Der Mallißer Braunkohlenbergbau - Günter Pinzke - E-Book

Der Mallißer Braunkohlenbergbau E-Book

Günter Pinzke

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Beschreibung

Das Bundesland Mecklenburg-Vorpommern wird heutzutage assoziiert mit Begriffen wie Urlaub, Gesundheit, Wälder, Seen und Meer. Nur ältere Einheimische wissen noch, dass auch hierzulande eine rege Suche, Erkundung und Gewinnung von Kali- und Steinsalz sowie Braunkohle stattgefunden hat. Die Gewinnung dieser Bodenschätze erfolgte im Untertagebetrieb. In diesem reichbebilderten Sachbuch wird der Bergbau-Tiefbau auf Braunkohle in Südwest-Mecklenburg vorgestellt. Die erste Kohle förderten - man würde heute sagen "Gastarbeiter" - erfahrene Bergmänner aus dem Herzogtum Braunschweig. Das war im Jahre 1820. Mit einigen Unterbrechungen wurde erst 140 Jahre später die Gewinnung der Mallißer Braunkohle endgültig eingestellt. Der Autor, ein promovierter Bergbau-Ingenieur, bringt neben seinen umfangreichen Archivrecherchen auch eigene Untersuchungsergebnisse zur Bergschadensgefährdung dieses Abbaugebietes ein.

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Möge dieses Buch das Andenken an die Bergleute und Bergbeamten wachhalten, welche seinerzeit in mühevoller und gefährlicher Arbeit Braunkohle förderten.

Abb. 1: Einstiges Schmuckemblem mit dem Schriftzug „Glück auf“ über dem - mit Ziegelmauerwerk eingefassten - Eingang des Marien- Stollens

Zum Geleit

Mecklenburg-Vorpommern ist kein klassisches Bergbauland. Trotzdem hat auch der Bergbau im Land Tradition.

Im Südwesten des Landes im Gebiet der Ortslagen Malliß und Conow befindet sich der ca. 20 km² große Höhenrücken des Wanzeberges, geprägt durch den Aufstieg des Salzstockes Conow. Das Salz aus dem Untergrund wussten die Menschen bereits im Mittelalter zu nutzen. Die Saline Conow wurde im Jahr 1307 errichtet und bis 1746 betrieben. Nach der Erkundung von Kali- und Steinsalzvorräten wurde der Schacht „Conow“ von 1912 bis 1914 abgeteuft. Das Bergwerk wurde bis 1926 betrieben.

Über die Geschichte der Saline Conow und über die Salzbergbau-Betriebe Mecklenburgs an den Standorten Jessenitz (1886 bis 1912), Lübtheen (1895 bis 1916) und Conow berichtet der Autor Dr.-Ing. Günter Pinzke ausführlich in zwei Sachbüchern

„Die Saline Conow“

„Die Salzbergwerke Mecklenburgs“,

erschienen 2014 beim Verlag BoD-Books on Demand, Norderstedt.

Der Salzbergbau in Südwest-Mecklenburg veranlasste Großherzog Johann Albrecht zu Mecklenburg-Schwerin am 22. Juni 1900 zu einer Verordnung, den Betrieb und die Beaufsichtigung des Salzbergbaus betreffend und das Großherzogliche Bergamt in Hagenow zu gründen. Auch die Braunkohlengewinnung in Malliß stand damit unter Bergaufsicht.

Der Sitz der Bergbehörde wechselte in den Folgejahren nach Lübtheen (1910), Schwerin (1921), Halle a.d.S. (1943), Magdeburg (1943) und Staßfurt (1945) bis am 14. Dezember 1990 die Gründung des Bergamtes Stralsund für das Land Mecklenburg-Vorpommern erfolgte.

Einige Jahrzehnte älter als der Salzbergbau ist die Gewinnung von Braunkohle in Südwest-Mecklenburg, Thema des vorliegenden Sachbuches. Der klassische Braunkohlentiefbau begann 1817 in Malliß auf dem Wanzeberg und erfolgte, mit Unterbrechungen, bis zur endgültigen Einstellung im Jahr 1960.

Im Rahmen der Zuständigkeit zur Überwachung des ehemaligen Braunkohlenreviers Malliß/Conow hat das Bergamt Stralsund den „Alten Bergbau“ mit dem Erfordernis der Sanierung immer im Blick gehabt und große Aufwendungen für die bergsichere Verwahrung offener Stollen und Strecken betrieben. Die im Auftrag bzw. mit Unterstützung der Bergbehörde restaurierten Mundlöcher der Stollen Conow I und des Marienstollens sind zu besichtigen und vermitteln einen Eindruck in das Bergbaugeschehen vergangener Zeiten. Die zu Tage gebrachten Fundstücke des 1873 aufgefahrenen Marienstollens sind heute im Museum von Neu Kaliß ausgestellt.

Der Autor seines nunmehr dritten Sachbuches war als ausgebildeter Diplom-Bergingenieur viele Jahre mit der Thematik des Altbergbaus in Südwest-Mecklenburg vertraut. Seine Erfahrungen aus dieser Zeit und seine Erinnerungen an diese Zeit fließen maßgeblich in die Berichterstattung ein.

Das Buch beschreibt in 11 Abschnitten die Historie des Mallißer Bergbaus, beginnend mit den Anfängen der Lagerstättensuche und der Darlegung der geologischen und hydrogeologischen Lagerstättenverhältnisse in Südwest-Mecklenburg, gefolgt von der Schilderung der anfangs des 19. Jahrhunderts erfolgten Erkundung des Mallißer „Braunkohlenreviers“. Ausführlich und auch für Nicht-Fachleute verständlich werden die bergbaulichen Arbeiten in den einzelnen Abbau-Zeiträumen erläutert und mit zahlreichen Abbildungen untersetzt. Den schwierigen Arbeitsbedingungen der Mallißer Bergleute ist ein gesondertes Kapitel gewidmet. Dass der Braunkohlenbergbau 1960 zum Erliegen kam ist sowohl geologischen als auch wirtschaftlichen Gründen geschuldet, welche näher erläutert werden.

Der Braunkohlentiefbau in Malliß hat seine Spuren hinterlassen. Bedingt durch die Abbautechnologie des Pfeilerbruchbaus sind gewollt und auch ungewollt zahlreiche Tagesbrüche, auch noch in heutiger Zeit, entstanden. Das Bruchgeschehen ist noch nicht beendet. Mit diesen Auswirkungen des Bergbaus, den von der Bergbehörde Stralsund in Auftrag gegebenen bergschadenkundlichen Untersuchungen und den daraus resultierenden Sicherungsarbeiten im Revier sowie einer Betrachtung der Bergbaufolgeschäden aus forstwirtschaftlicher Sicht beendet der Autor die chronologische Aufarbeitung des Mallißer Braunkohlenbergbaus.

Das Glossar zu ausgewählten Fachbegriffen aus Geologie und Bergbau hilft dem Bergbauunkundigen beim Verstehen des Textes. Die aufgeführten Archiv- und Literaturquellen belegen die mit großem Engagement vorgenommene immense Aktenrecherche. Die zahlreichen Abbildungen und Fotos stammen sowohl aus Archivdaten als auch aus einem großen persönlichen Fundus.

Mit dieser sehr zu empfehlenden Publikation gelingt es dem Autor, die Geschichte des Mallißer Braunkohlenbergbaus in hervorragender Weise zu dokumentieren und an die Tradition des Bergbaus im Mineraldistrikt Südwest-Mecklenburg zu erinnern.

Glückauf !

Dipl.-Ing. Thomas Triller

Leiter des Bergamtes Stralsund

Inhaltsverzeichnis

Vorbemerkungen

1. Suche, Erkundung und Gewinnung von Braunkohle in Mecklenburg

1.1. Die Anfänge der Lagerstättensuche

1.2. Die geologischen und hydrogeologischen Lagerstättenverhältnisse Südwest-Mecklenburgs

Einleitung

Die Rohstoffe im sogenannten Mineraldistrikt

Die geologischen Verhältnisse der Braunkohlenlagerstätte Malliß

Die salztektonischen und glazigenen Einwirkungen auf die Lagerstätte

Die bohrtechnischen Untersuchungsarbeiten der Braunkohlenlagerstätte

Die hydrogeologische Situation

1.3. Erkundung und Aufschluss der Braunkohlenlagerstätte Malliß

1.4. Die Gewinnung der Mallißer Braunkohle

Erster Abbau-Zeitraum: 1820 bis 1835

Zweiter Abbau-Zeitraum: 1855 bis 1908

Dritter Abbau-Zeitraum: 1922 bis 1926

Vierter Abbau-Zeitraum: 1947 bis 1960

Die diesbezüglichen Befehle der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) betreffend den Mallißer Bergbau

Das gescheiterte Abteufen der beiden Seigerschächte

Die schweren Anfangsjahre; die Baufelder Conow I bis IV

Die Conow-Stollen V und VI

Das Mallißer Abbauschema

Statistik der geförderten Kohle-Mengen

1.5. Die Bemühungen zur Brikettierung und Verstromung Mallißer Kohle

1.6. Der Arbeitsbedingungen der Mallißer Bergleute

Entlohnung und Versorgung der Bergleute

Zum Unfallgeschehen Untertage

Die sozialen Arbeitsbedingungen nach 1945

1.7. Der Niedergang des Mallißer Braunkohlenbergbaus

1.8. Zur Wirtschaftlichkeit des Mallißer Braunkohlenbergbaus

1.9. Forstliche Betrachtungen zum Bergbau im Bereich des Wanzeberges

1.10. Die Maßnahmen nach Schließung des Bergwerkes (1960)

1.11. Bergschadenkundliche Untersuchungen und Sicherungsarbeiten

2. Anhang

Persönlichkeiten der Mallißer Bergbaugeschichte

Die Restauration zweier Stollen-Zugänge; letzter Betriebsplan vor der endgültigen Stilllegung

3. Glossar

4. Quellennachweis

Zitate aus Archiv- und Literaturquellen

Ausgewählte einschlägige Literatur

Abbildungsnachweise

5. Der Autor Dr. Günter Pinzke

Abb. 2: Aussehen der Mallißer Braunkohle

Vorbemerkungen

Wie auch die Geschichte des mecklenburgischen Kali- und Steinsalzbergbaus außer Landes meist unbekannt ist, so ist auch die Kenntnis der fast eineinhalb Jahrhunderte währenden Förderung von Braunkohle in Mecklenburg nicht allzu breit gestreut. Das jedenfalls hat der Autor in seinem Berufsleben erfahren müssen.

Dies liegt sicherlich auch daran, dass es bislang nur vereinzelte Zeitschriftenveröffentlichungen zu dieser speziellen Thematik gab. Nur Hans Joachim Bötefür hat in seinem 1996 erschienenen Büchlein „Ich fahr in tiefe Schächte ein - Geschichten aus dem Wanzeberg -“ recht eindrucksvoll den Braunkohlenbergbau in Malliß nach dem II. Weltkrieg bis zu seiner Stilllegung im Jahre 1960 beschrieben. „[…] Ich konnte seit 1954 diesen Bergbau verfolgen, ihn auch zum Teil mit der Kamera dokumentieren, ahnte aber damals und bei der Stillegung des Werkes 1960 nicht, welchen Platz die Bergbaugeschichte des Wanzebergs fast 40 Jahre später in meinen heimatkundlich-geologischen Nachforschungen einnehmen würde“.1

Nach meiner Veröffentlichung eines Sachbuches über den mecklenburgischen Salzbergbau soll im Folgenden die Suche, Erkundung und Förderung von Braunkohle in Südwest-Mecklenburg vorgestellt werden. Den ‚Richtlinien für Zitate und Literaturverzeichnisse in wissenschaftlichen Arbeiten‘ gerecht werdend sind Informationen aus Archiven und der einschlägigen Literatur als Zitate ausgewiesen. Diese Autoren haben es nicht verdient, dass ihre Veröffentlichungen hier einfach umgeschrieben und als das eigene Wissen ausgegeben werden. Auch kann so der näher interessierte Leser/-in jede Wissensquelle ohne Mühe finden und überprüfen.

In diesem Sachbuch wird nicht nur der über einen Zeitraum von 140 Jahren währende Bergbau auf diesen fossilen Brennstoff ausführlich geschildert, sondern auch der aktuelle Stand der notwendigen Sicherungs- und Verwahrungsarbeiten zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit in den bergbaulich genutzten Arealen - hier als ‚bergbauliche Nachsorge‘ definiert - dokumentiert.

Letzteres wäre ohne die Hilfe bzw. Zuarbeit des Bergamtes Stralsund nicht möglich gewesen. Dafür gilt mein ganz besonderer Dank dem Leiter dieser Behörde, Herrn Bergdirektor Dipl.-Ing. Thomas Triller.

In den wenigen bisherigen Veröffentlichungen zur Geschichte des Mallißer Bergbaus sind manche Angaben irreführend oder gar falsch. Das betrifft insbesondere die Daten der verschiedenen Gewinnungsperioden und die der geförderten Kohlemengen. Dies wird aufgrund umfangreicher Archivrecherchen neu geordnet bzw. präzisiert.

Auch sollen die Arbeits- und Lebensbedingungen der Mallißer Bergleute ausreichend Erwähnung finden, insbesondere jene im Nachkriegsdeutschland. Für den bergbauunkundigen Leser/-in werden einfache Fachbegriffe als Fußnoten im Text und kompliziertere umfassender in einem Glossar erläutert. Die relvan-ten Veröffentlichungen Dritter sowie die Archiv- Auszüge wurden mit Hochzahlen gekennzeichnet und deren Quellen sind im Anhang dieses Buches ausgewiesen.

Abschließend gilt mein Dank nachstehenden Institutionen und Personen:

- den Mitarbeitern/-innen des Landeshauptarchivs Schwerin,

- dem Kreisarchiv Ludwigslust, namentlich Frau

Möller,

- dem Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie Mecklenburg-Vorpommern, namentlich Frau

Petersen

und Herrn

Schütze,

- den Geologen

Benno Stannek

(Leipzig) und

Rolf Löser

(Neubrandenburg) für viele Hinweise und die Überlassung alter Fotoaufnahmen,

- der Heimatforscherin

Carola Borchers

und ihrem Gatten, Herrn Dipl. med. dent.

Bernd Borchers,

für die Bereitstellung historischer Fotos und solcher von echter Mallißer Braunkohle, welche sie aus alten Haldenbeständen im Bereich des Conow-Stollens I ausgruben. Fotos dieser Braunkohle dienten zur Gestaltung des Buch-Covers (siehe auch Abbildungen auf den Seiten

und

),

- sowie Herrn Forstamtsleiter Dipl.-Forstingenieur

Reginald Rink

für viele Anregungen und einen Beitrag zum Bergbaugeschehen in Malliß aus forstlicher Sicht.

Danken möchte ich auch der Leiterin des Regionalmuseums Kaliß (Amt Dömitz-Malliß), Frau Karin Koch, für die mir zuteil gewordene Unterstützung.

Erwähnenswert ist, dass in diesem Museum eine interessante heimatkundlichgeologische Sammlung von Hans Joachim Bötefür (u. a. zum Mallißer Bergbau) besichtigt werden kann.

Schwerin, im März 2015

Dr.-Ing. Günter Pinzke

1. Suche, Erkundung und Gewinnung von Braunkohle in Mecklenburg

1.1. Die Anfänge der Lagerstättensuche

Zu den Anfängen einer Industriepolitik im Mecklenburg des 16. Jahrhunderts ist bei Millies zu lesen:

„[…] Innerhalb der Wandlung, die sich in der wirtschaftlichen Struktur Mecklenburgs durch eine bewußte Wirtschaftspolitik der Herzöge im 16. Jahrhundert vollzog, nimmt der Beginn einer verzweigten Industrialisierung einen verhältnismäßig bedeutenden Raum ein. Diese Tatsache ist dadurch, daß Mecklenburg stets vorwiegend ein Agrarland war und heute noch ist, doppelt bemerkenswert. Das Bestreben der Herzöge, alle nur irgend möglichen wirtschaftlichen Kräfte aus dem Lande herauszuholen und es so nach außen hin unabhängig und sogar exportfähig zu machen, führte zur Entstehung mannigfacher industrieller Unternehmungen.

Abb. 3: Lageplan der Braunkohlenlagerstätte

Es entstanden eine Eisenindustrie, Salpetersiedereien, ein großes Alaunwerk, Kupfer- und Messingwerke, Pulver- und Papiermühlen und andere Rohstoffe verarbeitende Betriebe an verschiedenen Stellen des Landes.

Bemerkenswert ist, daß sogar die für die Herstellung notwendigen Rohprodukte, die im Lande nicht oder nicht genügend vorhanden waren, eingeführt wurden, um in Mecklenburg verarbeitet zu werden, wie es in der Eisen- und Kupferindustrie geschah.

Wenn auch der Erfolg der industriellen Betriebe in vielen Fällen sich als bedeutungslos erwies, so bleibt doch die Tatsache, daß auch auf diesem Gebiet ernste Bemühungen der Herzöge um die Verbesserung der mecklenburgischen Wirtschaft stattfanden“.2

Diese herzogliche Wirtschaftspolitik war jedoch seit dem Jahre 1734 in den an Preußen verpfändeten Domanialämtern Eldena, Plau, Wredenhagen und Marnitz ohne Einfluss. Die preußische Zwangsverwaltung im Amt Eldena führte z. B. auch anno 1746 zur Stilllegung der Saline Conow bei Malliß. Erst im Jahre 1787 kamen diese Amtsbereiche wieder unter die Hoheit des mecklenburgischen Herzogs.

Da in anderen deutschen Landen bereits rege bergbauliche Tätigkeit herrschte - nicht zuletzt zum finanziellen Nutzen der Landesfürsten - war Herzog Friedrich Franz I. (* 10. Dezember 1756; † 1. Februar 1837) daran interessiert zu erfahren, welche Bodenschätze sich in seinen Ländereien verbargen. Auf seinen Befehl hin ließ er im Jahre 1790 alle sich dieser Thematik widmenden Dokumente aus Ämtern und Archiven zusammengetragen:

„Unterthänigstes Pro Memoria*

Zur schuldigsten Befolgung Ihro Herzogl. Durchl. höchsten Cabinets Resolution de 23 April a. c. überreichen Unterschriebene alle im Cammer-Archiv nur aufzufinden gewesenen Acta von der ehemaligen Saline zu Conow auch von einem Allaun-Wercke und einer Kalck-Grube im Amte Eldena. Zur geschriebenen Übersicht fügen Subscripti die Extrakte aus den unerbaulichen Papieren einbei und empfehlen sich zu Gnaden.

Suarin den 8. May 1790 unterthänigsten gehorsamst“.

(sechs Unterschriften)“3

* ‚Pro memoria‘ bedeutet zum Gedächtnis, zur Erinnerung; Abkürzung: p.m.

Nach Sichtung dieser Unterlagen wurde der Geologe Carl Zintgraff mit geognostischen* Sucharbeiten im Raum Malliß beauftragt.

Er begann diese Arbeiten unweit des Südwesthanges des durch den Conower Salzstock emporgehobenen Wanzeberges bei Malliß; ganz in der Nähe der Stellen, wo bereits in den Jahren 1577 bis etwa 1709 Alaun gewonnen wurde.

Abb. 4: „Durchschnitt vom Alaunberg ohnweit Males“4

Es fand bereits im alten Ägypten breite Anwendung; so z.B. zum Färben und Beizen von Stoffen, zum Gerben von Leder; aber auch in der Medizin zum Blutstillen von Wunden.

„[…] Eine Alaun-Siederei, von der nur noch die Halde und Geländeformen erhalten sind, ist südlich von Malliß am Abhang des Wanzeberges für die Zeit von 1577 bis 1709 nachweisbar. Als Rohstoff dienten die untermiozänen Braunkohlentone von Malliß, - Zeitäquivalente des Hamburger Tones in Schleswig-Holstein –, und wahrscheinlich auch der mittelmiozäne Glimmerton südlich von Bockup.

* Als Geognosie wurde bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts die Lehre von der Struktur und dem Bau der Erdkruste bezeichnet.

Abb. 5: „Durchschnitt von Morgen in Abend des hügelichen Gebürges ohnweit Mallis“5

Es ist das Gebiet sichtbar, wo der pyrithaltige Ton mit Wasser und kaliumreicher Buchenasche noch zusammengebracht wurde. In einer Siederei wurde dann das Wasser mit dem gelösten Kalium-Aluminium-Sulfat zu ‚Alaun‘ eingedampft“.6

Die Alaunsiederei war während des Dreißigjährigen Krieges (1618 bis 1648) mehrfach stillgelegt und schließlich im Jahre 1709 endgültig eingestellt worden.

Am Fuße eines Berges in Nachbarschaft der alten Alaungruben begann Zintgraff seine Sucharbeiten. Die Ergebnisse seiner Untersuchungen teilte er seinem Landesfürsten in zwei Berichten mit. Im Bericht vom 13. August 1790 heißt es, dass er gegen Osten am Fuße des Berges einen alaunhaltigen Mergelton fand.

Seinen Hauptschürfschacht platzierte er an die mittlere Berghöhe in der Hoffnung, hier ein vermutetes Braunkohlenflöz zu erreichen. Doch er erschürfte zunächst „[…] Conklumerirten Thon mit nesterweiß bituminößen alaunhaltigen Mergelthon in einer Teufe von einem Lachter [= 1,938 m]…“.7 Danach fand er abwechselnd Sand und ‚eisenschüssigen Sandstein‘ bis in eine Teufe von zwei Lachter. Und nach einem weiteren halben Lachter stieß er auf wasserführenden Sand, der zum Aufgeben des Weiterteufens zwang.

Die Abbildungen 4 und 5 zeigen die bisher ältesten überlieferten geologischen Schnitte von Erkundungsarbeiten in Mecklenburg.

Im Bericht vom 28. Januar 17918, verfasst von Zintgraff und einem gewissen Brandt, wird u. a. ausgeführt, dass im Schürfstollen B (vergl. Abbildung 5) eine bituminöse Schicht angetroffen und auf einer Länge von 15 Lachtern verfolgt wurde, die sich aber letztlich „[…] ganz verdrückte“ und mit „[…] glimmeren Sand und Lettentrümmer“ durchsetzt war.

Das erste Schürfprofil beschrieb Zintgraff anno 1790 wie folgt (vgl. Abbildung 4):

„1.) Dammerde.

2.) weißer und grauer Sand.

3.) Conglumerirtes Gebürge von Thon und bituminößem weißem (Sand?).

4.) Blauer Thon.

5.) Eißenschüßiger fester Sandstein.

6.) weißer Sand mit Thon.

7.) Schwarzer bituminößer Letten.

8.) weißgrauer Sand.

9.) Sand mit Eißen ocker.

10.) weißer Waßersand“.10

Im Profil zu den Schürfstollen von 1791 treten dann schon erstmalig Braunkohlen auf (vgl. Abbildung 5):

„1.) aufgesetzter Sand.

2.) Eißenschüßiger Sand.

3.) das bituminöße Flöz.

4.) blauer Thon.

5.) grobkörniger Sand.

6.) Braunkohle.

7.) Ein Sandrücken welcher ohnweit Bocop durchsezt“.11

Zintgraff erbrachte aber immerhin den ersten Nachweis von Braunkohle, wenn auch nicht in bauwürdigen Dimensionen. Beim Aufschluss dieses Alaunvorkommens fand man auch ‚schwarze bituminöse Letten‘, was zu Vermutungen auf das Vorhandensein von Kohle im Untergrund führte.

Mit Kabinettreskript* beschloss die Großherzogliche Kammer im Jahre 1817, dieses Gebiet nebst der angrenzenden Bockuper und Conower Berge mittels Bohrungen weiter genauer untersuchen zu lassen.

„[…] Die Anregung zur Vornahme neuer bergmännischer Arbeiten ist wahrscheinlich von dem Bergrat Abich aus dem Braunschweigischen ausgegangen, dem der Grossherzog das in Frage kommende Aktenmaterial zugänglich gemacht hatte, als Abich sich 1816 zur Kur in Bad Doberan aufhielt. Er befürwortete die Vornahme von Untersuchungen warm und unterstützte sie dadurch, daß er von seinem Braunkohlenbergwerk Rudolfsgrube bei Helmstedt den Steiger Mengebier mit 2 Bergleuten und dem nötigen Bohrgerät nach Bockup sandte. Abich wurde die Oberleitung des Bergwerks, das den Namen „Friedrich-Franz-Zeche“ erhielt, übertragen“.12 (eine ausführliche Berichtigung bzw. Ergänzung dieser viel zitierten Passage aus der Veröffentlichung Bergrat Richter’s erfolgt an späterer Stelle).

Die beiden aus Helmstedt stammenden Bergleute hießen Andreas Goedecke und Wilhelm Müller.

Den im Archivgut enthaltenen Kostenübersichten nach begannen die Bohr- und Schürfarbeiten bereits im Herbst 1817.

* Kabinettreskript: Das sogenannte ‚rescripta‘ ist hier als eine dienstliche Weisung an die zuständigen Beamten zu verstehen.

Abb. 6: Geschichtliches zum Alaunberg

1.2. Die geologischen und hydrogeologischen Lagerstättenverhältnisse Südwest-Mecklenburgs

Einleitung

Bei der folgenden Betrachtung der Braunkohlenlagerstätte Malliß muss zumindest erwähnt werden, dass diese nicht das einzige Vorkommen in Mecklenburg ist. „[…] Zwar entsprechen seine Kohlenvorkommen dem geologischen Alter und auch der Beschaffenheit nach etwa denen der Mark Brandenburg, die im Jungtertiär*1, und zwar im Miozän*2 entstanden, und die im Süden der Mark bis 22 m mächtig werden. Aber diese mächtigen Flöze*3 spalten [sich] schon in der Mark Brandenburg nach Norden zu mehr und mehr in geringmächtige auf und sind in der an Mecklenburg angrenzenden Prignitz nur noch 1 – 2, gelegentlich 3 m mächtig, woran sich die bekannteren mecklenburgischen Vorkommen wie Malliss mit höchstens 3,6, im Durchschnitt 1,5 und 2 – 2,5 m, Malchow mit 1,2 und vielleicht 2,5 m, der Sonnenberg bei Parchim mit 0,6 – 2,7, Groß-Godems mit 1,0 – 2,5 m zwangslos anschließen. […] Das kohlenführende Miozän ist meist von mächtigen eiszeitlichen Ablagerungen (im Durchschnitt 60 – 70 m) bedeckt und kommt nur im äußersten Südwesten infolge von Gebirgsstörungen oder sonst gelegentlich vom Eis aufgepreßt in die Nähe der Oberfläche. Von diesen Vorkommen besitzt nur das von Malliß, das am Salzstock von Conow aufgeschleppt ist, größere Flächenausdehnung und Mächtigkeit.

Die Stauchmoräne*4 des Sonnenbergs bei Parchim erwies sich bei früherem Abbau als zu arm an Vorräten und zu geringmächtig für größere Tiefen.

Untersucht wird jetzt das Vorkommen von Groß-Godems, das mehrere verhältnismäßig mächtige Flöze enthielt, obgleich hier möglicherweise starke Störungen vorliegen können.

Das in Malchow nachgewiesene Flöz ist bei 1,2 m Mächtigkeit ebenfalls zu tief gelegen, während höhere Mächtigkeiten nicht sicher verbürgt sind, ein höheres Aufsteigen des Kohlengebirges aber weniger wahrscheinlich ist. Es wurde deshalb einer weiteren Untersuchung nicht zugeraten. Hier, ebenso in Oltschlott bei Woldegk und ganz allgemein in Mecklenburg sind mächtigere und höherliegende Vorkommen reinen Zufallsfunden überlassen und wenig wahrscheinlich“.13

Abb. 7: Die Geologie des Wanzeberges

Der Wanzeberg (in früherer Zeit auch ‚Wantzeberg‘ genannt) ist ein rund 40 Quadratkilometer großes Höhenplateau und liegt im Landkreis Ludwigslust-Parchim (im Südwesten Mecklenburgs). Er umschließt die Ortschaften Malk, Karenz, Conow, Malliß, Bockup, Niendorf und Schlesien. Entstanden ist diese Hochlage durch das Aufsteigen des Conower Salzstockes. Das führte dazu, dass die ursprünglich tiefer gelegenen, für eine bergbauliche Nutzung infrage kommenden Ablagerungen wie Sande, Ziegelei- und Alauntone, Kalkmergel, Braunkohle, Kali- und Steinsalze in oberflächennahe und damit bergmännisch erreichbare Teufen* angehoben wurden. So sprach man schon im vorigen Jahrhundert von einem, diesen Namen auch verdienenden ‚Mineraldistrikt‘.

Die Entwicklung und der Aufstieg des Conower Salzstockes begann im Keuper (ein Erdzeitalter) vor 235 bis 199,6 Millionen Jahren. Infolge des hohen Gewichtes der überlagernden Deckschichten gerieten die in circa 3000 m Tiefe liegenden mächtigen Salzablagerungen aufgrund ihrer plastischen Fließeigenschaften in Bewegung und durchbrachen die darüber befindlichen Schichten. Diese plastische Bewegung des Salzes im Untergrund - die sogenannte Halokinese - führte ab der Unterkreide (ein Erdzeitalter) zur Akkumulation von Salz und Ausbildung eines Salzstockes.

Anders als bei den meisten Salzstrukturen Mecklenburgs hielt der Salzaufstieg in Conow auch noch in geringem Umfang im Neogen (vor 13 bis 2,6 Millionen Jahren) und Quartär (Beginn vor 2,6 Millionen Jahren; währt bis heute) an.

Der Wanzeberg übersteigt mit etwa 30 bis 40 Meter die umgebende Landschaft und ist reich an biologischen wie an geologischen Besonderheiten. Seit Jahrhunderten wird er als Bergbaugebiet genutzt. Der höchste Punkt des Wanzeberges ist der Steinberg, auch als Steinborg (oder -burg) bezeichnet. Seine Höhe über dem Meeresspiegel beträgt 71,2 m.

Die Braunkohlenlagerstätte Malliß ist dem südwestlichen Ansteigen der tertiären Schichten nach (QUIRING/1945) so gestaltet, dass das Obere Flöz nicht tiefer als 100 m, das Untere Flöz nicht tiefer als 135 m unter Flur lagert. Diese Annahme wurde durch die späteren umfangreichen Bohrungen bestätigt.

Eine von F. Schulze aus dem Jahre 1855 stammende Analyse der reinen Kohle - wohl die älteste Mallißer Braunkohlen-Analyse überhaupt - dokumentiert Heinrich Ludwig Quiring zu nachstehenden Bestandteilen: Kohlenstoff 58,88 %; Wasserstoff 5,04 %; Stickstoff 0,66 %; Sauerstoff 34,15 %; der Aschegehalt betrug 1,30 %.

*Teufe ist die bergmännische Bezeichnung für die Tiefe eines Schachtes oder einer Sohle.

Abb. 8: Feldkarte des Geologen Dr. Geinitz mit Einzeichnung der Lage markanter Objekte

Die Rohstoffe im sogenannten Mineraldistrikt

Der im Mineraldistrikt vorkommende, aus dem Mittelmiozän stammende Glimmerton, soll bereits im späten Mittelalter in der Ziegelei von Hohen Woos gebrannt und u. a. für den Bau der Kirche in Jabel (urkundlich erstmals im Jahre 1256 erwähnt) verwendet worden sein. Denkbar ist, dass bereits zur Slawenzeit der Hohen Wooser Ton zur Herstellung von Gebrauchskeramik verwendet wurde. Im Randgebiet von Malliß befinden sich zwei Aufschlüsse unteroligozänen Rupel-(oder Septarien-) tons (siehe Abbildungen 9 und 10). Dieser Ton - reich an Fossilien, wie z. B. Mollusken*, Seeigeln, Haifischzähnen und anderen Resten einer Meeresfauna - wurde zunächst ab 1851 in der nach nur 22 Jahren stillgelegten sogenannten ‚Dorf-Ziegelei‘ (auch ‚Chaussee-Ziegelei‘ genannt) verarbeitet.