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Der Sozialstaat in Deutschland veränderte im letzten Jahrzehnt sein Gesicht sehr einschneidend. Die aktualisierte Neuauflage des Standardwerkes vermittelt einen detaillierten Überblick über die Geschichte und gegenwärtige Situation der zentralen Institutionen des Sozialstaats im heutigen Deutschland. Aus dem Inhalt: Die Soziale Frage im 19. und der Ausbau der Sozialordnung im 20. Jahrhundert – Arbeitsbeziehungen – Arbeitsmarktpolitik – Die Systeme der Sozialversicherung und der sozialen Grundsicherung – Familienpolitik und Jugendhilfe – Sozialpolitik und Bildungssystem – Soziale Regulierung am Wohnungsmarkt – Kommunale Sozialpolitik, Wohlfahrtsverbände, soziale Dienste und Selbsthilfe – Sozialpolitik in der EU – Die Zukunft des Sozialstaats im Zeichen der Globalisierung.
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Seitenzahl: 42
LESEPROBE
Schaper, Klaus; Neumann, Lothar F.
Die Sozialordnung der Bundesrepublik Deutschland
LESEPROBE
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E-Book ISBN: 978-3-593-40442-4
Im Sozialstaat Deutschland zu leben, ist eine vergleichsweise komfortable Situation und wir alle wissen das. Von der Wiege bis zur Bahre – nein! – schon vor der Wiege, sogar schon vor der Geburt treffen wir auf die sozialstaatliche Betreuung. Lassen wir das Leben Revue passieren, dann können wir für jeden von uns vielfältige Interventionen des Sozialstaats voraussehen.
Beginnen wir vor der Zeugung. Wenn die gewollte Schwangerschaft nicht eintritt, bietet die ärztliche Profession Rat und Hilfe und die Krankenkassen bezahlen dies. Wenn es dann gelingt, stellt der Sozialstaat u.a. Schwangerschaftsbetreuung, Mutterschutz, Geburtshilfe, Elterngeld, Kindergeld, gesundheitliche Vorsorge und Betreuung im Krankheitsfall, Krankengeld, Wohngeld, Kindergarten, Bafög, Sozialhilfe, Fortbildung, ABM, Arbeitslosenunterstützung, Behindertenbetreuung, soziale Dienste wie Suchthilfe oder Familienberatung, Unfallrente, Rehabilitationsmaßnahmen, Altersrente, Pflegegeld und Altenbetreuung zur Verfügung. Die Liste ist keineswegs vollständig! So zählen auch folgende Institutionen zur Sozialordnung: Tariflöhne und tarifliche Arbeitsbedingungen, Arbeitsschutz, Mitbestimmung und Arbeitskampfregeln.
Wir werden uns in den folgenden Kapiteln mit den wichtigsten Sozialleistungen und den zentralen Institutionen der Sozialordnung beschäftigen. Es soll vor allem ein Überblick über das sozialstaatliche System in seiner aktuellen Gestalt gegeben werden. Die Beschreibung unserer Sozialordnung bildet aber nur einen Teil der vor uns liegenden Aufgabe. Weiterhin befassen wir uns mit:
Leitbildern sozialer Gerechtigkeit,
Prinzipien der Sozialpolitikgestaltung im Ordnungsmodell »soziale Marktwirtschaft«,
der Geschichte des Sozialstaats in Deutschland,
Krisen und Problemfeldern des Sozialstaats und
Reformmodellen und Zukunftsszenarien.
|12|Gerade wegen seiner allumfassenden Präsenz wird die Kritik am Sozialstaat immer lauter. Eher abfällig beschrieben als Wohlfahrts-, Versorgungs- und Betreuungsstaat lähmt er nach Ansicht vieler Kritiker unser Wirtschaftssystem, hemmt unternehmerische Risikobereitschaft der Menschen und ihre Selbsthilfefähigkeit allgemein. Die rent seeking society, die – frei – übersetzt Versorgung beanspruchende Gesellschaft – so ein modernes Schlagwort aus der neoliberalen Theorieschmiede (Tullock 1993) suche die – scheinbare – Sicherheit in sozialstaatlichen Schutzräumen. Aber das könnte schlecht enden! »Andere« Nationen, vor allem die sich rasch zu Konkurrenten auf dem Weltmarkt entwickelnden Schwellenländer, schlafen nicht. Insbesondere die Konkurrenz aus Ostasien lehre uns schon jetzt das Fürchten und wirbelte unseren heimeligen »Wohlfahrtsstaat« gehörig durcheinander. Die Löhne seien zu hoch, die Tarifpolitik lasse immer noch das rechte Maß vermissen und die Sozialabgaben ließen die Lohnnebenkosten explodieren. Der betreuende und bürokratische Sozialstaat behinderte die notwendige Innovationsbereitschaft und Eigenverantwortung seiner Bürger. Dabei wird in der Theorie auch harsche Kritik an den vielen Privilegien der besitzenden Klassen und der freien Berufe geübt, die frühzeitig und geschlossen ihre Partikularinteressen in Verbänden organisiert hatten (Olson 1995). Da dies die eigene Klientel betrifft, wird dieser Teil der Kritik verständlicherweise in der politischen Sozialstaatsdebatte von den Liberalen zumeist verdrängt.
Dieses Negativszenario wird von den Befürwortern des Sozialstaats als übertrieben und einseitig zurückgewiesen. So berechtigt die Kritik an einzelnen Auswüchsen sei, so unbegründet sei die Pauschalverurteilung. Unterschlagen würden dabei einfach die positiven Auswirkungen des Sozialstaats auf Wirtschaft und Gesellschaft, wie
die Integration der Gesellschaft durch den Abbau des Klassengegensatzes von Arbeit und Kapital, der Verhinderung neuer Formen der Dualisierung der Gesellschaft und der Verbesserung der Durchlässigkeit des gesellschaftlichen Schichtgefüges,
die Fundierung der materiellen Grundlagen eines in sich stimmigen Wertesystems der Gesellschaft,
die Entfaltung der menschlichen Produktivkraft durch Ausschöpfung und Förderung der menschlichen Talente in möglichst allen Schichten,
die Institutionalisierung von Regeln der Konfliktaustragung, die den Kontrahenten (insbesondere den Arbeitsmarktparteien) die freie Artikulation ihrer Interessen unter Ausnutzung vorhandener Machtspielräume lassen und gerade dadurch zu Kompromissen führen.
Die soziologische Theorie ist sich – wie in vielen Punkten – so auch in diesem uneinig. Wie werden Gesellschaften eigentlich integriert? Nur wenige teilen die Sicht der Systemtheoretiker (Niklas Luhmann), die das Problem wegdefinieren. |13|Viele dagegen wie Strukturfunktionalisten (Talcott Parsons) und Kommunitaristen (Etzioni, Bellah 1987) verweisen auf die unverzichtbare Integrationskraft gemeinsamer Werte. Die Konflikttheoretiker (Simmel, Coser, Dahrendorf) argumentieren, es seien die Konflikte – oder vielmehr erfolgreiche Konfliktaustragungsregeln – die die modernen Gesellschaften zusammenschweißen. Moderne Gesellschaften würden den Wertekonsens traditioneller Gesellschaften verlieren. Es komme zu einer Pluralisierung von Lebensentwürfen und Werten. Interessen prallen aufeinander. Gesucht werden rationale Konfliktaustragungsmodelle, wie z.B. Tarifverhandlungen, die Kompromisse und die ökonomische Teilhabe aller begünstigen (Hirschman 1994).
Viele Ökonomen und andere rational choice-Theoretiker sehen den »Kitt« moderner Gesellschaften in einer angemessenen materiellen Teilhabe aller Menschen am Sozialprodukt verbunden mit möglichst freier individueller Gestaltung des Lebensentwurfs.
Wie dem auch sei: Der Sozialstaat unterstützt dies alles. Er sichert ein modernes Wertesystem der gegenseitigen Verantwortung und Solidarität, indem er innovative Formen und Institutionen solidarischen Handelns in der Massengesellschaft kreiert. Er garantiert zumeist mehr als ein kulturelles Existenzminimum (materielle Teilhabe). Die sozialstaatlich verfasste Gesellschaft hat Institutionen zur Konfliktlösung entwickelt, die schon über Jahrzehnte erfolgreich den Interessenausgleich ermöglichen. Jede Verhandlung, die mit Kompromissen endet, bei der die Betroffenen ihre Interessen gewahrt sehen, stützt das Vertrauen in die Sozialordnung, aber auch an die eigene Kraft und stärkt damit das Selbstwertgefühl der Bürger.
Wir glauben, dass der Sozialstaat als Konfliktregulierungsmodell am erfolgreichsten wirkt. Sozialleistungen für Arme in Form der Sozialhilfe entbehren dieser direkten Teilhabe der Betroffenen. Wie hoch die Hilfe auch sein mag, sie ist fremdbestimmt und damit »entfremdend«. Die Betroffenen fühlen sich nicht als gleichwertige Partner, die selbstbewusst auf ihre Leistung pochen können. Da der deutsche Sozialstaat − wie noch zu zeigen ist − vorrangig auf Hilfe zur Selbsthilfe unter anderem in Sozialversicherungen setzt, ist der Freiheitsspielraum der Bürger nicht über Gebühr eingeschränkt. Der Sozialstaat ist ordnungspolitisch eingebunden in das Leitbild der sozialen Marktwirtschaft und die vergleichende Analyse zeigt, dass der Weg in den Versorgungsstaat weitgehend vermieden werden konnte. Zu diesem Schluss kommen auch kritische Betrachter aus ordoliberalen Kreisen (Zohlnhöfer 1992).
Die Besorgnis der Kritiker ist dennoch ernst zu nehmen. Natürlich liegt im Sozialstaatsgedanken auch die Gefahr zur Übersteigerung, zur Überversorgung und zur einlullenden Entmündigung der Betreuten. Als Beispiel können die aktuellen Forderungen nach dem Ausbau eines alimentierenden Grundsicherungssystems für jeden Bürger dienen. Um dem zu begegnen, ist die soziale |14|Marktwirtschaft als Gesamtordnung weiterzuentwickeln, bei der ökonomische und soziale Teilordnung so gut wie möglich aufeinander abzustimmen sind. Keine dieser Teilordnungen kann für sich die Priorität beanspruchen. Dass dies leicht gefordert, nur unter Mühen konkret entwickelt und noch schwerer politisch umzusetzen ist, wird dem Leser im Laufe der weiteren Lektüre deutlich werden. Ein naiver, manchmal tragischer Fehlschluss ist der von der guten Absicht auf das gute Ergebnis. Gerade in der Sozialpolitik ist dieser Fehlschluss an der Tagesordnung. Nicht genug kann vor der Annahme gewarnt werden, dass gut gemeinte soziale Wohltaten auch immer etwas Gutes anrichten. Aufgabe der Theorie der Sozialpolitik ist deshalb primär die Wirkungsanalyse sozialpolitischer Eingriffe und ihrer Nebenwirkungen.
Problem nicht nur des deutschen Sozialstaats ist die Abhängigkeit von der Arbeitsgesellschaft und ihren Wandlungen. Wir beobachten eine Reihe von Entwicklungen, die gerne als Megatrends bezeichnet werden, um genügend Aufmerksamkeit zu erheischen. Dies ist auch angebracht, hängt doch vieles davon ab, die Zeichen der Zeit zu erkennen, um angemessene Sozialreformen vorzubereiten. Auf folgende fünf Megatrends soll kurz eingegangen werden:
Ob Globalisierung zur Weltökonomie oder Blockbildung der Triaden: Der Wettbewerbsdruck hält an und führt zu ständig steigender Arbeitsproduktivität.
Der Wandel zur Dienstleistungs- und Do it yourself-Ökonomie geht kontinuierlich voran.
Die demographische Entwicklung droht zu einer Zeitbombe für die Sozialordnung zu werden.
Der gesellschaftliche Individualisierungsprozess (Emanzipation der Frau, nachlassende Selbsthilfekraft der Familien, steigende Mobilität) schreitet voran (Beck 1986).
Der Migrationsdruck aus den unterentwickelten Regionen der Welt in die Zentren nimmt zu.
Diese Entwicklungen werden den Sozialstaat erheblich belasten und, wenn notwendige Reformen ausbleiben, in seinen Grundfesten erschüttern. Einzeln betrachtet, bringen sie sowohl Belastungen als auch Entlastungen mit sich. So führt die steigende Produktivität bei sich abschwächender Nachfrage zu Arbeitsplatzverlusten im Industriesektor, schafft aber gleichzeitig über steigende Einkommen bei den Beschäftigten Reserven zur Schulterung steigender Sozialabgaben|15|. Das setzt Wachstum voraus. Die in der Industrie verloren gehenden Arbeitsplätze müssen im Dienstleistungssektor neu geschaffen werden. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte lautet: Um dies zu erreichen, müssen die Löhne nach neoliberaler Theorie dort sinken. Dies bedeutet wiederum eine schlechte Botschaft für die Alten. Die Alterslast wird von schlecht entlohnten Dienstleistern nur schwer zu schultern sein. Andererseits hat der demographische Trend wieder etwas Gutes. Weniger Jugendliche brauchen weniger Lehr und Arbeitsstellen, so dass die Arbeitslosigkeit auf lange Sicht auch bei geringerem Wachstum sinken könnte.
Der Migrationsdruck birgt die Gefahr der weiteren Polarisierung der Gesellschaft wie in den USA, wenn Arbeitsmigranten die Löhne der schlecht qualifizierten Einheimischen weiter nach unten drücken. Positiv könnte die Migration in der Vorstellung mancher Sozialpolitiker durch eine selektive Einwanderungspolitik ausgenutzt werden, um die sinkende Erwerbsquote zu stützen und qualifizierte Arbeitskräfte ins Land zu lassen, die die Rentenlast tragen helfen.
Darüber hinaus stellt der soziale Wandel, den die Soziologen als Prozess der Individualisierung beschreiben, eine neue Herausforderung für den Sozialstaat dar. Dieser basiert nicht allein auf dem Normalarbeitsverhältnis des Mannes oder heute vielfach auch der Frauen, sondern auch auf dem Vertrauen in die Selbsthilfekraft der Familien. Die letztere Grundlage geht für immer mehr Menschen verloren. Ob sich eine neue Kultur des Helfens in Nachbarschaften und Selbsthilfegruppen entwickeln wird, wie manche hoffen (Iben 1995), ist doch eher fraglich.
Die größte Sorge macht den Menschen heute der Prozess der Globalisierung, der nicht nur Arbeitsplätze in lohnintensiven Branchen gefährdet, sondern auch zu einer internationalen Konkurrenz der Sozial- und Wirtschaftsordnungen führen und zu einem Abbau sozialstaatlicher Leistungen in Deutschland zwingen könnte. Andererseits kann die deutsche Industrie durch die Öffnung der Weltmärkte mit ihrer hochproduktiven Fertigung und ihren qualitativen Standards offensichtlich Konkurrenzvorteile ausspielen, hohe Exportüberschüsse erzielen und damit Arbeitsplätze im Inland für gut qualifizierte Arbeitnehmer sichern.
In der weiteren Darstellung werden die hier angesprochenen Trends in ihren Auswirkungen auf die einzelnen Institutionen der Sozialordnung genauer analysiert und in den Kapiteln 16 und 17 noch einmal im Licht der neuen Kenntnisse über die deutsche Sozialordnung abschließend diskutiert.
Will man den Kernbereich und die Grundlagen einer Sozialordnung skizzieren, empfiehlt es sich, nach den kennzeichnenden Strukturen (Determinanten) zu forschen. Hierbei ist die Versuchung groß, sich auf einige wenige Determinanten oder im Extremfall sogar auf eine einzige zu beschränken, weil dies dem Ideal der Einfachheit entspräche. So wurde als das hauptsächlich determinierende Prinzip der kapitalistischen Sozialordnung das Privateigentum an Produktionsmitteln angesehen. So wichtig auch heute noch diese Frage ist, als weitere Determinanten sind in jedem Fall zu berücksichtigen:
die Eigenvorsorge
die Gestaltung der Arbeitsbeziehungen
das System der sozialen Sicherung
das Aus- und Fortbildungssystem
Wir müssen den mit dem Wort Sozialordnung bezeichneten Begriff noch weiter erläutern. Wenn wir von Sozialordnung sprechen, haben wir es zunächst mit Normen, also mit Vorschriften und Verhaltensregelungen zu tun. Häufig sind es Gesetzesnormen, mit denen Pflichten und Rechte der Bürger festgelegt werden. Es ist in der Regel das Geschäft der Juristen, sich mit diesen Normen auseinanderzusetzen, sie auszulegen und anzuwenden. Der Sozialpolitiker muss zwar auch die Gesetze kennen – also das Sozialrecht, das Arbeitsrecht, das Tarifvertragsrecht, das Mitbestimmungsrecht, das Unternehmensrecht –, aber er darf sich nicht auf die bloße Gesetzeskenntnis beschränken. Einmal kann das tatsächliche Verhalten der Bürger von den Rechtsnormen abweichen, zum anderen wird durch Gesetze nicht das gesamte Verhalten der Gesellschaftsmitglieder normiert. Zur Verdeutlichung können wir das Beispiel der Krankenversicherung anführen. Sie basiert auf gesetzlichen Grundlagen (vor allem: Sozialgesetzbuch (SGB Buch V), die Rechte und Pflichten der Mitglieder, Organisationsstruktur der Krankenkassen, Finanzierung usw. festlegt. Aber nur ein Teil der tatsächlich im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung existierenden und praktizierten Beziehungen ist abschließend gesetzlich geregelt. Es bilden sich mit der Zeit Verhaltensweisen der Versicherten, der Ärzte und anderer Gruppen heraus, die von den Erwartungen der anderen handelnden Bezugspersonen abhängen und damit ebenfalls verhaltensbeeinflussende Kraft gewinnen. Darüber hinaus werden Spielräume gesellschaftlichen Handelns von den Betroffenen erkannt und zur Erreichung persönlicher Ziele wie auch von Gruppenzielen genutzt. Dieses gesamte Leistungs- und Beziehungsgeflecht bildet als das Gesundheitssystem einen Teil unserer Sozialordnung.
Wir müssen uns weiterhin immer bewusst bleiben, dass die Sozialordnung kein statisches, unveränderliches System ist. Ihre Beschreibung als eine Momentaufnahme |17|im historischen Prozess wird unvollständig und auch unverständlich bleiben, wenn nicht ihre Entstehungsgeschichte und ihre Entwicklungstendenzen mitbetrachtet und ihre Entwicklungsperspektiven mitbedacht werden. Zugleich haben wir es auch immer mit der Entwicklung von Institutionen zu tun, und insofern haben wir uns mit der Geschichte dieser Institutionen zu befassen. Der Sozialpolitiker ist hier auf die Hilfe des Sozial- und Wirtschaftshistorikers angewiesen. Wir haben deshalb auch der systematischen Darstellung der Sozialordnung der Bundesrepublik ein Kapitel über »Die geschichtliche Entwicklung der Sozialordnung« vorangestellt.
Wie sich die Sozialordnung entwickelt hat, wie sie sich künftig entwickeln wird und wie sie überhaupt funktioniert, sind Fragen, die nur auf der Grundlage von sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Theorien beantwortet werden können. Wir werden auf die wichtigsten Erklärungsansätze eingehen. Schon die bloße Auswahl und Darstellung von Fakten zur Sozialordnung geschieht im Lichte von Theorien. Jede Argumentation basiert auf einem bestimmten theoretischen Vorverständnis und Hintergrundwissen, über das man sich immer wieder Klarheit verschaffen muss. Gerade wenn wir über eine Verbesserung unserer Sozialordnung nachdenken, wenn wir z.B. die Sozialpolitik nicht wie in der Vergangenheit oft als nachträglichen Korrekturmechanismus von Missständen gestalten wollen, die ihre Ursache im ökonomischen System haben, sind wir darauf angewiesen, die Fortentwicklung unserer Sozial- und Wirtschaftstheorie zu verarbeiten.
Nun ist die Fortentwicklung der Sozialordnung nicht nur Sache sozialwissenschaftlicher Kausaltheorien und nicht nur eine Frage des Streits über den richtigen Einsatz der Instrumente zur Erreichung sozialpolitischer Ziele. Die Ziele selbst und die normativen, ethischen und weltanschaulichen Grundlagen sind ebenso kontrovers. Je nach sozialer Stellung, politischer Anschauung und persönlicher Bewertung werden Probleme der Sozialordnung und Sozialpolitik unterschiedlich gesehen und Vorschläge unterbreitet. Die Diskussion um die »angemessene« Sozialordnung lässt sich deshalb nur kritisch analysieren, wenn die jeweiligen Wertpositionen möglichst offen gelegt und damit der Kritik ausgesetzt werden.
Theoretische und praktische Sozialpolitik war und ist von diesem gesellschaftspolitischen Vorverständnis her immer zugleich Kritik an bestehenden gesellschaftlichen Missständen und Ungerechtigkeiten und der Versuch, bessere Lösungen im Sinne der schwächeren und benachteiligten Gruppen aufzuzeigen und zu verwirklichen. Die bestehende Sozialordnung ist daher immer als vorläufig und verbesserungswürdig anzusehen. Sozialpolitik ist der permanente Versuch der Verbesserung der Sozialordnung und setzt die Reformfähigkeit der Wirtschaftsgesellschaft voraus. Das kann in kleinen Schritten geschehen, indem etwa bestehende Sozialgesetze verändert und novelliert werden. Werden Institutionen |18|neu geschaffen oder grundlegend verändert, spricht man auch von einer Sozialreform.
Wenn sich der Ökonom mit Verteilungsfragen beschäftigt, denkt er zunächst einmal an die Verteilung von Geldeinkommen. Wie haben sich die Unternehmereinkommen (Gewinne und Vermögenseinkünfte) und wie haben sich die Arbeitnehmereinkommen (Löhne und Gehälter) entwickelt? Wie ist das volkswirtschaftliche Vermögen verteilt? So wichtig die Antworten auf diese zentralen ökonomischen Verteilungsfragen sind, in jeder Gesellschaft wird mehr verteilt als nur Geldeinkommen und Vermögen.
Verteilt werden Lebenslagen! Nach diesem schon klassisch gewordenen Wort des Sozialpolitikers Gerhard Weisser (1978) wird die Lebenslage der Gesellschaftsmitglieder nicht nur durch die Verteilung von Geldeinkommen, die Lebenslage der Arbeitnehmer also nicht nur durch ihr Lohneinkommen bestimmt. In jeder Gesellschaftsordnung werden auch Chancen, Risiken und Macht verteilt. Die Lebenslage eines Menschen als Spielraum für die Befriedigung seiner Bedürfnisse hängt nicht allein von seiner Ausstattung mit materiellen Gütern, also nicht allein von seinem Einkommen und Vermögen ab. Ingeborg Nahnsen (1975, S. 150) in der Nachfolge von Gerhard Weisser unterscheidet fünf Spielräume der Lebenslage:
Versorgungs- und Einkommensspielraum
Kontakt- und Kooperationsspielraum
Lern- und Erfahrungsspielraum
Regenerations- und Mußespielraum
Dispositions- und Entscheidungsspielraum
Diese persönlichen Freiheitsspielräume, die Selbst- und Mitbestimmung in existentiellen Fragen des eigenen Lebens, die soziale Absicherung gegen die Wechselfälle des Lebens, die befriedigende Stellung im Beruf, Bildungschancen, kulturelle und politische Teilhabe und nicht zuletzt die Intensität und Vielgestaltigkeit der sozialen Kontakte im Familien- und Freundeskreis sind sicher wesentliche menschliche Bedürfnisse, die nicht oder nur unbefriedigend mit Geld zu kaufen sind. Diese immateriellen Lebenslagemerkmale sind von der Sozialpolitik gleichrangig zu beachten. Wer in einem oder gar mehreren dieser Gestaltungsfelder zu sehr eingeschränkt ist, dessen Lebenslage kann so nachteilig geprägt sein, dass monetäre Ausgleichszahlungen dies nicht kompensieren können.
Welche Merkmale jeweils für die Charakterisierung einer Lebenslage relevant sind, darüber ist bei der Bearbeitung des anstehenden sozialpolitischen Problems zu entscheiden. Diese Auswahl hängt auch von den individuellen Interessen (Grundanliegen) des Einzelnen bei tiefer Selbstbesinnung auf die eigenen |19|Lebensziele und damit davon ab, was sie oder er als für den Sinn des Lebens bestimmend ansieht (Selbstbestimmungskriterium) (Andretta 1991, S. 51f.).
Eine am Lebenslagetheorem orientierte Sozialpolitik muss heute neben der Absicherung des in der Vergangenheit Erreichten vor allem die neuen, aus den sozialökonomischen Veränderungen geborenen Risiken und Mechanismen des sozialen Abstiegs gefährdeter Gruppen erkennen und Hilfen zur Selbsthilfe entwickeln.
Schon bei diesen ersten Strichen zu einer Skizze des Lebenslagekonzepts wird deutlich, dass es anspruchsvoll und schwierig zu handhaben ist. Es ist jeweils das Problem der Auswahl der Lebenslagemerkmale zu lösen, und nicht alles lässt sich quantifizieren und in Geldeinheiten ausdrücken. Diese Schwierigkeiten können aber nicht das Lebenslagekonzept insgesamt in Frage stellen. Wenn wir im Zusammenhang mit der Diskussion der Sozialordnung der Bundesrepublik diesen Ansatz für analytisch fruchtbar halten, haben wir das Problem der Auswahl der ordnungspolitisch relevanten Lebenslagemerkmale zu lösen. Ausgehend von den zuvor entwickelten Determinanten unserer Sozialordnung, lässt sich die folgende Matrix aufstellen.
Tabelle 1.1: Sozialordnung und Lebenslagen
»Die soziale Frage ist an sich so alt und weit verbreitet als die Verschiedenheit der Erwerbsverhältnisse ihren Ausdruck in dem Gegensatz von Reich und Arm gefunden, gleichviel in welchen Symptomen sie zu Tage trat« (Contzen 1877).
Nach diesem Verständnis erwächst die Soziale Frage aus der wirtschaftlich begründeten Ungleichheit schicht- und klassenspezifischer, aber auch individueller Lebenslagen. So umfassend verstanden ist sie in allen Gesellschaften, in denen merkliche Lebenslageunterschiede existieren, latent angelegt und wird dann manifest, wenn die vorhandene Ungleichheit von den Benachteiligten wahrgenommen, als ungerecht empfunden und in politische Forderungen umgesetzt wird. Damit löst sich die Soziale Frage in ein Bündel sozialer Fragen und Probleme auf.
Daneben existiert aber noch ein engerer Begriff, der ein genau abgrenzbares historisches Phänomen bezeichnet: die Soziale Frage als die Arbeiterfrage des Früh- und Hochkapitalismus. Die gesellschaftliche Dynamik des Industrialisierungsprozesses und die Proletarisierung breiter Bevölkerungsschichten brachten soziale Probleme in einem Ausmaß hervor, die es durchaus rechtfertigten, die Soziale Frage während dieser Epoche mit der Arbeiterfrage gleichzusetzen.
Zur Charakterisierung und Hervorhebung des Außergewöhnlichen der totalen Umgestaltung der grundlegenden wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse in Europa des späten 18. und frühen 19. Jahrhunderts eignet sich die Bezeichnung Doppelrevolution. Die beiden großen bewegenden Ereignisse dieser Epoche, auf die mit diesem Begriff abgestellt wird, sind die industrielle Revolution und die bürgerliche politische Revolution. Während die von England ihren Ausgang nehmende industrielle Revolution auf der Grundlage wissenschaftlich-technischer Neuerungen der Produktionsverfahren zu vollkommen neuen Formen des Wirtschaftens in der Produktionssphäre (fortschreitende Arbeitsteilung, Manufaktur, Maschinen als Produktionsmittel, Kapital als Produktionsfaktor) fortschritt, setzte die Französische (politische) Revolution vor allem mit der Umwälzung der herrschenden Ideen und politischen Institutionen die Gestaltungsvorstellungen des Besitzbürgertums als gesellschaftliche |21|Maxime durch. Die Trennung von Staat und Gesellschaft, die Einführung der Vertrags- und Gewerbefreiheit oder auch der Abbau ständischfeudaler Herrschafts-Knechtschafts-Beziehungen führten zu neuen wirtschaftlichen Verkehrsformen (Wettbewerbsmärkte, ausgebildete Geldwirtschaft, Ablösung des Naturaltausches und der Selbstversorgung, Gewinnorientierung statt Bedarfsdeckung als unternehmerische Maxime, Akkumulation und Investitionen von Gewinnen statt Konsum, »freier« Arbeitsvertrag anstelle personaler Abhängigkeiten), die zusammen mit den genannten Veränderungen im Produktionsbereich eine ungeahnte ökonomische und gesellschaftliche Dynamik entfalteten.
Tabelle 2.1: Charakteristika der Doppelrevolution
Nicht zu unterschätzen ist neben den Einflüssen der Aufklärung und der Säkularisierung vor allem die von Adam Smith (1776) eingeleitete Neuschöpfung der wissenschaftlichen Nationalökonomie, die die bürgerlich-liberalen Vorstellungen einer Wirtschaftsgesellschaft präzisierte und zugleich zu politisch verwertbaren Handlungsanleitungen und zur Rechtfertigung des Systems dienen konnte. Unter den institutionellen Bedingungen der freien Konkurrenz werden die Produzenten in Verfolgung ihrer eigennützigen Interessen das Gemeinwohl |22|aufs Beste fördern. Die unsichtbare Hand des Wettbewerbs sorgt dafür, dass nur derjenige Unternehmer Gewinne macht, der preiswerte, qualitativ hochwertige und von den Verbrauchern tatsächlich gewünschte Produkte anbietet. Adam Smith drückt das prägnant in seinem die liberale Ökonomie begründenden Werk »Wealth of Nations« (1776) aus:
»Nicht vom Wohlwollen des Fleischers, Brauers oder Bäckers erwarten wir unsere Mahlzeit, sondern von ihrer Bedachtnahme auf ihr eigenes Interesse. Wir … sprechen ihnen nie von unseren Bedürfnissen, sondern ihren Vorteilen.«
Die sozialen Probleme dieser Epoche der Frühindustrialisierung resultieren aus einem Bündel zusammenwirkender, sich gegenseitig verstärkender sozialer Veränderungen, die durch die Doppelrevolution in Gang gesetzt wurden. Betrachten wir etwas genauer die Entwicklung in Preußen, die beispielhaft die sozioökonomischen Veränderungen in Deutschland widerspiegelt. An erster Stelle ist hier die so genannte Bauernbefreiung (Teil der Stein-Hardenbergschen-Reformen) zu nennen. Die Ersetzung der Feudalbande, der Erbuntertänigkeit und Frondienste durch materielle, kapitalisierte Schuldverpflichtungen der Bauern gegenüber ihrer früheren Guts- und Grundherrschaft führte faktisch zu einer Verelendung großer Teile der Landbevölkerung, die durch die etwa gleichzeitig einsetzende Bevölkerungsvermehrung, ausgelöst vor allem durch die verbesserte Ernährungssituation aufgrund neuer Grundnahrungsmittel (Rüben, Kartoffeln) und durch Produktivitätsfortschritte in der Landwirtschaft, verschärft wurde. Diese so genannte Pauperisierung der Landbevölkerung wurde von den Großgrundbesitzern zu dem berüchtigten »Bauernlegen«, dem Ankauf der Höfe der ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommenden Bauern, ausgenutzt. Damit waren wachsende Teile der Landbevölkerung in Preußen entwurzelt, verarmt und allein auf den Verkauf ihrer Arbeitskraft angewiesen.
Im Falle Englands allerdings stützen neuere wirtschaftshistorische Forschungen die heute weit verbreitete Marxsche These einer massiven Verelendung und Vertreibung des Landvolkes in der ersten industriellen Expansionsphase nicht. In Anwendung der nachfrageorientierten Theorie von John Maynard Keynes (1936), ist zu fragen, woher die notwendige Kaufkraft und die Absatzmärkte für die steigende Produktion stammten. Landes (1973) kommt zu dem Ergebnis, dass in England im Gegensatz zum Kontinent im 18. Jahrhundert ein deutlich höheres Pro-Kopf-Einkommen erzielt wurde und auch die Lohnentwicklung in etwa mit der Produktivität mithielt. Es entstand somit ein aufnahmefähiger Binnenmarkt. Der Beitrag der Exportmärkte wird in dieser Phase – im Gegensatz zur Einschätzung von Hobsbawm (1969) – als weniger bedeutsam beurteilt. Die Landvertreibung, Konzentration der Industrie in den Städten, Verelendung und Abkoppelung der Lohnentwicklung vom Produktivitätswachstum setzte erst im 19. Jahrhundert ein, nachdem England als führendes Industrieland weltweit Exportvorteile nutzen konnte, die es teilweise militärpolitisch |23|durchsetzte. Bei der Auswertung der historischen Entwicklungsmodelle zeigt sich immer wieder, dass eine Bedingung erfüllt sein muss. Die Entwicklung der Massenkaufkraft, d.h. faktisch der Löhne, muss mit dem Wachstum der Produktivität einhergehen, um langfristig ein sich selbst tragendes Wachstum zu sichern. Dies ist nicht von vornherein sichergestellt, wie auch heute noch der (Neo-)Liberalismus mit Hinweis auf das Theorem von Jean Baptiste Say unterstellt. Es bedarf zumeist starker Gewerkschaften und einer staatlichen Sozialpolitik, um Löhne und Sozialtransfers parallel zur Produktivitätsentwicklung anzuheben und somit die Massenkaufkraft auf dem Binnenmarkt zu sichern.
Die frühen sozialen Bindungen im Feudalsystem und vor allem in der bäuerlichen Hauswirtschaft boten dem Mitglied dieser Gemeinschaft einen gewissen Schutz gegen die immer vorhandenen Lebensrisiken wie Unfall, Krankheit und Alter. Die Selbstversorgung der bäuerlichen Familie mit den wichtigsten Gütern zum Lebensunterhalt, die Beteiligung aller an der gemeinsamen Leistungserbringung ermöglichte es, den zeitweisen Ausfall der Arbeitskraft einzelner Mitglieder gemeinsam zu überbrücken, die Alten im engeren sozialen Verbund abzusichern und zeitweise von der vollen Mitarbeit freizustellen.
Allerdings wird die lange Zeit ungeprüft akzeptierte These von der überragenden Bedeutung des Sozialverbandes »Großfamilie« heute von den Sozialhistorikern stark relativiert (Laslett 1971). Angesichts der kurzen Lebenszeiten war die Mehrgenerationenfamilie eine Seltenheit. Es gab im vorindustriellen Europa eine Vielfalt von Familienformen und viele Personen, die nicht durch derartige Bindungen geschützt waren (Mitterauer/Siedler 1980). Von besonderer Bedeutung war die »Große Haushaltsfamilie«, in der neben Blutsverwandten auch andere Personen (Mägde, Knechte, Gesellen) integriert waren.
Unter den veränderten Umständen und neuen Bedingungen des gesellschaftlichen Umfeldes wurde die Abdeckung der Lebensrisiken zum öffentlichen Problem – zu einer eigentlich »sozialen« Frage, die nur in größeren Selbsthilfegruppen und/oder durch staatliche Eingriffe zu lösen war. Der wachsende Teil der Bevölkerung, der auf den Verkauf seiner Arbeitskraft angewiesen war, bildete für die in Preußen nur zögernd sich entwickelnde Industrie ein zunächst unerschöpfliches Reservoir an billigen Arbeitskräften. Tatsächlich setzte in Preußen wie auch in den übrigen Teilen Deutschlands die eigentlich stürmische Phase der Industrialisierung erst Mitte des 19. Jahrhunderts ein, angeregt auch durch staatliche investive Vorleistungen, eine Verbesserung des Geldwesens und der Verkehrswege (Chaussee- und Eisenbahnbau). Auf die eigentlichen Gründe dieses zögerlichen Beginns der Industrialisierung kann hier nur hingewiesen werden: staatliche Zersplitterung, späte Gründung des deutschen Zollvereins (1834) und damit Herstellung eines Freihandelsraums über das Territorium des deutschen Bundes, verzögerte Aufklärung und Emanzipation |24|des deutschen Bürgertums von absolutistisch-monarchischer Bevormundung.
Neben und im Zusammenhang mit dem Überangebot an Arbeitskräften durch den beschriebenen Pauperisierungsprozess der Landbevölkerung traten weitere strukturelle Mängel des sich entwickelnden Arbeitsmarktes, die zu einer Zuspitzung der Arbeiterfrage im Frühkapitalismus beitrugen. Staatliche Koalitionsverbote behinderten und verhinderten zum Teil die ohnehin schwierigen Bemühungen von Arbeitern, sich zu organisieren und der »originären« Monopolstellung der Unternehmer auf dem Arbeitsmarkt eine Gegenmacht entgegenzusetzen. Der frühkapitalistische Arbeitsmarkt versagte auch, weil Lohnsenkungen nicht zu einer Verringerung des Arbeitsangebots und damit zur Verknappung führten, die die Unternehmer zu Lohnzugeständnissen hätte zwingen können. Im Gegenteil: um das Notwendigste zum Leben zu verdienen, mussten auch Frauen und Kinder zunehmend ihre Arbeitskraft billig anbieten. Die industrielle Reservearmee wurde dadurch noch erhöht. Die Vermögenslosigkeit der Arbeiter zwang sie zur ununterbrochenen Verwertung ihrer Arbeitskraft auch unter widrigsten Lohn- und Arbeitsbedingungen. Ähnliche Marktbedingungen sind heute auf den Arbeitsmärkten der Dritten Welt häufig anzutreffen. Auch von der Nachfrageseite des Arbeitsmarktes (Unternehmensseite) gingen Tendenzen aus, die einen zügigen Abbau der Arbeitslosigkeit bei fortschreitender Industrialisierung und wachsender Produktion verhinderten: Extensive Ausnutzung der Arbeitskräfte in den Unternehmen durch Verlängerung des Arbeitstages und nicht zuletzt die Freisetzungseffekte zunehmender Arbeitsteilung und Produktivität durch kapitalintensivere (bessere Maschinen) Produktionsverfahren.
Diese und weitere in der ersten, der extensiven Phase der Industrialisierung zusammentreffenden Faktoren ließen den Lohn der Industriearbeiter auf das physische Existenzminimum, auf das gerade zum Überleben und zur Reproduktion der Arbeitskraft Notwendige herabsinken. Dass die Ausbeutung der Arbeiter nicht zu allererst auf einen Verfall ethischer Grundsätze bei den Unternehmern zurückzuführen sondern systembedingt war, mit anderen Worten: der Wettbewerb auf den Märkten die Unternehmer zu dauernden Kosteneinsparungen zur Verteidigung ihrer Gewinnspanne, weiterhin zu Akkumulation, d.h. Wiederanlage (Investition) dieser Gewinne im Unternehmen zwang, ist nicht zuletzt der theoretischen Analyse von Karl Marx zu entnehmen. Die periodisch hereinbrechenden Konjunkturabschwünge und ökonomischen Krisen, deren Ursachen u.a. in der mangelnden Massenkaufkraft aufgrund der ungleichen Einkommensverteilung sowie in Überinvestitionsphänomenen und Absatzstockungen zu sehen sind, verschärften die soziale Lage der neu entstehenden Arbeiterklasse, des Proletariats, ins Unerträgliche. Dass auch viele Unternehmer ihre Verantwortung den Arbeitern gegenüber ernst nahmen, sei es in patriarchalischer Tradition |25|(Krupp) oder in schon sozialpartnerschaftlicher Verbundenheit (Abbe), soll hier nicht unterschlagen werden.
Tabelle 2.2: Ursachen der Verelendung der Arbeiterschaft im Frühkapitalismus
Eine Hebung des allgemeinen Lebenslageniveaus konnte allenfalls langfristig über ein wachsendes Sozialprodukt (Volkseinkommen) pro Kopf erwartet werden. Pessimistische Prognosen etwa von Robert Malthus (Bevölkerungsgesetz) und Ferdinand Lassalle (Ehernes Lohngesetz) schienen angesichts des immensen Bevölkerungswachstums und der zurückhinkenden Entwicklung von Produktion und Produktivität (durchschnittliche Produktion pro Arbeitsstunde) zunächst recht zu behalten und staatliche Einflussnahmen und Versuche der Arbeiterschaft zur Selbsthilfe von vornherein zum Scheitern zu verurteilen. Auch der in dieser Zeit sich langsam formierenden sozialistischen Bewegung galt Sozialpolitik überwiegend als untaugliches Kurieren am Symptom.
Nach marxistischer Auffassung erwächst die Soziale Frage aus der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen in Klassengesellschaften. Damit geht es um die Gesetze der sozioökonomischen menschlichen Entwicklungsgeschichte schlechthin, die als eine dialektische Abfolge von Herrschafts-Knechtschafts-Beziehungen |26|und Klassenkämpfen interpretiert wird. Zu beantworten ist diese Frage nicht mit sozialpolitischen Reformen, sondern nur durch eine radikale revolutionäre Veränderung der Produktions- und Eigentumsverhältnisse, von der neben der Entfesselung der Produktivkräfte, die zu einem ungeahnten ökonomischen Wachstum führen soll, auch eine gerechte Verteilung der Lebenslagen erwartet wird.
Tatsächlich standen also die ersten zaghaften Versuche, sozialpolitische Korrekturen am marktwirtschaftlich-kapitalistischen System anzubringen, im Widerspruch zu den ausgebildeten wissenschaftlichen Theorien des Manchester-Liberalismus (des extremen wirtschaftspolitischen Liberalismus mit der Forderung nach völliger Freiheit der Wirtschaft) und des wissenschaftlichen Sozialismus. Die ersten Bemühungen, die Risiken der Industriearbeiterschaft aufzufangen und die Folgen des Risikoeintritts zu mildern, gehen dann auch nicht von staatlichen Institutionen aus, sondern erwachsen aus patriarchalischem oder auch humanitärem Gedankengut einzelner Unternehmer (in England etwa Robert Owen). Neben den Maßnahmen betrieblicher Sozialpolitik (Kranken- und Unfallversicherung, Pensionskassen) und der Armenhilfe kirchlicher Organisationen sind vor allem die Anstrengungen genossenschaftlicher Selbsthilfeeinrichtungen richtungweisend.
Während in England und Frankreich die ersten staatlichen Schutzbestimmungen – Arbeitszeitbegrenzungen zunächst für Kinder und Jugendliche – unter dem Druck einer sich trotz wiederholter Rückschläge langsam formierenden Arbeiterschaft (Chartisten in England) zustande kamen, waren es in Preußen, wo sich die Arbeiterbewegung erst später parallel mit der industriellen Aufschwungphase nach 1850 entwickelte, vor allem obrigkeitsstaatliche Erwägungen, die zum so genannten Preußischen Regulativ von 1839 führten. Hierbei gaben neben fürsorgerischem Denken vor allem wohl handfeste Interessen an der Erhaltung der Wehrtüchtigkeit der Arbeiterbevölkerung den eigentlichen Ausschlag. Diesem Anfang staatlicher Arbeiterschutzpolitik, der die krassesten Fälle der Ausbeutung von Kinderarbeit verhindern sollte, aber mangels Kontrollmöglichkeiten kaum Anwendung fand, folgten in den nächsten Jahrzehnten wenig weitere Aktivitäten.
Erwähnenswert ist immerhin die Preußische Gewerbeordnung von 1845 mit der Novellierung von 1859, die eine Öffnung der handwerklichen Hilfskassen und Versicherungseinrichtungen (Kranken-, Hilfs-, Sterbe- und Sparkassen) für die Industriearbeiter herbeiführte. Diese Hilfskassen, die sich aus mittelalterlichen Brüderbuchsen (Bergknappen) und Laden der Zünfte entwickelt hatten, wiesen eine Jahrhunderte lange Tradition auf. Mit der Verpflichtung der Unternehmer zur anteilsmäßigen Mitfinanzierung der Kosten, des Rechts auf Selbstverwaltung und der Möglichkeit, die freiwillige Mitgliedschaft durch behördliche |27|Anordnung verpflichtend zu machen, wurden hier schon wesentliche Gestaltungsprinzipien der späteren Bismarckschen Sozialversicherungspolitik erprobt.
Auf der anderen Seite verlängerte die Gewerbeordnung, getreu der liberalen Maxime, keine Wettbewerbsbeschränkungen zuzulassen, das Koalitionsverbot stellte Arbeitsniederlegungen und Streikaktivitäten unter Strafe und verhinderte damit weitgehend die gewerkschaftliche Organisierung der Arbeiter. Politische Aktivitäten sollten die nach der März-Revolution von 1848 verhängten gesetzlichen Einschränkungen des Vereins-, Demonstrations- und Versammlungsrechts unterbinden. Auch die Aufhebung des Koalitionsverbots und damit die Schaffung des formalen Rechts auf lokalen gewerkschaftlichen Zusammenschluss (überregionale Zusammenschlüsse blieben verboten) in der Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes (1869) und des neu gegründeten Deutschen Reiches (1871) bedeutete noch lange nicht das Ende staatlicher Behinderung gewerkschaftlicher Aktivität, insbesondere von Arbeitskampfmaßnahmen.
In der ersten Phase industrieller Entwicklung in Preußen standen die sozialpolitischen Aktivitäten unter dem Primat liberaler Wirtschaftspolitik und blieben deshalb sehr bescheiden. Anders ist die folgende Phase deutscher Sozialpolitik unter Bismarck zu beurteilen. Um den staatlichen Einfluss auf Wirtschaft und Gesellschaft in Deutschland zu erhalten und auszubauen und so Macht und Einfluss des Reiches nach innen gegenüber den Bundesstaaten und den gesellschaftlichen Gruppen und nach außen gegenüber den europäischen Staaten zu festigen, war es oberste Maxime seiner Politik, Krisen und oppositionelle Entwicklungen im Inneren zu unterbinden. Neben der Zurückdrängung liberalen Einflusses und bürgerlicher Staatsauffassung (Fortschrittspartei) galt es vor allem, die durch die Industrialisierungswelle nach 1850 stark anwachsende Arbeiterschaft zu befrieden und in die angestrebte hierarchische Gesellschaftsordnung zu integrieren. Nach der Vereinigung der beiden deutschen Arbeiterparteien – des von Ferdinand Lassalle 1863 begründeten Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) und der von Bebel und Liebknecht geführten Sozialdemokratischen Arbeiterpartei – in Gotha im Jahre 1875 zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (ab 1890: Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)) und ihren ersten Erfolgen bei den Reichtagswahlen wurde die Neutralisierung der wachsenden politischen Bedeutung der Arbeiterbewegung zum vorrangigen innenpolitischen Problem. Die Bismarcksche Doppelstrategie – »mit Zuckerbrot und Peitsche«, Sozialversicherungspolitik und Sozialistengesetz –, dieser Gefährdung Herr zu werden, erwies sich letztlich als ein Misserfolg.
|28|Das Verbot sozialistischer Parteien, Vereine, Versammlungen und Schriften durch das Sozialistengesetz von 1878 (aufgehoben erst im Jahre 1890) konnte trotz Verfolgung und hoher Strafen durch eine erfolgreiche Politik der Sozialdemokratischen Partei aus dem Untergrund aufgefangen werden. Auf der anderen Seite führte die Sozialversicherungspolitik – aus der heutigen Sicht zweifelsohne ein sozialpolitisches Jahrhundertwerk – zunächst kaum zur erhofften Integration und Versöhnung der Arbeiterschaft mit dem Staat. Die enge Verbindung beider Gesetzeswerke musste die Sozialversicherung in den Augen der Arbeiter von vornherein kompromittieren. In der berühmten Kaiserlichen Botschaft der Regierungserklärung von Bismarck 1881 wird die Sozialreform mit folgenden Worten angekündigt:
»Schon im Februar diesen Jahres haben Wir Unsere Überzeugung aussprechen lassen, dass die Heilung der sozialen Schäden nicht ausschließlich im Wege der Repression sozialdemokratischer Ausschreitungen, sondern gleichmäßig auf der positiven Förderung des Wohles der Arbeiter zu suchen sein werde. Wir halten es für Unsere Kaiserliche Pflicht, dem Reichstag diese Aufgabe von neuem ans Herz zu legen, und würden Wir mit um so größerer Befriedigung auf alle Erfolge, mit denen Gott Unsere Regierung sichtlich gesegnet hat, zurückblicken, wenn es uns gelänge, dereinst das Bewusstsein mitzunehmen, dem Vaterlande neue und dauernde Bürgschaften seines inneren Friedens und den Hilfsbedürftigen größere Sicherheit und Ergiebigkeit des Beistandes, auf den sie Anspruch haben, zu hinterlassen«.
Wesentliche Strukturelemente dieser neuen Sozialpolitik in den achtziger Jahren des vorletzten Jahrhunderts – 1883 Krankenversicherungsgesetz, 1884 Unfallversicherungsgesetz, 1889 Invaliden- und Altersversicherungsgesetz (Rentenversicherung) – sind noch erhalten und erweisen ihre Funktionsfähigkeit auch unter den heutigen veränderten Bedingungen. Es handelt sich dabei vor allem um das Sozialversicherungsprinzip, eine Mischung aus dem Versicherungsprinzip und dem Solidarprinzip, das Zwangsprinzip einer Pflichtversicherung, das Prinzip des Rechtsanspruchs auf Leistungen (keine Bedürftigkeitsprüfung, kein Nachrang), das Selbstverwaltungsprinzip und das gegliederte System (keine Einheitsversicherung). Heute kommen weitere wichtige Elemente hinzu.
Die Versicherungspflicht war zunächst auf die Industriearbeiter beschränkt. Finanziert wurde das System vor allem über Beiträge der versicherten Arbeiter und/oder ihrer Arbeitgeber. (Staatszuschuss bei der Rentenversicherung.) Dieser Ansatz, die Lebensrisiken Alter, Krankheit, Unfall und Invalidität (zunächst nur: Erwerbsunfähigkeit) außerhalb der Betriebe in einer Versichertengemeinschaft aufzufangen, stellte einerseits eine wichtige Ergänzung der Arbeitsschutzpolitik dar, insofern hier auch Risikofaktoren, die nicht unmittelbar an den Arbeitsplatz geknüpft waren, einbezogen wurden. Zudem bot eine derartige Konstruktion die Möglichkeit, auch nicht erwerbstätige Familienmitglieder (Ehefrau, Kinder) mit in die Solidargemeinschaft aufzunehmen. Dieser Weg wurde dann auch in der Folgezeit beschritten. Andererseits vernachlässigt eine |29|derartige Regelung tendenziell die präventive, Risiken vermeidende und ausschaltende Perspektive.
Die Begründung der Sozialversicherung für Arbeiter, die als sozialreformerisches Großexperiment auch im Ausland keine Vorläufer ähnlichen Umfangs besaß, verstieß gegen die herrschenden ökonomischen Lehren des Liberalismus. Sie wurde in der deutschen ökonomischen Diskussion von einer Gruppe pragmatisch orientierter und sozial-konservativer Wissenschaftler – den von ihren Kritikern abschätzig titulierten Kathedersozialisten (u.a. Adolph Wagner, Gustav Schmoller) unterstützt, die in der Tradition der Historischen Schule der Nationalökonomie die kulturellen Besonderheiten jedes Volkes bei der Suche nach der passenden Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung betonten.
Die weitere Entwicklung der Sozialpolitik lässt sich als ein fortschreitender Prozess der Angliederung neuer Institutionen an den Kernbereich der Sozialen Sicherung und die Aufnahme weiterer sozial schwacher und gefährdeter Gruppen beschreiben. Dies war kein kontinuierlicher Prozess. Für Reformen günstige Zeiten wechselten in diesem bewegten Jahrhundert mit Perioden, in denen Sozialabbau betrieben wurde. Letztlich jedoch wurde aus den bescheidenen Anfängen ein umfassendes sozialstaatliches System, das etwa ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts umverteilt.
Ausgelöst und in Gang gehalten wurde der Prozess der Ausweitung der Sozialen Sicherung auf neue Gruppen und andere Risiken durch verschiedene Faktoren, die auch die ökonomische und gesellschaftliche Dynamik bestimmten. An erster Stelle ist hier die steigende Arbeitsproduktivität in der Industrie zu nennen. Die produzierte Menge pro Arbeitsstunde stieg mit dem technischen Fortschritt, der sich in verbesserten Produktionsanlagen niederschlägt, in bis dahin ungeahntem Ausmaß an. Obwohl die Bevölkerungsentwicklung sich in dieser Phase bei sinkender Geburtenrate aber steigender Lebenserwartung nur langsam stabilisierte, stieg das Sozialprodukt pro Kopf und damit der für Sozialleistungen verfügbare Verteilungsspielraum langsam aber merklich an.
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Die steigende Massenarbeitslosigkeit und die Rationalisierungsmaßnahmen großen Ausmaßes ließen die Gewerkschaften in den 1980er Jahren ihre tarifpolitischen Ziele überdenken.
In den Vordergrund der Tarifrunden rückten Verhandlungen um Schutzabkommen bei Rationalisierungen und eine Verkürzung der Arbeitszeit. Hier liegt eine Ursache für den starken Rückgang der Lohnquote in diesen Jahren. Es gelang den Arbeitgebern, unter dem Druck der Massenarbeitslosigkeit und unterstützt durch den politischen Klimawechsel, den Gewerkschaften erhebliche Lohnzugeständnisse abzuringen. Unter dem Kanzlermotto Helmut Schmidts »die Gewinne von heute sind die Investitionen von morgen und die Arbeitsplätze von übermorgen« erreichten die Arbeitgeberverbände eine deutliche Korrektur der Einkommensverteilung und eine Steigerung der Profitquote. Da große Teile der deutschen Gewerkschaften (voran IGM und IG Druck) in sozialer Verantwortung für die steigende Zahl der Arbeitslosen das Schwergewicht |118|ihrer tarifpolitischen Forderungen auf die Arbeitszeitverkürzung (die in sog. Manteltarifverträgen längerfristig geregelt wird) verlagerten, mussten zwangsläufig Kompromisse bei der Lohnpolitik gemacht werden. Das propagierte Ziel des vollen Lohnausgleichs bei der Arbeitszeitverkürzung wurde nicht erreicht. Auch waren die tatsächlich durchgesetzten Verkürzungen der Wochenarbeitszeit zu gering, um die Arbeitslosigkeit deutlich abzubauen, da durch Arbeitsverdichtung große Produktivitätssteigerungen ausgelöst wurden, die einen Teil der Beschäftigungswirkung wieder zunichte machten.
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