Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Die Bibel als Ferment zwischen Wahrheit und Toleranz "Das Buch der Mitte" war sagenhaft erfolgreich und ist zum theologischen Klassiker geworden. Sieben Auflagen in vier Jahren. Vishal Mangalwadi zeichnete uns die große Linie einer Kulturgeschichte der Bibel. Jetzt geht er einen Schritt weiter. "Die Seele des Westens" spannt den Bogen der Geschichte in die Zukunft. Das Verbindungsstück bildet die biblische Offenbarung. Mangalwadi nennt sie die "Pfahlwurzel des Westens". Er zeigt und belegt, dass die Verheißung Gottes die Kraftquelle war, die die Welt und Europa veränderte und die ethische Landkarte segensreich umgeschrieben hat. Bei allem Fortschritt und weiteren Errungenschaften der letzten 250 Jahre: Mit der Aufklärung, spätestens aber seit Sigmund Freud, hat sich der intellektuelle Westen vom Geheimnis der Offenbarung abgeschnitten. War es das mit dem Segen? Mangalwadi entfaltet kraftvoll, welche Dynamik mitten unter uns schlummert, wenn wir die Offenbarung wieder entdecken und wenn wir wieder mit einem Gott rechnen, der redet und der seine Menschen träumen lässt. Auch Paulus hat damals geträumt. Und er hat den Traum nicht einfach abgetan, sondern er hat ihn mit Gottes Hilfe zu einer Vision werden lassen, die Europa seine Seele gibt.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 523
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Vishal Mangalwadi Die Seele des Westens
Zu Ehren der Familie Green, Oklahoma, die sich im Post-Wahrheit-Amerika der Offenbarung nicht schämt,
und
der Gemeinschaft auf Schloss Reichenberg (OJC) in Reichelsheim, Deutschland, die das Wort sichtbar macht.
Die Geschichte ist der wahre Erweis der Religion.– Lord Acton
Gewalt ist nicht nötig, um eine Kultur zu zerstören. Jede Kultur stirbt an der Gleichgültigkeit gegenüber den einzigartigen Werten, die sie hervorgebracht haben. –
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
Die Bibelstellen wurden, soweit nicht anders angegeben, folgender Übersetzung entnommen:
Hoffnung für alle © 1983, 1996, 2002, 2015 Biblica, Inc.®; hrsg. von Fontis-Verlag, Basel Hervorhebungen in den Bibelzitaten stammen vom Autor.
© 2019 by Vishal Mangalwadi, Sanger (CA), USA. Translated and printed by permission. All rights reserved.
Erstveröffentlichung in den USA unter dem Titel «This book changed everything – The Bible’s amazing impact on our world», herausgegeben von Sought After Media, Pasadena, in Zusammenarbeit mit Nivedit Good Books Distributors Ltd., Mussoorie, Indien
Übersetzung: Christian Rendel, Witzenhausen Mitarbeit: Gabriele Pässler, Görwihl
© der deutschen Ausgabe: 2019 by Fontis-Verlag, Basel
Umschlag: Spoon Design, Olaf Johannson, Langgöns E-Book-Vorstufe: InnoSet AG, Justin Messmer, Basel E-Book-Herstellung: Textwerkstatt Jäger, Marburg
ISBN (EPUB) 978-3-03848-534-6
«Wenn ein brillanter Philosoph aus Indien seine Version der Geschichte des Westens darlegt, sollten wir zuhören.»
– Eric Metaxas Bestseller-Autor von «Bonhoeffer: Pastor, Agent, Märtyrer und Prophet»
«Ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass Vishal Mangalwadi vermutlich der fähigste globale Denker der Christenheit ist. Auch wenn er nicht so berühmt ist wie manch andere, dringt er doch tief sowohl in die Bibel als auch in das Zeugnis der Geschichte ein, um einen Schatz zu heben. … Er ist einer der Wegbereiter der nächsten großen, weltweiten Phase christlicher Zivilisation.»
– Jerry Bowyer Finanzökonom, Autor, Chefredakteur von TownhallFinance.com
«Die Seele des Westens? Das ist eine kühne Behauptung. Kann das überhaupt irgendein Buch leisten? Die meisten Leute haben keine Ahnung, wie stark die Bibel unsere Welt geprägt hat. Vishal Mangalwadi erkundet die Geschichte und liefert Belege und starke Argumente dafür, dass die moderne Welt ohne die Bibel nicht vorstellbar ist.»
– Steve Green Vorsitzender des Museum of the Bible, Washington D.C.
«Der Westen befindet sich in einer Krise. Woher kommt unsere Identität, was macht unsere Kultur aus? Die Lösung kann weder Rückkehr in Nationalismen sein noch der Ausverkauf der eigenen Werte. Dieses Buch eröffnet eine faszinierende Perspektive auf die Geschichte der westlichen Welt. Ein neuer Blick auf uralte Wurzeln: Freuen Sie sich auf unerwartete Einsichten.»
– Dr. Johannes Hartl Gründer und Leiter des Gebetshauses Augsburg
«Aus seiner orientalischen Perspektive hilft Vishal Mangalwadi uns Westlern, unser Gedächtnis und unsere wahre Identität wiederzufinden. Aufbauend auf seinem früheren Buch Das Buch der Mitte macht Mangalwadi uns hier erneut bekannt mit unserer eigenen Geschichte und öffnet uns die Augen für die wahren Quellen unserer Zivilisation. Ein kurzes Gedächtnis bewirkt Kurzsichtigkeit. Mangalwadi führt uns zurück zu unseren Wurzeln in der Vergangenheit, damit wir den Blick für die Zukunft wiedergewinnen, um uns in der Gegenwart wirksam zu engagieren.»
– Jeff Fountain Gründer des Schuman Centre for European Studies, Amsterdam
«Der ehemals christliche Westen hat die Grundwerte und Überzeugungen verloren, auf denen die Demokratie ruht; jene Ethik, die dem menschlichen Leben höchsten Wert zuschrieb und das Recht jedes Einzelnen auf Freiheit und Würde bekräftigte. Vishal Mangalwadi hat sowohl unter den Notleidenden Indiens gearbeitet als auch an Hochschulen gelehrt. Er hat vor Parlamentariern in Europa und anderen Erdteilen gesprochen, denn er spricht mit der klaren Perspektive eines Weltpilgers und mit einer Lebenserfahrung, die Osten und Westen umspannt.»
– Prof. Dr. Roland Werner Vorsitzender des Zinzendorf-Instituts, Marburg
«Das meistgelesene und einflussreichste Buch der Welt, die Bibel, ist heute das am wenigsten verstandene geworden. Mein Freund Vishal Mangalwadi geht mit konkreten Beispielen gegen die heutige Unwissenheit im Blick auf die Bibel an. Pädagogen sollten aufhorchen. Fakten zu übergehen ist einer gesunden Bildung und Erziehung der nächsten Generation abträglich. Ich weiß aus meiner Arbeit, dass Lehrerinnen und Lehrer auf den sechs Kontinenten nach zuverlässigem Unterrichtsmaterial zur Entstehung der modernen Welt hungern. Sie sind empört über die Schulbuchverlage, deren Geschichtsbücher ihrer Aufgabe so wenig gerecht werden.»
– Chuck Stetson CEO von Essentials in Education, New York
«Ich mache allen Mut, dieses Buch zu lesen, denn es ist ein Zeugnis des Lebenswerkes von Vishal Mangalwadi. Mangalwadi hat die Geistesgabe, Intellektuelle anzusprechen und ebenso das Evangelium denen näherzubringen, die gesellschaftlich unterdrückt sind. Er lebt nicht in einem Elfenbeinturm, sondern verbringt seine Zeit mit den Armen und Ausgegrenzten und hilft ihnen, durch den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus zu Jüngern Christi zu werden. Dieser Band ist ein Beleg seines Glaubens an den Gott jenes einen erstaunlichen Buches, der Bibel.»
– Prof. Dr. Rajendra B. Lal Gründungsbischof der Yeshu Darbar Church und ehemaliger Präsident der Association of Indian Universities (AIU)
«Ich habe einmal als Kind ein Schachbuch gelesen (und Schach wurde ja bekanntlich in Indien erfunden), das davon handelte, wie Partien durch völlig unerwartete Züge entschieden wurden. Ein solcher verblüffender Schachzug ist Vishal Mangalwadis Die Seele des Westens. Es ist ein Augenöffner für alle, die die Fundamente unserer Kultur suchen, erforschen und wertschätzen.»
– Dr. Gottfried Sommer Theologe, Trossingen
«Dieses bemerkenswerte Buch, ein Meisterstück des indischen Autors Vishal Mangalwadi, ist mit einer enormen Fülle an Recherche und außerordentlicher Inspiration geschrieben. Anhand von Fallstudien sowohl aus der westlichen Welt als auch aus Indien macht Mangalwadi deutlich, dass Nationen durch die biblischen Werte von Recht und Gerechtigkeit in große Nationen verwandelt werden können. Dieses Buch stellt den weitreichenden Einfluss der Bibel und des Christentums dar, der überall sichtbar ist, in der Sprache und in den Gesetzen ebenso wie in Bildung, Gesundheitswesen, Politik, Wirtschaft, Philosophie, Literatur und an vielen anderen Stellen.»
– John Samuel, ehemaliger Postminister, Mitglied des Postal Services Board, Indien
«Vishal Mangalwadi ist einzigartig qualifiziert, um den Einfluss der Bibel auf unsere Welt zu beleuchten. Dieses Buch ist umso wichtiger, als Geschichtsrevisionisten die Bibel gering schätzen und den Gott, der hinter ihr steht, missachten. Dieses Buch könnte Ihre Sicht der Welt verändern.»
– Dr. Mark Harris Wirtschaftsprüfer, Pasadena, Kalifornien
«Die Seele des Westens tritt an die Seite von Das Buch der Mitte als ein bahnbrechendes Werk, das an jeder Schule und in jeder Gemeinde in allen Ländern Unterrichtsstoff sein sollte. Die Tiefe und Breite dieser Werke wird Ihre Sicht der Welt in Einklang bringen mit der Wahrheit über den Einfluss der Bibel auf unsere Welt.»
– Karla Perry Autorin von «Back to the Future: Rebuilding America’s Stability»
«Ich habe mich als Korrekturleser für dieses Buch angeboten, weil Vishal Mangalwadi keiner ist, der nur an einem Baum schnuppert; er geht ein paar Schritte zurück und nimmt den ganzen Wald in den Blick. In diesem Buch umfasst sein Panorama Themen wie Philosophie, Rationalität, Politik, Recht, Toleranz, Wirtschaft, Literatur, Sprache, Arbeit, Ehe und vieles mehr. Nationen zahlen einen schmerzlichen Preis dafür, das Wahre, Edle, Gute und Weise zu ignorieren. Mangalwadi versteht es ungemein gut, seine Leser mit einem reichen Aufgebot an Beispielen für die wesentlichen Dinge zu packen.»
– David Linden Pastor i. R., New Mexico
«Mangalwadis neues Meisterwerk Die Seele des Westens deckt auf, wie unzulänglich die staatliche Bildung im Westen die Rolle der Bibel bei der Entstehung unserer Zivilisation würdigt. Damit hindert sie die nächste Generation von Studierenden daran, die Bedeutung der Bibel für Kultur und Bildung zu erkennen.
Durch die historischen Fakten, klaren Argumente und brillanten Schlussfolgerungen in diesem Buch fordert Mangalwadi die Bildungsakteure auf allen Ebenen dazu heraus, ihre Prämissen zu überprüfen und, wo nötig, zu korrigieren. Christliche Leiter und Pastoren ruft er dazu auf, wieder Verantwortung im Bereich der öffentlichen Bildung zu übernehmen und die nächste Generation mit biblischer Weltanschauung vertraut zu machen. Zeitgenössischen säkularen Intellektuellen legt er nahe, die Verlässlichkeit und die sozialen Konsequenzen ihrer Weltanschauung zu überprüfen – ein intellektueller Prophet, der die Konfrontation nicht scheut.
Die Begegnungen auf meinen Reisen mit dem Autor während der letzten vier Jahre als Dolmetscher im deutschsprachigen Raum haben in mir die Hoffnung geweckt, dass es in dem alten Kontinent Europa zu einer neuen Reformation kommen kann.»
– Hans-Joachim Hahn Vortragsredner, Experte für Wirtschaftsethik, Gründer des Professorenforums, Deutschland
«Vishal Mangalwadi hat ein einzigartiges Verständnis für Geschichte und Philosophie. Immer wieder durchschaut er aus seiner nichtwestlichen Perspektive unsere unbewussten Denkvoraussetzungen. Wenn er darüber spricht, wie wir dahin gekommen sind, wo wir stehen, dann sollten wir gut hinhören. Seine Einsichten sind voller Inspiration und können uns helfen, die vielen Stimmen zu gewichten, die unsere Zeit zu beschreiben und zu analysieren versuchen.»
– Dr. Bob Moffitt Präsident der Harvest Foundation
«Es gibt sehr gute Bücher; bisweilen sogar brillante. Vishal Mangalwadis neues Buch jedoch sprengt diese Kategorien. Seine Lektüre löste in meinem Gehirn ein Feuerwerk der Synapsen aus. Auf einmal wurden mir vorher unbekannte Zusammenhänge und Bedeutungen unserer chaotischen Geschichte klar. Mangalwadi setzt historische Fakten, weltanschauliche Perspektiven, theologische Einsichten und philosophische Entwicklungen auf verblüffende Weise in Beziehung zueinander. Seine tief greifenden Schlussfolgerungen verdienen bei Politikern, Kirchen und denkenden Zeitgenossen dringend Beachtung. Wenn Sie die Zukunft gestalten wollen, dann lesen Sie dieses Buch.»
– Andreas Wieland Theologe, Gemeindegründer Stuttgartprojekt, Arbeitspsychologe, Stuttgart
«Dieses Buch zur rechten Zeit verschafft uns einen neuen Blick auf den Westen und auf unsere Kultur. Mangalwadi wuchs auf orientalischem Boden auf. Aus seinem östlichen Blickwinkel können wir sehen, wie sehr wir der Bibel unsere Grundideen der Gewissensfreiheit, der Gleichheit der Menschen, des Rechtsstaates und der nationalen Souveränität verdanken. Die Seele des Westens wird sowohl die blinden Flecken von Akademikern ausleuchten als auch das Verständnis gewöhnlicher Leser weiten.»
– Rev. Dr. Dave Glesne Präsident von The Virtues Campus, Minneapolis, Minnesota
«Die Bibel hat die moderne Welt geformt, sowohl im Westen als auch im Osten. Diese historische Wahrheit wird von vielen Intellektuellen ignoriert, die doch ihre liebsten Denkvoraussetzungen aus der Bibel beziehen. Vishal Mangalwadi, ein brillanter Denker und ein Geschenk Gottes an die Völker, fordert die postmoderne Gesellschaft heraus, zu ihren intellektuellen Grundlagen zurückzukehren. Man kann die Wahrheit ans Kreuz nageln, man kann die Wahrheit zu Grabe legen, aber sie wird wieder auferstehen! Für diese kühne Entdeckung steht die Welt in Mangalwadis Schuld.»
– Dr. Babu K. Verghese Journalist, Historiker und Autor von Let There Be India! Impact of the Bible on Nation Building
«Wir leben in einer seltsamen geschichtlichen Epoche. Die führenden Köpfe moderner Nationen genießen die Segnungen, die aus der Bibel kamen, aber sie untergraben die Quelle der modernen Welt. Möge Gott Vishal Mangalwadis Buch gebrauchen, um uns aus unserem kulturellen Gedächtnisverlust zu wecken. Möge er uns eine neue Generation von Führungskräften schenken, die das Wissen und den Mut haben, für die Wahrheit einzustehen, die auch heute noch unsere kaputte Welt verändern kann!»
– Dr. Mark Bellies Präsident des Global Transformation Network
«Sie werden vielleicht nicht mit jeder Einzelheit oder Interpretation übereinstimmen, aber Die Seele des Westens ist ein faszinierendes Zeugnis der ganzheitlichen Veränderungskraft des Evangeliums. Vishal Mangalwadi nutzt seine umfangreichen Erfahrungen, seinen scharfen Verstand und Einsichten aus einer großen Bandbreite von Disziplinen, um Verbindungen herzustellen zwischen der Welt, in der wir leben, der Geschichte, der Wissenschaft und dem Sauerteig, der den ganzen Teig durchsäuert (Matthäus 13,33). Durch seine Biografie ist Mangalwadi in einer einzigartigen Position, uns zu helfen, die christlichen Wurzeln (wieder) zu entdecken, die wir so oft für selbstverständlich nehmen. Hier finden wir keine simplen Antworten, keine einseitigen Lösungen, sondern ein zum Nachdenken anregendes leidenschaftliches Plädoyer für ein liebevolles, opferbereites und wahrheitsliebendes Christentum.»
– Matthias Havemann Arzt, Marburg
«Der frühe amerikanische Präsident Andrew Jackson bezeichnete die Bibel als den ‹Felsen, auf dem unsere Republik ruht›. In seinem neuen Buch zeigt Vishal Mangalwadi auf brillante Weise, dass die Bibel nicht nur das Fundament des freien Amerika ist, sondern der Felsen, auf dem die ganze westliche Kultur ruht. Wo die Bibel und ihre Wahrheiten eingepflanzt wurden, ist Freiheit gediehen – und zwar alle Arten von Freiheit, die persönliche, die religiöse, die bürgerliche und die wirtschaftliche. Es ist unverzichtbar für Menschen wie für Nationen, die Gedanken dieses Buches zu kennen und zu beherzigen, wenn sie in Freiheit, Wohlstand und Glück leben wollen.»
– Stephen McDowell Präsident der Providence Foundation
«Vishal Mangalwadi versteht es hervorragend, Christen zu ermutigen, sich der Bibel nicht zu schämen. Sie ist der Eckstein, auf dem die westliche Welt erbaut wurde, und ohne sie hätten wir unsere Freiheiten nicht. Die Lektüre dieses Buches hat mir neu bestätigt, dass Gottes Wort Kraft hat. Ich sollte niemals darin nachlassen, den ganzen Ratschluss Gottes zu predigen und zu lehren.»
– Chuck Shillito Hauptpastor der Trinity Community Church, Clovis, Kalifornien
«Die Gelehrten reden vielleicht nicht darüber, aber sie wissen, dass die Bibel die Kraft war, die den Westen verändert hat. Vishal Mangalwadi hat nun sein zweites eindrückliches Buch zu dem Thema geschrieben, weil er mehr ist als ein Gelehrter. Er lässt sich vom Heiligen Geist die Wahrheiten zeigen, die Historiker nicht zu würdigen wissen. Er schreibt, um Nationen außerhalb des Westens vor Augen zu führen, wie sie zu großen Nationen werden können. Und tatsächlich hat es auch der Westen dringend nötig, ein Verständnis für unsere Erfolge und Misserfolge durch die Jahrhunderte zu gewinnen.»
– Landa Cope Gründerin des Template Institute, Kapstadt
«Ein bahnbrechendes Meisterstück! Ich vergleiche Vishal Mangalwadi mit einem geistlichen Augenoptiker. Jeder fällt sein Urteil über die Welt, die uns umgibt, aber nur selten bewerten wir auch die Brille, durch die wir die Welt betrachten. Eine Brille kann unsere Sicht verfärben und verzerren. Mit einer klaren biblischen Weltsicht interpretiert Mangalwadi die Geschichte einleuchtend und umfassend. Die Seele des Westens wird Menschen die Vision, das Rüstzeug und die Kraft geben, ihre Welt zu verändern.»
– Bruce Friesen Gründer von Lifetree Ministry, Children Arise und Transform Your World
«Die Seele des Westens ist ein Meisterstück. Das Buch weckt Neugier und liefert Perlen der Weisheit und ein Füllhorn an Informationen, wenn es den erstaunlichen verändernden Einfluss der Bibel auf unser persönliches wie auch nationales Leben durchleuchtet. Als großer Philosoph, Pädagoge und Denker hat sich Vishal Mangalwadi auseinandergesetzt mit den ethischen Aspekten und der Kraft der Bibel, in der Geschichte der Nationen Veränderungen zu bewirken. In einer Zeit, in der die Werte des gesellschaftlichen Lebens in Gefahr sind, ist dieses Buch eine Quelle der Inspiration und Information. Ich bin gewiss, dass es im Leben aller seiner Leserinnen und Leser Spuren hinterlassen wird.»
– Prof. Dr. Schwester Marion Mathew CJ Leiterin und Dekanin der Allahabad School of Education, Indien
Stimmen zum Buch
Vorwort
Vorwort zur deutschen Ausgabe
Teil 1Offenbarung: Die Pfahlwurzel des Westens
1. Ein Heiliger, ein Bär und ein Buch
2. Ein Traum, der den Westen veränderte
3. Kann Freuds Schöpfer kommunizieren?
Teil 2Der Westen verliert seine Seele
4. Der Verlust der Seele, der Logik und der Sprache
5. Die marginalisierte Mitte: Die Kirche
6. Recht und Freiheit: Stellte Rom das Recht über die Cäsaren?
7. Blutvergießen für die Toleranz
Teil 3Neues Reich – neue Herrscher
8. Warum sind die USA kein Imperium geworden?
9. Wie wurden «Wir, das Volk» zum Souverän?
10. Kanzler, Präsidenten und Premierminister: Wer hat Führung neu definiert?
Teil 4Worte, die Nationen gründeten
11. Ökonomie: Vom Volk, durch das Volk, für das Volk
12. Das Reden Gottes und die Literatur der Menschen
13. Von der prophetischen Presse zu den Fake News
14. Das Geheimnis der Industrialisierung der Schweiz
Schlussgedanken
15. Kann der Westen erneuert werden?
Mit Dankbarkeit
Dies ist ein Buch über Europa, geschrieben aus außereuropäischer Sicht. Es behandelt die gesamte Zeitspanne, in deren Verlauf sich Europa als kulturelles Gebilde entwickelt hat von den hellenischen und hellenistischen und römischen imperialen Einflüssen, die einst seine südlichen und südöstlichen Randgebiete prägten, zu der durchmischten Masse von Völkern (einschließlich meiner eigenen Vorfahren), die die Römer als «Barbaren» bezeichneten. Vishal Mangalwadi zeigt, wie sie alle in Berührung kamen mit den alten Schriften Israels und mit der Schriftensammlung, die Christen «Das Neue Testament» nennen – manchmal in den Originalsprachen, manchmal durch eine Vermittlungssprache, manchmal in lokalen Umgangssprachen –, welche verändernde Wirkung dies auf ihre Denk- und Handlungsweisen hatte, und wie sich in der Folge eine neue Tradition formierte. Diese Darstellung wird umso wertvoller durch die Querverweise auf die alten philosophischen und religiösen Traditionen Indiens und auf gegenläufige intellektuelle Einflüsse – teils von verheerender Wirkung –, erdacht von Europäern oder von ihren Nachfahren, die nun außerhalb Europas siedeln.
In einer Zeit, in der viele Europäer das Buch, das alles verändert hat, nicht mehr im Blick haben, während ebendieses Buch mit enormer Wirkung auf den Straßen Afrikas, Asiens, des Pazifikraums und Lateinamerikas unterwegs ist, legt Mangalwadi nicht nur eine packende Lektüre vor, sondern liefert auch Stoff, über den wir im Westen dringend nachdenken müssen.
Prof. Andrew F. Walls, OBE, DD, Universitäten Edinburgh, Liverpool Hope University sowie Akrofi-Christaller Institute, Ghana
Ein Buch von Glaube, Hoffnung und Liebe
Vishal Mangalwadi zuzuhören ist wirklich eine ganz besondere Erfahrung. Der bekannte indische Philosoph und Gesellschaftsaktivist spricht in diesem Buch über die geistlichen Wurzeln Europas. Er erinnert an den historischen Einfluss der Bibel auf die westliche Zivilisation. Er beschreibt die weitreichenden Auswirkungen, die dieses Buch auf Wissenschaft und Bildung gehabt hat. Er zeigt, wie die Bibel die Entwicklung von Technologie und Philosophie gleicherweise geprägt hat, und genauso das politische und gesellschaftliche Leben auf unserem Kontinent und dadurch letztlich in der ganzen Welt. Und in all dem zeigt er uns auf, wie die Bibel die «Seele des Westens» geformt hat.
Hier liegt das Kernanliegen von Vishal Mangalwadi. Er will zeigen, wie der Westen zu dem geworden ist, was er einmal war, und warum er gegenwärtig in Gefahr ist, genau diese seine Seele zu verlieren. Denn das ist für ihn eindeutig und klar: Die Seele des Westens ist aufs Engste mit der Botschaft der Bibel verknüpft.
So will er die Botschaft der Bibel wieder zu Gehör bringen in einem Europa, dessen Zivilisation zunehmend geschwächt wird durch den Ansturm eines aggressiven Säkularismus und, damit verbunden, der verbreiteten Vernachlässigung genau der Werte und Überzeugungen, auf der überhaupt erst die Demokratie und die Ethik aufgebaut sind. Eine Ethik, die das menschliche Leben wertschätzt – und die das Recht jedes Einzelnen auf Freiheit und Würde hochhält.
Vishal Mangalwadi hat unter den Ärmsten in Indien gearbeitet und sich für ihre Rechte eingesetzt. Genauso hat er in vielen Universitäten und Hochschulen unterrichtet und selbst vor europäischen Parlamenten gesprochen. So spricht er zu uns mit der weitsichtigen Perspektive eines Weltpilgers und einer Lebenserfahrung, die den Osten und Westen gleicherweise umspannt.
Dabei will er uns in diesem Buch wie auch in seinen anderen Büchern neu an den großen Schatz erinnern, den unsere Vorfahren für uns durch ihre Hingabe, ihren unablässigen Einsatz und ihr unerschütterliches Vertrauen auf die Wahrheit und Relevanz der Bibel aufgebaut haben.
So ist die «Seele des Westens» eine Pflichtlektüre für Leitungsverantwortliche und Lehrende, egal, ob sie sich als Christen verstehen oder nicht, da es 2.000 Jahre Weltgeschichte in einem Band zusammenfasst und den einzigartigen Einfluss aufzeigt, den die Bibel in der Veränderung der Welt gehabt hat. Zugleich ist das Buch gut zu lesen, da es flüssig geschrieben ist und das Herz und den Verstand des Lesers erfasst.
Vishal Mangalwadi konfrontiert uns mit einer herausfordernden und ernüchternden Botschaft:
Wenn eine Gesellschaft die Botschaft der Bibel wertschätzt, liest und anwendet, dann entsteht gute Frucht in der Gesellschaft und im Leben des Einzelnen. Doch wenn wir die Bibel verachten, vernachlässigen oder vergessen, gerät unsere Zivilisation auf einen abschüssigen Weg, an dessen Ende der Verlust persönlicher Freiheit und des Gefühls für die Würde des menschlichen Lebens steht, genauso wie der Verlust der Rationalität und eines guten und fairen Urteils.
Vishal Mangalwadi zeigt hier, dass die Bibel nicht nur die Quelle der so genannten «theologischen Tugenden» ist, nämlich von Glaube, Hoffnung und Liebe, sondern – darauf aufbauend – auch viele weitere Tugenden wie Gerechtigkeit, Mäßigung, Tapferkeit, Weisheit, Klugheit, Selbstbeherrschung, Fairness und Gerechtigkeit ihre Quelle in der Bibel finden. Diese und viele davon abgeleitete Tugenden sind grundlegend für unser Wachstum und unser Wohl als Einzelne und Gemeinschaften.
Ich bin dankbar, dass Vishal Mangalwadi uns hilft, eine biblische Perspektive für das Leben und die Wissenschaft wiederzugewinnen, für die Gesellschaft und die Politik, die Kirche und den Staat. Ich bin dankbar, dass er uns wieder eine Hochachtung für die Bibel als Quelle von Glaube, Hoffnung und Liebe vor Augen stellt. Das brauchen wir alle so sehr.
Die Bibel ist nichts weniger als die «Seele des Westens». Das stimmt. Doch sie ist noch mehr als das: Sie ist die Botschaft, die die ganze Welt umgreift. In ihr vernehmen wir die Stimme Gottes. Er ist es, der alles verändern kann und der uns den Weg von Glaube, Hoffnung und Liebe zeigen kann – und damit letztlich den Weg zu uns selbst.
Prof. Dr. Roland Werner Zinzendorf-Institut, Marburg
Im Januar 2018 kam ich während einer Buchvorstellungsreise ins schweizerische St. Gallen. Es war ein sonniger Nachmittag. Nach mehreren regnerischen Tagen drängten die Leute ins Freie. Als ich über den makellos sauberen Marktplatz schlenderte, fiel mein Blick auf ein Denkmal. Es zeigte den Stadtvater Joachim von Watt (1484–1551), bekannt als «Vadian». Es war ein imposantes Standbild, wenn auch Vadian eher unscheinbar wirkte. Er saß nicht auf einem Thron oder auf einem Pferd. Er trug weder Krone noch Schwert.
Ich erkundigte mich bei den Umstehenden: «Entschuldigen Sie! Was für ein Buch hat er da in seiner linken Hand?»
«Keine Ahnung», lautete meist die Antwort.
Zwei Männern von Anfang dreißig war das richtig peinlich. «Wir sind hier aufgewachsen, aber das hat uns noch nie jemand gesagt.»
Ein älterer Herr mutmaßte: «Höchstwahrscheinlich die Bibel.»
«Wieso? War er denn ein Prediger?»
«Das weiß ich nicht.»
Er wandte sich an seine Begleiterin:
«War Vadian ein Prediger?»
Sie betrachtete das Standbild und antwortete:
«Keine Ahnung.»
Daraufhin machte ich mich zwischen meinen Vortragsterminen ein wenig schlau und staunte über das, was ich herausfand. Vadian ist die einzige Persönlichkeit, die von der illustren Stadt je mit einer überlebensgroßen Statue geehrt wurde. Ja, das Buch in seiner Hand war die Bibel. Aber nein, ein Prediger war er nicht. Vadian war ein Humanist der Renaissance. Er diente der Stadt als Arzt und wurde darüber hinaus zu ihrem Geschichtsschreiber und Bürgermeister. Warum also hält er eine Bibel in der Hand?
Die Geschichte St. Gallens und Vadians Reformen verschaffen uns einen Einblick in die europäische Identität. In ihnen stoßen wir auf die Ideen und Tugenden, die es ermöglicht haben, dass der Westen zu einem Ort der Freiheit und des Wohlstandes wurde, und zwar nicht nur für einige wenige, sondern für einen Großteil der Menschen. Diese Ideen haben ihren Ursprung nicht in Europa, aber sie haben die moderne Welt hervorgebracht.
Im 15. Jahrhundert, bevor Vadian geboren wurde, war St. Gallen zu einem Zentrum der Produktion und Vermarktung von Textilien geworden. Nach seinem Tod entwickelte es sich weiter zum weltweit größten Produzenten von Stickereien. Die technischen Neuentwicklungen von St. Gallen machten es schließlich möglich, Stickereien im industriellen Maßstab zu fertigen.1 Vadians Vater war selbst ein Tuchhändler.
Als Spross einer wohlhabenden Familie beendete Vadian 1501 seine Schulausbildung und ging zum Studium nach Wien. Dort erlangte er 1509 den Grad eines Magister Artium und kehrte nach St. Gallen zurück, um in der um das Jahr 750 gegründeten Stiftsbibliothek die Bibel zu studieren.
Offensichtlich war Vadian ein vielseitig begabter Mann. Nachdem er nach Wien zurückgekehrt war, offerierte ihm 1512 die Universität den Lehrstuhl für Poetik, und Vadian nutzte die Gelegenheit, um Medizin zu studieren. Kaiser Maximilian I. verlieh ihm bald darauf die Ehre des poeta laureatus.
1516 wurde Vadian Dekan der Universität, bevor er im folgenden Jahr den Doktortitel in Medizin erlangte. Später kehrte er als Stadtarzt nach St. Gallen zurück und wurde schließlich Bürgermeister der Stadt. Aber das ist nicht der Grund, warum die Stadt ihn ehrte.
Es war 1519, als Vadian sich als Arzt wieder in St. Gallen niederließ. Dies war in mehr als einer Hinsicht ein wichtiges Jahr. In Zürich lösten die Bibelauslegungen Huldrych Zwinglis die ersten Kontroversen aus, mit denen die schweizerische Reformation begann. Im ganzen Land stritten Theologen und Politiker darüber, ob man beim Status quo bleiben oder sich «reformieren» sollte. Die Stimmung war angespannt.
Wie es sich traf, hatte Zwingli zusammen mit Vadian studiert. Die Debatten, die der Zürcher Reformator entfesselte, verstärkten Vadians Interesse an der Bibel. Zwei der siebenundzwanzig Bücher des Neuen Testaments stammten aus der Feder eines Arztes, Lukas. Er wurde zu einer Inspiration für Vadian, zumal auch er sich neben seiner ärztlichen Tätigkeit als Biograf und Historiker betätigte.
Als Vadian Martha Grebel heiratete, ahnte er nicht, dass der Bruder seiner Frau, Conrad Grebel, zu einer führenden Gestalt in der «radikalen Reformation» der Wiedertäufer werden würde. Während manche der radikalen Reformatoren eingeschworene Pazifisten waren, riefen andere wie Thomas Müntzer das Landvolk und die Bauern dazu auf, sich für Veränderung zu erheben – nötigenfalls mit Waffen. Am Horizont drohte ein Bürgerkrieg.
Die Bauern zogen in den Krieg, weil Europas tyrannische Gesellschaft dringend der Reform bedurfte. 1520 hatte ein katholischer Augustinermönch namens Martin Luther in drei Büchern die biblische Forderung nach Gerechtigkeit, Gleichheit und Freiheit entfaltet. Die aufständischen Bauern bezogen diese Prinzipien auf ihre tägliche Erfahrung der Demütigung, Unterdrückung und Ausbeutung. Luther und Zwingli hatten sie wachgerüttelt.
Die Reformatoren glaubten, Europas ausbeuterische und versklavende Kultur müsse sich verändern. Doch der plötzliche, gewaltsame, radikale Umsturz des Status quo erwies sich als größeres Problem. Der römisch-katholische und lutherische Adel zerschlug die Revolte mit seiner militärischen Überlegenheit. Luther unterstützte die Niederschlagung der Bauern. Rund siebzigtausend von ihnen kamen ums Leben, und in den meisten Fällen waren ihre Lebensverhältnisse nach dem Krieg schlimmer als zuvor. Dennoch machte die Revolte deutlich, dass es nicht so weitergehen konnte wie bisher. Es war höchste Zeit, dass ein neuer Tag heraufzog.
Im Jahr 1524 war es an St. Gallen, sich zu entscheiden. Während sich in den deutschsprachigen Ländern der große Bauernkrieg zusammenbraute, bereitete sich die Stadt auf eine Abstimmung vor. Würde die Stadt die Bibel zu ihrer höchsten Autorität machen – zu ihrem Licht und ihrem Weisheitsschatz für das private und öffentliche Leben?
Die Entscheidung, Gottes Wort über die Religion zu stellen, würde einen hohen Preis verlangen. Sie erforderte allgemeine Bildung: Jeder Bürger musste in die Lage versetzt werden, Gottes Wort zu studieren und in seinem Licht zu leben. Indem sich die Männer gegen das Gewicht des Mittelalters auflehnten, riskierten sie das Leben ihrer Frauen und Kinder. So eine Entscheidung durfte man nicht leichtsinnig treffen. Vadian, der die Debatte an vorderster Front führte, wollte die Reform. Aber zu welchem Preis?
Für heutige Leser ist es unter Umständen nicht einfach, sich bewusst zu machen, was für eine enorme Entscheidung das war. Während der gesamten Geschichte haben sich die meisten Eliten in den meisten Ländern auf die Unterjochung der Massen gestützt, um sich die Taschen zu füllen. Die Theologen, Politiker und Bauern stritten sich nicht darüber, ein religiöses System durch ein anderes zu ersetzen. Sie kämpften darum, «Gottes Wort» zu verstehen und ihm zu gehorchen.
Wenn die Bibel Gottes Wort war, musste sie höher stehen als alle menschliche Autorität. Die Macht stand auf dem Spiel … aber es ging um noch mehr als das. Die Menschen kämpften um die Identität Europas: darum, wer sie waren und wer sie sein wollten. Sie kämpften um das richtige Verständnis der Welt, der Wirklichkeit und ihres Platzes darin.
Um uns bewusst zu machen, was da auf dem Spiel stand, lassen Sie uns betrachten, was die Bibel in Europa bereits bewerkstelligt hatte. Wir beginnen unsere Spurensuche mit dem Mann, dem St. Gallen seinen Namen verdankt.
Auf der Universität habe ich gelernt, die antike griechisch-römische Gelehrsamkeit hoch zu schätzen. Europas «Barbaren» dagegen konnten mit den Spekulationen der Philosophen nicht viel anfangen. In den Jahren von 410 bis 476 n. Chr. begannen sie, ebenso wie die westliche Hälfte des Römischen Reiches, sich der antiken Gelehrsamkeit zu entledigen. Kurz vor der Plünderung Roms am 24. August 410 hatte ein Mönch den Vorschlag gemacht, dort eine Hochschule zu erbauen. Als er dreißig Jahre später zurückkehrte, traf er kaum noch jemanden an, der lesen und schreiben konnte.
Meine gelehrten Professoren ignorierten einfach die Wirklichkeit, dass selbst die Griechen und Römer ihren antiken Philosophen und Dichtern keinen Glauben schenkten. Nicht die Logik des Aristoteles, sondern das Schwert Alexanders eroberte die Welt. Die Epen, die Philosophien und die Kunst der Griechen folgten dem Schwert, aber kaum jemand widmete sein Leben der Aufgabe, der Welt die griechische «Demokratie» beizubringen. Als das Schwert unterlag, verschwand die Gelehrsamkeit.
Die Griechen bewahrten ihre intellektuellen Schätze nicht oder konnten sie nicht bewahren. Einen Großteil ihres Wissens über die Weisheit der Griechen verdankt die Welt den griechisch- und syrisch-orthodoxen Mönchen, die griechische Manuskripte aus der vorchristlichen Zeit abschrieben, bis diese in die Hände der Muslime fielen. Dann begann man, sie ins Arabische und Lateinische zu übersetzen.
Nach dem Zusammenbruch des Römischen Reiches musste Westeuropa wieder zurück zur Bildung geführt werden. Dies begann mit einer Reihe von wagemutigen Missionsreisen irischer Mönche. Manche verloren ihr Leben als Märtyrer durch die Hand der ungebildeten Heiden, denen zu dienen sie gekommen waren.
Irische Mönche gründeten über hundert Klöster, um ihre Spiritualität zu praktizieren und den Nationen, die wir heute als Frankreich, Schweiz, Deutschland, Österreich und Italien kennen, zur Bildung zu verhelfen.2 Es hat seinen Grund, dass in diesen Nationen keine griechischen und römischen Götter mehr verehrt werden. Das Pantheon hatte seine Anhänger in Unwissenheit und Furcht gehalten. Die Mönche machten sie mit einer völlig anderen Gottheit bekannt: dem Messias, Jesus, der gekommen war, nicht um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen.
Die Stadt St. Gallen ist benannt nach einem Mönch namens Gallus (um 550–um 646). Gemeinsam mit elf anderen begleitete Gallus den hl. Columban von Luxeuil (543–615) auf der legendären irischen Mission, die den europäischen Kontinent zivilisierte.
In seinem Buch The Story of the Irish Race3 berichtet der Historiker Seumas MacManus, wie im 5. Jahrhundert St. Patrick Irland veränderte. Als junger Mann wurde Patrick von irischen Piraten gefangen genommen und musste als Sklave Götzendienern zu Willen sein, die nach dem «unerbittlichen Gesetz des Schwertes» lebten. Ein Traum wies ihm eine Möglichkeit zur Flucht.
Jahrzehnte später inspirierte ein anderer Traum Patrick dazu, zurückzukehren und den Iren das Evangelium zu verkündigen. Dank seiner umwälzenden Mission ließen die Iren «das Schwert der Eroberung dem Rost anheimfallen, während sie wiederum weit und breit über Meer und Land zogen, um nun den Nationen – in der Nachbarschaft ebenso wie in weiter Ferne – die heilende Salbe der freundlichen Worte Christi zu bringen».
Irische Mönche halfen mit, Europa zu zivilisieren. Der hl. Columban von Iona (um 521–597) gründete zunächst Klöster in seiner irischen Heimat. Um 563 dann begann er, Schottland zu evangelisieren. Einer seiner Schüler, Aidan (gest. 651), gründete das Kloster Lindisfarne in England.
Ein anderer Schüler, Columban von Luxeuil (543–615), ging nach Frankreich. Er gründete Klöster in Annegray, Luxeuil und im norditalienischen Bobbio.
Amandus (gest. 675) evangelisierte in Flandern und gründete dort eine Reihe von Klöstern.
Willibrord (658–739) gründete das Kloster Echternach im heutigen Luxemburg. Es entwickelte sich zu einem wichtigen Missionszentrum.
Bonifatius (um 675–754), der «Apostel der Deutschen», wurde dadurch berühmt, dass er bei Geismar eine dem Gott Thor geweihte Eiche fällte. Er gründete mehrere Klöster, unter anderem in Fulda (ca. 743). Dort wurde er nach seinem Märtyrertod begraben.
Wie wir in den folgenden Kapiteln sehen werden, wurden Klöster wie diese zu der Saat, die zu dem Europa aufblühte, das wir heute sehen.
Gallus wurde durch Krankheit daran gehindert, Columban über die Alpen zu begleiten. Deshalb errichtete er um das Jahr 612 eine kleine Eremitage (eine Mönchsklause mit Kapelle) in der Nähe eines Wasserfalls an der Steinach, etwa elf Kilometer vom Bodensee entfernt. Ägyptische «Wüstenväter» hatten die Idee der Eremitage aus der Wüstenerfahrung des Volkes Israel abgeleitet. Der Bekannteste unter ihnen war Antonius der Große, der um das Jahr 270 n. Chr. in die Wüste zog. Viele folgten seinem Beispiel. Ihr Vorbild beeinflusste die orthodoxe klösterliche Tradition des Berges Athos und die westliche Klosterregel des hl. Benedikt, der Gallus folgte.
Israels Wüstenerfahrung wird im Buch Exodus beschrieben, dem zweiten Buch der Bibel. Es berichtet von der wundersamen Befreiung der hebräischen Sklaven nach 430 Jahren der Sklaverei. Gott rettete die Sklaven, um sie zu einer großen Nation zu machen.
Sklaverei ist traumatisch. Sie hält sich am Leben, indem sie die Würde und Selbstachtung der Menschen brutal niederschlägt. Ein Sklave kann seine Ehre, seine Unversehrtheit und seine Familie nicht schützen. Er lebt in Furcht, erfüllt von (verständlichem) Zorn.
Um zu einer großen Nation zu werden, brauchten die Sklaven mehr als Unabhängigkeit und ein neues Land. Sie brauchten einen neuen Geist. Der Geist der Sklaverei musste aus ihren Herzen ausgetrieben werden, damit sie einen Geist der Tapferkeit empfangen konnten. Einen Geist der Sohnschaft, der das eigene Erbe in Besitz nimmt. Die Hebräer wurden von der Tyrannei der Welt befreit, um von nun an nach dem Wort ihres Vaters zu leben. Sklaven bekamen die Möglichkeit, Gottes Autorität über seine Schöpfung zu empfangen.
Vierzig Jahre Wüstenwanderung wurden zum ersten Schritt in dem langen Prozess, Sklaven in eine Nation zu verwandeln. Während dieser Zeit in der Wüste mussten die Israeliten in völliger Abhängigkeit von Gott leben. Er gab ihnen vom Himmel herab Manna zu essen. Sie lernten, sein Wort zu ihrem Gesetz für das gemeinschaftliche Leben zu machen. Zu Beginn seiner Wirkungszeit verbrachte Jesus Christus ebenfalls vierzig Tage in der Wüste. Diese Wüstenerfahrungen wurden zur Lebensvorlage für die christlichen Eremiten. Sie entsagten der Welt, um Gott zu suchen.
Dass er als gelehrter Mann der Welt entsagte, verschaffte Gallus den Status eines verehrten «heiligen Mannes». Das zog Anhänger an. Manche bauten sich ebenfalls Klausen. Geistliche und liturgische Literatur wurde benötigt, um ihr Denken zu erneuern. Sie mussten lernen, zu lesen und Gallus’ Manuskripte abzuschreiben. Diese Anstrengung wurde zum ersten Schritt in ihrer intellektuellen Entwicklung.
Auf dem Stadtwappen St. Gallens ist ein furchterregender Bär zu sehen. Eines Tages wärmte sich Gallus am Feuer, als plötzlich ein wütender Bär aus dem Wald auf ihn zugestürmt kam. Der Heilige fuhr ihn streng an. Verblüfft hielt der Bär inne und zog sich zurück. Wenig später kehrte er mit einem Stück Feuerholz zurück und ließ sich nieder, um sich zu wärmen. Gallus teilte sein Brot mit dem Bären. Sie wurden Freunde. St. Tuotilo (850–um 915), der überaus begabte Lyriker, Hymnendichter, Musiker, Komponist, Architekt, Bildhauer und Maler des Klosters, hielt die Bärenlegende auf einem Elfenbeinrelief in der Bibliothek fest.4
Für mich als Inder lautet die naheliegende Frage: Warum erfand Gallus nicht einen spektakulären Mythos wie etwa die Inkarnation des Gottes Vishnu als Varaha (Keiler)? Unsere Weisen genießen Respekt, weil sie hervorragende Mythenschöpfer sind. Im Vergleich dazu ist die Bärenlegende des Gallus allzu schlicht. Sie hört sich nicht einmal nach einer Geschichte an.
Ein Mystiker könnte sich fragen, warum Gallus nicht meditierte, um mit dem Bären einszuwerden? Dann hätte es keine Feindschaft zwischen Mensch und Natur gegeben. Denn beide sind ja Teil desselben göttlichen, unendlichen Bewusstseins. Was brachte Gallus auf den Gedanken, der Mensch müsse seine Autorität über die Natur behaupten?
Die Hindus verehrten Berge; die Schweizer begannen sie zu untertunneln, wie es auch im säkularen Indien geschieht. Im Jahr 1518 verschaffte sich der Reformator Vadian bei den örtlichen Behörden die Genehmigung, mit drei Freunden den Pilatus zu besteigen, der über Luzern aufragt. Bis dahin hatten die Schweizer diesen Gipfel nicht erklommen (ganz davon zu schweigen, auf Skiern seine Hänge hinabzugleiten!). Sie glaubten nämlich, in dem See hoch auf diesem Berg lebe die rastlose Seele des Pontius Pilatus, des römischen Gouverneurs, der die Kreuzigung Christi angeordnet hatte. Sein Geist quälte alle, die sein Territorium betraten.
Nach Vadians sicherer Rückkehr folgte ihm der Zürcher Stadtarzt Conrad Gessner (1516–1565). Er studierte alte Sprachen, Theologie und Medizin, bevor er zu einem der Väter der modernen Zoologie und Botanik wurde. Gessner bestieg den Pilatus ausdrücklich, um dem mittelalterlichen Aberglauben entgegenzutreten. Provozierend schleuderte er Steine in den See, um den Dämon auszutreiben. Die Reformatoren verscheuchten den schweizerischen Aberglauben hinsichtlich der Berge. Sie glaubten der Bibel, dass der Schöpfer uns die Vollmacht gegeben hat, uns diese Welt untertan zu machen (1. Mose 1,26–28). Diese Überzeugung wurde zu einer Grundlage für Europas führende Stellung in der modernen Wissenschaft und Technik.
Der Erlöser hat uns Vollmacht auch über die Dämonen gegeben (Matthäus 10,1). Wir sollen uns vor bösen Geistern nicht fürchten. Wir sollen sie austreiben.
Indem sie die menschliche Vollmacht über die natürliche und die übernatürliche Welt in Anspruch nahmen, nahmen Reformatoren wie Vadian die Bibel beim Wort. Sie betrachteten sie nicht als philosophische Spekulation oder lediglich als gute ethische Weisheit für das tägliche Leben. Sie lasen sie als das Wort ihres Vaters, eine göttliche Kommunikation, die die Beziehung eines Menschen zu seinem Vater stärkt. Als Gottes Wort war sie verlässlich. Gottes Kinder können auf die Verheißungen ihres Vaters zählen. Durch ein glaubensvolles Gebet können sie nötigenfalls die Verheißungen Gottes einlösen wie Schecks, die von ihrem Vater unterzeichnet sind. Dieses Wissen und der dadurch inspirierte Glaube verwandelten das furchterfüllte Zeitalter des Aberglaubens in die moderne Zeit der zuversichtlichen Vollmacht.
Gallus’ Bär symbolisierte den modernen Gedanken der menschlichen Autorität über die Natur. Er vertraute der biblischen Aussage, Gott wolle, dass seine Kinder auch in der übernatürlichen Welt Vollmacht ausübten.
Dies zeigt sich besonders gut an einem Wunder, das Gallus seine Heiligsprechung verschaffte, nachdem er gestorben war. Eine hoch angesehene Frau namens Fridiburga war mit dem fränkischen König Sigibert III. verlobt. Doch dann ergab sich ein kleines Problem. Sie wurde wahnsinnig. Zwei Bischöfe schafften es nicht, sie von ihren Dämonen zu befreien. Gallus gelang es. Dieses Wunder verschaffte seiner Eremitage die Ländereien von Arbon.
Aufgrund solcher Wunder sahen die Menschen in Gallus einen Heiligen, schon bevor die Kirche es tat. Sein Grab hinter seiner Kapelle wurde zu einer heiligen Gebetsstätte. Diese spontane Bewegung ließ die Eremitage wachsen. Etwa 100 Jahre nach Gallus wurde St. Otmar als Oberhaupt der Eremiten eingesetzt. Er machte aus der Eremitage ein Kloster.
Eremiten lebten abgeschieden von der Welt, jeder in seiner Klause. Das Kloster führte sie in einem Gebäude zusammen. Gemeinschaftliches Leben erfordert einen gemeinsamen Code, eine gemeinsame Sprache und Literatur, die eine gemeinsame Sicht der Welt und des Lebens vermittelt. Gemeinschaftliche Gottesdienste tragen zur Entwicklung von Musik und Musikinstrumenten bei. Dazu wiederum sind Fähigkeiten, Techniken und Bildung erforderlich.
Ein Jahrhundert später wurde dem Nachfolger Otmars, Gozbert, die berühmteste und älteste erhaltene mittelalterliche Architekturzeichnung gewidmet. Es ist der «St. Galler Klosterplan», ein herrliches Pergament von der Insel Reichenau. Dieser Plan entwirft den Idealtypus eines Klostergeländes. Er zeichnet ein Bild des geistlichen, sozialen, landwirtschaftlichen, handwerklichen und wissenschaftlichen Zentrums eines ganzheitlichen Transformationsprozesses. Der Plan visualisiert eine Gemeinschaft, die die geografische und die geistige Wildnis in eine kultivierte Umgebung verwandelt, in der Sicherheit und gemeinschaftlicher Wohlstand gedeihen können. Eine solche Planung verband ein Netz von Klöstern zur DNA der intellektuellen und moralischen Kultur des Westens. Bis heute bleibt der Entwurf dieser zivilisierenden Kraft, der Klosterplan, auf den wir im Kapitel über Architektur in einem Fortsetzungsband zurückkommen werden, einer der kostbarsten Schätze der Stiftsbibliothek von St. Gallen.5
Gemeinsame Literatur wird zur Seele einer Gesellschaft, einer Nation, einer Kultur. Sie vermittelt dem Einzelnen Sinn und gibt der Gesellschaft Motivation. Sie wird zu einem Licht der Gesellschaft; zu der Autorität, die Auseinandersetzungen beilegt.
Skeptiker versuchen, das Nichts, den Nihilismus, den Zufall im Herzen der Literatur einer Gesellschaft zu verankern. Doch bald entdecken sie, dass das Fehlen der Wahrheit die jeweils Herrschenden dazu einlädt, eine ungezügelte und exklusive Autorität auszuüben und nach ihrem eigenen Gutdünken zu regieren. Die Abschaffung der Wahrheit erzeugt ein Vakuum, das mit Zwang gefüllt wird.
Die Bibel wurde zur Seele St. Gallens, weil sie im Skriptorium des Klosters für die Mönche abgeschrieben wurde. Sie war das eine Buch, das alle jedes Jahr durchlasen.
Um die Mönche in die Lage zu versetzen, zu verstehen, was sie lasen, musste die Klosterschule die sieben freien Künste lehren, die zu einem Teil der klösterlichen Ausbildung im Westen wurden. Sie bestehen aus dem Trivium – Grammatik, Logik und Rhetorik – und dem Quadrivium – Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie.
Diese Art der Bildung gab es nicht nur in St. Gallen. Mönche und Nonnen verbreiteten sie in vielen Zentren. Ziel der klösterlichen Bildung war es, Menschen zuzurüsten, um Gott und ihre Nächsten zu lieben. Darum gründete Otmar, der Gründungsabt des Klosters, auch ein Armenhaus und das älteste Leprosorium der Schweiz (720–759 n. Chr.).6 Der Geist Jesu, der Leprapatienten anrührte und heilte, hatte schon in Italien und Frankreich seine Anhänger inspiriert, Heime für diese Patienten zu errichten, zum Beispiel in Verdun, Metz und Maastricht. Die klösterliche Bildung brachte Europas unverwechselbare Identität hervor und schulte Europas auffällig rationale religiöse Führer, die das Fundament der Moderne legten.
Dass Menschen befähigt wurden, Gott und ihre Nächsten zu lieben, trug Früchte in technischen, landwirtschaftlichen, medizinischen, juristischen und wirtschaftlichen Fortschritten.
Einige Wochen vor meinem Besuch in St. Gallen buchte ich online mein Ticket. Laut Fahrplan sollte mein Bus um 11:01 Uhr in Reichelsheim im Odenwald (dem Dorf, in dem ich mich in Deutschland aufhielt) abfahren. Ich würde vier verschiedene Züge nehmen und St. Gallen um 17:59 Uhr erreichen.
Erstaunlich! Ich kam tatsächlich eine Minute vor achtzehn Uhr an. Diese Effizienz erinnerte mich an die Hochzeitsparty eines Freundes in Indien. Fünfzehn Angehörige des Bräutigams trafen fünfundzwanzig Minuten vor der planmäßigen Abfahrt des Zuges auf dem Bahnhof ein. Der Zug stand am Bahnsteig. Als sie sich anschickten, ihn zu besteigen, setzte sich der Zug in Bewegung. Die Gruppe überprüfte noch einmal den Namen, die Nummer und den Zielort des Zuges. Es war ihr Zug. Wie konnte es sein, dass er vorzeitig abfuhr? Wütend marschierte die Gruppe zum Bahnhofsvorsteher, um zu protestieren und Schadensersatz zu fordern. Daraufhin entgegnete ihnen der Bahnbeamte: «Oh! Das war der Zug von gestern.»
Was steckt dahinter, dass sich die schweizerische und die deutsche Kultur so krass von der meinen unterscheiden?
Einsiedler können in ihrer eigenen Zeit leben. Sie können aufstehen, wenn es in der Sonne warm wird, und zu Bett gehen, wann immer sie wollen. Gemeinschaftliches Leben dagegen erfordert gemeinsame Zeitabläufe. Jeder Mönch muss seine Arbeit so organisieren, dass er zur gleichen Zeit wie die anderen zu den gemeinschaftlichen Gebeten und Mahlzeiten erscheint.
Es waren Mönche, nicht Hirten oder Fischer, die Uhren brauchten. Also erfanden sie sie. Vor den ersten mechanischen Uhren war die Pfeifenorgel die komplizierteste Maschine der Welt. Jede Pfeifenorgel wurde von Mönchen gebaut, gespielt und gewartet, denn es war ihr Lebenszweck, Gott anzubeten. Die mechanischen Fertigkeiten, die sie sich angeeignet hatten, um Musik zu machen, wurden nützlich für die Erfindung der mechanischen Uhr. Die Uhr wiederum wurde zum Nährboden für die einzigartige Rolle des Westens bei der Entwicklung des Maschinenbaus.7
Heutzutage stellen wir Inder auch Wecker und Armbanduhren her. Doch unsere Uhren allein helfen uns nicht dabei, Zeiten einzuhalten. Woher nahm also Westeuropa seine einzigartige Fähigkeit, effizient mit der Zeit umzugehen?
Heute ist St. Gallen berühmt für seine Hochschule für Wirtschafts-, Rechts- und Sozialwissenschaften. Gemeinsam mit anderen herausragenden Institutionen schult sie die Fachkräfte, die im europäischen Finanz- und Wirtschaftswesen größtenteils tonangebend sind. Zeit ist Geld, aber nur, wenn sie effizient gemanagt wird.
Wer hat den Schweizern gesagt, sie könnten über die Zeit herrschen?
In Indien haben wir die Zeit angebetet. Die Zeit, so wurden wir gelehrt, sei ein Gott – Kaal, der schreckliche Gott des Todes. In meiner Muttersprache Hindi wird für «gestern» und «morgen» dasselbe Wort verwendet – kal. Die Zeit existierte schon, bevor wir geboren wurden. Sie wird uns, unsere Kinder und unsere Enkelkinder verschlingen, genau wie sie unsere Väter und Vorväter verschlungen hat … und so wird es immer weitergehen. Deshalb muss man die Zeit fürchten und besänftigen, nicht managen.
Diese Sichtweise machte Indien zu einer Kultur der Astrologie, in der unsere Zeiten über uns herrschen. Unsere Sterne entscheiden darüber, wann wir heiraten und wen wir heiraten; wann wir auf eine Geschäftsreise gehen und mit wem wir eine Partnerschaft schließen. Selbst im 21. Jahrhundert erstellen wir Computerhoroskope für unsere Autos und Motorroller. Warum sollte man das Risiko eingehen, den Gott des Todes auf unseren gefährlichen Straßen zu erzürnen?
Die europäische Kultur entwickelte sich anders. Allmählich wandelte sich das Mittelalter zu einer Kultur der Astronomie. Die Astrologie hatte auch in Europa große Bedeutung gehabt, bevor die Bibel sie verdrängte, indem sie lehrte, dass die Zeit nicht Gott ist. Gott existierte vor der Zeit. Er erschuf uns nach seinem Bild, damit wir die Zeichen studieren, die er am Himmel angebracht hat: Sonne, Mond, Sterne und Sternbilder. Die Himmelskörper waren da, um uns zu helfen, die Zeit zu planen und zu managen: damit wir an sechs Tagen arbeiten, um uns die Erde untertan zu machen, und am siebten ruhen (1. Mose 1,14–28).
«Aber wie kann ein Geschöpf der Zeit über die Zeit herrschen?», fragten die Heiden.
Das ist der weltanschauliche Unterschied, den die Bibel bewirkte. Sie lehrte Europa, dass der Mensch mehr ist als ein Geschöpf der Zeit. Er hatte seinen Anfang in der Zeit … aber Gott hauchte seiner Seele die Ewigkeit ein. Der Mensch wurde erschaffen, um für immer zu leben.
Der Tod kam als ein Fluch über die menschliche Sünde. Er trennte uns von der ewigen Quelle unseres Lebens. Dann kam der Erlöser. Er nahm unsere Sünde, ihre Schande, ihre Schuld und ihre Konsequenzen, einschließlich des Todes, auf sich. Er nagelte sie an sein Kreuz. Am dritten Tag nach seinem Tod triumphierte er über das Grab. Der auferstandene Erlöser gibt uns eine zweite Chance, durch Umkehr und Glauben Gottes ewiges Leben zu empfangen. Auferstehung und ewiges Leben erheben uns über die Zeit. Menschen können und sollen die Zeit managen, also mit ihr haushalten, genau wie sie auch Haushalter der übrigen geschaffenen Ordnung sind.
Diesen Gedanken äußerte ich einmal gegenüber einem Freund, einem Intellektuellen, der sich selbst als Atheisten bezeichnete. Nach einem Moment stirnrunzelnden Schweigens wendet er sich mir zu und sagt:
«Ich verstehe dich nicht, Vishal. Du gehst rational an Diskussionen über Religion heran, was ich sehr schätze. Warum musstest du jetzt alles verderben, indem du die Auferstehung ins Spiel gebracht hast? Das ist doch unmöglich!»
«Warum?»
«Weil … weil der Tod nun einmal das letzte Wort hat.»
«Woher weißt du das?»
«Das ist meine Überzeugung.»
«Kannst du deine Überzeugung beweisen?»
«Natürlich nicht. Aber ich glaube, dass am Anfang der Tod war. Kein Gott, kein Geist, kein Bewusstsein, keine Amöbe, kein Virus, kein Bakterium existierte damals. Das Leben entstand durch einen kosmischen Zufall. Dann begann es zu mutieren und sich zu entwickeln. Und zig Millionen von blinden Zufällen später sind wir hier und streiten uns um die Wahrheit. Eines Tages werden unser Sonnensystem und die Galaxis von einem Schwarzen Loch verschlungen werden. Damit wird alles Leben enden. Der Tod, mit dem alles anfing, wird auch das Ende sein. Denn der Tod ist die letzte Wirklichkeit.»
«Ist das so? Hast du nicht gerade eingeräumt, dass alles Leben aus dem Tod gekommen ist? Warum sollte dann die Auferstehung ‹unmöglich› sein?»
Was ist, wenn das Leben – ein lebendiger Schöpfer – die ewige und letzte Wirklichkeit ist? Was ist, wenn er uns geschaffen hat, damit wir für immer bei ihm leben? Damit wir Vollmacht über seine Schöpfung haben – über furchterregende Bären und Berge, über Geister und über die Zeit? Das ist die übernatürliche Weltsicht der Bibel. Sie hat bewirkt, dass die westliche Kultur ganz anders ist als meine Welt, weil sie einen Unterschied macht zwischen den Menschen und anderen Geschöpfen.
Nach diesem Blick auf einige der Veränderungen, die die Bibel bewirkt hat, lassen Sie uns nach St. Gallen zurückkehren.
1524, als sich in den deutschsprachigen Ländern der große Bauernkrieg zusammenbraute, beschloss die Stadt St. Gallen, dass die Bibel ihre Leuchte sein sollte, von der sie sich in allen Überlegungen und Entscheidungen leiten lassen wollte; die Basis für ihr intellektuelles, soziales, wirtschaftliches, politisches und diplomatisches Leben; ihre Schatztruhe der Weisheit für das private und gesellschaftliche Leben. Zwei Jahre später, 1526, wählte St. Gallen Vadian zu seinem Bürgermeister.
St. Gallens Entscheidung, Gottes Wort zu seiner Leuchte zu machen, war einfach, aber nicht trivial. Sie war womöglich noch ehrlicher als die amerikanische Unabhängigkeitserklärung von 1776. Die Bürger von St. Gallen gaben nicht vor, ihre Ideen über die Gleichheit der Menschen und ihre unveräußerlichen Rechte seien «selbstverständlich». Sie wussten, dass diese Wahrheiten in der Bibel offenbart waren (siehe Kapitel 3, «Kann Freuds Schöpfer kommunizieren?»). Sie erkannten, dass, weil alle Macht Gott gehört, alle menschliche Autorität letzten Endes von Gott gegeben und deshalb ihm Rechenschaft schuldig war. Das bedeutet, dass menschliche Herrschaft sich an der Gerechtigkeit Gottes orientieren musste.
Die Entscheidung, Gottes Offenbarung zur Autorität im menschlichen Bereich zu machen, war sowohl politisch als auch philosophisch. Sie verschaffte den Bürgern die Freiheit, selbst nach der Wahrheit zu suchen. Sie nahm sie in die Pflicht, Gottes Wort auf ihr persönliches und kollektives Leben anzuwenden, auf ihr Sexualleben ebenso wie auf ihr Geschäftsgebaren. Es war eine Abstimmung gegen die Tradition und für Freiheit mit Verantwortung.
Die Stadt wusste sehr gut, dass ihr Votum, Gottes Wahrheit zu suchen und nach ihr zu leben, manchen in der religiösen Obrigkeit ein Dorn im Auge sein würde. Tatsächlich löste es die Kappelerkriege zwischen den traditionellen und den reformierten Kantonen aus.
Warum trafen die Bürger eine Entscheidung, mit der sie sich der Gefahr eines Krieges aussetzten? Die Lektüre der Bibel überzeugte sie davon, dass Europas brutale religiöse und politische Machtstrukturen verändert werden mussten. Menschliche Autoritäten, seien es politische, intellektuelle oder kirchliche, brauchten ein Licht, das reiner war als ihr eigenes; eine Autorität, die höher stand als die der Menschen und dennoch offen war für kritisches Nachfragen.
Die Bibel hatte ihre Liebe zu Freiheit und Gerechtigkeit entfacht, zu einem vernünftigen Glauben. Freilich ahnte die Stadt nicht, dass ihre Entscheidung eine Kettenreaktion in Gang setzen würde, die schließlich unser modernes Zeitalter einläutete. Sie wollte einfach nur aus einem Glauben leben, der einer ehrlichen, intensiven und umfassenden Gelehrsamkeit entsprang.
Wie wir gesehen haben, ist die Weltanschauung der Bibel insofern einzigartig, als ihre Spiritualität eine Auseinandersetzung mit der materiellen Welt erfordert. Durch das Kloster wurde St. Gallen zu einer Heimat für Gelehrte. Es beherbergt die älteste und besterhaltene mittelalterliche Bibliothek der Schweiz, gegründet um das Jahr 750. Im Lauf der Jahrhunderte widmeten viele Mönche ihr Leben der Aufgabe, jedes verfügbare Manuskript abzuschreiben und zu erhalten. Das intellektuelle Zentrum der Bibliothek war ein asiatisches, ein jüdisches Buch. Dieses Buch war für die Gelehrten der Schlüssel zum Verständnis des Kosmos und ihres Platzes darin.
Angesichts der großen Bedeutung der Bibel verfassten viele Mönche Kommentare dazu. Manche mögen zunächst ihre Zweifel an Teilen der Bibel gehabt haben, aber je mehr sie sie studierten, desto mehr akzeptierten sie ihren Anspruch, Gottes Wort zu sein. Infolgedessen waren sie als Gemeinschaft bestrebt, ihr Leben und ihre Welt vom Licht der Bibel prägen zu lassen. Aufgrund ihrer Ehrerbietung für das Wort Gottes bedienten sich die Gelehrten, wenn sie die Bibel abschrieben, zunehmend einer farbenfrohen, kunstvollen Kalligrafie.
Die mittelalterliche Gelehrsamkeit ging in die Renaissance über, die mit dem Schriftsteller und Dichter Francesco Petrarca (1304–1374) begann. Die ihm nachfolgenden Humanisten studierten sämtliche verfügbare Literatur der Antike in griechischer und lateinischer Sprache. Auch mit umgangssprachlicher Literatur machten sie sich vertraut. Alles wurde in der St. Galler Stiftsbibliothek studiert, abgeschrieben und erhalten. Deshalb nahm die UNESCO sie 1983 ins Weltkulturerbe auf.
Wir dürfen die Bedeutung des Alters dieser Bibliothek nicht übersehen. Es gibt uns einen Einblick in die Weltanschauung, die Europas einzigartigen Charakter prägte.
Die älteste erhaltene Bibliothek Asiens, das Tian-Yi-Ge-Museum, befindet sich in Ostchina in der Stadt Ningbo. Sie wurde irgendwann zwischen 1561 und 1586 erbaut, achthundert Jahre nach der St. Galler Stiftsbibliothek.
Die älteste erhaltene Bibliothek Indiens befindet sich im südindischen Thanjavur. Maharadscha Serfojis Sarasvati-Mahal-Bibliothek hatte ihren Anfang im 18. Jahrhundert, fast tausend Jahre nach der von St. Gallen. Sie erblühte unter dem Maratha-König Serfoji II Bhonsle (1777–1832), dessen Mentor ein deutscher christlicher Missionar namens Friedrich Schwarz (1726–1798) war, der unter seinem Dach lebte. Auf die weltanschaulichen Implikationen dieser Tatsachen kommen wir später zu sprechen.8
Kehren wir zunächst noch einmal zurück zu meinem Erstaunen darüber, dass die Bürger ihren «Stadtvater» nicht kannten und nicht wussten, warum er mit einem bestimmten Buch in seiner Hand dargestellt ist. Das machte mich neugierig: Spielt es eine Rolle, dass die Bürger von St. Gallen heute das Buch nicht mehr kennen, das ihre Stadt, ihre Nation und die ganze westliche Kultur reformiert hat?
Hat der Westen sich, indem er Vadians Buch vergaß, seine eigene Seele amputiert? Ist das der Grund, warum er so verwirrt ist hinsichtlich seiner Identität, der Quelle seines Sinns und seiner Moral und des Geheimnisses seines unglaublichen Erfolges?
Die Bibel ruft ihre Leser dazu auf, nach Weisheit zu streben. Weisheit «von oben»9 baut Menschen, Familien und Nationen auf. Doch Kultur ist so vergänglich wie ein Garten. Die Wüste eines «finsteren Zeitalters» braucht nur ein paar Jahreszeiten, um einen gut gepflegten Garten zunichtezumachen. Das macht diese Überlegungen so wichtig.
Die St. Galler Stiftsbibliothek nennt sich selbst eine Zuflucht für die Seele. Ihre Mauern umringen uns mit Seelennahrung: mit Büchern, die Wissen offerieren. Wissen versetzt uns in das geistliche Reich der Wahrheit.
In einem Fortsetzungsband werden wir auf die Kunst und die Barockarchitektur des Klosters zurückkommen. Wir werden sein Deckengemälde näher betrachten. In den folgenden Kapiteln wollen wir einen Blick auf die zentralen Elemente der Weltsicht werfen, die in dieser Bibliothek dargestellt wird. Dies sind Gedanken, die den Westen zu einer Zivilisation gemacht haben, die nach der Wahrheit suchte und ihr gehorchte.
Die St. Galler, die ich traf, kannten ihren Stadtvater nicht. Das Buch in seiner Hand war ihnen egal. Intellektueller Hochmut raubt dem Westen sein Erbe. Ein wenig Demut könnte uns neu mit dem wahren Reichtum des Westens in Verbindung bringen.
Die alten Griechen feierten ihre Götter in Epen und Künsten. Sie verehrten sie in Tempeln, auf Festen und in demokratischen Versammlungen. Die Geschichten von den olympischen Göttern prägten die griechische Kultur.10
Diese Mythen waren so eindrücklich, dass die Römer manche Götter von den Griechen übernahmen. Sie änderten nur die Namen: Aus Zeus wurde zum Beispiel Jupiter.
Manche Leute meinen, die Griechen und Römer hätten die moderne westliche Kultur hervorgebracht. Eine Schwierigkeit liegt dabei auf der Hand: Es dürfte mühsam sein, einen Tempel zu finden, wo jene Götter angebetet oder ihre Epen gelehrt werden. Hollywood versucht zwar, die alten Mythen wiederzubeleben. Doch mit der «Macht der Mythen»11 sind nicht viele Anhänger zu gewinnen. Da waren die hinduistischen Mythen von Krishna und Durga im Westen schon erfolgreicher.
Warum aber schreibt man dann den Griechen und Römern zu, sie hätten die moderne Welt geschaffen? Hauptsächlich liegt es daran, dass die europäischen Intellektuellen zwischen dem 14. und 16. Jahrhundert ihre klassischen Texte sorgfältig studierten. Diese elitäre intellektuelle Bewegung ist als «Renaissance» in Erinnerung. Man genoss die Epen. Man respektierte die griechische Philosophie und reflektierte darüber. Die Reformation Europas jedoch begann erst, als ein Mönch begann, die Episteln des Apostels Paulus zu lehren. Reformatoren und Gegenreformatoren lasen und zitierten griechische und römische Autoren, aber sie unterstellten jeden Gedanken der Autorität des «Wortes Gottes».
Die griechischen Götter waren Jahrhunderte zuvor in den Untergrund getrieben worden. Nun war die Kirche der Mittelpunkt des europäischen Dorfes. Was genau also war es, das den Westen veränderte? Warum ist das nordwestliche Europa bis heute der am wenigsten korrupte, der freieste und der am besten entwickelte Teil der Welt?
Die Transformation des Westens begann mit einer «Vision». Der Apostel Paulus wollte nach Asien gehen, um dort die Gute Nachricht von der von Gott geschenkten Erlösung zu verkündigen. Lukas, der Reisegefährte des Paulus, berichtet, dass der Heilige Geist nicht zuließ, dass Paulus seine Pläne weiterverfolgte. Eine «Vision» lenkte seine Aufmerksamkeit in Richtung Westen:
Dort sprach Gott nachts in einer Vision zu Paulus. Der Apostel sah einen Mann aus Mazedonien, der ihn bat: «Komm nach Mazedonien herüber und hilf uns!» Da war uns klar, dass Gott uns gerufen hatte, den Menschen dort die rettende Botschaft zu verkünden.12
Diese «Vision» wird manchmal auch als «Traum» bezeichnet, weil Paulus sie in der Nacht sah, als er vermutlich schlief. In englischen Bibelausgaben ist von einer «Vision» die Rede, weil die Bibel impliziert, dass es sich um eine Offenbarung handelte – eine Mitteilung, die von jenseits der Hirnchemie kam, von außerhalb des persönlichen oder kollektiven Unbewussten. Sie war kein Produkt aus Paulus’ eigenem Kopf.
Wir werden der erstaunlichen Wirkung der Bibel nicht gerecht, wenn wir uns nicht mit diesem Gedanken der übernatürlichen Inspiration auseinandersetzen.
Schon zuvor hatte eine dramatische «Vision» am helllichten Tag, die in Apostelgeschichte 9,1–18 geschildert wird, eine Kehrtwende im Leben des Paulus bewirkt. Viele Philosophen, Eroberer und Erfinder haben mit dazu beigetragen, Europa zu prägen, doch Paulus (ursprünglich hieß er Saulus) spielte eine Schlüsselrolle. In der Öffentlichkeit trat er zuerst als fanatischer Verfolger seiner Mitjuden in Erscheinung, die glaubten, Jesus sei ihr seit langem verheißener Messias. Diese Gläubigen waren dem jungen Gelehrten ein Dorn im Auge, weil sie Jesus eine Ehre zuschrieben, die nach Saulus’ Meinung nur Gott – Jahwe – gebührte.
Jeder wusste, dass Jesus gekreuzigt worden war. Doch seine Anhänger behaupteten, der tote und begrabene Jesus sei auferstanden. Er sei als das «Lamm Gottes» gestorben, um uns von unserer Sünde zu erretten. Das wollte Saulus nicht akzeptieren, und deshalb verfolgte er die Gläubigen.
Später jedoch begann seine eigene Kreuzesverkündigung die moralischen Sichtweisen und Maßstäbe Europas zu transformieren. Diese moralische Umwälzung dauerte lange. Sie verlief niemals geradlinig. Doch wie wir sehen werden, hätte Europa, ohne Sünde und Erlösung aus der Perspektive der Bibel zu sehen, niemals die juristischen, pädagogischen, wirtschaftlichen, bürokratischen, politischen und kulturellen Institutionen und Traditionen entwickeln können, die es zu einem Vorbild für die gesamte übrige Welt machten.
Die Juden opferten Lämmer als Ausgleich für ihre Sünde. Anhand von jüdischen Schriften wie dem Buch Jesaja lehrten die Anhänger Jesu, das Lamm Gottes habe am Kreuz die Sünde der Welt auf sich genommen. Zugleich glaubten sie aber auch, Jesus sei vollkommen unschuldig gewesen. Warum also wurde er gekreuzigt?
Selbst ein Dieb konnte sehen, dass am Kreuz Christi die Ungerechtigkeit dieser Welt angenagelt war.13 Das Kreuz war eine Waffe Roms, um seine tatsächlichen oder potenziellen Gegner zu terrorisieren. Jesus wurde nicht deshalb gedemütigt, gefoltert und getötet, weil das menschliche Herz so edelmütig wäre, sondern weil es so grausam und böse ist. An jenem ersten Karfreitag konnten Beobachter mit bloßem Auge erkennen, dass am Kreuz Christi der Neid und die Eifersucht des religiösen Establishments hingen; die Lügen falscher Zeugen und die moralische Feigheit der «religiösen» Massen, einschließlich der Anhänger Christi selbst.
Die Bibel berichtet, dass der gekreuzigte Jesus begraben wurde. Das Grab wurde versiegelt und bewacht. Doch am dritten Tag passierte etwas Unfassbares. Gott erweckte Jesus von den Toten. Das bestätigte, so sagten seine Jünger, dass Jesus zur Vergebung unserer Sünde gekreuzigt worden war. Jesus war das Lamm Gottes, das gekommen war, um die Sünde der Welt wegzunehmen.14
Während seines letzten Abendessens mit seinen Jüngern hatte Jesus ihnen erklärt, er werde sein Blut für die Vergebung unserer Sünde vergießen.15 Nach seiner Auferstehung verstanden die Jünger, dass Jesus der Erlöser ist, weil er unsere Sündhaftigkeit auf sich nahm, um uns mit seiner eigenen Gerechtigkeit zu segnen. Wir müssen nichts dazutun, als von unserer Sünde umzukehren und ihn als unseren Erlöser aufzunehmen: unseren Hirten.
Saulus war aufgebracht, weil die Jünger Christi behaupteten, Jesus sei ihnen nach seiner Auferstehung begegnet und habe vierzig Tage mit ihnen verbracht, um ihnen das neue Reich zu erklären, das er in die Welt gebracht habe. Mindestens fünfhundert Zeugen sahen Jesus lebendig.16 Seine Jünger waren Zeugen seiner Himmelfahrt. Er versprach ihnen, er werde wiederkommen.
Natürlich betrachteten Skeptiker die Behauptung der Zeugen, Jesus sei auferstanden, als frei erfundene Legende. Nach dem jüdischen Pfingstfest jedoch war es nicht mehr so einfach, diese skeptische Haltung aufrechtzuerhalten. Während Pilger aus fernen Ländern nach Jerusalem strömten, versammelten sich die Anhänger Christi dort, um zu beten. Dies war die Stadt, deren Obrigkeit vor nicht einmal zwei Monaten Jesus gekreuzigt hatte.