Die Schule muss weg - Frau Müller - E-Book

Die Schule muss weg E-Book

Frau Müller

0,0

Beschreibung

Dieses Buch zeichnet ein Bild unseres Schulsystems. Es spiegelt meine Erfahrungen als Lehrerin und Mutter wieder. Doch ich möchte nicht dabei stehen bleiben, den Ist- Zustand zu betrachten, sondern auch Alternativen anbieten. Meckern kann schließlich jeder.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 175

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



„Zu allem Großen ist der

erste Schritt Mut.“

(Johann Wolfgang von Goethe)

Danksagung

Ich danke meinem Deutschlehrer H.G., der leider viel zu früh verstarb.

Er lehrte mich die Liebe zur Sprache und zeigte mir, dass auch in unserem Schulsystem Wunder möglich sind, wenn wir an die Potenziale des einzelnen glauben.

Damit bestimmte er maßgeblich meinen Weg.

Ich wünsche mir, dass dieser Funke des Mutes noch viele weitere anstecken möge.

Viele kleine Lichter machen hell.

Widmung

Ich widme dieses Buch meinem Kind, das mir den Inhalt dafür schenkte.

Und damit allen Kindern.

© 2022 Frau Müller

Lektorat: Saskia Rahel Nüßle

Verlagslabel:

ISBN Softcover: 978-3-347-48968-4

ISBN Hardcover: 978-3-347-48969-1

ISBN E-Book: 978-3-347-48970-7

Druck und Distribution im Auftrag der Autorin:

tredition GmbH, An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Germany

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist die Autorin verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag der Autorin, zu erreichen unter: tredition GmbH, Abteilung "Impressumservice", An der Strusbek 10, 22926 Ahrensburg, Deutschland.

Haftungsansprüche gegen den Verlag und die Autorin für Schäden materieller oder ideeller Art, die durch die Nutzung oder Nichtnutzung der Informationen bzw. durch die Nutzung fehlerhafter und/oder unvollständiger Informationen verursacht wurden, sind grundsätzlich ausgeschlossen.

Makrokosmos und Mikrokosmos

Es waren einmal Erziehung und Bildung…

Vom Kollektiv: Gesellschaftlicher Ist-Stand

Zum Individuum: Persönlichkeitsentwicklung und Menschsein heute

Ist-Stand an deutschen Schulen - sind wir noch zu retten?

Wer, wie, wo? - Rahmenbedingungen an Schulen

Der Fächertanz – eifrig im Kreis herum

Auftakt zur Tanzstunde

Im Olymp wird entschieden

Schule macht krank – zum Glück nicht alle, aber viele

Potenzialentfaltung

Räume zum Fliegen lernen – oder dann doch lieber raus?

Wie war das mit dem Lernen nochmal?

Schmetterlingen Starthilfe geben

Was bleibt?

Zukunftswege

In anderen Ländern funktioniert es schließlich auch

Alternative Konzepte und Ideen für Wachstum

Anhang

Literaturverzeichnis

Über die Autorin

Bevor Sie beginnen zu lesen

Ein Theaterstück erwartet Sie hier nicht, auch wenn ich mich manchmal als Teil eines solchen fühle.

Dieses Buch ist nicht perfekt, genauso wenig wie ich es bin. Fühlen Sie sich also frei mit einem Rotstift durchzugehen und nach Herzenslust zu korrigieren.

Hier einige Korrekturhinweise, ganz prüfungskonform:

- ich habe die nachfolgenden Seiten bereits vor einem Jahr beendet, begonnen habe ich im Jahr 2018. Deshalb können einige Inhalte veraltet erscheinen.

- ich habe alle meine Quellen nach bestem Wissen und Gewissen angegeben, keineswegs möchte ich dadurch einen wissenschaftlichen Eindruck vermitteln, sondern lediglich die Urheberschaft von Gedanken darlegen. Den Standards werde ich nicht überall entsprechen. (Aber ich möchte auch gar kein Standard sein.)

- Den Großteil habe ich nachts geschrieben. Deshalb gibt es sicherlich auch einige Tippfehler und andere Mängel.

Vielleicht machen Sie es aber auch genau umgekehrt und markieren sich schöne Zitate und ziehen für sich persönlich den größten Nutzen aus diesem Buch, lassen sich davon inspirieren, damit es endlich losgehen kann. Ich glaube, Sie sind genau SO ein Leser+*.

Mir fehlte der Mut all das hier früher herauszubringen- aus Angst vor Ablehnung, nicht gut genug zu sein. Sicher kennen Sie das auch. Und vielleicht verwende ich auch deshalb ein Pseudonym. Die letzte Schutzmauer sozusagen. Ausgerechnet einige Schülerinnen haben mich ermutigt. Hier ist es nun, frei nach dem Motto:

„You can fail on what you don’t So you might well take a chance on doing what you love.“ (Jim Carrey)

(etwa: du kannst an dem Scheitern, was du nicht willst. Also könntest du genauso die Chance wahrnehmen, etwas zu tun, was du liebst)

Das Schreiben dieses Buches bedeutete mir genau das. Und was ist es bei Ihnen?

Vorwort

„Wir haben es ja auch überlebt“ und „Man hat ja keine andere Wahl“ sind nur zwei Beispiele für Aussagen meiner Freunde über den Schulbeginn ihrer Kinder. Schade, eigentlich - da verbringt man so viel Zeit in der Schule und hätte dermaßen viele Möglichkeiten. Ich selbst bin Lehrerin und auch einigermaßen frustriert über das, was an unseren Schulen abläuft und das liegt - ganz im Gegenteil - nicht an unseren Schülern+*. (Ich wähle diese ungewöhnliche Schreibweise, um den Lesefluss nicht zu stören. Ich weiß, dass ich damit gegen bestehende Regeln und Standards verstoße. Es ist mein Weg. Das + habe ich dem weiblichen Symbol entnommen. Es hat etwas Verbindendes zwischen den Geschlechtern. Der * steht für Divers. Ich möchte, dass sich jeder von meinem Buch angesprochen fühlt. Für mich ist dabei das Wort weniger wichtig als die Tat. Ich bin selbst eine Frau und finde das viele Gendern führt sich teilweise selbst ad absurdum. Über meine Stellung als Frau sagt es am wenigsten aus.)

Ich liebe meine Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Die Frage ist nur, was wir da Tag für Tag mit ihnen veranstalten. Leider hat man auch als Lehrer+* wenig Möglichkeiten und Spielraum Dinge zu verändern, da die Vorgaben über Bildungspläne und Prüfungen gegeben sind. Darüber hinaus scheint heute ein großes Interesse darin zu bestehen, Lehrer+* mit möglichst viel - meist sinnlosem - Papierkram zu beschäftigen, der uns auch noch davon abhält, unsere pädagogische Arbeit zu machen. In Zeiten, in denen mit einem Virus umgegangen wurde, ist dies noch mehr geworden. Verstehen Sie mich nicht falsch - ich bin eine absolute Befürworterin von Qualitätsmanagement und ähnlichen Konzepten, wenn sie tatsächlich zu etwas führen und nicht reine Worthülsen sind, die man sich dann aufs Briefpapier drucken oder auf die Homepage schreiben kann.

Vor vier Jahren wurde ich selbst Mutter und seitdem beschäftigt mich der Gedanke auf welche Schule ich mein Kind schicken würde. Und da muss ich ganz eindeutig sagenam liebsten auf gar keine und das sicher nicht, weil ich mich für die beste Lehrerin halte und mein Kind selbst unterrichten will. Nein, es soll mit anderen Kindern lernen. Nur eben was und wie, darauf kommt es mir an. Vor einiger Zeit wir gemeinsam irgendwie die Eingewöhnung in den Kindergarten überstanden. Hingehen wollte sie dann aber nicht mehr. Ob es an den ganzen Auflagen lag, weiß ich nicht. Mir wird immer bewusster in welchem linearen System wir uns befinden. Mit drei der Kindergarten, mit sechs die Schule, nach dem Abschluss das Studium, dann der Beruf, die Familie, das Haus, die Karriere und zwischendurch noch glücklich sein. Wir haben konkrete Vorstellungen darüber, was in welchem Alter zu laufen hat. Platz für Kinder, die sich nicht einordnen und unterordnen, haben wir keinen.

Dabei sollten wir doch selbst erkennen, dass genau dieses Leitersystem die wenigsten glücklich macht und darüber hinaus auch welche Interessen dahinterstecken. Trotzdem scheinen wir verkrampft daran festzuhalten.

Mein tiefer Wunsch ist es, dass sich nun etwas verändern darf. Vielleicht kann mein Buch etwas dazu beitragen. Das würde für mich Glück bedeuten.

Mikrokosmos und Makrokosmos

Es waren einmal Erziehung und Bildung…

„Die Aufgabe der Umgebung ist es night, das kind zu formen, sondern ihm zu

erlanuben, sich zu offenbaren.“ (Maria Montessori)

Ich versuche hier keinesfalls mich wissenschaftlich diesen Begriffen zu nähern. Darüber gibt es sicherlich ausreichend Literatur. Ich möchte lediglich beleuchten, was diese Begriffe, die unserem System vom Kindergarten an zu Grunde liegen, für die Arbeit in den unterschiedlichen Einrichtungen bedeuten.

Beginnen möchte ich mit Grundannahmen, die unseren Konzepten zugrunde liegen. Eine davon ist, dass genetische Programme uns steuern und wir auf eine gewisse Art festgelegt sind. Sicher kennen wir alle Sätze wie „so bin ich halt“, „das sind meine Gene“, „kein Wunder, sein Vater war ja auch schon so“ usw. Glücklicherweise wurde diese Annahme von der Forschung widerlegt. Wir wissen heute, dass genetische Programme Material in einer unendlichen Fülle bereitstellen. Unser Gehirn strukturiert sich aus all den Nervenzellen und Netzwerken individuell fürjedes Kind. Das bedeutet, dassjeder das Gehirn hat, das optimal zu ihr/ihm passt. Eine weitere Annahme ist, dass sich jeder für sich selbst anstrengen muss, ja alles ein Wettbewerb ist, gerne noch mit der falschverstandenen Darwin Theorie Survival of the fittest (etwa: das Überleben des Tüchtigsten) untermauert. Tatsächlich lernen wir alles in Gemeinschaft mit anderen, unser Bewusstsein entwickelt sich über die Begegnung mit anderen. Der Hirnforscher Gerald Hüther erklärt, dass beispielsweise Sprache eine gemeinsame Kulturleistung ist. Ein Sprachzentrum im Gehirn würde nicht ausreichen, wenn da niemand wäre mit dem ich mich verbunden fühlte und der mit mir spricht. Kinder lernen das Entscheidende in den ersten beiden Lebensjahren, und zwar über „Co Evolution und Co Kreativität“1 mit ihren Eltern in einer direkten Begegnung von Subjekt zu Subjekt. Wettbewerb sorgt nicht für Weiterentwicklung, sondern lediglich für Spezialisierung. Des Weiteren leben wir vielerorts immer noch in der Annahme, dass ein Arztsohn eben auch wieder Arzt wird und dass es jemand ohne Schulabschluss sowieso nicht weit bringen kann. Bildung ist in unseren Köpfen immer noch ungleich. Wir denken in Kategorien von wenigen Privilegierten und anderen, bildungsfernen Familien. Ja, letztere haben es wirklich schwerer und unser dreigliedriges Schulsystem baut auf eben diesem Prinzip auf. Doch sind es nicht die Grenzen selbst, die uns begrenzen? Mittlerweile gibt es auch genügend Beispiele dafür, wie weit man ohne Schulabschluss kommen kann. Mich begleitet in diesem Zusammenhang seit Jahren ein Zitat, das ich einst auf einer Postkarte las:

„AIle sagten das geht nicht. Dann kam einer, der wusste das nicht und hat’s gemacht.“

Mindset

Das Mindset beschreibt die Denkweisen und Überzeugungen eines Menschen. Drüber hinaus beinhaltet es Verhaltensmuster und die innere Haltung.

Oft halten uns unsere Überzeugungen davon ab, dass wir nicht über uns hinauswachsen können. Glaubenssätze, die schon früh in uns hineingelegt wurden oder Meinungen, die uns unsere Mitmenschen gerne regelmäßig und ungefragt kundtun. Ein gutes Beispiel dafür ist, dass zwischen 1850, als die ersten abgemessenen Laufbahnen entstanden, und 1954 der Weltrekord für eine Meile nicht gesteigert werden konnte. Er schien bei den 4 min festgemeißelt zu sein, bis schließlich der Brite Roger Bannister das erste Mal schneller lief. Und ab diesem Moment wurde er immer weiter gesteigert. Die Grenzen befinden sich in unseren Köpfen. Wir selbst sind unsere Grenzen.

Fixed Mindset

Dieses Mindset ist festgelegt, statisch. Menschen mit diesem Mindset glauben ihre Talente seien festgelegt und nicht veränderbar.

In diesem Zusammenhang möchte ich auf die Begriffe Fixed Mindset und Growth Mindset verweisen. Es ist unendlich bedeutsam, was wir über uns selbst denken und ob uns gesagt wird, „du bist so und so“ oder ob man uns beigebracht hat, dass wir in allen Bereichen wachsen dürfen, sofern nicht äußere Faktoren dies unmöglich machen. Ich denke an Michael Jordan, der zunächst für das High-School Team abgelehnt wurde und an Max Schwarzhuber, der sich nach Jahren voller Qualen im Alter von 24 beide Beine amputieren ließ, schon bald darauf den ersten Halbmarathon lief und heute ein begeisterter Sportler ist. Spannend finde ich in diesem Zusammenhang auch, was wir uns über unsere Vergangenheit erzählen. Unser Gedächtnis ist nämlich kreativ und arbeitet konstruktiv. Probleme beim Erinnern können sein: „Zerfall von Information über die Zeit, Fehlleistung, Blockade, Fehl Attribution, Suggestibilität und Verzerrung.“2 Was wir also für unsere Erinnerung an ein Erlebnis halten, kann durchaus falsch sein. Und doch berufen wir uns unser Leben lang eben auf diese Vergangenheit.

Growth Mindset

Dieses Mindset glaubt an Wachstum und Weiterentwicklung in allen Bereichen.

Wenn ich das Wort Erziehung höre, muss ich immer an ein Bild denken, das mir in meinem Pädagogik Studium begegnet ist. Da steht einer oben, der ist ganz erhaben und der zieht das Kind dann zu sich hoch. Ich denke viele Lehrer+* und auch Eltern sehen Erziehung als eine Arbeit, die diesem Bild ähnelt. Wir müssen die Kinder auf unsere Stufe heben, wir zeigen ihnen wie es läuft etc. In vielen Bereichen mag das stimmen. Sicher ist es wichtig, den Kindern Gefahren aufzuzeigen und sie zu schützen, nachvollziehbar auch, dass man seinen Kindern gewisse Manieren beibringt, damit sie in der Gesellschaft nicht anecken, in dem sie sich beispielsweise im Restaurant auf den Tisch setzen. Aber wer sagt, welche Manieren tatsächlich gut sind? Diese variieren sicherlich stark innerhalb der unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, auch sind sie altersabhängig und durch die Kulturen hindurch divers. Und auch das müssen wir berücksichtigen. Unser Land baut sich aus vielen Kulturen auf und Kinder lernen zuhause mitunter ganz unterschiedliche Dinge. So sind für die eine Familie Respekt und die Akzeptanz der Autorität von Erwachsenen bedeutsam. In anderen Familien wird viel Wert auf Höflichkeit oder oben genannte Tischmanieren gelegt.

Erziehung

Schlägt man im Duden den Begriff erziehen nach, so findet man „a) jemandes (besonders eines Kindes) Geist und Charakter bilden und seine Entwicklung fördern. B) zu einem bestimmten Verhalten anleiten.“ Erziehung beinhaltet „in der Kindheit anerzogenes Benehmen, anerzogene gute Manieren“

Normen und Werte - ebenfalls zwei Begriffe, über die es massig Literatur gibt, sind sicherlich wichtige Aspekte in der Weitervermittlung innerhalb einer Kultur. Gebote wie „du sollst nicht stehlen“ machen es erst möglich friedlich innerhalb einer Gesellschaft zu leben. Diese grundsätzlichen Wertvorstellungen stehen hier auch gar nicht zur Debatte. Doch die Frage, die sich mir stellt, ist, wer von uns weiß denn, wie das Leben in 50 Jahren aussieht? Worauf bereiten wir unsere Kinder denn vor? Schauen wir uns nur die Entwicklung des Telefons vom Fernsprechautomaten bis zum Smartphone heute an und wie das unsere Kommunikation verändert hat. Unser Bildungssystem bildet Menschen aus - aber wohin? Das Englische bietet hier einen weiteren Blick auf den Begriff der Bildung. Hier kann education für indoctrination oder enlightenment stehen. Im Moment befindet sich unser System wohl nahe der ersten Definition. Dabei geht es um eine von außen nach innen gewandte Bewegung. Es geht um alte Regeln und Strukturen. Der Fokus liegt auf der Gruppe. Die Erleuchtung oder Aufklärung hingegen sieht das Individuum. Es geht darum die Welt mit Staunen und Neugier zu betrachten. Hier darf Neues entstehen. Das Leben ist eine Lernreise. Insgesamt stelle ich mir diese Gruppe von Menschen wesentlich ausgeglichener und glücklicher vor.

Bildung

Der Begriff Bildung wird im Duden wie folgt definiert: „a) das Bilden; Erziehung b) das Gebildetsein; das Ausgebildet-sein; erworbenes Allgemeinwissen c) gutes Benehmen.“

Und wer ist nun aus unserer Sicht gebildet? Jemand, der möglichst viel Wissen hat oder wie oben beschrieben über Allgemeinwissen verfügt? Wobei Allgemeinwissen ebenfalls wieder ein relativer Begriff ist- jeder hat ein Gefühl dafür, was gemeint ist und viele haben in der Schule einmal gehört „das ist doch Allgemeinwissen“. Tatsächlich hat jeder ganz individuell seine Vorstellung darüber, was Allgemeinwissen beinhaltet und was nicht. In der Schule finden wir dieses Wissen in den einzelnen Fächern abgebildet, die irgendwann einmal festgelegt wurden. Tatsächlich verdeutlichen Studien, dass bereits zwei Jahre nach dem Abitur kaum noch was davon übrig ist. Die Frage ist auch, ob dieser Ansatz in einer Zeit, in der Wissen überall und jederzeit verfügbar ist, noch adäguat ist und welche Auswirkungen dieses Konzept auf unsere Schulen hat. Was wünschen wir uns für unsere Kinder und was ist wichtig, damit es ein Weiterleben auf diesem Planeten geben kann? Sicher wünschen wir uns Werte wie Verantwortungsbewusstsein und Toleranz. Doch woher sollen diese kommen?

Herzensbildung

Im Duden wird der Begriff wie folgt definiert: „durch Erziehung erworbener Besitz einer reichen und differenzierten Gefühls- und Empfindungsfähigkeit:“

Ich möchte hier einen Begriff nennen, der mich begleitet und der vielleicht auch ein Impuls für andere sein kann: Herzensbildung. Was ist darunter zu verstehen? Der Begriff stammt aus der deutschen Klassik und wurde oft von Friedrich Schiller verwendet. Er legt dar, dass zur Menschenbildung nicht nur Körper und Geist, sondern eben auch das Herz- die Gefühle gehören. Die Frage dabei ist, wie diese Gefühlsfähigkeit anerzogen werden kann. Sicher darf man den Begriff aber so verstehen, dass Herz und Verstand zusammengehören und auch zusammen ausgebildet werden sollten, wie es auch das Bildungsverständnis bis zum 20. Jahrhundert war.

„Dieses Jahrhundert war geprägt von dem Verständnis der kartesianischen Trennung von Körper und Geist: Die Bildung galt der Ausbildung des Verstandes. Emotionen in Form von Leidenschaften und Lüsten wurden für die Entwicklung als hinderlich angesehen. Man setzte Emotionalität mit Irrationalität gleich- Bildung, verstanden als intellektuelle Entwicklung, orientierte sich an Inhalten.“3

Tatsächlich gibt es einige Schulen, die mit Empathie-Training arbeiten und auch in der Literatur sind einige Beispiele zu finden. In der bayerischen Verfassung ist in diesem Zusammenhang Folgendes zu finden: „Die Schulen sollen nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden.“4

Amy Morin

ist Psychotherapeutin und Autorin. Sie schrieb unter anderem das Buch 13Things mentally strong parents don’t do (etwa: 13 Dinge, die mental starke Eltern nicht tun). Darin erklärt sie, welche Strategien es gibt, um den Kindern bei der Entwicklung von emotionaler Kompetenz zu helfen.

Wenn gleich sich im 21. Jahrhundert der sogenannte Emotional Turn (etwa: eine Hinwendung zu den Gefühlen) vollzog und Studien belegten, welche Bedeutung emotionale Fähigkeiten in Bezug auf die Entwicklung eines Menschen haben, so finden wir auch heute in der Schule weiterhin den Fokus auf der Ausbildung einer Persönlichkeit mit Verstand. Sicher ist mir bekannt, wie emotionale und soziale Kompetenzen trainiert werden sollen, doch weiß ich auch welch untergeordnete Rolle sie im Schulalltag spielen. Für Gefühle insgesamt hat es im Schulalltag wenig Zeit und Raum. Und das, obwohl Forscher der Penn State und Duke University bereits 2015 darlegten, dass Kinder mit den höchsten emotionalen und sozialen Kompetenzen in allen Bereichen am besten zurechtkamen und beispielsweise viel eher einen Collegeabschluss, einen Arbeitsplatz bekamen und weniger Probleme mit Kriminalität hatten.5

Ute Fevert

geschäftsführende Direktorin des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. Dort leitet sie den Forschungsbereich Geschichte der Gefühle.

Gerade beobachte ich meine Nachbarn und frage mich, ob diese herzensgebildeten Menschen es vielleicht schaffen könnten, sich gegenseitig die Gartengeräte auszuleihen, anstatt, dass jeder sich ein und dasselbe kaufen muss. Vielleicht gäbe es dadurch weniger Konsum und mehr Zeit. Durch verstärktes Car Sharing (die gemeinsame Nutzung eines Autos) wäre es möglich unsere Umwelt weniger zu belasten. Gäbe es vielleicht weniger Scheidungen, weil Menschen mehr bei ihren eigenen Gefühlen wären und darüber reden könnten?

Hoffnung macht mir in diesem Zusammenhang, die Verwendung des Begriffes Emotionale Intelligenz. Wenn gleich dieser weniger schön klingt, so ist er doch eines „managementtauglich“6. So postuliert es die Historikerin Ute Fevert.

Könnten diese herzensgebildeten Menschen vielleicht besser mit unserer Erde umgehen, wie all die Menschen, die viel Wissen vermittelt bekommen haben? Nun, um diese Frage zu erforschen, sehen wir uns einmal an, was mit diesem Wissen alles geschafft und erreicht wurde. Sicher gab es wichtige Erfindungen und Errungenschaften wie zum Beispiel Penicillin und Insulin auf der Seite der Medizin. In vielen anderen Bereichen stellen wir aber fest, dass bei Dingen, die auf den ersten Blick so toll wirken, im Laufe der Zeit die Fassade bröckelt. Nehmen wir als Beispiel das Auto- ein super Fortbewegungsmittel von jedermann genutzt. Wir erleben heute den Feinstaubalarm, Fahrverbote und trotz offensichtlicher Anzeichen des Klimawandels kann sich die Politik nicht dazu durchringen früher oder schneller zu handeln. Warum? Interessen der Industrie? Der Wirtschaft? Jetzt sollen alle Elektro fahren. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich bin bei weitem kein Experte, aber wollten wir nicht eigentlich nicht Energie sparen und vor allem auf regenerative Energie umstellen? Und sind nicht die Herstellung und die Entsorgung dieser Akkus wieder eine immense Belastung für unsere Umwelt? Und diese fahren dann ebenfalls mit Reifen, die wieder Feinstaub verursachen und deren Abrieb im Grundwasser landet. In diese Welt entlassen wir unsere Kinder. Drei Generationen haben geschafft, was andere in Jahrhunderten nicht geschafft haben. Die Zukunft birgt weniger Ressourcen, was auch auf die steigende Weltbevölkerung zurückzuführen ist und unsere Kinder müssen damit umgehen - so dass es für alle reicht. Genau das Problem, dass die jetzige Generation betrifft- der Umgang mit Überfluss- wird sich irgendwann wieder umkehren. In diesem Zusammenhang möchte ich auf den Film 100 Dinge aus dem Jahre 20187 verweisen, der auf unterhaltsame Art und Weise erzählt, wie unsere Gegenwart aussieht. Wir umgeben uns mit tausenden von Dingen und meinen immer noch mehr haben zu müssen, ob das nun die Turnschuhe - heute eher Sneakers, denn Englisch ist cool - oder andere Sachen sind. Über unsere Daten, die wir auf unseren Besuchen im World Wide Web hinterlassen, werden uns dann noch mehr Dinge, die passgenau für uns sind, angeboten, und manch einer meint, das alles haben zu müssen. Bei vielen endet das schon heute in der Kaufsucht. Auf perfide Art und Weise werden wir über unsere Smartphones, über die wir ja Tag und Nacht erreichbar sind, manipuliert. Wie sich das noch weiterentwickelt, mag man heute kaum erahnen. Wenn man bedenkt, welch bahnbrechende Erfindung das Telefon Ende des 19. Jahrhunderts war. Wie hat das die Gesellschaft und die Kommunikation verändert. Es folgte das erste serienmäßige Mobiltelefon im Jahr 1983. Nun war man jederzeit erreichbar und konnte es ganz praktisch unterwegs nutzen. Das Smartphone folgte 2013 und es wäre nicht mehr aus unserem Alltag wegzudenken. Egal wo wir unterwegs sind, überall Menschen, die auf ihr Smartphone schauen und damit Musik hören oder telefonieren (letzteres zumindest gefühlt am wenigsten). Hat es für

mehr oder bessere Kommunikation gesorgt? Zumindest schreiben die Menschen jetzt wieder mehr- man fühlt sich an Briefzeiten erinnert. Nur als Randnotiz: es gibt Menschen, die glauben, dass wir diese Geräte bald nicht mehr brauchen, weil die Kommunikation dann ohne ablaufen wird, in etwa so, wie wir heute die Stimme und das Bild eines Menschen hören und sehen, das mittels Funkenergie übertragen wird.