"(GEINITZ/1911/1912).

Die hangende Partie des Kaliflözes (Carnallit I) ist nach Richter ein kristallines Gestein von mehr oder weniger deutlicher Schichtung mit meist schneeweißer bis grauer, stellenweise auch hell- bis blutroter Farbe. Kleine und große, teils abgerundete, teils scharfkantige Stücke von Steinsalz, Ton, Anhydrit, Borazit und Kieserit, die durch weißen Carnallit verkittet sind, bilden eine brekzienhafte Struktur.

Konkordant* darunter liegt das Steinsalzmittel (oberer Bereich graues, unterer Bereich rötliches Steinsalz mit Jahresringen; getrennt durch den ‚schwarzen Streifen‘). Ebenfalls konkordant darunter folgt das rötliche Carnallitgestein II. Die Brekzienstruktur* ist noch deutlicher ausgebildet als im Lager I; die Einlagerungen schwanken in der Größe zwischen kleinsten Abmessungen bis großen Blöcke. Das Gestein ist roh geschichtet.

Abbildung 4: Schematische Darstellung des Salzstockes Lübtheen-Jessenitz und der Zuordnung der Schachtanlagen Jessenitz und Lübtheen

Das durch die Grubenbaue der Schachtanlage Herzog-Regent Jessenitz erschlossene Salinar lässt sich generell wie folgt gliedern:

Zechstein 3 (Z 3, Leine-Serie*): Hauptanhydrit (größtenteils sehr klüftig, A 3); bis 120m mächtig. Grauer Salzton (T 3); bis 2m mächtig.

Zechstein 2 (Z 2, Staßfurt-Serie): Deckanhydrit (klüftig und Schlotten führend, A 2); bis 110m mächtig. Rötlichbraunes bis grauweißliches Decksteinsalz (Na 2); bis 250m mächtig. Kaliflöz Staßfurt (K 2, Hangendgruppe; teilweise reinlich-weißer Carnallit); 5m, in Stauchzonen sogar bis 50m mächtig. Steinsalz- Zwischenmittel, bestehend aus grauem Steinsalz, bis 8m mächtig. Kaliflöz Staßfurt (K 2, Liegendgruppe; roter Carnallit); 10m, in Stauchzonen sogar bis 60m mächtig. Staßfurt-Steinsalz Na 2.

Die gebirgsmechanischen Verhältnisse im Bereich der bergmännischen Auffahrungen sind durch die Salinarstruktur der Lagerstätte geprägt. Steile bis nahezu senkrechte Schichtenstellungen, Umbiegungen, Verjüngungen und Auskeilungen von Schichtengliedern deuten auf starke salztektonische Bewegungen hin. Trockene sowie laugen- bzw. gaserfüllte Klüfte wurden durch die Bohrungen und bergbaulichen Anlagen reichlich angetroffen. So traf man z. B. bereits beim Schachtabteufen in 508m Teufe im westlichen Stoß eine bis 50cm weite, offene, trockene und zum Teil mit Gasen erfüllte Kluft zwischen Carnallit und Steinsalz an, welche parallel zur Schichtung verlief und auf circa 12m im Streichen und circa 20m im Einfallen verfolgt werden konnte.

Die feingefurchte Oberfläche der Steinsalzschicht sowie deren Gefügeaufbau belegte diese als Rutschfläche. Das Einfallen der Rutschfläche betrug 75 – 83 Grad nach Osten. In der 600-m-Sohle war die Kluft noch deutlich erkennbar. Rutschflächen ohne Klüfte wurden noch an anderen Stellen nachgewiesen, so z. B. zwischen den Abbauen 4 und 5 auf der 584-m-Sohle oder auch am Nordende des Abbaufeldes an der Grenze zum umgebenden Steinsalz.