Die Tage in Jerusalem - Anna Mende - E-Book

Die Tage in Jerusalem E-Book

Anna Mende

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Beschreibung

Eine Reise nach Jerusalem wünscht sich Anna seit ihrer Kindheit. Es dauert beinahe fünfzig Jahre, als der Wunsch in Erfüllung geht. Einige Hürden sind zu überwinden, bis endlich der Abreisetag feststeht.

Anna wird von ihrer Tochter Amalia begleitet. Von München geht es per Direktflug nach Tel Aviv und weiter nach Jerusalem, wo bereits eine Reisegruppe samt der ortskundigen Reiseleiterin Theresa auf sie wartet. Kaum angekommen, tauchen sie ein in orientalisches Flair, biblische Zeiten und erleben einen Sabbat in Jerusalem.

Die andere Kultur, der Holocaust und jüdisches Brauchtum sind allgegenwärtig sowie die aktuelle Situation, die im Nahen Osten zum Alltag gehört.

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Veröffentlichungsjahr: 2017

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Anna Mende

Die Tage in Jerusalem

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Freude und Dämpfer

Freude und Dämpfer

 

„Jerusalem ist eine sehr alte Stadt. Sie wurde von König David gegründet und liegt heute in Israel. Früher hieß das Land Palästina“, erfuhren wir von unserer Grundschullehrerin Lieselotte Biston. Was sie sagte, war für mich wie das Amen in der Kirche. Gebannt lauschte ich den Geschichten rund um das Heilige Land und um Jerusalem.

„Dort wurde Jesus am Garten Gethsemane verhaftet, zum Tode verurteilt, gekreuzigt und begraben. Nach drei Tagen war er von den Toten auferstanden und erschien seinen Jüngern noch vierzig Tage lang. Das Grab von Jesus ist in der Grabeskirche in Jerusalem.“

Sie war eine begnadete Erzählerin, unsere Lehrerin. Man tauchte ein in die Geschichten aus der Bibel und am Ende glaubte man, selbst mittendrin zu sein. Wir litten mit den Kindern Israels beim Auszug aus Ägypten und verspürten den gleichen Durst, den diese auf ihrem Weg durch die Wüste ertragen mussten. Ich wünschte mir sehnlichst, dorthin zu fahren und alles anzuschauen. Aber vor allem Jerusalem. Die Stadt gehörte fortan zu den Zielen auf dieser Erde, die ich wenigstens einmal im Leben besuchen wollte.

„Gibt es noch Fragen?“, wollte sie kurz vor Schluss der Stunde wissen. Ich meldete mich.

„Ist Jerusalem weit weg?“, fragte ich.

„Kommt darauf an“, meinte sie, „für einen Sonntagsausflug, wie wir ihn ohne großen Zeitaufwand ins Siebengebirge machen können, ist es viel zu weit. Aber nicht so weit wie Amerika.“

Ich war enttäuscht. Diese Aussage nahm mir jegliche Hoffnung, bald ins Heilige Land zu reisen. Aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben und nahm mir vor, abzuwarten und die Dinge auf mich zukommen zu lassen. Der Tag wird schon kommen, an dem sich mein Wunsch erfüllt.

Der Tag kam. Allerdings musste ich fünfzig Jahre auf ihn warten.

 

Der Prospektständer vor dem Reisebüro ist mit Katalogen vollgepackt. Die meisten Touristikunternehmen bieten Reisen auf spanische und griechische Inseln an, gefolgt von Portugal, Italien, Malta und Tauchurlaub in Ägypten. So ist zumal der erste Eindruck. Gezielt suche ich nach Angeboten für den Orient und lasse den Blick eine Weile über die aufgereihten Kataloge schweifen. Ich werde fündig und ziehe drei Prospekte von Veranstaltern heraus, die Israel in ihrem Programm haben. Ein kurzer Blick in die Hefte zeigt mir, dass die Angebote für das Heilige Land umfangreich genug sind, um das Richtige für mich zu finden. Ich lege die bunt bebilderten Kataloge in den Einkaufswagen und betrete den neben dem Reisebüro gelegenen Supermarkt, um meinen Wochenendeinkauf zu erledigen. Wie praktisch diese Einkaufszentren sind. Man schlägt zwei oder gar mehr Fliegen mit einer Klappe. Was für mich an diesem Tag bedeutet, im Vorbeigehen und auf die Schnelle Informationen über Reisemöglichkeiten in den Nahen Osten zu ergattern und gleich darauf meinen Bedarf an Lebensmitteln zu decken.

Da Samstag ist, sind die Schlangen an den Kassen endlos lang. Ich vertreibe mir die Wartezeit, indem ich eins der Hefte unter den Einkäufen hervorziehe und durchblättere. Zugegeben, es ist nicht der richtige Zeitpunkt, um sich für einen Flug und das passende Hotel an Ort und Stelle zu entscheiden. Aber immerhin ist es angenehmer, einen Blick auf den Felsendom in Bildform zu werfen, als den Hinterkopf des Vordermannes gelangweilt anzustarren. Langsam aber stetig bewegt sich die Kolonne vorwärts. Dann bin auch ich an der Reihe und lade meine erstandenen Konsumgüter auf das schwarze Band. Ich kann es kaum erwarten, endlich zu Hause zu sein, um in Ruhe und bei einer Tasse Kaffee die Reise detailliert zu planen.

 

„Was bringst du denn da mit?“, fragt meine Tochter Amalia beim Anblick der Reiseprospekte und greift sofort danach.

„Orient, wie cool“, ruft sie, „wann fahren wir?“

Sie sitzt in einem Sessel, hat alle drei Hefte auf ihrem Schoß und beginnt das oberste durchzublättern. Es ist Mitte Juli und ihre Semesterferien dauern bis in den Oktober hinein. Nach Israel möchte ich in dem Zeitraum ab Ende August bis Ende September. Ein genaues Datum liegt noch nicht fest.

Zunächst verstaue ich die Einkäufe, um mich dann in Ruhe aber zügig dem Thema Israel zu widmen

„Badeurlaub im Sultanat Oman“, sagt meine Tochter, „die Strände musst du dir mal anschauen, die findet man nicht überall.“

Ich habe mich zu ihr gesetzt und sie reicht mir den aufgeschlagenen Katalog. Sehr verlockend, das muss man zugeben. Aber das Thema Oman steht nur leider nicht zur Debatte. Ich habe auch nicht vor, mich von meinem ursprünglichen Vorhaben abbringen zu lassen.

„Ich möchte nach Israel“, sage ich.

„Auch gut“, antwortet sie, „da fahre ich genauso gerne mit.“

Ich freue mich, dass sie mich mit ihren zweiundzwanzig Jahren noch auf einer Reise begleiten möchte, was ja nicht unbedingt selbstverständlich ist.

Dass Israel preislich nicht zu den günstigsten Reisezielen gehört, weiß ich. Aber die Preise, die ich in den Katalogen sehe, hauen mich dann doch um. Mehr als eine Woche ist nicht drin. Aber egal, denke ich, Hauptsache ich war einmal dort. Allein die Vorstellung, in Stuttgart oder München in eine Maschine nach Tel Aviv zu steigen, löst bei mir ein riesiges Glücksgefühl aus. Und, wie gesagt, auch in einer Woche kann man viel sehen und erleben.

Die zehntägige Rundreise quer durch das Land mit mehreren Übernachtungen in einem Kibbuz würde mir Gefallen. Lässt sich nur leider mit meinem Budget nicht vereinbaren.

Ich blättere weiter und mein Blick fällt auf Jerusalem. Eine ganze Woche in dieser Stadt gibt einem die Möglichkeit, sieben Tage lang einen einzigen Ort intensiver zu durchkämmen. Auch eine Idee, denke ich und mein Entschluss steht fest. Wir fahren nach Jerusalem und werden diese einzigartige Stadt in der uns zur Verfügung stehenden Zeit vom Morgen bis zum Abend abklappern. Ich freue mich auf den Tempelberg mit Felsendom und Al Aksa Moschee, das Jaffa- und das Damaskustor, die Klagemauer und die Via Dolorosa, und nicht zu vergessen, den Garten Gethsemane.

Es fehlt nur noch die Bleibe. Ich begebe mich auf die Suche nach einem guten, aber bezahlbaren Hotel. Nach einer Weile des Abwägens habe ich ein Hotel herausgesucht, das mir und auch meiner Tochter gefällt und beschließe, gleich Anfang der kommenden Woche ins Reisebüro zu gehen, um zu buchen.

Meine Tochter begleitet mich, um unsere gemeinsame Reise nach Israel festzumachen. Wir betreten das Reisebüro und unsere Vorfreude scheint sich auf die Mitarbeiterin, die abwartend hinter ihrem Pult weilt, zu übertragen. Mit freudestrahlendem Lächeln begrüßt sie uns per Handschlag und bittet uns, auf den beiden Stühlen vor ihrem Schreibtisch Platz zu nehmen. Wir folgen dem Angebot und ich beginne das Gespräch. Ich spüre, dass Amalia mich neugierig ansieht. Sie brennt geradezu darauf, nach Israel zu reisen.

„Wir planen einen einwöchigen Aufenthalt in Jerusalem und zwar in diesem Hotel“, erkläre ich, zeige mit dem Finger auf ein buntes Bild von dem Hotel meiner Wahl und reiche den aufgeschlagenen Katalog über den Tisch.

„Na, da wollen wir einmal schauen, was Sie sich da ausgesucht haben“, sagt die Beraterin, nimmt das Reiseprospekt entgegen und legt es aufgeschlagen vor sich auf den Tisch. Mein Blick wandert zu dem Namensschild, das in Folie eingeschweißt seitlich von ihr aufgestellt ist. Sie werden beraten von 'Barbara Jäger', steht dort in fett gedruckten schwarzen Lettern. Demnach haben wir es mit Frau Jäger zu tun, die uns bei dem Gelingen unserer derzeitigen Traumreise behilflich sein wird.

„Eine Woche Jerusalem im Golden Hotel sagten Sie“, wendet sich Frau Jäger an mich.

„Ja, ganz genau dorthin“, antworte ich.

„Wissen Sie schon den Termin?“, fragt sie.

„Am besten Anfang September, wenn in den meisten Bundesländern die Sommerferien zu Ende sind“, schlage ich vor, „ich habe gesehen, dass dann die Preise deutlich nachgeben.“

„Das ist richtig“, bestätigt Frau Jäger, „wie wäre es gleich in der ersten Septemberwoche, vom zweiten bis zum neunten?“

Ich schau zu meiner Tochter hin, die bislang geschwiegen hat.

„Was meinst du? Passt der Termin?“, frage ich nach.

Sie zuckt leicht mit den Achseln und nickt.

„Ist ganz in Ordnung so“, antwortet sie.

„Gut“, freue ich mich, „dann haben wir uns entschieden, Frau Jäger. Wir fahren in der besagten Zeit in das Golden Hotel eine Woche nach Jerusalem“, fasse ich unser Anliegen noch einmal zusammen und könnte Luftsprünge machen. Noch ahne ich nicht, dass mir eine Riesenenttäuschung bevorsteht.

„Prima“, strahlt Frau Jäger und greift nach einem Taschenrechner. Mit flinken Fingern tippt sie Zahlen ein, blättert mehrfach in dem Prospekt hin und her und schaut uns kurze Zeit später mit ihrem sympathischen Lächeln verheißungsvoll an. Dabei schweift ihr Blick ein paar Mal zwischen meiner Tochter und mir hin und her.

„So“, sagt sie, „dann hätten wir das. Sie wiederholt noch einmal die Daten und nennt dann den Preis. Bei letzterem stockt mir der Atem. Ich glaube, mich verhört zu haben und wiederhole die Summe. Dabei beuge ich mich leicht vor, gerade so, als ob sich mit dieser Geste alles noch zum Positiven wendet. Amalia entfährt ein erschrockenes „Oh“. Mehr sagt sie nicht. Warum sollte sie auch, die Entscheidung liegt letztendlich bei mir.

„Wie kommt denn dieser Betrag zustande?“, frage ich mit heiserer Stimme und versuche angestrengt, mir meine Ernüchterung nicht zu deutlich anmerken zu lassen.

Frau Jäger erklärt mir die Zusammensetzung der Hotelkosten, dazu kommen die Flüge mit allen Gebühren. Sie bemängelt auch, dass dieser Katalog für die Kunden irreführend und mühsam erkennbar ist, was die Zusammensetzung der endgültigen Reisekosten angeht.

„Da gibt es wahrlich Exemplare, die wesentlich überschaubarer sind“, beanstandet sie und beteuert, wie Leid ihr es tut, dass das Ergebnis für uns derart ungünstig ausgefallen ist.

Wie versteinert sitze ich Frau Jäger gegenüber und bin dabei, diesen Dämpfer zu verarbeiten. Als gute Kauffrau spürt sie sofort, was mit mir los ist und zeigt sich behilflich. Letztlich möchte sie Reisen verkaufen und potentielle Kunden nicht einfach so von dannen ziehen lassen.

„So schnell geben wir nicht auf“, sagt sie, kramt in dem Regal hinter ihr nach weiterem Material und wird fündig. Der Veranstalter ist auf Jordanien, Ägypten und Israel spezialisiert.

„Schauen Sie sich das Angebot in Ruhe zu Hause an“, empfiehlt Frau Jäger, „ich bin sicher, dass Sie darin das Passende finden.“

Ich nicke und nehme das Heft dankbar, wenn auch mit gewisser Skepsis, entgegen. Frau Jäger verabschiedet uns mit den Worten, dass wir uns in den nächsten Tagen mit Sicherheit wiedersehen. Schweigend laufen Amalia und ich nebeneinander her über den großen Parkplatz zu unserem Auto. Ob meine Tochter über die geplatzte Reise sehr enttäuscht ist, lässt sich schwer sagen. Jedenfalls ist es nicht offensichtlich.

„Das ist ein ganz schöner Batzen, was da für eine Woche weg gewesen wäre“, sagt sie als wir losfahren.

„Ja“, stimme ich ihr zu, „beim besten Willen nicht machbar. Das reißt ein zu großes Loch in mein Budget. Wir werden sehen, was Frau Jäger für uns herausgesucht hat. Vielleicht finden wir da die Patentlösung.“

Zu Hause angekommen nehme ich mir die Reisebroschüre gleich vor und traue meinen Augen nicht. Die bieten Jerusalem für ein verlängertes Wochenende an. Das Reiseangebot trägt die Überschrift: Ein langes Wochenende in Jerusalem auf den Spuren von Jesus, Ankunft Freitag – Abreise Montag. Das bedeutet, man hat zwei volle Tage und zwei angebrochene zur Verfügung. Der Preis ist durchaus in Ordnung und in der Kürze liegt die Würze. Trotzdem bin ich unschlüssig und kann mich zu keiner klaren Entscheidung durchringen. Ich klappe das Heft zu und beschließe, das ganze erst einmal zu überschlafen.

Am nächsten Morgen gilt mein erster Gedanke dem verlängerten Wochenende in Jerusalem. Preislich durchaus attraktiv befürchte ich, dass diese Unternehmung in Stress ausartet, wenn man im Schnelldurchgang auf den Spuren Jesus durch eine Stadt wie Jerusalem wandelt. Außerdem beinhaltet die Tour noch einen Abstecher nach Bethlehem, das im Westjordanland liegt. Wie dem auch sei, ich bekomme dieses Angebot nicht aus meinem Kopf und schaue mir noch vor dem Frühstück wiederholt die Beschreibung an. Dann steht mein Entschluss fest: Wir verbringen in Kürze ein verlängertes Wochenende in Jerusalem.

In aller Ruhe und mit mir und der Welt im Reinen decke ich gut gelaunt den Frühstückstisch. Dann erscheint auch Amalia. Während die ersten beiden Scheiben Brot im Toaster rösten, informiere ich meine Tochter über mein Vorhaben und frage, was sie dazu meint.

„Auf jeden Fall sollten wir das machen“, sagt sie und ist erfreut. „Wann hast du vor zu buchen?“

„Am besten noch heute, wegen der Flüge“, schlage ich vor, „da wir Linie fliegen, kann es sein, dass die schnell ausgebucht sind.“

Amalia nickt: „Sehe ich auch so. Dann lass uns gleich nach dem Frühstück ins Reisebüro fahren.“

„Einverstanden“, antworte ich, „wir buchen noch heute.“

 

 

Der Entschluss

 

Der Entschluss

 

„Damit habe ich nicht gerechnet, Sie so schnell wiederzusehen“, ist die Begrüßung von Frau Jäger.

„Das bedeutet, Sie haben sich entschlossen?“

„Genau das haben wir“, bestätige ich ihre Vermutung und bitte sie, Flüge und Hotel zu buchen.

„Sie wissen, dass Sie sich während des Aufenthaltes komplett der Stadtführung anschließen können? Das ist im Preis enthalten“, klärt sie uns auf. „Würde ich Ihnen auf jeden Fall empfehlen.“

„Das nehmen wir an“, sage ich, „schließlich haben wir ein enges Programm und zu wenig Zeit, uns in dieser Stadt alleine zurecht zu finden, um alles zu erreichen, was wir anschauen möchten.“

„Außerdem bekommen Sie mehr Infos, die Sie nicht haben, wenn Sie auf eigene Faust losziehen“, merkt sie noch an, während sie versucht, den Veranstalter telefonisch zu erreichen. Wenige Minuten später ist der Aufenthalt in Israel gebucht, allerdings gibt es bei dem Hinflug noch Klärungsbedarf.

„Leider sind die Flüge ab Stuttgart ausgebucht“, bedauert Frau Jäger, „ginge auch München?“

Dabei wandert ihr Blick gespannt zwischen Amalia und mir hin und her, in der Hoffnung, dass wir mit Abflug von München einverstanden sind. Stuttgart ist für uns angenehmer, da näher. München liegt von unserem Wohnort gut zweihundert Kilometer entfernt und die Anreise ins Erdinger Moos ist umständlich. Da wir Rail and Fly haben, kostet uns die Anreise per Bahn keinen Cent mehr. Ist akzeptabel, finde ich und stimme dem Flug ab München zu.

„Abflug ist halb zehn in der Früh“, informiert uns Frau Jäger, „Sie sollten spätestens um acht am Flughafen sein.“

Da haben wir schon die erste Hürde. Das heißt, wir müssen bereits einen Tag vor Abflug anreisen. Von uns aus schaffen wir es nicht, um acht Uhr am Flughafen zu sein, wenn wir mit Zug und S-Bahn anreisen. Zweimal müssen wir umsteigen, in Ulm und in Pasing. Auch habe ich wenig Lust, spät dorthin unterwegs zu sein und irgendwann in der Nacht den Flughafen zu erreichen.

„Geht in Ordnung“, bestätige ich, „ich buche ein Hotelzimmer und wir reisen gemütlich einen Tag vorher an.“

Für das Hotelzimmer in München brauche ich Frau Jägers Unterstützung nicht. Ich werde mir in aller Ruhe von zu Hause aus im Internet ein passendes Hotel aussuchen und online buchen.

Meine Wahl fällt auf das Airporthotel Regent in Hallbergmoos, zehn Autominuten vom Flughafen München entfernt. Sie verfügen über einen regelmäßigen Shuttle-Service vom und zum Flughafen. Ideal, denke ich und buche.

 

„Wo wollt ihr hin?“, fragt mich am Nachmittag mein Exmann Herbert ungläubig, als er Amalia abholt, wobei er das „wo“ mit einer gewissen Betonung in die Länge zieht. Die beiden planen für den nächsten Tag eine längere Wanderung im Bregenzerwald. Freudig hatte ihm unsere Tochter von dem geplanten Trip nach Jerusalem gleich bei der Begrüßung erzählt.

„Gibt es keine anderen Ziele?“, fragt er, „ich meine, wo mehr Sicherheit garantiert ist.“

„Wo ist denn absolute Sicherheit garantiert?“, stelle ich die Gegenfrage.

„Du weißt genau, was ich meine“, wehrt er sich, „ihr fahrt mitten in ein Krisengebiet, wo Anschläge an der Tagesordnung sind. Dass Israel und Palästina von jeher heißumkämpfte Regionen sind, ist doch klar, da herrscht irgendwie immer Krieg und ihr seid mittendrin.“

„Aber es ist doch schon länger ruhig dort“, verteidige ich meine Entscheidung, „warum sollten in naher Zukunft erneut Konflikte auftreten. Ausgerechnet, wenn wir wenige Tage dort sind. Das wäre ja ein fataler Zufall. Außerdem finden in Kürze wieder neue Friedensverhandlungen in Camp David statt, das lässt doch hoffen, dass es friedlich bleibt.“

„Gerade, wenn diese Verhandlungen bevorstehen“, gibt Herbert zu bedenken, „flackern dort die Konflikte langsam aber sicher wieder auf. Das war bislang bei jedem dieser Treffen so.“

„Das ist schlimm“, antworte ich, „aber warum sollte es ausgerechnet uns erwischen. Tausende Touristen fahren jährlich ins Heilige Land, besuchen sämtliche Sehenswürdigkeiten und kehren unversehrt wieder zurück.“

„Wie wäre es, wenn ihr euch ein weniger spannungsgeladenes Reiseziel aussucht?“, lässt Herbert nicht locker.

„Zu spät“, erinnere ich ihn, „ist schon gebucht und wird nicht mehr rückgängig gemacht.“

„Dann kommt 'mal heil wieder“, sagt Herbert und an Amalia gewandt: „Dann lass uns jetzt fahren.“

Er nimmt die kleine Reisetasche, Amalia ihren Rucksack und beide verlassen das Haus. Beim Hinausgehen schaut Amalia mich an und zuckt mit den Schultern. Damit signalisiert sie, dass sie die Bedenken ihres Vaters für überflüssig hält.

Als die beiden fort sind, geht mir in Bezug auf die bevorstehende Reise einiges durch den Kopf. Herbert hat mit seinen Bedenken nicht ganz unrecht. Die Gefahr, dass es einen Anschlag auf dem Tempelberg oder an der Klagemauer gibt während wir dort sind, ist nicht unwahrscheinlich. Eine Granate kann jederzeit den Reisebus treffen, der uns durch Jerusalem kutschiert. Unser Hotel liegt in der Nähe des Busbahnhofes von Jerusalem. Busbahnhöfe in Israel waren in der Vergangenheit häufige Angriffsziele von Extremisten.