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Dai Xingkong ist erst Mitte dreißig, gehört aber schon zu den reichsten Privatunternehmern Chinas. Seine Firma Tenglong, die gleichzeitig Softwareprogramme und Naturheilmittel entwickelt, wächst so schnell wie Dais Ehrgeiz, versinnbildlicht durch eine neue Firmenzentrale, die er höher und höher bauen lässt. Doch bald machen ihm Produktfälscher, Korruptionsfälle und Intrigen zunehmend zu schaffen. Als Dai auch noch mehrere persönliche Schicksalsschläge ereilen, gerät er in eine gefährliche Abwärtsspirale. Bis er von einer gänzlich unerwarteten Seite Hilfe bekommt: von den bislang unverstandenen Frauen. Die »Sterne von Shenzhen« zeichnen ein facettenreiches Bild von Chinas erster »Gründergeneration«, ihren Werten, Zielen und Kämpfen, und lesen sich dabei wie ein Wirtschaftskrimi. Wer Chinas rasanten Aufschwung und seine gesellschaftlichen Auswirkungen verstehen will, für den ist dieses Buch ein Muss.
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"Skyline of Luohu District in 2012"; Urheber: Popolon;
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E-Book 2017.
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Im Bankettsaal des Hotels Yangguang herrscht Hochbetrieb. Auf dem großen Bildschirm an der Stirnseite des Saals strahlt in dezentem Blau der Name Tenglong. Darunter das Firmenlogo: ein emporsteigender, blau-silberner Drache. Alle Plätze im Saal sind besetzt, nur der runde Tisch ganz vorn in der Mitte ist noch frei.
Heißer Tee und kalte Vorspeisen werden serviert. An vierzig Tischen sitzen vierhundert Chinesen und unterhalten sich lautstark. Bei dieser Größenordnung ist es kein Wunder, dass der Saal einem brodelnden Kessel gleicht. Alle Gäste sind Angestellte von Tenglong, und die meisten von ihnen sind auffällig jung. Sie sehen aus, als kämen sie frisch von der Uni.
Während sie Sojabohnen und Seequallen essen, betreten mehrere Männer in dunklen Anzügen und Frauen in Schneiderkostümen den Raum und gehen zielstrebig auf den reservierten Tisch zu. Die Frauen sind allerdings zahlenmäßig in der Minderheit. Lautlos schließen sich die Türen hinter ihnen.
Die Angestellten sind still geworden, sie legen die Ess-Stäbchen nieder und wischen sich hastig den Mund ab. Als sich die Neuankömmlinge vor dem Bildschirm aufbauen, erheben die Angestellten sich von den Plätzen und klatschen. Vor ihnen stehen die wichtigsten Männer und Frauen der Firma. In ihrer Mitte Dai Xingkong, der Gründer und Generaldirektor von Tenglong, der Arbeitgeber der Anwesenden. Eine Videokamera filmt ihn und wirft sein Ebenbild in Übergröße auf den Plasmaschirm hinter ihm, sodass man ihn auch in den hinteren Reihen gut sehen kann.
Dai ist ein schlanker, feingliedriger junger Mann mit einem schmalen, intelligenten Gesicht. Hinter seiner breiten Brille sieht er nicht wie ein Unternehmer, sondern selbst fast noch wie ein Student aus.
Ein Mann mit schulterlangem Haar kommt von der Seite, stellt sich zwischen das Management und die Angestellten, und macht eine Geste, die an die eines Dirigenten erinnert. Im Hintergrund drückt jemand auf eine Taste, und es ertönt die Betriebshymne: Tenglong steigt gen Himmel. Das »Drachenlied« wird sie von den Mitarbeitern genannt.
Der Mann mit dem schulterlangen Haar gibt ein weiteres Zeichen. Die Anwesenden blicken feierlich geradeaus und singen alle laut mit:
Ein starker Wind verweht die Wolken,
die Erde birst, der Drache steigt gen Himmel.
Wir, die Drachenkinder, ein Herz und eine Seele,
singen wie aus einer Kehle:
Wir fliegen durch Sturm und Gewitter,
Wir vollbringen himmlische Wunder!
Nachdem die Hymne verklungen ist, zieht sich die Managerriege zwei Schritte zurück. Dai Xingkong dagegen tritt vor und stellt sich hinter das Rednerpult. Erneut bricht im Saal Beifall aus. Der junge Mann lächelt und gibt seinen Angestellten ein Zeichen, sich wieder zu setzen.
»Liebe Kollegen, liebe Freunde«, sagt er ins Mikrofon. Seine Stimme klingt ein wenig zart, doch die Worte sind klar und verständlich. »Aus dem ganzen Land sind wir heute zusammengekommen, um ein erfolgreiches Jahr abzuschließen und den Beginn des neuen Jahres, 1997, gemeinsam zu feiern.«
Dai macht eine kurze Pause, und seine Angestellten füllen sie mit Applaus.
»Wir haben Grund, uns zu freuen, denn im vergangenen Jahr haben wir den weitaus besten Umsatz seit Gründung der Firma erzielt.«
Begeisterter Beifall rauscht durch den Saal.
Der Generaldirektor geht in seiner Neujahrsansprache schnell ins Detail. Der Betrieb sei deshalb erfolgreich, weil alle Abteilungen hervorragende Arbeit geleistet hätten: Forschung und Design, Produktion, Marketing und Verkauf, Presseabteilung und Werkssicherheit … Alle Abteilungen werden einzeln gelobt. Besondere Erwähnung finden die Mitarbeiter der Filialen in den anderen Provinzen, die heute nicht mitfeiern können.
Wenn er auf die Produkte der Firma zu sprechen kommt, redet Dai einmal von Softwareprogrammen, einmal von traditioneller chinesischer Medizin, was aber niemanden erstaunt. Denn alle wissen: Tenglong ist auf zwei höchst unterschiedlichen Geschäftsfeldern tätig. Mit dem einen Bein steht die Firma im Gesundheitswesen, mit dem anderen im Computergeschäft. Insgesamt hat Tenglong mehr als fünfzig Produkte auf dem Markt. Auch wenn Computer und Gesundheit auf den ersten Blick nicht so recht zueinanderzupassen scheinen, Tatsache ist: Die Firma floriert. Dai Xingkong ist raketengleich in den Himmel gestiegen und wird als einer der reichsten Privatunternehmer der VR China gehandelt. Unter den Festland-Chinesen setzt ihn Forbes auf Platz 18.
Doch Dai weiß genau, wem er seinen Reichtum verdankt. Deshalb ruft er jetzt einzelne Mitarbeiter zu sich auf die Bühne und lobt ihre Leistungen. Kaum betritt einer der Helden die Bühne, geht eine hübsche junge Frau in einem roten geschlitzten chinesischen Kleid auf ihn zu, steckt ihm eine rote Seidenblume an die Brust und führt ihn zu Dai.
Als Dai auf den sechsten Helden, genauer gesagt, auf die sechste Heldin, zu sprechen kommt, wirft er einen bedeutungsvollen Blick in die Richtung, wo die Handelsvertreter der Firma sitzen.
»Unser neues Vertriebskonzept Vom Mitarbeiter zum Millionär ist ein Riesenerfolg. Besonders unsere Vertreter im Bereich Medizin sind so fleißig und kreativ bei der Arbeit, dass sie den gesamten Umsatz des Vorjahres bereits in den ersten drei Monaten von 1996 erreicht haben. Ich freue mich daher, dass unsere besten Außendienstmitarbeiter heute zu uns nach Shenzhen gekommen sind, um mit uns zusammen zu feiern.«
Der Generaldirektor schaut zu einigen Tischen auf der linken Seite hinüber und macht eine huldigende Handbewegung. Die Vertreter, die gemeint sind, stehen auf und verneigen sich leicht. Der Rest schaut zu ihnen hinüber und klatscht. Es dauert einen Augenblick, bis sie sich wieder gesetzt haben.
»Eine von Ihnen hat dieses Jahr durch ihre herausragenden Leistungen über zweihunderttausend Yuan an Provisionen verdient«, verkündet der zierliche Mann. »Sie ist tatsächlich auf dem besten Weg, zu unserer ersten Außendienst-Millionärin zu werden. Ich bitte Jian Roula aus Anhui zu mir auf die Bühne.«
Der Generaldirektor macht eine Handbewegung, als wäre er ein Zauberer und wollte den Mond an den Himmel zaubern. Erneut drehen sich alle Köpfe in die Richtung, in die er gezeigt hat.
Im mittleren Bereich des Saals erhebt sich eine junge Frau im Abendkleid und geht, von Applaus und Jubelrufen begleitet, nach vorne. Sie hat eine ruhige, sanfte Art, sich zu bewegen, als wäre sie gerade dem Wasser entstiegen. Und wie sie sich wendet und leicht in verschiedene Richtungen verbeugt, erinnert an den Tanz einer Weidenrute im Wind. Auch ihr steckt die Assistentin eine granatapfelgroße rote Seidenblume an das kurze Jäckchen.
An einem anderen runden Tisch auf der rechten Seite des Saals sitzen die Mitarbeiter der Software-Entwicklung im Kreis. Unter ihnen sind nur zwei Frauen, die eine mit dicker Brille, die andere mit grauen, blutleeren Lippen. Aber die Männer haben ohnehin nur Augen für Roula.
»Mensch! Die verdient ja viermal so viel wie wir«, sagt Li Bing nicht ohne Neid, während seine Hände klatschen. »Aber das ist ja kein Wunder. Mit so einem Gesicht kann man nicht nur den Gehirnmarschall zum Knüller machen, damit kann man den Leuten alles andrehen.«
Der Gehirnmarschall ist ein chinesischer Kräutersirup, der dem menschlichen Gehirn wertvolle Nährstoffe liefern soll. Seit ihn Tenglong vor einem Jahr auf den Markt gebracht hat, bricht dieses Produkt einen Verkaufsrekord nach dem anderen. Millionen von Ein-Kind-Familien, die natürlich alle Wunder von ihrem Nachwuchs erwarten, greifen eifrig nach dem bräunlich-goldenen Saft. Wenn es nicht die Mutter ist, die ihrem Sohn das Wundermittel einflößt, dann ist es die Großmutter. So wurde der Gehirnmarshall zu einem der erfolgreichsten Einzelprodukte der Welt, auch wenn er außerhalb Chinas vollkommen unbekannt blieb. Einige Wochen lang stand er sogar auf Platz eins der chinesischen Bestsellerliste.
»Ich habe gehört, die Zunge ist das wirkliche Wunder an dieser Frau«, flüstert Chen Bairu. »Wenn sie den Mund aufmacht, regnet es Rosenblätter vom Himmel.«
»Klasse. Wollen mal sehen, ob wir heute auch so einen Rosenregen abkriegen, was?« Der Jüngere zwinkert dem Älteren spitzbübisch zu.
»Hüte dich, Kleiner Bing. Ihre wunderbare Zunge kann sicher auch Blitz, Hagel und Donner herbeirufen.«
Aber Li hört seinem Kollegen schon gar nicht mehr zu. Auf der Bühne hat die junge Frau ihr langes Haar mit einer koketten Bewegung nach hinten geworfen und zeigt jetzt ihr ganzes Gesicht. Aber dieser Anblick währt nur kurz. Dann gleiten die Haare wieder nach vorn und verhüllen den größten Teil ihrer Züge. Dennoch hat der kurze Moment genügt, um Lis Aufmerksamkeit völlig in Anspruch zu nehmen. Er starrt die Frau im Scheinwerferlicht an, als ob sie von einem anderen Stern käme.
Roula streckt die Hände in die Höhe und absolviert eine graziöse Verbeugung. Ihre Bewegungen verraten, dass sie eine routinierte Schauspielerin ist. Als sie sich für die Anerkennung bedankt und verspricht, in Zukunft noch mehr für den aufsteigenden Drachen zu tun, brandet ihr neuer Beifall entgegen. Alle wissen, sie ist die Heldin der Helden, der Star unter den Angestellten.
Sie ist jetzt schon eine Legende, und man ahnt, dass es bei dieser schönen Frau noch viele Überraschungen geben wird. Denn sie hat etwas Lebhaftes, Unberechenbares, fast Wildes an sich, das sich nie zufriedengeben wird mit der Realität.
Nachdem die Helden - in der einen Hand die glänzenden Drachen, in der anderen die zusammengerollten Anerkennungsschreiben und die roten Tütchen mit Bargeld - die Bühne wieder verlassen haben und zu ihren Plätzen zurückgekehrt sind, geht Dai zu den Aussichten für das kommende Jahr über. »Wir heißen Tenglong, also aufsteigender Drache. Das waren und sind wir. Vor fünf Jahren waren wir noch ganz unbekannt, heute zählen wir zu den fünfzig stärksten Unternehmen des Landes.« Seine Augen leuchten bis in den letzten Winkel des Saals, und seine Worte erfüllen die Mitarbeiter mit Stolz.
»Dieses Tempo wollen wir auch in Zukunft beibehalten. Unser neuer Fünfjahresplan sieht vor, das Unternehmen zu einem internationalen Konzern auszubauen. In zehn Jahren wollen wir so stark sein wie Sony und Bayer zusammen. Das bedeutet, wir werden uns von nun an auch entsprechend präsentieren«, sagt Dai.
Er hebt die Hand. Wieder eilen zwei junge Frauen in bis zur Hüfte geschlitzten Kleidern herbei und enthüllen den übermannshohen, phallischen Turmbau, der bisher fast unbeachtet in einer Ecke der Bühne gestanden hat, auf den sich jetzt aber sämtliche Scheinwerfer richten. Mit einer feierlichen Geste ziehen sie das leuchtend rote Tuch weg.
Ein Hochhausmodell kommt zum Vorschein. Die Fassade glänzt so strahlend blau, als hätte man ein Stück Himmel hineingeschmolzen. Auf dem Dach stehen zwei Drachen aus Kupfer und bilden eine riesige Hohlkugel. Es ist ein futuristischer Anblick, der die Herzen der Zuschauer schneller schlagen lässt.
Auf dem Bildschirm erscheint der Name eines renommierten kanadischen Architekten. Dann wird das Modell eingeblendet. Stockwerk für Stockwerk gleitet eine Kamera an der schlanken Nadel des Bauwerks empor, vom Erdgeschoss bis zur Mobilfunkantenne in hundertachtzig Metern Höhe. Ein geheimnisvolles blaues Licht dringt aus dem Inneren des virtuellen Modells und bringt es zum Leuchten wie einen riesigen blauen Kristall. Niemand zweifelt, dass dieser funkelnde Edelstein magische Kräfte besitzt.
Als das Bauwerk in langsamer Drehung gezeigt wird, scheint die Zauberkraft schon zu wirken. In der Mitte des Turms windet sich ein riesiger silberner Drache aus der Glasfassade und steigt am Gebäude empor. Diese fliegende Aluminium-Skulptur, die sich über sechs Etagen erstreckt, macht das Bauwerk sofort unvergesslich.
»Unser neuer Firmensitz an der Futian-Straße wird eines der modernsten Hochhäuser Chinas sein. Vor zwei Wochen haben wir mit dem Bau begonnen. In einem Jahr wird die Hauptverwaltung dort einziehen können. Dann gehen wir in Hongkong an die Börse und gründen Niederlassungen in den USA, in England, Deutschland und Frankreich. Damit wollen wir der Welt zeigen: Wir Chinesen sind aufgestanden und gehen auf die Welt zu.«
Tosender Beifall. Glänzende Augen verwandeln den Saal in ein glitzerndes Meer. Dais Worte lassen die Wangen erglühen, als hätten die Zuhörer gleichzeitig eine Kriegs- und eine Liebeserklärung erhalten. Wäre der Saal nicht stabil gebaut, müsste man fürchten, dass die Wände vom donnernden Beifall gesprengt werden.
Wie zur Belohnung für die Begeisterung erhalten die Angestellten jetzt kleine Geschenke. Zwei hübsche junge Frauen tragen eine große goldene Kugel herein. Als Dai die Kugel öffnet und Dutzende kleinere Kugeln darin zum Vorschein kommen, brechen die Gäste in Jubel aus. Viele kennen die Kugeln noch vom letzten Jahr. Damals waren leckere Süßigkeiten darin versteckt, in einigen aber lag noch ein Überraschungsgeschenk. Dieses Jahr sind immer noch Bonbons drin, aber die Überraschungsgeschenke sind sehr viel großzügiger als im Vorjahr. Es soll Kugeln geben, in denen kleine goldene Ringe mit Drachen, winzige Weinschalen mit goldenen Fischlein oder silberne Anhänger mit den Schriftzeichen »Glück« oder »Liebe« versteckt sind. »Je mehr Erfolg der Betrieb hat, desto mehr revanchiert er sich bei euch«, sagt Dai und fordert alle zum Feiern auf.
Nun verteilen die Mitglieder der Geschäftsleitung, acht Männer und zwei Frauen, die bislang nur die stumme Kulisse gespielt haben, die Kugeln unter den Gästen. Als sie den Inhalt quer durch den Saal werfen und einen bunten Regen von Süßigkeiten und Geschenken herabfallen lassen, entsteht große Aufregung. Alle strecken die Hand aus oder springen auf, um eine oder mehrere Kugeln zu fangen. Es ist, als wären sie alle zu Kindern geworden, die mit ihrer Familie das Frühlingsfest feiern.
Nur Li Bing hat mal wieder etwas zu meckern. »Ach, ja«, sagt er und steckt unzufrieden ein buntes Bonbon in die Tasche. »Manche Leute kriegen Geschenke, und ich kriege bloß saure Drops. Ich wette, unser Generaldirektor hätte bestimmt einen goldenen Ring und ein goldenes Herz mit ›Viel Liebe‹ bekommen.«
»Da brauchst du dir keine Gedanken zu machen«, erwidert Bairu. »Einen goldenen Ring braucht er nicht. Er ist schon verheiratet. Und seine Frau soll bereits ein saurer Drops sein.«
Nach dem Bonbonregen öffnen sich die Türen und eine Schar von Kellnern strömt aus der Küche mit dampfenden Speisen, Wein und Bier herein. Über den Bildschirm läuft nun die Webseite von Tenglong mit leiser Musik. Einmal ist der Generaldirektor beim Handschlag mit dem Bürgermeister von Shenzhen zu sehen, einmal eine staatliche Auszeichnung für die Produkte der Firma. Obwohl das Internet in China noch ganz neu ist, wirkt die Webseite sehr professionell. Doch die Gäste schauen schon längst nicht mehr hin, sondern konzentrieren sich ganz auf die köstlichen Speisen. Immer wieder ertönen Jubelrufe, wenn etwas Neues gebracht wird.
Als der erste Hunger gestillt ist, gerät der Saal in Bewegung. Viele stehen auf, ein Glas Wein oder Bier in der Hand, und wandern von Tisch zu Tisch, um alten Freunden ein gutes neues Jahr zu wünschen oder neue Kollegen kennenzulernen. Die Mitglieder der Geschäftsleitung schlendern mal hierhin, mal dorthin, und auch der Generaldirektor macht einen Rundgang.
Li Bing und Chen Bairu nutzen die Gelegenheit und wechseln schnell zu Roula hinüber. Diese zeigt sich geschmeichelt und schenkt ihnen ein Lächeln, was die beiden noch mehr entzückt. Doch der Flirt dauert nicht lange. Andere Kollegen, die auch mit der Heldin anstoßen wollen, strömen herbei und drängen die zwei Programmierer zur Seite. Es ist nicht zu übersehen, dass die schöne Roula ein echter Magnet ist.
Generaldirektor Dai beehrt gerade den dritten Tisch mit seinem Besuch, als der Forschungsleiter Gu Wen ihn am Ärmel zupft. Er winkt mit dem Mobiltelefon in der Hand und zieht seinen Chef aus dem Saal. Er ist genauso alt, aber deutlich kleiner als Dai und hat seine stachligen Haare nach oben gebürstet, um etwas größer zu wirken. Das betont allerdings nur seine Pausbacken. Auf dem Korridor ist es leiser. »Eine Neuigkeit aus unserem Laboratorium«, lächelt Gu voller Stolz und drückt dem Generaldirektor das Handy ans Ohr.
»Guten Abend, Generaldirektor«, brüllt eine aufgeregte männliche Stimme. »Wir haben’s geschafft! Der Bruder unseres Gehirnmarschalls ist geboren!« Es ist der Pharmakologe Zhang Xiaonian. Er gehört zu den treibenden Kräften der Firma. Im Hintergrund rufen ein paar Männerstimmen im Chor: »Wir haben’s geschafft!«
Wie ein warmer Strom durchflutet den jungen Unternehmer die Freude, und seine freie Hand schwingt in die Höhe. Seit drei Monaten kämpft die Firma um die Geburt des Gehirnpräsidenten. Aber ständig gab es Probleme. Und jetzt, mit einem Schwupp! ist das Produkt plötzlich fertig.
»Donnerwetter! Der Gehirnpräsident hat sich den besten Zeitpunkt für seine Geburt ausgesucht! Wie habt ihr das hingekriegt?«
»Mit Fleiß und Intelligenz, wie du es uns immer beigebracht hast«, sagt Zhang am anderen Ende der Leitung. »Das Problem mit der schwarzen Farbe ist endlich vom Tisch. Jetzt ist der Sirup genau so, wie wir ihn haben wollten: wie flüssiger Bernstein.«
»Lang lebe der Gehirnpräsident!«, hört Dai den Männerchor rufen.
»Sag mal, wie viele Leute sind eigentlich noch im Labor?«, fragt er ins Handy.
»Ach, Sie wissen ja, abends ist es immer recht dünn besetzt. Heute ist es natürlich noch leerer als sonst. Aber wir sind immer noch genug Leute, um Ihnen das goldene Baby gleich rüberbringen zu können. Ich habe schon ein paar Mitarbeiter auf den Weg zu Ihnen geschickt.«
Dai bedankt sich und gibt dann seinem Forschungsleiter das Handy zurück. Irgendwie ist ihm unbehaglich bei dieser Geschichte. Er erinnert sich noch allzu gut, wie es vor einigen Jahren beim letzten Experiment für den Gehirnmarschall war. Damals waren alle im Kesselraum versammelt, um auf das Ergebnis zu warten: Nicht nur der Forschungsleiter und der Pharmakologe, sondern auch Dai, sein jüngerer Bruder Buddha und sogar Howard. Damals waren sie wirklich noch eine kleine Familie. Heute ist alles viel unpersönlicher und abstrakter. Aber das ist wohl der Preis des Erfolgs.
»Jetzt haben wir noch einen Grund mehr zu feiern, Generaldirektor «, lächelt Gu Wen. Dabei dehnt sich sein Mund wie eine Gummiwurst. Man merkt sofort, dass er ein Mann ist, der sich für schlauer hält als die anderen.
Aber Dai lässt sich kein Lächeln entlocken. »Du hast die Neuigkeit zurückgehalten«, sagt er mit ruhiger Stimme. Gus Lächeln verschwindet und die Gummiwurst wird zur Schnute. Der Forschungsleiter setzt zu einer Verteidigungsrede an. Aber Dai klopft ihm beruhigend auf die Schulter und geht noch ein paar Schritte weiter weg von der Tür, damit die hin- und hereilenden Kellner nichts hören. »Ich weiß, dass du mir eine besondere Freude zum Neujahr schenken willst. Ich freue mich auch ungeheuer«, versichert der Generaldirektor. »Nun sag schon, wann ihr das geschafft habt.«
»So ungefähr vor zwei Wochen«, sagt der Mann mit den Wurstlippen trotzig.
Zwei Wochen! Dabei hat Gu die Entwicklung mit seinen Führungsfehlern ohnehin schon endlos verzögert.Hätte Dai den Kurs seines Forschungsleiters nicht korrigiert, wäre der Gehirnpräsident wahrscheinlich immer noch nicht produktionsreif. Und jetzt, wo das Produkt fertig ist, lässt der dicke Gu wieder zwei Wochen verstreichen. Dai zwingt sich zu einem Lächeln. Die Neujahrsfeier lässt er sich nicht verderben.
»Da war ich gerade in Peking, nicht wahr?«
»Ja, Chef.«
»Schon gut. Aber von nun an möchte ich immer sofort informiert werden, sowohl bei guten als auch bei schlechten Nachrichten, ist das klar?«, sagt der Unternehmer mit erhobener Stimme. Er wartet, bis der Forschungsleiter stumm nickt, dann klopft er ihm zur Versöhnung leicht auf die Schulter. Mit einer Handbewegung gibt er Gu zu verstehen, dass sie besser zu den anderen zurückkehren sollten.
Gu wirft dem Rücken seines Chefs einen stechenden Blick zu. Er hatte eigentlich gehofft, die Erfolgsmeldung würde Dai dazu bewegen, sein Lieblingsprojekt, das Forschungsprogramm »Audiovisuelle Welt« zu genehmigen. Denn er ist fest davon überzeugt, dass die Zukunft der Firma in der Softwareentwicklung liegt und nicht bei diesen blöden Kräutern und Säften. Aber Dai zögert bei der Entwicklung von Softwareprogrammen. Er findet, es sei noch nicht abzusehen, welche Geräte und welche Systeme in Zukunft im Vordergrund stehen werden. Gu hat die Neuigkeit über den Gehirnpräsidenten extra für heute zurückgehalten, weil er hoffte, Dai damit fröhlich zu stimmen und eine Zusage für sein neues Projekt zu erhalten. Aber mit einem aus Bambus geflochtenen Korb kann man kein Wasser holen. Gu muss feststellen, dass er Dais Misstrauen geweckt hat.
»Werden Sie die Neuigkeit jetzt bekannt geben?«, fragt er mit unterdrückter Unzufriedenheit, und trabt eilig hinter dem Chef her.
»Das machen wir gemeinsam«, sagt Dai. »Ich verkünde das neue Produkt, und du erzählst ein wenig von seiner Entstehung.«
»Da Sie uns ohnehin durchschaut haben, will ich Ihnen nichts mehr verheimlichen. Ich habe schon ein paar Probefläschchen in meinem Dienstwagen. Soll ich sie holen?«
Dai grinst. »Ja, bitte. Und bring mir heute noch den Ordner mit den wichtigsten Daten. Wir müssen zusehen, dass wir der Presse bald eine rührende Geschichte über die Geburt des neuen Produkts liefern.«
Die Vorstellung des Gehirnpräsidenten bringt die Neujahrsfeier noch einmal richtig auf Touren. Begeistert werden die goldverzierten Fläschchen bejubelt. Natürlich wird der Generaldirektor als erster zur Probe gebeten. Die zufriedene Miene, die er nach einem Schluck der bernsteinfarbenen Flüssigkeit zeigt, lässt die anwesenden Mitglieder der Forschungsabteilung einen Freudenschrei ausstoßen.
Da der Gehirnpräsident genau wie sein Vorgänger ein reines Naturprodukt ist und keinerlei Nebenwirkungen haben soll, wollen ihn die Mitarbeiter im Saal jetzt ebenfalls kosten. Doch die wenigen Fläschchen, die Gu mitgebracht hat, reichen nicht einmal für einen Tisch. Es wird angeordnet, dass die Anwesenden an den Proben nur riechen dürfen. Anschließend sind sie gleich weiterzureichen.
Als eines der hübschen Fläschchen bei Li Bing ankommt, hält er sich den Sirup drei-, viermal an die Nase und erweckt den Eindruck, als könnte er sich gar nicht mehr davon trennen. Erst auf Drängen seines Tischnachbarn macht er Anstalten, die kostbare Probe weiterzureichen. Doch im letzten Augenblick zieht er sie wieder zurück, setzt sie an den Mund und nimmt einen kräftigen Schluck aus der Flasche.
»He, was soll das?«, rufen die anderen. Aber Li kümmert sich gar nicht darum. Er schluckt und schluckt, und als er die Augen wieder aufmacht, tastet er an seinem Kopf herum, als wäre dieser ihm völlig fremd.
»Komisch«, sagt er mit großen runden Augen. »Mein Kopf ist plötzlich so offen. Ich kann ihn gar nicht mehr zukriegen.«
Die anderen lachen. Denn dass der Sirup angeblich gegen Gehirnverstopfung gut ist, darüber hat Forschungsleiter Gu Wen sich in seiner großen Rede gerade des Langen und Breiten geäußert.
»Li Bing«, sagt Chen Bairu, »ehe du hier Gehirndurchfall kriegst, solltest du schleunigst an deinen Arbeitsplatz rennen. Vielleicht schaffst du’s ja heute noch, ein Programm zu schreiben, mit dem man sämtliche chinesische Gebrauchsanleitungen auf Knopfdruck ins Englische, Deutsche und Russische übersetzen kann. Dann stehst du nächstes Jahr auch als Held auf der Bühne!«
»He, wieso soll ich noch die Sklavenarbeit verrichten?«, erwidert Li. »Ihr habt gesehen, Generaldirektor Dai hat den Zaubertrank als Erster bekommen, dann ich. Also ist er der Gehirnpräsident. Ich habe zwar ein kleineres Gehirn als der Chef, aber für den Vize-Gehirnpräsidenten genügt es.« Li zeigt mit dem Finger auf seinen Freund und nimmt den typischen, bestimmenden Ton eines Kaders an: »Bairu, du darfst heute Nacht ins Büro gehen und die gewünschte Software entwickeln.« Am Tisch bricht Gelächter aus, und Dai Xingkong hat einen weiteren Spitznamen weg: der Gehirnpräsident.
Im Tumult der Geselligkeit ist Roula von ihrem Platz aufgestanden und schlendert mal zu diesem, mal zu jenem Tisch, um ein paar Worte mit Kollegen zu wechseln. Aber während sie mit ihnen redet, wandert ihr Blick immer wieder zu jenem Tisch, wo Dai jetzt wieder sitzt. Im Augenblick scheint er in ein Gespräch mit zwei seiner engsten Vertrauten vertieft.
Nach einer Weile steht einer der Männer auf und wechselt zu einem anderen Tisch. Roula hält die Gelegenheit für günstig und segelt mit einem schelmischen Lächeln zu Dai. »Also wirklich, Herr Dai! Heute Morgen bei dem kleinen Empfang in Ihrem Büro haben Sie uns nicht mal ahnen lassen, dass wir heute schon das neue Starprodukt zu Gesicht kriegen werden«, sagt sie kokett und bringt die Blume an ihrem Busen zum Zittern.
»Hüten Sie Ihre Geheimnisse alle so gut?«
»Ah, die neue Herausforderung kommt Ihnen bestimmt gerade recht«, sagt Dai und versucht, Schwung in seine Stimme zu legen.
»Sie sehen ganz zauberhaft aus.«
»Das ist der warme Frühlingswind Ihrer Ideen, der uns verändert «, sagt Roula und neigt den Kopf. »Sie bringen uns alle zum Blühen.«
Der Mann neben Dai ist Sheng Howard, die Nummer zwei im Betrieb und Dais bester Freund. Sie kennen sich schon von der Uni in Kanton. Ihn stört es seit langem, dass Dai keine Frau hat, die sich um ihn kümmert. Er macht sich Sorgen um seinen Freund. Seit Suo Lanni, seine Frau aus Henan, ihn vor fünf Jahren verlassen hat, weil sie glaubte, er sei ein Versager, führt Dai ein unruhiges Junggesellenleben, das seiner Gesundheit nach Ansicht von Howard nicht guttut. Roula ist eine intelligente Frau. Sie wäre eine gute Partnerin für seinen Freund. Bei diesem Gedanken steht Howard auf, sagt, er müsse ein paar Kollegen gratulieren, und überlässt der jungen Frau seinen Platz.
Roula setzt sich dicht neben den Chef und erkundigt sich nach den Plänen für den Gehirnpräsidenten. Dai kommt die Frage ganz gelegen. Mit kurzen Sätzen skizziert er seine Strategie für das neue Produkt. Roula scheint sehr begeistert zu sein und hängt fast an Dais Lippen. Einmal lacht sie so laut und entzückt, dass die Kollegen am Nebentisch aufschauen und einen verwunderten Blick auf Dai werfen. Dass ihr Arbeitgeber auch Frauen amüsieren kann, ist ihnen bisher nicht aufgefallen. In der Firma gilt er als Arbeitstiger, den Frauen kaum interessieren. Sogar von einer gewissen Scheu ist die Rede.
Die kleine Unterhaltung dauert denn auch nicht lange. Zwei Männer in dunklen Anzügen bahnen sich einen Weg durch die Menge und kommen zielstrebig auf Dai zu. Der eine ist Howard, der eben noch neben Dai gesessen hat. Der andere ist Dai Xingyang, der jüngere Bruder von Dai und Verwaltungschef von Tenglong. Wegen seines sanften, fast rätselhaften Lächelns wird er meist »Buddha« genannt. Dai und Buddha haben dieselben Eltern und sind auch gleich groß, aber im Körperbau sind sie völlig verschieden. Im Gegensatz zu seinem vier Jahre älteren Bruder hat Buddha breite Schultern und kräftige Fäuste.
Er beugt sich zu seinem Bruder hinunter und flüstert ihm etwas ins Ohr. Sein Gesicht lässt vermuten, dass etwas Unangenehmes passiert ist.
Der Generaldirektor entschuldigt sich bei Roula und verlässt mit den beiden Männern den Saal. Sie ziehen sich in ein kleines Nebenzimmer zurück und schließen die Tür hinter sich. Auf dem Tisch stehen ein paar leckere kalte Speisen bereit, doch niemand rührt sie an.
»Also, was ist passiert?«, fragt Dai mit ernstem Gesicht.
»Sie haben einen von unseren Männern fast totgeschlagen«, sagt Buddha und lässt seine Faust auf den Tisch krachen.
»Jetzt werd’ mal ein bisschen genauer«, sagt Howard. »Die Einzelheiten sind wichtig.«
Langsam, von Wut und Erregung geschüttelt, erzählt Buddha, was er gerade gehört hat. Heute Nachmittag, kurz vor Einbruch der Dämmerung, hat einer von Tenglongs Vertretern in Yichang, einer großen Kreisstadt in der Provinz Hubei, über eintausend Kilometer von Shenzhen entfernt, auf dem Platz des Volkes einen verdächtigen Lastwagen entdeckt. Auf der Ladefläche standen zwei Männer und haben den Passanten bekannte Medikamente zu Schleuderpreisen verkauft. Der Vertreter alarmierte per Handy zwei von Buddha Dais Leuten, die sich schon seit Wochen in der Gegend aufhielten, um die Filialen der Firma zu kontrollieren und den Markt zu beobachten.
Die beiden Männer fuhren zum Markt, kauften eine Packung Gehirnmarschall von den fliegenden Händlern und stellten bald fest: Das Produkt war gefälscht. Die Verpackung sah der des Originals täuschend ähnlich, aber es fehlten bestimmte Sicherheitsmerkmale. Wie viele Packungen der Fälschung schon verkauft worden waren, ließ sich schwer feststellen, aber als Buddhas Männer erschienen, war der Lastwagen nur noch halb voll.
Buddhas Männer alarmierten die Polizei, aber die Beamten erklärten, sie hätten während der Neujahrstage zu viel zu tun, um sich um solche Lappalien zu kümmern. Man könne ja in drei, vier Stunden mal eine Streife vorbeischicken.
Vier Stunden! Da wären die fliegenden Händler längst weg, das war klar. Außerdem wäre es dann endgültig dunkel. Buddhas Männer waren jung wie die Kälber und kannten noch keine Angst. Sie beschlossen, auf eigene Faust vorzugehen.
In einem dunklen Winkel legten sie amtlich aussehende rote Armbinden an, auf die sie »Stadtverwaltung« geschrieben hatten. Dann gingen sie auf einen der Händler los, hielten ihn fest und warfen ihm lauthals Betrug und Mithilfe bei einer Produktfälschung vor.
Sofort waren sie von Schaulustigen umgeben. »Du kommst mit zur Polizei«, riefen die Männer von Buddha Dai und wollten den Gefangenen wegzerren.
Aber da stürmten die anderen Schwarzhändler wie eine Schar Raben herbei und schlugen mit Fäusten und Knüppeln auf Buddha Dais Leute ein. Der eine konnte gerade noch flüchten, der andere blieb bewusstlos am Boden liegen. Als sein Kollege im Schutz der Dunkelheit zum Ort der Auseinandersetzung zurückkehrte, um nach ihm zu suchen, war der Lastwagen samt den Verkäufern verschwunden. Zum Glück gaben einige der übrigen Händler dem Mann die richtigen Hinweise, sodass er den Kollegen bald fand. Der Verletzte wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Seine Platzwunden im Gesicht und am Hinterkopf mussten genäht werden.
Es ist das erste Mal, dass ein Tenglong-Mitarbeiter von Gegnern absichtlich verletzt worden ist. Dai runzelt die Stirn, steckt sich eine Zigarette an und überlegt.
»Wir sollten keine direkte Auseinandersetzung mit Fälscherbanden mehr suchen, jedenfalls nicht, wenn wir zahlenmäßig unterlegen sind«, sagt er zu seinem jüngeren Bruder. »Bring den Kollegen unser Bedauern zum Ausdruck und zahl den beiden eine Prämie für ihre Tapferkeit aus. Aber nicht zu viel. Ihr Leichtsinn darf nicht belohnt werden, sonst sind bald noch mehr Leute im Krankenhaus.«
Dann wendet er sich an Howard. »Die Verbraucher müssen vor diesen Fälschungen gewarnt werden.«
»Du meinst, ich soll eine Pressemitteilung rausgeben?« Howard trägt sein schwarzes Haar gescheitelt und wirkt sehr elegant. Wer ihn zum ersten Mal sieht, könnte meinen, da stünde ein Mann, der in Oxford gewesen ist. Tatsächlich hat er zwei Semester in Bristol studiert. Seit er zurück ist, trägt er den Spitznamen »Gentleman«. Gegenwärtig ist seine wichtigste Aufgabe der Bau der neuen Firmenzentrale. Die Pressearbeit macht er nur nebenbei.
»Nein, keine Pressemitteilung der Firma. Die beiden Opfer sollen die Medien informieren. Der Überfall ist interessant genug für einen Bericht.«
»Gut. Ich werde das arrangieren«, sagt Howard und steckt sich ebenfalls eine Zigarette zwischen die Lippen. »Aber das ist natürlich nur eine lokale Story. Überregionale Medien werden nicht anbeißen.«
»Du kannst sie ja mit ein paar zusätzlichen Informationen füttern. Ruf ein paar Leute an, erzähl ihnen von der Geschichte«, sagt Dai.
»Wie wäre es, wenn wir selbst eine Warnung vor Fälschungen als Werbespot bringen?«, sagt Buddha.
»Das ist ein alter Hut, das machen fast alle Hersteller«, sagt Dai.
»Aber was sollen wir unternehmen, um die Fälscher zu stoppen?«, fragt Buddha. »Wir können doch nicht zulassen, dass diese Parasiten uns aussaugen?«
»Ach, lass uns morgen darüber reden«, sagt Dai. »Heute Abend wollen wir feiern.«
Im großen Saal geht es nach dem Essen immer noch äußerst vergnügt zu. Die Bühne ist hell erleuchtet. Gerade sind ein paar Sketche aufgeführt worden, und jetzt kündigt der Conférencier einen neuen Höhepunkt an: den Tenglong-Gesangswettbewerb.
Dabei sollen die schönste Stimme und das Betriebslied für das neue Jahr ausgewählt werden. Roula, die Siegerin des Vorjahrs, hat die Ehre, den Karaoke-Wettbewerb zu eröffnen. Sie geht auf die Bühne, verbeugt sich und haucht ein zärtliches Lied ins Mikrofon. »Zwischen Abend- und Morgendämmerung«, singt sie. Die Zuschauer sind begeistert und rufen »Hao, hao, hao« – gut, gut! Man fragt sich, wo Roula das Singen gelernt hat, denn es sind nicht nur ihre Stimme und ihre Erscheinung, die alle bezaubern, sondern man spürt auch ihre echte Begabung. Sie könnte ebenso an der Oper Karriere machen, sagt mehr als einer.
Als Dai, Howard und Buddha in den Saal zurückkehren, hören sie gerade noch das Ende von Roulas Lied. Auch sie klatschen mit. Howard geht auf sie zu, als sie von der Bühne herunterkommt, gratuliert ihr und führt sie zu Dai. Da er vorhin ihr Gespräch gestört hat, möchte er die Unhöflichkeit wiedergutmachen.
Dai lehnt an der holzgetäfelten Wand und betrachtet das Treiben. Als er Roula kommen sieht, nickt er, sagt aber nichts. Beide schauen eine Weile wortlos dem Gesangswettbewerb zu, als wüssten sie nicht mehr, worüber sie vorhin gesprochen haben.
»Shenzhens Bar, betörende Nacht« trällert ein Mitarbeiter aus der Buchhaltung gerade, und gibt Roula damit ein Stichwort. Sie sei jetzt schon zum dritten Mal in der Stadt, sagt sie, habe aber nie Zeit gehabt, sich irgendwas anzusehen. Ob ihr Dai nicht ein paar Sehenswürdigkeiten empfehlen könne.
»Tja, da gibt es einiges«, sagt Dai nach längerem Überlegen. »Die chinesisch-britische Straße zum Beispiel. Sie liegt zur Hälfte in Shenzhen und zur Hälfte in Hongkong. Oder Sie können hoch auf die Aussichtsplattform des National-Trade-Plaza-Turms fahren und sich von den Lichtern zu Ihren Füßen schwindlig machen lassen. Wissen Sie, es will noch keiner glauben, aber eines Tages wird man sich die Augen reiben und sagen: Wow, Shenzhen hat mehr Wolkenkratzer als New York und London zusammen!«
»Klingt verlockend«, sagt Roula ein bisschen zögernd. Wie zufällig streift die Blume an ihrem Busen seine halb erhobene Hand. »Aber ich werde warten, bis unsere neue Firmenzentrale gebaut ist. Dann will ich mit unserem eigenen Fahrstuhl in den Himmel steigen und einen Blick auf die Stadt werfen.«
»Gut«, lächelt Dai. Er wird immer gesprächiger. »Was noch zu empfehlen ist, ist der Dameisha-Strand. Jetzt im Januar ist da wenig los. Sie haben den Himmel und das Südmeer für sich allein. Und Sie können die Füße ins warme Wasser tauchen und Hongkong am anderen Ufer betrachten.«
»Hm ... das klingt nach Romantik. Haben Sie dort schöne Stunden verbracht?«
»Nein, eigentlich nicht«, muss Dai zugeben. »Ich war noch nie da.«
»Wirklich?« Roulas Augen werden vor Überraschung ganz groß. »In all den Jahren, seit Sie Tenglong gegründet haben, haben Sie so wenig Zeit für Romantik gefunden?«
Das Gespräch ist Dai peinlich. »Tja, so ist das Leben. Gründet man eine Firma, ist man auch gleich mit ihr verheiratet. Man hat keine freie Minute mehr«, versucht er zu scherzen.
Roula sieht ihm jetzt voll ins Gesicht. Zuneigung und Abenteuerlust stehen in ihren Augen. »Wenn das so ist«, sagt sie, »darf ich Ihnen vielleicht etwas schenken, was Sie eine kurze Weile von der Arbeit ablenkt?«
Während der Mann noch überlegt, ob er sie richtig verstanden hat, haucht sie ihm ihren warmen Atem ins Ohr. »Mein Zimmer liegt nur zehn Etagen hoch über dem Saal. Wir können gleich hochfahren und das Geschenk auspacken.«
Dai versucht das Thema zu wechseln und richtet den Blick auf die Bühne. »Das Lied da passt gut zu Tenglong, nicht wahr? Es wirkt bestimmt anspornend. Meinen Sie nicht?«
Roula tut so, als hätte sie alles andere gewollt, als ihn auf ihr Zimmer zu locken. »Wissen Sie, ich habe wirklich etwas für Sie«, sagt sie plötzlich ganz sachlich. »Die Kollegen aus Anhui haben es mir mitgegeben. Ich habe es vorhin ganz vergessen, als ich heruntergekommen bin.« Das ist nicht mal gelogen. Roula erinnert sich noch gut an den Stapel zerknautschter Zehn-Yuan-Scheine, die sie bei den Mitarbeitern der Niederlassung in Hefei eingesammelt hat, um das Geschenk für Dai kaufen zu können.
Dai ist verwirrt. Er ist zwar auf seinen guten Ruf bedacht, aber dass Roula jetzt plötzlich so kühl wird, enttäuscht ihn.
»Vielleicht bringen Sie es morgen zu mir ins Büro?«, sagt er leise.
»Vielleicht.« Roula wendet sich ab, nickt Dai höflich zu und wendet sich einem Tisch zu, an dem sie begeistert begrüßt wird.
Der Gesangswettbewerb geht allmählich zu Ende. Immer länger muss der Conférencier warten, bis sich wieder jemand bereitfindet, zu ihm auf die Bühne zu kommen, und die Beiträge der inzwischen leicht angetrunkenen Mitarbeiter werden nicht besser. Roula hat ihre Position als beste Sängerin vom Vorjahr mühelos verteidigen können und erhält einen vergoldeten Vogel mit weit geöffnetem Schnabel als Preis. Ein Preis für das beste Firmenlied wird in diesem Jahr nicht vergeben.
Nach dem Gesangswettbewerb, dem traditionellen Höhepunkt der Veranstaltung, gehen die ersten Mitarbeiter nach Hause. Aber die meisten bleiben im Saal, und manche beginnen zu tanzen. Andere treten in den Korridor oder ins Foyer, um zu flirten und sich zu unterhalten. Überall wird getrunken und gelacht, die Stimmung ist nach wie vor prächtig.
Dai macht seine letzte Runde durch den Saal. Hier und da bleibt er kurz stehen, klopft dem einen auf die Schulter, flüstert dem anderen etwas Glückverheißendes ins Ohr, nimmt den Ordner entgegen, den ihm Forschungschef Gu überreicht und gibt Gentleman Howard ein paar Anweisungen. Schließlich findet er, dass seine Anwesenheit nicht mehr nötig ist, und macht sich auf den Weg zu seinem Wagen. Vor dem Schlafengehen will er noch die Unterlagen über den Gehirnpräsidenten studieren. Morgen soll darüber entschieden werden, wann die Kampagne zur Markteinführung des neuen Hoffnungsträgers erfolgt.
Als Dai gedankenverloren an den Palmen vorbeigeht, die in der Mitte der Hotelhalle unter der Glaskuppel stehen, löst sich eine Gestalt aus dem Schatten der Bäume und kommt ihm mit einem Lächeln entgegen. Zu seiner Überraschung erkennt er Jian Roula. Die rote Blume an ihrer Brust ist verschwunden. Sie macht den Eindruck, als hätte sie nicht bloß Limonade getrunken. Oder ist das nur vorgetäuscht?
»Schön, dass Sie jetzt frei sind, Herr Dai. Also, fahren wir zu mir hoch? Ich meine, zu Ihren Geschenken?«
Dai sieht sich hastig in der Hotelhalle um und sucht nach einer überzeugenden Ausrede, aber die anwesenden Angestellten haben diskret den Blick abgewendet, und Roula lässt ihn gar nicht zu Wort kommen. Sie hakt sich bei ihm ein und zieht ihn in Richtung der Fahrstühle. »Ein Mann wie Sie wird doch heute nicht geizig sein und die federleichte Bitte seiner treuesten Mitarbeiterin ausschlagen? Kommen Sie mit.«
Dai will es sich mit ihr nicht verderben, außerdem hat auch er einige Gläser Xiangbin, Obstwein mit Fanta, getrunken und seine Widerstandskräfte sind deutlich erlahmt. »Gut. Fünf Minuten habe ich noch«, sagt er und geht mit ihr zum Fahrstuhl. Dort löst er sich geschickt von Roulas Arm, zeigt sich aber nicht weniger gut gelaunt als sie und schustert sogar einige Komplimente zusammen, was er bei Frauen sonst nie tut.
Im zwölften Stock angekommen, überlässt ihm Roula den Vortritt in das Hotelzimmer. Sie folgt ihm und schließt die Tür hinter sich, dann tastet sie blindlings im Dunkeln herum. »Wissen Sie vielleicht, wo der Lichtschalter ist? Ich hab mich noch nicht an das Zimmer gewöhnt.«
»Machen Sie die Tür wieder auf, dann sehen Sie gleich, wo der Schalter ist«, rät Dai. Er steht im Dunkeln und bewegt sich nicht.
Roula stößt ein nervöses Lachen hervor. »Hm, ich muss wohl ein Glas zu viel getrunken haben, dass ich mich so vor Ihnen blamiere. Ich werde die Stehlampe anschalten.« Sie macht zwei Schritte ins Zimmer hinein, dann bleibt sie mit dem Absatz im Teppich hängen und stolpert. Dai lässt den Ordner fallen und fängt sie in letzter Sekunde noch auf. Er spürt ihren weichen Rücken in seinen Händen, und um nicht selbst mit zu Boden gerissen zu werden, stellt er sie vorsichtig auf die Füße. Er will sich gerade von ihr entfernen, da spürt er, wie Roulas Arme sich um seinen Hals schlingen und ihr Körper sich an ihn presst. Schon hat ihr Mund seine Lippen gefunden und saugt sich daran fest. Dai gerät für einen Augenblick außer Atem. Er versucht sich zu befreien, aber Roula umschlingt ihn noch fester. Minutenlang hört man nichts als ihr heftiges Atmen.
Plötzlich wird die Stille von den ersten Takten des »Drachenliedes« zerrissen. Dai löst sich mit einer raschen Bewegung von Roula und klappt sein silbernes Handy auf. Seine Augen haben sich jetzt an die Dunkelheit gewöhnt und können die Möbelstücke erkennen. Während er sich meldet, schiebt er sich langsam ins Zimmer und schaltet die Wandlampen ein. »Toll, dass du es geschafft hast, einen weiteren intelligenten Kopf für uns zu gewinnen«, ruft Howard aufgeregt aus dem Telefon. »Hat er bei DreiAcht schon gekündigt?«
DreiAcht ist der schärfste Konkurrent von Tenglong, und Dai ist tatsächlich stolz darauf, dort einen führenden Kopf abgeworben zu haben. Aber im Moment möchte er wirklich nicht darüber reden.
Hinter ihm macht Roula das helle Licht wieder aus und knipst stattdessen die Nachttischlampe neben dem Bett an. Dai tritt beiseite und dreht ihr den Rücken zu. Doch im nächsten Moment wird er von hinten umfasst. Zwei zarte Hände öffnen geschickt seinen Gürtel und schieben sich in seine Hose. Dai ist wie vom Donner gerührt und weiß nicht, was er tun soll. Nur das Sprechen hat er noch einigermaßen im Griff. »Du weißt, im neuen Jahr wollen wir stark expandieren. Ich dachte, Yi Shanwang ist eine gute Ergänzung für die Geschäftsleitung ... Nein, ich hab keine Zahnschmerzen ... Aber ich habe gerade etwas zu tun. Wir reden morgen darüber. Zai jian!«
Dai klappt hastig das Handy zu und hüstelt, um die leisen Geräusche, die an seinem Körper entstehen, nicht hören zu müssen. Sein Kopf sagt ihm, dass es besser wäre, das Zimmer sofort zu verlassen. Wenn die Gerüchte über sie stimmen, muss Roula ein Dutzend Liebhaber haben. In diese Reihe von Männern will er auf keinen Fall einrücken. Aber seine Beine sind wie festgewurzelt und lassen sich vom Kopf nicht kommandieren. Roula hat sich vor ihm hingekniet und küsst seinen mageren Bauch. Ihr Atem wird laut und lustvoll, ihre Haarspitzen streicheln ihm über die Schenkel, ihr Gesicht gleitet immer tiefer an ihm herunter. Seine Hose hängt ihm bereits um die Knöchel.
Als ihn ihre Lippen umfassen, hört er eine Stimme in seinem Kopf: »Weiter, weiter, noch mehr!« Da er lange keine weibliche Berührung mehr zugelassen hat, spürt er jetzt jeden Kuss umso stärker. Seine Brust wird so groß und so heiß, als wäre die Sonne darin gefangen. Er spürt, wie sie anschwillt und immer höher hinaufsteigt. Um nicht an die Decke gehoben zu werden, drückt er sich an die Wand, keucht und krümmt sich, bis er schließlich vor Roula kapituliert.
»Gefällt dir mein Geschenk?«, fragt sie zärtlich, als sie ineinander verschlungen im Bett liegen.
Nachdem das Feuer in seinen Gliedern erloschen ist, fühlt Dai sich kühl und angenehm kraftlos. Die ganze Zeit haben sie kein Wort miteinander gewechselt. Jetzt bringt die weibliche Stimme ihn rasch zurück in die Realität. Er hat sich gehen lassen. Sie hat ihn sich genommen wie ein Bonbon. Und der Gedanke an ihre zahllosen möglichen Liebhaber sitzt wie eine dicke Kartoffel in seinem Gehirn und wird immer größer und kälter. Er fürchtet, dass ihm gleich schlecht wird. Dai rückt ein wenig von der nackten Frau weg und sucht nach seiner Brille. Die hat sie ihm abgenommen und auf den Nachttisch gelegt.
»Wir benehmen uns wie die Kinder ...«, sagt er, als das dicke Horngestell wieder sicher auf seiner Nase ruht.
Sie streichelt seine nackten Beine und schließt die Augen. Er spürt, wie seine Lust von ihren Fingern erneut geweckt wird. Aber diesmal will er ihr zuvorkommen. Er springt mit einem Ruck aus dem Bett auf. »Ich habe noch zu arbeiten. Ich muss jetzt nach Hause ...«
Sie hört das Rascheln seiner Kleider im Dunkeln.
»Du willst jetzt schon gehen, mein Kaiser?« Die Freude in Roulas Stimme verschwindet. »Ich habe allen gefallen, nur dir nicht.« Aber dann steht sie auf, macht das Licht an und hilft ihm, die verrutschte Krawatte wieder geradezurücken, als wären sie ein vertrautes Paar.
»Aber nein«, beruhigt sie Dai, weicht ihr aber aus und lässt sich keine weitere Hilfe gefallen. »Du bist entzückend. Aber ich bin noch verheiratet. Ich möchte niemanden in Verlegenheit bringen.«
»Du lebst schon seit Jahren nicht mehr bei deiner Frau. Das wissen doch alle in der Firma«, sagt Roula.
Dai streicht mit rotem Kopf seinen Anzug glatt, hebt wie ein fliegender Falke den Ordner vom Boden auf und flüchtet zur Tür. Mit dem Griff in der Hand dreht er sich noch einmal um.
»Ich hoffe, wir sind weiter gute Kollegen«, sagt er mit verlegener Stimme. »Wenn du mich sprechen möchtest, melde dich morgen in meinem Büro.«
Roula folgt Dai bis zur Tür und bleibt dort nackt und unglücklich stehen, während er den Korridor hinunterrennt. Sie beißt sich auf die Lippen, bis ihr schwarz vor Augen wird und sie zu Boden sinkt. Und das Geschenk von den Mitarbeitern aus Anhui?
Das würde sie am liebsten gleich aus dem Fenster schmeißen.
Am nächsten Tag hat Dai viel zu tun. Kaum hat er seinen Computer hochgefahren und die neuesten Absatzzahlen studiert, kommen schon die ersten Mitarbeiter, die Anweisungen oder Unterschriften von ihm verlangen. Dann zitiert er die Geschäftsführung und die Marketingleitung zu sich, um die Markteinführung des Gehirnpräsidenten in die Wege zu leiten. Nach zwei Stunden steht die Kampagne in ihren Grundzügen fest, und Dai gönnt sich ein paar Schlucke Tee.
Dann tritt Howard mit ernstem Gesicht zur Tür herein und sagt: »Es gibt ein kleines Problem auf der Baustelle.« Ein paar Minuten später sitzen die beiden Freunde in Howards Jaguar und fahren in die neue Stadt, die westlich des alten Zentrums entsteht.
Auf der Jiabin-Straße ist viel Betrieb. Überall leuchtet und lärmt es. Die Läden sind gut besucht. Die Menschen sind auffällig jung, als gäbe es in der Stadt kaum alte Leute. Auch im Januar ist es angenehm warm, und die Passanten sind dem Wetter entsprechend gekleidet. Bei den zahlreichen jungen Frauen sieht man dünne Kleider, ja sogar nackte Arme und Beine.
Doch Dai und Howard sind mit anderen Dingen beschäftigt. Auf dem breiten, achtspurigen Binhe Boulevard, der links und rechts von hohen Palmen gesäumt ist, kann Howard so richtig Gas geben, er biegt aber bald nach rechts ab und hält an der Futian-Straße vor einer dröhnenden Baustelle. Unweit von hier soll nach dem Willen der Stadtväter in den nächsten Jahren das neue Zentrum entstehen, mit breiten Alleen und riesigen Gebäuden. Jetzt kann der Blick noch weit schweifen. Im Norden sieht man eine geschwungene Hügelkette, im Süden ahnt man die Bucht von Shenzhen im Dunst. Wer etwas gelten will, muss hier dabei sein. Auch die Firmenzentrale von Tenglong wird hier in den Himmel ragen. Aber momentan ist nur ein riesiges, eckiges Loch in der Erde zu sehen. Dai und Howard steigen aus dem Wagen, setzen dunkle Brillen auf und gehen über den von gleißender Sonne erfüllten Bauplatz. Schon kommt ihnen der Polier entgegen.
Nachdem die beiden Herren mit Helm und Gummistiefeln versorgt sind, führt der Mann sie über eine eiserne Leiter hinab in die Grube. Der Bagger, der eben noch heulend geschaufelt und die Luft mit Staub und Abgas erfüllt hat, verstummt augenblicklich. Die Männer durchqueren die Grube und bleiben vor einer hohen Wand stehen, die der Bagger aus der Erde geschaufelt hat. Es fällt auf, wie ungleichmäßig sie ist. Die eine Hälfte besteht aus grauem Kies und Sand, die andere aus dunklem Fels. In der Mitte sieht man eine gezackte Trennlinie. Dai hebt die Hand und berührt das vor ihm liegende Erdreich. Die linke Seite bröckelt sofort. Die rechte Seite widersteht dem Druck seiner Finger. Sie ist hart wie Granit.
Sie gehen zur anderen Seite und stellen dort das gleiche Phänomen fest. »Es scheint, dass sich vor langer Zeit zwei große tektonische Platten an dieser Stelle getroffen haben«, sagt Howard. »Kräfte aus dem Erdinneren haben sie übereinandergeschoben. Bis vor einigen Jahrtausenden lag diese Gegend noch unter dem Südmeer. Die Fluten haben alles mit Sedimenten bedeckt, deswegen ist uns beim Kauf der Nutzungsrechte nichts aufgefallen, weil die Bruchstelle tief unter einer Schicht von Sand, Kies und Erde begraben ist.«
Was die Entdeckung bedeutet, ist klar: Die linke Seite des Fundaments muss erheblich verstärkt werden, damit das Gebäude nicht umkippt. Auf der rechten Seite dagegen kommt der Bagger nicht weiter. Bohrmaschinen und Dynamit müssen her, um den Felsen wegzusprengen und dem Fundament die nötige Tiefe zu geben.
Sie klettern aus der Grube und bleiben eine Weile am Rand der Baustelle stehen und rauchen. Howard, der schon 1992 bei der Gründung der Firma dabei war und seither die rechte Hand Dais ist, kennt seinen Freund nur zu gut: Wenn er schwere Entscheidungen treffen muss, macht Dai besonders lange Züge und stößt den Rauch heftig aus.
»Die Arbeiten werden etwa drei Monate länger in Anspruch nehmen«, bricht Howard das Schweigen. »Und für die neuen Fundamente brauchen wir natürlich viel mehr Stahl und Beton als geplant.«
»Bisher sind wir immer der Liebling des Schicksals gewesen, aber jetzt scheint es uns necken zu wollen«, sagt Dai, als sie wieder im Auto sitzen. Er macht eine übertrieben theatralische Geste, um den Ernst der Situation herunterzuspielen. Was die Bearbeitung der Fundamente an zusätzlichen Mitteln verschlingen wird, kann die Firma verkraften. Aber dass die Bauarbeiten mit solchen Überraschungen anfangen, das behagt ihm ganz und gar nicht. Ist es womöglich ein schlechtes Omen, dass ausgerechnet auf seinem Grundstück zwei tektonische Platten zusammenstoßen?
»Die Alternative wäre, bei der Regierung das Nutzungsrecht für ein neues Grundstück zu kaufen und das alte zurückzugeben«, erklärt Howard, als hätte er Dais Gedanken erraten.
Wie kann man nur auf so eine dumme Idee kommen? Dai wirft seinem Baubeauftragten einen vorwurfsvollen Blick zu. Sie haben alle Hebel in Bewegung gesetzt, um an diesem zentralen Platz bauen zu dürfen. Der Preis für das Nutzungsrecht war nicht gering. Dann die Anmeldung beim Katasteramt, die Genehmigung für den Bauplan, die Genehmigung vom Arbeitsamt und vom Umweltschutzamt ... Mindestens dreißig rote Stempel hat Howard gesammelt, bis das Projekt allmählich ins Rollen kam. Ein Rückzug würde nicht nur Geld- und Zeitverlust bedeuten. Man würde sie auslachen. Wenn man auf einem Tiger reitet, fällt das Absteigen schwer. Dieser bekannte Spruch schießt Dai durch den Kopf. Er zögert mit einer Antwort. Aber bevor er den Mund aufmacht, klingelt sein Handy. Er meldet sich knapp: »Ja, was ist?«
Nach zwei Minuten klappt er das Telefon wieder zu und lacht: Die Stadtregierung hat ihn zu einem der besten Unternehmer der Stadt gekürt. Der Preis: eine Eigentumswohnung am Dufthonigsee, ein Auto der Marke Santana und eine Prämie von sechshunderttausend Yuan! Die Entscheidung sei eben bei einer Sondersitzung des Stadtrats gefallen, hat ihm der Sekretär des Wirtschaftsreferenten gesagt.
»Du bist und bleibst nun einmal ein Glückskind!«, sagt Howard. Zum ersten Mal vergisst er seine Rolle als Gentleman und strahlt. »Vortrefflich! Nachdem du von den Pekingern ausgezeichnet worden bist, hab ich dir gleich gesagt: Die werden dich noch mit Auszeichnungen zuschütten. Hab ich recht gehabt, oder nicht?« Er schüttelt lachend den Kopf, als wäre er selbst der Preisträger. Dann kommt der Spötter wieder zum Vorschein: »Hm, überwältigend ist die Prämie nicht, wenn man bedenkt, was wir an Steuern bezahlt haben. Aber wir wollen die Wirkung deines neuen Titels nicht unterschätzen. Das Jahr fängt gut an.«
Diese Worte fegen Dais Bedenken endgültig beiseite. Er wirft seine halb gerauchte, noch brennende Zigarette aus dem offenen Fenster des Wagens. »Ach, egal, was es kostet! Wir bauen weiter!«
Howard hebt seine Hand, und Dai schlägt klatschend dagegen. Die beiden Freunde sind sich wieder mal einig.
»Red mit dem Architekten und sag ihm, er soll ein neues Konzept für die Fundamente erarbeiten und die Statik noch einmal sorgfältig prüfen. Zahl ihm ein bisschen mehr, damit es schnell geht. Diese Ausländer sind immer so langsam.«
Am Mittag lässt sich Dai zum »Rosental« fahren, um sich mit einem Geschäftsmann zu treffen. Das »Rosental« ist ein Massagesalon, wo man sich die Füße waschen und den Nacken massieren lassen kann. Solche Orte dienen der Entspannung und sind auch gut fürs Geschäft. Tatsächlich hat Dai einen guten Tag und kann eine große Bestellung mitnehmen, als er gewaschen, massiert und geklopft in die Firma zurückkehrt.
Da der Betrieb zum Neujahrsfest eine Woche zumachen wird, muss jetzt umso mehr produziert werden, und Dai wird für alles und jedes gebraucht. Seine Tür geht auf und zu, sein Telefon klingelt ununterbrochen. Den Vorfall von gestern Nacht hat er längst verdrängt, und doch ist ihm den ganzen Tag, als warte er noch auf etwas. Hatte man ihm nicht etwas versprochen? Ein Geschenk aus Anhui?
Am späten Nachmittag, gegen fünf, kommt sein jüngerer Bruder zu ihm ins Büro. »Buddha« Dai ist immer noch sehr niedergeschlagen wegen des Überfalls auf die beiden Angestellten in Yichang. Dai bittet ihn in seine Sitzecke und lässt grünen Tee, getrocknete Früchte und Erdnüsse kommen, um den Bruder ein bisschen aufzuheitern. Solcher Luxus ist nicht selbstverständlich für die beiden Brüder.
Als sie noch Kinder waren und in Anhui wohnten, mussten sie oft um ihr Essen kämpfen. Noch heute erinnert Buddha sich an eine Szene aus ihrer gemeinsamen Jugend. Es war Ende der 70er-Jahre. Eines Tages waren die Brüder im Laden der Kommune gewesen, hatten Reis, Mehl und Bohnen gekauft, die halbe Monatsration der Familie, und den Einkauf in einem großen Eimer nach Hause getragen. An einem Abhang lauerte ihnen eine fünfköpfige Bande jugendlicher Taugenichtse auf und wollte die Fäuste an ihnen erproben.
Der ältere Dai war damals noch dünner als jetzt, dünn wie eine Weidenrute, sagte man. An einer Schlägerei war er nicht interessiert, aber verprügeln ließ er sich auch nicht. Er sprang im Zickzack und wehrte sich heftig. Ein 17-Jähriger, der Anführer der Gegner, fiel auf den Hinterkopf und wurde wütend. Er stand auf und stieß den Eimer mit den Einkäufen um. Die beiden Brüder wollten nicht mit leeren Händen nach Hause gehen, sonst hätte die Familie wochenlang hungern müssen. Sie sammelten die Einkäufe wieder ein und traten mit den Füßen, um sich zu wehren.
Als die Angreifer merkten, dass sie den älteren Dai nicht zu fassen bekamen, sammelten sie sich um den jüngeren und schlugen zu viert auf ihn ein. »Buddha« war damals gerade erst zwölf und hatte noch nicht so breite Schultern wie jetzt. Doch er war genauso tapfer wie sein Bruder und schlug heftig um sich.
Dennoch spürte er, dass er bald zu Boden gehen würde. In diesem Augenblick warf sein Bruder ein halbes Pfund Mehl in den ringenden Haufen und brachte damit den Kampf zum Erliegen. Während sich die Feinde noch schimpfend die Augen rieben, stieß der ältere Dai sie einzeln den Abhang hinunter. Dann warf er eine Handvoll Bohnen hinter ihnen her, sodass sie keinen Halt fanden, sondern immer weiter den Hügel hinunterrollten. Als die Gruppe am Fuß des Hügels angekommen war und sich rächen wollte, hatte Dai auf dem steilen Hang Steine gesammelt und eine kleine Pyramide daraus gebaut. Auch der Kleinere hatte fleißig Steine zusammengetragen und neben seinem Bruder eine zweite Pyramide errichtet.
»Wenn ihr raufkommt, kriegt ihr die Steine zu spüren«, warnte der ältere Dai und tat so, als wollte er die angekündigte Waffe mit einem Tritt zum Einsatz bringen.
Die Bande hatte ohnehin schon zerschrammte Arme und zerrissene Hosen. Wenn sie jetzt nicht nur gegen Bohnen, sondern gegen Steine ankämpfen müssten, würde es ihnen noch schlimmer ergehen. Sie beschimpften die Brüder als Feiglinge, schworen schreckliche Rache – und rannten davon. Seither hält Buddha seinen älteren Bruder für eine Reinkarnation von Zhuge Liang, dem bekannten Strategen und Kaiserberater. Er würde nie wieder Angst haben. Sein Bruder stand für ihn ein, und er würde jederzeit für ihn kämpfen.
Buddhas Gedanken schwenken von der Erinnerung an die glorreiche Vergangenheit in die prekäre Gegenwart. Was sollen sie gegen die Produktpiraten bloß unternehmen? Ein solcher Zusammenstoß kann sich jederzeit wiederholen.
»Haben wir keinen Draht zur Polizei in Hubei?«, will Dai wissen.
»Ach, die Leute in Hubei sind hinterlistig und unzuverlässig wie die Banditen. Die Polizei dort hat uns schon mehrmals im Stich gelassen und wird uns auch in Zukunft nicht helfen«, seufzt Buddha. »Aber die eigentliche Pest sind die Fälscher. Die sind wie die Ratten. Sobald ein Produkt ein Erfolg ist, kommen sie aus ihren Löchern und stürzen sich auf die Marke. Hast du eine totgeschlagen, schlüpfen tausend neue aus der Erde.«
Aber Dai will keine Zeit mit Jammern verbringen. »Wir werden eine neue Taktik entwickeln. Wir müssen den Fälscher ausfindig machen und ihn vor Gericht bringen. Die Verkäufer, der Lastwagenfahrer, das sind alles nur seine Handlanger. Wenn die Polizei sie erwischt, heuert der Kopf der Bande im Nu neue Leute an, und alles geht weiter.«
Die schwarzen Brauen des jüngeren Bruders zucken ein paarmal, dann seufzt er. »Das kann Jahre dauern, bis wir den finden, und selbst wenn wir ihn anzeigen, nützt es uns gar nichts. Die örtlichen Behörden nehmen die großen Produktpiraten doch immer in Schutz, weil sie in ihrer Gemeinde mehr Steuern als wir zahlen. Außerdem schaffen sie Arbeitsplätze. Die Behörden werden uns nicht helfen. Unser Konkurrent DreiAcht hat einmal einen großen Fälscher erwischt und ihn bei der Polizei angezeigt. Und was ist passiert? Die Polizei hat große Empörung geheuchelt, ihn festgenommen und ins Gefängnis gesteckt. Aber ein paar Tage später war er wieder auf freiem Fuß. Er hat seine alte Firma geschlossen, ein paar Meter weiter unter dem Namen seiner Frau eine neue Fabrik aufgemacht, und die Fälschungen gingen weiter.«
»Auch wenn es eine Sisyphusarbeit ist«, sagt Dai. »Wir müssen diesen Verbrechern das Handwerk legen. Wir haben doch schon einmal Fälschungen in dieser Gegend beobachtet. Erinnerst du dich? Da war die Vorgehensweise doch ziemlich ähnlich: ein Lastwagen im Dunkeln auf einem belebten Platz, ein paar junge Verkäufer, die sich jederzeit in Schläger verwandeln können. Und sie hatten alle einen Hunan-Akzent ...« Dai schaut seinem jüngeren Bruder in die Augen. »Könnte es nicht sein, dass hinter beiden Fällen derselbe Hersteller steckt?«
Buddha schlägt sich mit der Hand an den Kopf. »Wieso ist mir das nicht gleich aufgefallen? Du hast völlig recht: Es ist möglich, dass sie zusammengehören.«
Jetzt ist Dai in seinem Element. »Wir müssen das ganz professionell machen. Wir bauen eine neue Abteilung auf. Du stellst ein paar handfeste, ehrliche Leute ein. Vielleicht Sportler oder ehemalige Polizisten, aber Leute mit Köpfchen. Besonders die Gegend an der Grenze von Hubei und Hunan müssen wir genau im Auge behalten. Wenn wir wieder so einem Lastwagen begegnen, sollen unsere Leute den Fahrer in aller Stille verfolgen, bis wir das Lagerhaus der Fälscher aufgespürt haben. Ist das machbar?«
Buddha kratzt sich am Hinterkopf: »Wir sollen die Gangster nicht stoppen?«
»Doch. Aber wir müssen eine Doppelstrategie anwenden: Die Fälschungen stoppen, die Fahrer verfolgen.«
Buddha nickt, wirkt aber nicht überzeugt. Er nimmt die Stäbchen zwischen die Finger und befördert ein paar Erdnüsse in seinen Mund. Aber er ist immer noch so angespannt, dass er gar nicht weiß, worauf er da herumkaut.
»Lass die neue Fälschung so schnell wie möglich vom Labor prüfen, dann wissen wir nämlich gleich, ob sie von demselben Kerl stammt oder nicht. Ein Mistkäfer dreht immer dieselbe Scheiße.«
»Ja. Gute Idee.« Buddha Dai lächelt. Jetzt schmecken ihm seine Erdnüsse.
Am Abend hat Howard einen wichtigen Gast, den Vizepolizeipräsidenten und Chef des Ordnungsamtes der Stadt. Der Beamte ist zuständig für die Verhütung und Bekämpfung von Bränden und die Sicherheitskontrolle am Bau. Er hat erhebliche Befugnisse und ist sich seiner Macht bewusst, aber trotzdem ist er ein durchaus umgänglicher, geradezu liebenswürdiger Mann. Von Eingeweihten wird er gern »Blumennase« genannt, weil er ein kulinarischer und erotischer Feinschmecker ist. Howard hat für das Treffen das Restaurant »Himmel und Erde« gewählt, wo die Meeresfrüchte besonders frisch sind.
Howards Einladung ist nicht ganz uneigennützig. Seit er weiß, dass die Fundamente für die neue Zentrale zum Teil in den Fels gesprengt werden müssen, sucht er nach einer raschen, unkomplizierten Lösung für sein Problem.
»Ich brauche Dynamit«, sagt er zu »Blumennase«, als die Kellner gerade die Haifischflossensuppe gebracht haben. Howard kennt seinen Gast schon seit Jahren. Die beiden Männer hatten viel miteinander zu tun, als Howard die jetzige Firmenzentrale von Tenglong