Die Teestube in Freshwater Bay - Annette Weber - E-Book + Hörbuch

Die Teestube in Freshwater Bay Hörbuch

Weber Annette

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Beschreibung

Eine wildromantische Insel vor der Küste Englands – der gemütliche Wohlfühlroman »Die Teestube in Freshwater Bay« von Annette Weber als eBook bei dotbooks. Der Duft von englischem Gebäck und dampfendem Tee, während draußen die Meereswellen schäumen … Als Ruby auf der Isle of Wight ein altes Cottage mit einem verwilderten Garten entdeckt, weiß sie sofort, dass sie hier ihren Traum von einem Tearoom verwirklichen will, um den Traditionen der Insel neues Leben einzuhauchen. Aber während Ruby im Tortenbacken niemand das Wasser reichen kann, will die knifflige Kunst des »Afternoon Teas« und der »Five O’Clock«-Gemütlichkeit erlernt werden – und dann ist da auch noch ihr Konkurrent, der charmante Geschäftsmann Mathew: Ruby ist fest entschlossen, seiner kommerziellen Teehaus-Kette die Stirn zu bieten. Und wenn sie dafür bei dem großen Teewettbewerb der Insel die Krone davontragen muss, dann auf in den Kampf! Nur warum dreht ihr verflixten Herz jedes Mal Loopings, wenn sie Mathew wiedersieht? Jetzt als eBook kaufen und genießen: »Die Teestube in Freshwater Bay« von Annette Weber ist der zweite Liebesroman in ihrer bezaubernden »Verliebt auf der Isle of Wight«-Reihe, in der alle Bände unabhängig gelesen werden können, und der die Fans von Julie Caplin und Susanne Oswald begeistern wird. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Zeit:9 Std. 53 min

Sprecher:Svenja Pages
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Über dieses Buch:

Der Duft von englischem Gebäck und dampfendem Tee, während draußen die Meereswellen schäumen … Als Ruby auf der Isle of Wight ein altes Cottage mit einem verwilderten Garten entdeckt, weiß sie sofort, dass sie hier ihren Traum von einem Tearoom verwirklichen will, um den Traditionen der Insel neues Leben einzuhauchen. Aber während Ruby im Tortenbacken niemand das Wasser reichen kann, will die knifflige Kunst des »Afternoon Teas« und der »Five O’Clock«-Gemütlichkeit erlernt werden – und dann ist da auch noch ihr Konkurrent, der charmante Geschäftsmann Mathew: Ruby ist fest entschlossen, seiner kommerziellen Teehaus-Kette die Stirn zu bieten. Und wenn sie dafür bei dem großen Teewettbewerb der Insel die Krone davontragen muss, dann auf in den Kampf! Nur warum dreht ihr verflixten Herz jedes Mal Loopings, wenn sie Mathew wiedersieht?

Über die Autorin:

Annette Weber, 1956 in Lemgo geboren, schreibt seit über 20 Jahren Romane, in die sie stets ihre Begeisterung für Pferde einfließen lässt. Annette Weber ist verheiratet, hat drei Söhne, fünf Enkelkinder und lebt in der Nähe von Paderborn.

Die Autorin im Internet: www.annette-weber.com/ und www.sina-trelde.de

Bei dotbooks veröffentlichte Annette Weber in ihrer »Verliebt auf der Isle of Wight«-Reihe auch »Das Cottage in Seagrove Bay« sowie ihre »Gut Werdenberg«-Familiensaga mit den Bänden »Stürme einer neuen Zeit« und »Hoffnung eines neuen Lebens«.

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Originalausgabe September 2023

Copyright © der Originalausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Textbaby Medienagentur, www.textbaby.de

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Redaktion: Sarah Schroepf

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (rb)

ISBN 978-3-98690-913-0

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Annette Weber

Die Teestube in Freshwater Bay

Roman

dotbooks.

Teil 1

Kapitel 1

Mein Arbeitstag begann um halb sieben mit einer Tasse Inseltee, wie meine Mutter ihn immer nannte. Sie war Teeliebhaberin durch und durch. Diese Blätter hatte sie selbst in ihrem großen Gemüsegarten angebaut, ein englischer Schwarztee aus Cornwall, den sie mit der ursprünglichen Pflanze Camellia Sinensis veredelt hatte.

Ich goss den Tee mit Wasser auf und wartete, bis sich die Flüssigkeit goldbraun färbte. Dann gab ich einen Tropfen Bergamotte-Öl hinzu, der ihm einen besonders würzigen Geschmack verlieh. Mit der Tasse – heute mal das englische Porzellan mit kleinen lila Veilchenblüten – setzte ich mich an einen Tisch am Fenster meines Teehauses und versuchte, mich noch einmal zu entspannen, bevor die Arbeit begann.

Das heiße Teewasser ließ meine Brille beschlagen. Ich nahm sie ab, legte sie neben die Teetasse und schloss einen kurzen Moment die Augen. Die Tage hier waren lang und anstrengend, aber mir gefiel es. Ich brauchte nur einen guten Start. Dieser Tee gab mir Kraft und Wohlbefinden.

»Alexa, spiel Ed Sheeran«, gab ich an meinen Echo Dot weiter, den ich in einem Regal hinter einer Zimmerpflanze deponiert hatte.

»Zufallswiedergabe von Ed Sheeran«, sagte Alexa mit ihrer freundlichen Stimme. Und dann startete sie mit I see fire, und ich sang leise mit.

Nachdem ich den Tee ausgetrunken hatte, startete ich mit meiner Arbeit. Sie begann immer damit, dass ich den Teig für Scones, Shortbread und Flapjacks zubereitete. Später würde ich auch noch meinen Victoria-Sponge-Cake backen. Diese Torte war meine Spezialität, und sie war oft der Grund, dass Gäste nachmittags zu mir ins Teehaus kamen. Danach füllte ich die Teesorten auf, die in den großen Schmuckdosen untergebracht waren. Und dann war es auch schon Zeit, das Frühstück zuzubereiten.

Sieben unterschiedliche Frühstücke hatten wir auf der Karte. Von Sausages mit Bohnen über Pfannkuchen mit Honig bis hin zu einer Obstschale mit Clotted Cream war alles dabei. Mein Chef Mathew überlegte immer mal wieder, die Frühstückskarte zu kürzen, aber ich hatte es ihm bis jetzt ausreden können. Ich hatte gerade wegen dieser großen Auswahl so viele Gäste, und ich wollte niemanden enttäuschen. Außerdem hatte ich alles gut organisiert und kriegte es hin, obwohl ich seit einem Jahr ganz allein hier arbeitete. Gute Arbeitseinteilung war eben die halbe Miete, und die belebende Tasse Tee, gewürzt mit einem Ed-Sheeran-Song, brachte mich in Schwung.

Gut gelaunt stand ich nun auf, ging in die Küche und füllte Mehl, Zucker und Milch in den großen Mixer. Die Butter musste ganz kalt sein, damit der Teig eine besondere Konsistenz bekam. Ich knetete ihn mit der Hand weiter, fügte erst jetzt das Backpulver hinzu. Dann legte ich den Teig in den Kühlschrank. Die Scones durften jetzt noch nicht gebacken werden, denn sie wurden warm gegessen. Daher wandte ich mich nun dem Shortbread zu und bereitete zuletzt den Teig für die Flapjacks vor. An diesem Tag ging mir alles so gut von der Hand wie selten. Ich schaffte es sogar, eine zweite Tasse Tee zu trinken – diesmal mit einem Schuss Milch.

Schließlich wurde es Zeit, das Teehaus zu öffnen. Wie immer standen schon die ersten Ungeduldigen vor der Tür. An vorderster Stelle Mathew Shaw, mein Chef. Gut angezogen, mit Jeans, langärmligem T-Shirt und Jackett, die perfekte Mischung aus schick und sportlich, die Ledertasche um die Schulter, die Zeitung unter dem Arm. Er sah gut aus – sehr gut sogar, und das Sympathische an ihm war, dass er das gar nicht wusste – oder dass es ihm nicht so wichtig war. Er wirkte immer so reserviert. Persönliche Beziehungen im Berufsleben vermied er, so gut er konnte.

Hinter ihm erschien Mr Williams, einsamer Rentner und mein ganz persönlicher Fan, neben ihm die drei Freundinnen Mrs Barney, Mrs Taylor und Mrs Atkins, die jeden Tag zusammen frühstückten. In wenigen Minuten würden wahrscheinlich auch das Ehepaar Berry und die Schwestern Lilly und Victoria Games auftauchen, die ebenfalls täglich zum Tee kamen.

»Guten Morgen, Ruby«, grüßte mich Mathew, und wie jeden Morgen reichte er mir seine kühle, schmale Hand und lächelte sein freundliches Lächeln. Und wie jeden Morgen lächelte ich höflich zurück und wünschte mir, er würde einmal in seinem Leben etwas anderes sagen. Zum Beispiel: »Schön, dass du da bist, Ruby«, oder auch: »Du siehst gut aus, Ruby.« Und alternativ zu seiner kühlen Hand könnte er mich auch einfach mal umarmen. Aber das waren kühne Fantasien. Mathew blieb immer auf freundlicher Distanz. Und das brachte mich so ziemlich jeden Morgen zur Verzweiflung. Nicht, dass ich in ihn verliebt war – das war ich mit ziemlicher Sicherheit nicht –, ich wünschte mir nur, dass er mir einmal zeigte, dass ich mehr war als ein x-beliebiger Faktor in seiner Geschäftsführung und dass er meine Arbeit schätzte. Aber das war offenbar zu viel verlangt.

»Guten Morgen«, gab ich darum wie immer zurück.

Ich öffnete die Tür weit und ließ die Gäste herein.

Mathew suchte sich seinen Lieblingsplatz am Fenster in der Ecke und breitete seine Zeitung aus. Er war der einzige Mensch, den ich kannte, der noch Papierzeitungen las. Während sein Kopf hinter der Zeitung verschwand, betrachtete ich ihn nachdenklich.

Mathew wohnte nicht auf der Insel. Jeden Tag kam er mit der Fähre von Southampton zu uns auf die Isle of Wight hinüber, wo er drei Teehäuser besaß und managte. Eigentlich hätte er auf der Fähre frühstücken können, immerhin dauerte die Fahrt fast eine Stunde. Auch seine Zeitung hätte er dort lesen können. Aber das tat er nicht. Es gehörte zu seinen Traditionen, sie hier bei mir am Fenster zu lesen und dazu einen Tee zu trinken und Pancakes mit Honig zu essen. Er war eben ein bisschen zwanghaft, der gute Mr Shaw, und eine seiner Devisen lautete: »Ich starte mit dem, was ich habe.« In seinem Fall war das der Ostfriesentee, ein aromatischer Schwarztee, den er sich aus Norddeutschland schicken ließ und nach der Zeremonie seiner Großmutter Hinrike von mir zubereiten ließ. Auch das hatte eine gewisse Zwanghaftigkeit. Meine Freundin Nele und ich machten uns immer ein bisschen über ihn lustig. Aber wenn ich ehrlich war, mochte ich diesen kleinen Tick an ihm. Eigentlich war er mir dadurch sogar ein bisschen ans Herz gewachsen, denn was Tee betraf, achtete auch ich die Traditionen – genau genommen liebte ich sie sogar.

Ich rechnete es Mathew hoch an, dass er mich damals eingestellt hatte, als ich mein Studium abgebrochen hatte und heimwehkrank auf die Isle of Wight zurückgekehrt war. Meine Eltern hatten mir bittere Vorwürfe gemacht und mir angedroht, mich nicht länger finanziell zu unterstützen. Sie verstanden nicht, wie man ein Mathematikstudium in London einfach so in den Wind schießen konnte.

Mathew hatte für sein Teehaus in Seaview eine Aushilfskraft gesucht, und ich hatte mich bei ihm beworben. Zum Vorstellungsgespräch hatte er mich in genau dieses Teehaus eingeladen. Ich erinnerte mich noch daran, als wenn es gestern gewesen wäre. Der Tearoom hatte schon geschlossen und er noch auf mich gewartet. Dann hatte sich Mathew mit mir auf einen Tee dort ans Fenster gesetzt, mich eine Weile aufmerksam betrachtet und mich schließlich gefragt: »Was ist Ihr Lieblingstee?«

Da musste ich keine Minute nachdenken. »Mein Early Morning Tea ist ein Schwarztee, nicht aromatisiert, ohne Zucker und Milch, zur High Teatime trinke ich gerne einen Earl Grey mit Sahne, und abends muss es oft ein Ceylon-Tee mit Milch sein.«

Mathew hatte einen Moment lang die Augenbrauen hochgezogen, dann hatte er freundlich gelächelt und gefragt: »Geben Sie die Milch zuerst in die Teetasse oder wenn der Tee drin ist?«

Das war die Frage, die ganz England spaltete. Ich musste grinsen. »Ich gehöre zur MIF-Fraktion«, erklärte ich. »Milk-in-first.«

Er lachte laut. »Sie haben den Job«, sagte er.

Schon damals hätte ich ihn am liebsten umarmt, aber ich hatte gleich gespürt, dass ihm körperliche Nähe nicht angenehm war. Er hatte zwar eine aufmerksame Art, zuzuhören und innerlich bei mir zu sein, sobald ich ihm aber zu nah kam, wich er zurück, als wenn ich eine ansteckende Krankheit hätte.

Mittlerweile duzten wir uns, und ich hatte mich von der Aushilfskraft zur alleinigen Teehaus-Geschäftsführerin gemausert. Dass mir Mathew diese Position anvertraut hatte, war unglaublich großzügig von ihm, und dafür liebte ich ihn.

Ich verschwand nun in der Küche, um die Pancakes in die Pfanne zu gießen und den Tee aufzusetzen. Mittlerweile wusste ich genau, was ihm wichtig war. Er trank seinen Tee in einer ganz eigenen Tasse aus weißem Porzellan mit blauer Bemalung. Delfter Porzellan, nannte Mathew das. Dazu gab es passend eine kleine Teekanne mit Stövchen, einem kleinen Kännchen für die Sahne und einem Schälchen für die dicken klobigen Zuckerstückchen, die Mathew Kluntje nannte. Das alles entsprach der Tradition seiner ostfriesischen Großmutter Hinrike Hansen, wie er mir mal erzählt hatte. Die schien er sehr geliebt zu haben, und bei ihr hatte er einen Großteil seiner Kindheit verbracht.

Ich spülte die Kanne mit heißem Wasser aus, gab dann die Teeblätter in ein Teesieb und goss alles mit weichem Wasser auf. Danach servierte ich Mathew alles auf einem kleinen Silbertablett. Er blickte kurz von seiner Zeitung auf. Seine blauen Augen betrachteten mich freundlich, und er bedankte sich, woraufhin mein Herz einen unkoordinierten Hüpfer machte. Gleich darauf schaute er wieder in seine Zeitung.

Ich wanderte mit Zettel und Kuli zu den Gästen und nahm die Bestellungen auf. Im Gegensatz zu meinem Chef hatten sie täglich andere Wünsche und zeigten mehr Kreativität in ihrem Speiseplan. Für die Schwestern gab es heute Früchte mit Clotted Cream, weil sich alle, spargeldünn, wie sie waren, einer Diät verschrieben hatten. Mr Williams dagegen, der seinen Bauch nur mit Mühe in die Hose kriegte, gönnte sich heute Sausage mit Bohnen und Speck.

Geschäftig pendelte ich zwischen Küche und Tearoom hin und her und achtete darauf, dass ich nichts vergaß. Schließlich wusste ich genau, dass Mathew nichts entging, auch wenn er noch so interessiert in seine Zeitung starrte. Ich hörte, wie er ein Kluntje in seine Tasse gab und es mit Tee übergoss. Sogar das feine Knacken des Zuckers konnte ich wahrnehmen. Jetzt ließ er die Sahne von der Seite in die Tasse gleiten, ganz wie es die Tradition vorschrieb, und rührte den Tee mit dem kleinen Silberlöffel um. Er tat dies, ohne die Wand der Teetasse zu berühren. Auch das war eine alte ostfriesische Tradition, wie er mir bestimmt schon hundert Mal erzählt hatte. Die vermischte er nun mit meinem typisch englischen Pancake und kam sich dabei wahrscheinlich ganz besonders kosmopolitisch vor. Ein etwas zwanghafter Kosmopolit, meiner Meinung nach.

»Der Typ ist auf der Welt, um deine Geduld auf die Probe zu stellen«, behauptete meine Freundin Nele immer. Und allmählich glaubte ich das auch.

Nachdem alle ihr Frühstück serviert bekommen hatten, widmete ich meine Zeit wieder den Scones, formte sie in handtellergroße Teilchen und legte sie auf das Backblech.

Plötzlich tauchte eine Gestalt in der Küche auf. Mathew, dachte ich zuerst, und eine Gänsehaut kroch mir über den Rücken. Doch es war nicht mein Chef, sondern Colin, der Freund meiner besten Freundin Nele.

»Huch! Colin! Hast du mich erschreckt!«, rief ich verwirrt.

Dann schaute ich kurz zu Mathew. Er war weiterhin in seine Zeitung vertieft und hatte offenbar nichts bemerkt.

Es war Gästen nicht erlaubt, die Küche zu betreten, aber ich wollte Colin nicht zurückweisen. Dazu mochte ich ihn viel zu gerne.

»Hi Ruby!« Colin umarmte mich und küsste mich auf die Wangen. »Entschuldige, dass ich einfach hier reinplatze.«

»Alles gut! Du bist herzlich willkommen«, sagte ich schnell.

Colin hatte sich zu Neles großer Liebe entwickelt, nachdem sie längere Zeit ihre Anlaufschwierigkeiten mit ihm hatte. Ich musste lächeln, wenn ich daran dachte, wie oft sich Nele anfangs über ihn geärgert hatte, weil er so arrogant gewesen war. Colin Porter war Schauspieler und hatte es geschickt zu vertuschen gewusst, wie sehr er in Nele verliebt war. Ich aber hatte es sofort geahnt. Seit einem Jahr waren die beiden unzertrennlich, und Colin war sogar für Nele auf die Insel gezogen und betreute den Reiterhof mit ihr zusammen – wenn er nicht gerade damit beschäftigt war, einen Film zu drehen. Nele hatte mit ihm das große Los gezogen. Ich beneidete sie darum. Er hatte sich von Mr Untouchable in Mr Right verwandelt.

Aber jetzt trat Colin von einem Bein auf das andere und wirkte verlegen wie ein kleiner Schuljunge.

»Ich habe eine große Bitte an dich«, begann er.

»Okay. Dann los«, machte ich ihm Mut.

Colin kramte jetzt in seiner Jackentasche.

»Ich habe Nele gefragt, ob sie mich heiraten will«, murmelte er und – ich konnte es kaum fassen – kriegte dabei sogar leicht rote Ohren.

»Ich weiß«, erwiderte ich.

Nele und ich erzählten uns alles, und so hatte mir Nele berichtet, dass er einen Zettel in den Stall gelegt hatte, auf dem der Satz Willst du mich heiraten. Kreuze an: Ja – Nein – Vielleicht, gestanden hatte. Ich hatte das süß gefunden, und auch Nele war total glücklich gewesen. Aber Colin war es offensichtlich nicht genug.

»Sie hat zwar Ja gesagt«, fuhr er fort. »Aber ich will es jetzt ganz offiziell machen, weißt du. So mit Kniefall und Ring und so.«

»Echt? Das ist ja lieb«, seufzte ich.

Nele war die totale Romantikerin, genau wie ich. Dass er sich so ins Zeug legte, würde ihr bestimmt viel bedeuten. Allerdings war mir überhaupt nicht klar, warum Colin deswegen zu mir kam. Wollte er, dass ich dabei war?

Colin zog nun ein kleines Schächtelchen aus der Tasche und öffnete es. Ein wunderschöner Ring lag darin – golden, mit einem weißgoldenen Streifen in der Mitte.

»Oh, wie schön. Du hast ja einen tollen Geschmack«, staunte ich.

Colin strahlte. »Danke.« Er drehte den Ring in der Hand, so dass sich das Licht in dem Weißgold spiegelte.

»Nele liebt deine Scones über alles«, redete er weiter. »Da dachte ich, ich lade sie und ein paar Freunde zum Tee bei dir ein, und du servierst ihr Scones mit Clotted Cream. In dem einen Scone ist aber dieser Ring eingebacken, und wenn sie ihn im Mund hat …«

»Im Mund?«, rief ich erschrocken. »Meinst du, das ist eine gute Idee? Nachher verschluckt sie ihn.«

Colin lachte. »Nein, das kann ich mir nicht vorstellen. Aber wenn sie ihn aus dem Mund nimmt und ihn sich anschaut, stehe ich auf, knie mich vor ihr nieder und frage sie, ob sie meine Frau werden will.«

Das war ja unglaublich. Ich malte mir die Szene sofort aus und wusste, dass sie Nele sprachlos machen würde.

»Ich bin mir sicher, dass sie dann in Ohnmacht fällt«, rief ich.

Colin lachte. »Dann fange ich sie auf und küsse sie wie der Prinz bei Schneewittchen.«

»Wow«, meinte ich atemlos. Bei mir war leider weit und breit kein Mann in Sicht. Schon gar nicht so einer. Ich war seit zwei Jahren Single. Nachdem ich mein Mathestudium in London abgebrochen hatte, hatte sich auch die Liebe zu meinem Freund und Kommilitonen Ethan erledigt. Er konnte nicht verstehen, warum ich auf die Insel zurückziehen musste und mich damit zufriedengab, Serviererin in einem Teehaus zu sein. So jedenfalls sah er das. Er hätte ja auch sagen können, dass ich einen Laden führte, aber er mochte es gerne, mich herunterzuputzen. Wie man dazu kommen konnte, ein Teahouse gegen ein Mathestudium einzutauschen, konnte nur jemand verstehen, der diese Insel so intensiv liebte wie ich und der dazu Teetraditionen und Scones verfallen war wie kaum ein anderer.

Ich nahm den Ring und drehte ihn zwischen den Fingern. »Er ist wirklich wunderschön«, murmelte ich.

Kaum hatte ich den Satz zu Ende gesprochen, sah ich Mathew in der Küchentür stehen. Mit zusammengekniffenen Augen musterte er Colin. Dann blickte er zu dem Ring, den ich immer noch ehrfürchtig in den Händen hielt.

Mathew und Colin waren einander begegnet, als Dreharbeiten zu einem Film in diesem Teehaus stattgefunden hatten, ich war mir allerdings sicher, dass mein Chef sich nicht mehr an ihn erinnerte. Mathew nahm die Menschen um sich herum nicht sehr intensiv wahr. Er war eher ein Zahlenmensch. Privat war er Nele und Colin nie begegnet. Zu meiner Geburtstagsfeier war er trotz meiner Einladung nicht gekommen, und auch sonst interessierte ihn mein Privatleben nicht. Ihm war es immer wichtig, nur dienstlich mit seinen Angestellten zusammenzutreffen. Das war eines seiner Prinzipien. Dienst und Privatleben sollten sich niemals überlagern, betonte er gerne. Das war auch der Grund, warum er jeden Abend nach Southampton zurückfuhr. Auf der Insel zu leben, kam für ihn nicht in Frage. Er hätte ja seinen Kunden oder Angestellten begegnen können.

Immer noch starrte Mathew Colin ungläubig an. Offenbar dachte er, der Ring sei für mich bestimmt. Ich ließ ihn in dem Glauben.

Immerhin, Mathew sah tatsächlich für einen Moment fassungslos aus. Dann fing er sich schnell und setzte wieder sein Dienstgesicht auf.

»Ruby? Der eine Gast möchte gerne zahlen, und ein weiterer Gast ist gekommen«, ermahnte er mich. Gleichzeitig sagten seine Blicke: Private Herrenbesuche in der Küche sind unerwünscht.

Ich unterdrückte ein Grinsen und zwinkerte Colin kurz zu.

»Ich kümmere mich drum«, sagte ich.

Colin zwinkerte zurück, und auch das entging Mathew nicht. Irgendwie freute mich das.

»Dann bis heute Nachmittag«, meinte Colin und winkte. »Wir sehen uns.«

»Ja, toll, ich bin schon gespannt«, gab ich zurück. Dann beeilte ich mich, in den Tearoom zurückzukehren. Dabei konnte ich Mathews brennende Blicke geradezu auf meinem Rücken spüren.

Kapitel 2

Am frühen Nachmittag wurde es Zeit, mit dem Backen der Scones anzufangen. Ich holte den Teig aus dem Kühlschrank, gab Mehl über meine Hände und begann, die Scones auf das Backblech zu setzen, die ich morgens geformt hatte. Als ich mit der Arbeit fertig war, nahm ich den Ring und steckte ihn in die Mitte eines Scones. Vorsichtshalber versah ich dieses Gebäck mit einem kleinen Schnitt an einer Seite, damit ich es wiedererkannte. Nicht dass versehentlich jemand anderes das Kuchenstückchen bekam.

Ich schob die Backbleche in den Ofen und stellte die Zeit ein. Zwanzig Minuten bei hundertneunzig Grad benötigten sie. Dann wandte ich meine Aufmerksamkeit den Flapjacks zu. Die hatte ich schon am Vormittag gebacken, sie waren jetzt ausgekühlt, und ich legte sie in eine Dose, damit sie frisch blieben. Ich war so mit mir und den Keksen beschäftigt, dass ich gar nicht gehört hatte, dass Mathew zurückgekommen war. Er stand so plötzlich in der Küche wie Colin am Morgen. Ich zuckte zusammen, und um ein Haar wäre mir die Dose aus der Hand gefallen.

»O Gott, Mathew! Was machst du hier?«, schrie ich auf.

»Tut mir leid, wenn ich dich erschreckt habe«, gab Mathew zurück. Aber eigentlich sah er gar nicht so aus, als wenn es ihm leidtäte. Im Gegenteil, ich hatte sogar das Gefühl, dass er es darauf angelegt hatte, leise in die Küche zu schleichen. Vielleicht hatte er gehofft, mich in flagranti mit Colin Porter auf dem Küchentisch vorzufinden. Bei dem Gedanken musste ich grinsen. Eventuell war Mathew ja tatsächlich insgeheim etwas eifersüchtig?

Mathew kam eigentlich nie nachmittags in mein Teehaus. Wenn, dann nur noch mal abends, um mit mir Dinge für den kommenden Tag zu klären.

»Ist jemand im Tearoom?«, fragte ich ihn. Dabei konnte ich durch die Kamera erkennen, dass kein Gast da war.

»Nein, nein«, beeilte sich Mathew zu sagen. »Ich bin eigentlich nur da, weil …«

Er schien sich keine Ausrede zurechtgelegt zu haben und suchte nun nach Worten. Die Zeitschaltuhr klingelte. Ich warf einen Blick durch die Scheibe des Backofens. Die Scones waren goldbraun geworden. Ich zog das Blech heraus und ließ es auf dem Metalltisch der Küche abkühlen. Meine Brille beschlug von dem heißen Dampf. Ich nahm sie ab und putzte sie mit dem Zipfel meines T-Shirts. Mathew wartete, als wenn ich ohne sie nicht in der Lage wäre, zuzuhören.

»So, jetzt kann ich wieder alles sehen«, meinte ich und blickte ihn an. Einen Moment lang schauten wir uns an. Mathews Augen wirkten heute ganz besonders blau, was sicherlich an seinem hellblauen Pullover lag. Auch sein Blick ruhte ein bisschen zu lange auf mir. Als wenn ihm erst heute bewusst geworden war, dass ich eine Brille trug. Dann räusperte er sich.

»Ich war heute im Teehaus in Ryde«, fuhr Mathew fort. »Tess geht ja in drei Wochen in Mutterschutz, und heute sind ein paar Bewerber gekommen, um sich vorzustellen.«

Warum erzählte er mir das? Seine beiden anderen Filialen in Ryde und in Chale interessierten mich überhaupt nicht. Ich arbeitete hier in diesem Teehaus-Cottage in Seaview in der Nähe des Strandes, und ich liebte es. Alle Ideen von der altenglischen Einrichtung bis hin zu den Blümchendecken waren auf meinem Mist gewachsen. Selbst das gemütliche Klo mit den goldenen Spiegelrahmen und den Duftstäbchen hatte ich gestaltet.

Von der Gaststube aus gelangte man auf eine große Holzterrasse und von dort in einen bunten Blumengarten. Im Sommer saßen die Gäste auch dort. Jetzt im Spätherbst machten es sich die Besucher allerdings im Tearoom gemütlich. Viele waren es nicht mehr. Die Insel lebte von den Sommergästen.

Mathew, und das rechnete ich ihm hoch an, hatte meinem Geschmack vertraut und immer wieder betont, mich den Tearoom genauso einrichten zu lassen, wie ich das wollte, obwohl gerade das altmodische Geschirr eine ganz schöne Stange Geld gekostet hatte. Anschließend hatte er sich mein Teehaus zum Frühstücken ausgesucht.

Jetzt betrat eine Familie den Gastraum, ich konnte es über die Kamera sehen.

»Komme gleich wieder«, sagte ich, schnappte mir die Speisekarten und ging zu den Gästen hinüber. Als ich zurückkam, lehnte Mathew am Küchentisch und wartete auf mich. Er hatte einen Scone in der Hand.

»Die riechen wieder so verführerisch«, meinte er. Offenbar hatte er sich vorgenommen, mir etwas Nettes zu sagen. Er pustete einen Moment lang gegen das goldgelbe Gebäck und biss dann ab. In diesem Augenblick erkannte ich, dass er genau den Scone in den Mund schob, der einen Schnitzer an der Seite hatte. Panisch verfolgte ich, wie er anfing zu kauen.

»Pass auf …«, begann ich. Aber genau in dem Moment keuchte Mathew auf. Dann spuckte er etwas in die Küche, das klirrend auf den Boden fiel.

»Verdammt! Was ist das? Das ist brennend heiß!«, fluchte er.

Er schnappte sich ein Glas, füllte es mit Wasser und trank in hastigen Schlucken. Ich sah den Ring durch die Küche rollen. Er verschwand unter dem Schrank, und ich war wie gelähmt.

»O nein! Der Ring!«

Ich löste mich endlich aus meiner Starre, hockte mich vor den Schrank und versuchte verzweifelt, ihn wiederzubekommen. Leider war das nicht so einfach möglich. Der Spalt zwischen Schrank und Boden war schmal, und der Ring war in die hinterste Ecke gerollt.

»Was denn für ein Ring?«, wollte Mathew unwirsch wissen.

Jetzt hockte er sich neben mich und versuchte ebenfalls, etwas zu erkennen. Wir waren uns plötzlich ziemlich nahe. Das schien auch Mathew zu bemerken, denn er versuchte, ein Stück von mir wegzurücken. Da aber konnte er nichts mehr sehen, und es blieb ihm nichts anderes übrig, als wieder an meine Seite zurückzukehren. Unglücklich starrten wir beide unter den Schrank. Ich deutete auf das hintere Bein des Schrankes.

»Das ist der Ring, den Colin heute vorbeigebracht hat. Ich sollte ihn in einen Scone backen«, versuchte ich zu erklären.

»In einen Scone backen? Was soll der Unsinn?«, regte sich Mathew auf.

Ich ließ mich kraftlos auf die Knie sinken, während er zurück auf sein Hinterteil plumpste. So saßen wir nebeneinander auf dem gefliesten Küchenboden vor dem Schrank und starrten einander an. Wenn Nele das gesehen hätte, hätte sie schallend gelacht.

Ich hatte Mühe, die richtigen Worte zu finden.

»Colin will meine Freundin Nele heute zum Tee bei uns einladen, und dann soll sie den Ring finden …«, begann ich.

Mathews blaue Augen machten mich ganz nervös.

»Seid ihr alle verrückt geworden?«

Mathew war mir plötzlich so nah, und das verwirrte mich. Ich konnte sein Aftershave riechen. Es duftete ein bisschen nach dem Prince-of-Wales-Tee, den mein Vater immer so gerne trank.

Ich musste mich konzentrieren.

»Was ist daran komisch!«, gab ich nun selbst etwas ärgerlich zurück. »Nele isst gerne Scones. Darum sollte ich den Ring in einen Scone backen. Und wenn sie den Ring findet, möchte Colin sie fragen, ob sie ihn heiraten will. Ist doch ziemlich normal, oder nicht?«

Immer noch sah Mathew aus, als wenn er an meinem Verstand zweifelte. Langsam stand er auf. Auch ich bemühte mich, wieder auf die Beine zu kommen. Als Mathew bemerkte, wie nahe wir plötzlich wieder nebeneinanderstanden, machte er einen Schritt zurück. Typisch.

»Ihr Insulaner seid schon ein bisschen merkwürdig«, behauptete er.

Das konnte ich nicht auf uns Bewohnern der Isle of Wight sitzen lassen, fand ich.

»Colin kommt aus London und Nele aus Deutschland«, klärte ich ihn auf. »Nur ich bin waschechte Insulanerin, aber ich finde mich ganz normal. Komisch sind eigentlich die Leute aus Southampton, die sich an einem Scone vergreifen, der nicht für sie gemacht ist.«

So! Das musste ja auch mal gesagt werden!

»Puh«, machte Mathew, und nun bildeten sich tiefe Lachfalten in seinem Gesicht. Ich mochte es, wenn er lachte. Er sah dann immer gleich ein paar Jahre jünger aus. »Da hätte dein ... Bekannter ...« Er sah mich unsicher an.

»Freund«, verbesserte ich.

»Dein Freund ja beinahe mir einen Heiratsantrag machen müssen«, fiel Mathew nun auf.

Jetzt lachten wir beide. Es war schön, mit ihm gemeinsam lachen zu können. Doch im gleichen Moment spürte ich Verzweiflung in mir aufsteigen. »Aber was mache ich denn jetzt? Die kommen doch gleich!«, rief ich. »Wie kriege ich denn jetzt den Ring in einen Scone?«

Mathew warf einen Blick auf die Uhr.

»Schnell, misch noch mal Teig«, rief er. »Ich versuche, den Ring wiederzubeschaffen.«

Jetzt brach Hektik aus. Er rannte zur Putzkammer und holte einen Besen und begann dann, wie wild unter dem Schrank herumzufegen. Ich schnappte mir in der Zwischenzeit Mehl, Zucker, Butter und Backpulver und begann erneut, alles miteinander zu vermischen.

»Ich hab ihn«, hörte ich Mathew nun sagen. Ich blickte zu ihm und sah, wie er den Ring nachdenklich betrachtete. »Schöner Ring«, stellte er fest. »Ich spüle ihn noch mal, damit er wieder glänzt.«

Er hielt ihn unter den Wasserhahn, trocknete ihn dann behutsam ab.

Ich war inzwischen dabei, die Scones zu kleinen Förmchen zu kneten. »Gib mal!«, rief ich ungeduldig und streckte meine Hand aus. Vorsichtig legte Mathew den Ring hinein. Seine Fingerspitzen berührten dabei meine Handflächen, und das versetzte mir einen kurzen warmen Stromstoß. Ob auch Mathew so etwas fühlte? Immerhin sah er mich so nachdenklich an. Aber wir hatten keine Zeit, diesem Moment nachzuspüren.

»Hallo? Können wir wohl etwas bestellen?«, hörten wir nun eine Stimme aus der Gaststube.

Da waren sie also wieder, unsere Gäste – kein Gefühl für besondere Momente wie diesen.

»Ich komme schon«, rief ich und wollte loslaufen, aber Mathew stellte sich mir in den Weg. »Ich mache das schon«, meinte er. »Kümmere du dich um die Scones.« Und dann schloss er meine Hand mit seiner zur Faust. »Pass gut darauf auf«, sagte er.

Kapitel 3

Gerade als ich das Backblech mit den Scones erneut aus dem Ofen gezogen hatte, sah ich über den Monitor, dass meine Freunde kamen. Nele und Colin hielten einander an den Händen, bei ihnen waren außerdem Peggy und Fred, unsere gemeinsamen Freunde. Ich ging in den Tearoom, um sie zu begrüßen. Wir umarmten einander liebevoll.

»Hui, dein Chef steht ja an der Küchentür«, wisperte mir Nele ins Ohr. »Was will der denn heute?«

»Kleiner unerwarteter Kontrollgang«, flüsterte ich zurück und seufzte. »Ich kann mich heute also nicht zu euch setzen.«

»O Gott, hat der nichts zu tun?«, gab Nele zurück und verdrehte die Augen.

Die Gruppe setzte sich an den großen Tisch am Fenster, den ich extra für sie reserviert hatte. Ich verteilte die Karte mit den verschiedenen Teesorten, den Sandwiches und den Kuchen. Dann ging ich zu den anderen Gästen, die ebenfalls am Fenster saßen.

»Ich weiß schon, was ich nehme«, hörte ich Nele sagen.

»Lass mich raten«, gab Colin zurück. »Scones mit Clotted Cream.«

»Du kennst mich gut«, grinste Nele.

Ich drehte mich kurz zu Colin um. Unsere Blicke begegneten einander. Ich zwinkerte ihm zu. Es lief alles wie verabredet.

Auch die anderen einigten sich auf Scones, nur bei den Teesorten gingen die Wünsche auseinander. Ich notierte mir alles, nahm dann auch die Bestellungen der anderen Gäste auf.

Als ich in die Küche kam, hatte Mathew schon angefangen, die Scones auf die Teller zu verteilen und Clotted Cream dazuzugeben. Er hatte sich für das Hochzeitsgeschirr Queen Mum entschieden, dünnwandige Teetassen mit Goldrand und roten Rosen. Das war ganz in meinem Sinne.

»Genau das Geschirr hätte ich auch genommen«, rief ich begeistert. Mathew schmunzelte nun. »Das dachte ich mir«, erwiderte er. Er konnte also doch ziemlich einfühlsam sein. Leider wusste er es immer nur gut zu verstecken.

Wir bereiteten gemeinsam den Tee vor, und dann überließ Mathew mir, das alles zu servieren. Ich verteilte zunächst den Tee, den Rooibos mit Orange für Nele, den Darjeeling für Colin, den Grünen Tee für Peggy und den Assam-Tee für Fred. Dann die verschiedenen Kuchen und Gebäckstücke. Die Scones für Nele servierte ich zuletzt und überprüfte noch einmal mit einem Blick, ob Nele den Scone mit dem Schnitzer an der Seite bekam.

Unbedingt wollte ich nun miterleben, was passierte, darum hielt ich mich weiterhin in der Gaststube auf. Ich wischte ein paar Krümel von einem Tisch, zupfte die Tischdecke zurecht und schob die Stühle an den Tisch heran. An Neles Tisch waren zunächst alle mit ihrem Tee beschäftigt. Plötzlich fing ich Mathews Blick auf. Er lehnte an der Tür zur Küche, eine Teetasse in der Hand, und machte mir ein Zeichen, zu kommen. Verwundert ging ich auf ihn zu.

»Setz dich zu ihnen. Ich übernehme heute die anderen Gäste«, meinte er und drückte mir eine Tasse Tee in die Hand, einen Earl Grey mit Sahne, wie ich ihn um diese Zeit trank. Das hatte er sich noch aus dem Vorstellungsgespräch gemerkt. Alle Achtung! Er hatte mir diesen Tee ebenfalls in einer Goldrand-Tasse mit Rosen zubereitet.

»Danke«, murmelte ich gerührt und ging damit zu meinen Gästen. Sie sahen mich erfreut an.

»Oh, hat dir Mr Pokerface für eine halbe Stunde freigegeben?«, witzelte Fred ein bisschen zu laut. Ich hoffte sehr, dass Mathew das nicht gehört hatte. Er musste nicht erfahren, dass wir uns alle hin und wieder über ihn lustig machten.

»Wenn ihr schon mal da seid …«, meinte ich.

Ich hatte den Satz noch nicht zu Ende gesprochen, da kam Mathew zu mir und servierte auch mir einen Scone mit Cream. Das machte mich im ersten Moment ein bisschen unsicher, und ich betrachtete meinen Scone genauer. Wäre ja peinlich gewesen, wenn ich den Scone mit dem Ring bekommen hätte. Aber es war alles richtig verteilt. Nele hatte genau den, den ich für sie gebacken hatte.

Nach und nach begannen meine Freunde zu essen.

»Du musst unbedingt mal wieder zu uns rauskommen«, wandte sich Nele gerade an mich. »Die Pferde sind so gut im Training, du hättest bestimmt auch Spaß an einem Ausritt.«

Sie strahlte, und ihre braunen Augen leuchteten. Dann tauchte sie ihre Gabel in den Scone, brach dann ein Stück von ihm ab und schob ihn sich in den Mund. Sie kaute nachdenklich, lutschte dann. Ich konnte Nele sofort ansehen, dass sie jetzt den Ring erwischt hatte. Sie sah so verwirrt aus.

»Was ist das denn?«, murmelte sie.

Colin und ich tauschten einen kurzen Blick. Ich sah, wie Nele die Zunge aus dem Mund schob. Der Ring hing an ihrer Zungenspitze. Sie zog ihn nun mit den Fingern ab und starrte ihn erschrocken an.

»Was soll das denn …«

Jetzt musste ich schnell sein. Mit einem Satz war ich an dem Regal, auf dem meine Alexa stand, zog sie hinter der Blume hervor und flüsterte: »Alexa, spiel Ed Sheeran. One life.« Das war das schönste Liebeslied, das ich kannte. Leise erklangen die ersten Takte.

Jetzt stand Colin auf. Er sah unglaublich ernst aus.

»Liebe Nele«, begann er. »Schon als ich dir das erste Mal begegnet bin, war ich unglaublich fasziniert von dir.«

»Was?«, rief Nele erschrocken. Sie blickte irritiert auf den Ring, dann auf Colin. Ihre Augen wanderten unruhig hin und her, als wenn sie versuchte, das alles zu verstehen. Und plötzlich schossen ihr die Tränen in die Augen.

»Nee, oder?«, flüsterte sie.

Ich konnte machen, was ich wollte, auch meine Augen fühlten sich auf einmal feucht an. Ich versuchte, die Tränen wegzublinzeln.

Colin war nun auf Nele zugegangen und kniete sich vor ihrem Stuhl nieder.

»Ich möchte dich darum fragen, ob du meine Frau werden willst«, fuhr er fort.

Nele sah im ersten Moment aus, als wollte sie anfangen zu lachen. Plötzlich aber begann sie, wie wild zu schluchzen. Das konnte ich nicht mehr aushalten. Ich weinte mit ihr. Und auch Fred, der immer viel Sinn für Romantik hatte, fuhr sich über die Augen.

»Du bist ja total verrückt!«, rief Nele, immer noch fassungslos. »Beinahe hätte ich den Ring verschluckt.«

Sie drehte ihn zwischen den Fingern hin und her. »Ein Wort, eine Liebe, ein Leben«, sang Ed Sheeran. Jetzt lachte Nele, während ihr die Tränen weiter liefen. Strahlend sah sie Colin an, der immer noch vor ihr kniete.

»Na klar heirate ich dich, du Idiot«, rief sie. »Wen denn sonst!«

Und dann sprang sie auf. Colin stand ebenfalls auf, und sie fielen einander in die Arme und küssten sich leidenschaftlich. O Mann, ich beneidete die beiden so um ihr Glück.

Wir klatschten alle. Nele löste sich nun aus Colins Armen und fiel mir um den Hals.

»Du Biest, steckst du mit ihm unter einer Decke!«, rief sie.

»Er hat mich gezwungen«, verteidigte ich mich, und nun lachten wir alle.

Jetzt kam Mathew zu uns herüber. Elegant wie ein Oberkellner trug er ein Tablett mit fünf Sektgläsern und verteilte sie an uns.

»Dann darf auch ich gratulieren«, sagte er.

Sein Auftritt war perfekt. Eigentlich gehörte es zu seinen Prinzipien, dass im Dienst kein Alkohol getrunken werden durfte. Aber diesmal war er wirklich über seinen Schatten gesprungen.

***

Nele und Colin bestanden noch am kommenden Tag darauf, unbedingt mit Mathew und mir sprechen zu wollen. Sie hatten nämlich überlegt, ihre Hochzeit bei uns im Teehaus zu feiern. Gemeinsam setzten wir uns nach Feierabend zusammen, um die Möglichkeiten zu überlegen. Doch als ich Colins Plan hörte, hundert Gäste einzuladen, stand für mich fest, dass wir das nicht schaffen würden. Die Gaststube fasste höchstens vierzig Personen, und selbst wenn wir viele Stehtische aufbauten, würde der Raum nicht ausreichen. Wir brauchten Platz für das Buffet, außerdem wollten sich die Menschen ja auch bewegen können, sicherlich sogar tanzen. Das ging gar nicht.

Mathew dagegen sah das anders. Vor allem aber witterte er ein gutes Geschäft. Die Presse würde da sein, ein Fernsehteam hatte sich die Rechte gesichert, über die Hochzeit berichten zu dürfen, und natürlich würde es auch zahlreiche Fotos und Videos in den sozialen Netzwerken geben. Klar, in erster Linie würde die Traumhochzeit von Nele Schumacher und Colin Porter im Mittelpunkt stehen, aber auch das Ambiente des Teehauses würde nicht unerwähnt bleiben. Im Geiste hatte Mathew sicherlich schon die Überschrift vor Augen:

Ein Traumpaar und eine Hochzeit wie im Märchen.

Für ihn als Unternehmer war das die Chance, eine internationale Werbung zu bekommen, dazu auch noch kostenlos! Ich dagegen kriegte Rückenschmerzen bei dem Gedanken, dass ich das alles allein stemmen sollte. Dabei hatte mich Nele als Trauzeugin ausgesucht, und ich wollte eigentlich die Hochzeit ganz privat genießen.

»Bitte, Mathew, sei vernünftig. Das schaffen wir nicht. Und wenn sie hier alle ein schlechtes Buffet serviert bekommen und sich dazu noch auf die Füße treten, ist das die absolute Negativwerbung«, versuchte ich, ihn zu überzeugen.

Nele bekam sofort ein schlechtes Gewissen. Auf keinen Fall wollte sie mich mit ihrer Idee stressen.

»Ruby hat recht, das ist zu viel für dieses Teehaus«, winkte sie hastig ab. »War ja nur so eine Schnapsidee, weil wir so gerne hier sind und weil es so romantisch bei euch ist.«

»Na ja, und es hat natürlich auch eine persönliche Bedeutung für uns«, gab Colin zu bedenken. »Zum einen seid ihr beste Freundinnen, Nele und ich sind so oft und gerne hier, und nun haben wir hier auch sozusagen unsere Überraschungsverlobung gefeiert.«

»Wir kriegen das schon hin«, mischte sich Mathew hastig ein und wirkte nun sehr siegessicher. »Ich hatte sowieso immer geplant, links und rechts der Gaststube einen Wintergarten anzubauen. Diese Wintergärten sind wie Baukästen. Innerhalb von vierzehn Tagen sind sie aufgestellt. Mit Kachelofen und allem Zipp und Zapp«, behauptete er.

Innerhalb von vierzehn Tagen? In der Zeit hatte ein Bauamt noch nicht mal den Bauantrag gelesen.

Doch Mathew war überzeugt von dem, was er sagte, und schaffte es auch, Colin und Nele zu überzeugen. Noch während er redete, fuhr er mit dem Stift über sein iPad und zeichnete den Umriss seines Teehauses wie einen Bauplan auf, setzte dann zwei Räume links und rechts als Wintergarten daran. Sogar für eine große Terrasse war noch Platz. Mich überkam auf der Stelle eine riesige Panik. Er meinte das doch nicht ernst, oder? Da stand nun nicht nur eine große Hochzeit an, sondern noch dazu große Umbauarbeiten. Nele und Colin dagegen waren total begeistert.

»Das sieht richtig gut aus!«, rief Colin. »Das ist urig und gemütlich, genau wie wir es haben wollen.«

»Sag ich doch«, bekräftigte Mathew mit einem leisen Lächeln.

»Aber das Bauamt …«, begann ich vorsichtig, doch Mathew wischte meine Gedanken mit einer Handbewegung weg. Dann sah er mir direkt in die Augen. »Du vergisst, dass du es mit der Familie Shaw zu tun hast«, sagte er, und seine blauen Augen funkelten. In jeder anderen Situation hätte es bei mir vermutlich ein Bauchkribbeln ausgelöst, aber jetzt wurde mir nur mulmig zumute. »Mein Vater kennt die Leiterin des Bauamtes, das ist ein Spaziergang durch die Ämter. Und für einen Wintergarten braucht man wahrscheinlich noch nicht mal eine Genehmigung. Außerdem kennt mein Vater ein Bauunternehmen, das sofort zur Stelle ist, wenn er seine Pläne durchbringt.«

Natürlich! Wie konnte ich das vergessen! Ich hatte es ja mit der großen Unternehmerfamilie Shaw zu tun. Wenn die mit dem kleinen Finger winkten, entstanden die Paläste von ganz alleine.

»Was hattet ihr zu essen geplant?«, wandte sich Mathew nun an Colin und Nele und ignorierte kurzerhand meine Bedenken. Damit zeigte er deutlich, was er von meinen Einwänden hielt: nämlich nichts!

Nele stieg sofort in das Gespräch ein und merkte in ihrer Begeisterung gar nicht, wie unwohl mir bei alldem war.

»Nachmittags dachten wir an Tee und Gebäck, so zum Ankommen und Kennenlernen. Und abends gibt es dann eine schöne Party.«

Sie lächelte schief. Ich wusste, dass Nele nicht auf große Partys stand. Sie war eher ein zurückgezogener Mensch, der mit sich selbst und den Tieren zufrieden war. Aber durch Colin hatte sie sich Stück für Stück etwas mehr geöffnet und kam gerade wegen ihrer Ruhe und Gelassenheit umso besser mit extrovertierten Medienstars zurecht.

»Weißt du, Ruby«, begann sie vorsichtig. »Ich dachte, wenn wir hier bei dir feiern, dann ist die Location vertraut, fast wie zu Hause. Und du bist da, und Peggy und Fred … Das würde mich erden in dem ganzen Trubel.«

Ich seufzte nun lauter. »Verstehe ich ja …«, erwiderte ich ratlos. »Aber das schaffen wir nicht. Wenn das Teehaus umgebaut werden soll, müssen wir uns in Ruhe Gedanken machen und nicht von heute auf morgen irgendwelche Mukkelbuden anbauen, die wir dann nachher wieder umbauen oder abbauen müssen.«

»Ich habe von Wintergärten geredet. Nicht von Mukkelbuden«, korrigierte Mathew.

Ich beschloss, ihn zu ignorieren und weiter für mich zu kämpfen.

»Und ihr müsst ja auch bedenken, dass ich hier allein arbeite«, warf ich ein weiteres Argument in die Waagschale. »Good-Afternoon-Zeremonie am Nachmittag und Megaevent am Abend – da breche ich zusammen.«

Aber Mathew war nun in seinem Element und nicht mehr zu bremsen. Doch er kapierte endlich, dass er mich aus der Nummer rausnehmen musste, damit ich ihm nicht weiter Steine in den Weg legte.

»Um Himmels willen, Ruby, du sollst das doch nicht stemmen!«, rief er. »Du bist doch ein wichtiger Gast auf der Party. Ich werde alle Arbeitskräfte aus den anderen Teehäusern für den Abend abziehen. Das Buffet lassen wir liefern. Wir bieten nur die Location, und die kriegen wir bis dahin auf alle Fälle gestaltet. Deine Aufgabe wäre es nur, für die Dekoration zu sorgen und die Arbeit einzuteilen. Ansonsten hast du an dem Abend frei, damit du mitfeiern kannst.«

Er bekam richtig glühende Augen, wenn er so redete. Da war er ganz der Jungunternehmer Mathew Shaw, Unternehmersohn der Papierfabrik Shaw-Cards-Boards-Paper, der schon als Kind die Zahlen mit der Muttermilch eingesogen hatte.

»Aber du bist doch total verrückt, das ganze Teehaus für dieses eine Event umzubauen?«, widersprach ich entsetzt. »Das ist doch viel zu teuer.«

Mathew strich sich gedankenverloren über seinen Dreitagebart. »Wenn ich ehrlich bin, überlege ich schon lange, das Teehaus umzubauen«, sagte er dann. »Von all den Teehäusern ist das hier das beliebteste. Es generiert dreimal so viel Umsatz wie die anderen.«

»Echt jetzt?«, rief ich überrascht.

Umsatz zu generieren, das war Mathews Welt. Er schien nun ganz weit weg von mir. In solchen Momenten war er für mich nicht greifbar.

Er hatte noch nie erzählt, dass dieses Teehaus zu seinen besten Unternehmen zählte. Ich arbeitete ganz allein hier, ich bot einen guten Service, kochte Tee mit Hingabe und gab alles beim Backen. Es wäre schön gewesen, wenn er etwas dazu gesagt hätte, dass sicher auch ich meinen Teil zu diesem Ergebnis beigetragen hatte, weil ich so einen guten Service bot und die Leute so individuell betreute. Leider tat er es nicht. Umsatz – der schien irgendwie vom Himmel zu fallen.

Nele dagegen brachte es auf den Punkt.

»O Ruby, das ist ja ein riesiges Kompliment für dich«, meinte sie. »Das liegt an deinen Scones. Und auch daran, dass du den Menschen jeden Wunsch von den Lippen abliest.«

Na bitte!

»Und auch daran, dass du hier alles so perfekt arrangiert hast«, ergänzte Colin. »Die Deko, die Atmosphäre, alles ist so liebevoll.«

»Ja, das stimmt«, sagte Mathew nun etwas lahm und setzte dabei ein Gesicht auf, als wenn er das Geschirr ausgesucht und die Gardinen genäht hätte. Ich schaute ihn an, und für einen kurzen Moment begegneten sich unsere Blicke. Jetzt sah er verlegen auf seine Hände.

Danke schön, liebe Ruby, dafür, dass du hier so viel Schwung in die Bude bringst, sollte das wohl heißen.

»Dann macht ihr euch also Gedanken zu unserer Idee?«, wollte Colin wissen.

O nein!, dachte ich.

»Wir können euch sogar eine konkrete Zusage machen«, versicherte Mathew.

Es war spät geworden. Mathew musste sich beeilen, um die letzte Fähre zu erwischen. Ich schloss das Teehaus ab und verabschiedete mich von Colin und Nele.

»Wir haben dich hoffentlich nicht überfahren«, murmelte Nele mit schlechtem Gewissen.

»Alles gut«, versuchte ich, ihre Bedenken zur Seite zu wischen. »Wenn Mathew meint, er kriegt das hin, wird er es sicher schaffen, den ganzen Laden umzubauen und komplett neu zu gestalten. Ich jedenfalls werde mich an eurer Hochzeit gemütlich unter die Gäste setzen und mir das Buffet schmecken lassen, das Mathew organisiert hat.«

»Richtig so!«, rief Nele begeistert und drückte mich. »Und weißt du, was ich zwischendurch gedacht habe?«, fuhr sie fort. »Dass Mathew die Feier hier haben will, weil du hier bist. Er war ja ständig bereit, uns entgegenzukommen, damit wir unsere Feier unbedingt hier ausrichten.«

Ich schüttelte verwundert den Kopf. Wie kam Nele nur auf solche Ideen?

»Das ist jetzt aber ziemlich weit hergeholt«, versuchte ich, es scherzhaft abzutun. »Dafür würde er doch niemals so einen Aufwand betreiben. Und du weißt doch, geschäftlich und privat muss immer strikt getrennt sein«, sagte ich mit einem Augenrollen.

Ich kam spät zurück in mein kleines Appartement in einem Mehrfamilienhaus am Strand von Seaview. Dieses Appartement hatten sich meine Eltern gekauft, um es als Altersruhesitz zu beziehen, wenn es ihnen irgendwann gelang, ihr Bauernhaus aufzugeben. Aber noch fühlten sie sich zu jung dazu. Mein Vater konnte sich nicht von seinen Tieren trennen, meine Mutter liebte ihren Gemüsegarten und ihren Teeanbau über alles. Für mich war das ein großer Vorteil. Ich konnte das Gehalt, das ich bei Mathew verdiente – und wenig war es immerhin nicht –, für mich zurücklegen. Eines Tages, das hatte ich mir selbst in die Hand versprochen, würde ich mir meinen eigenen Tearoom aufbauen. Schon allein, um meinen Eltern zu zeigen, dass ich nicht Ruby, die kleine Kellnerin, war, die ihr Mathestudium geschmissen hatte, sondern die Geschäftsfrau Ruby, die Mathew Shaw an Unternehmergeist in nichts nachstand.

Ich zog die Post aus dem Briefkasten, orderte dann den Fahrstuhl und fuhr mit ihm in den zweiten Stock. Das Appartement auf der linken Seite, mit Blick auf den Strand, gehörte mir. So schick es war, es war nicht unbedingt mein Traum. Mein Herz schlug für kleine alte Cottages so wie das meiner Freundin Nele.

Ich kochte mir einen Good-Night-Tee, einen Lady Grey, der etwas milder als der Earl Grey schmeckte. Dazu zog ich mir ein Gurkensandwich aus meiner Brotdose, das ich aus dem Teehaus mitgenommen hatte. Dann schlüpfte ich in einen dicken Pullover, setzte mich auf den Balkon und schaute auf den Strand. Große Schiffe lagen am Horizont und warteten darauf, in den Hafen einfahren zu dürfen. Einige von ihnen blinkten.

Ich dachte daran, dass sich Mathew nun auf der Fähre nach Southampton befand. Wahrscheinlich hatte er seine Baupläne auf einem der Tische ausgebreitet und berechnete die Statik der Wintergärten, die er an das Teehaus anbauen wollte. Es war schon merkwürdig, dass sich Mathew nie mit dem zufriedengeben konnte, was er hatte. Er hatte drei Teehäuser, die alle ganz gut liefen, aber immer las er die Immobilienangebote und überlegte, ein weiteres dazu zu kaufen. Auch war er ständig damit beschäftigt, sie umzubauen und zu verbessern. Ich hatte bis jetzt Glück gehabt, weil das Teehaus in Seaview gut lief und weil er auch sah, dass ich grenzenlos damit ausgelastet war. Im Sommer kam ich nie dazu, mal Urlaub zu machen. Erst im Herbst übernahm eine Serviererin aus Ryde die Arbeit für einen Tag in der Woche, damit ich auch mal freihatte. Aber meist musste ich dann am nächsten Tag doppelt so viel arbeiten, weil so viel liegen geblieben war. Das würde mit Sicherheit nicht besser werden, wenn wir nun auch noch das Teehaus mit zwei Wintergärten erweiterten. Hoffentlich hielt Mathew wenigstens sein Versprechen und stellte ein paar Leute ein. Sonst war die Arbeit wirklich nicht zu schaffen.

Kapitel 4

Nele und Colin beschlossen, im November zu heiraten. Das war sogar auf der Isle of Wight kein schöner Monat. Aber sie hatten dann keine Feriengäste in ihrer Reitschule und konnten sich ganz auf ihre Hochzeit konzentrieren, so Neles Überlegung. Auch mir passte das gut. Mathew hatte sofort mit den Umbauarbeiten begonnen, und so musste das Teehaus für einen Monat geschlossen bleiben. Das war jedoch nicht weiter schlimm, viele Geschäfte und Restaurants machten in diesem Monat zu.

Ich hatte endlich mal Zeit, meine vielen Überstunden abzufeiern. Außerdem hatte ich Nele versprochen, mit ihr auf Brautkleidkauf zu gehen. Das ist eine Sache, die man ganz allein mit der besten Freundin erledigen muss, meinte Nele. Auf der Isle of Wight gab es weit und breit keine Brautkleidgeschäfte, und so beschlossen wir, nach Southampton überzusetzen.

Ich holte Nele frühmorgens bei ihrem Reitercottage ab. Sie befand sich natürlich im Stall zwischen den Pferden. Colin war bei ihr.

»Kaum hast du mir versprochen, meine Frau zu werden, lässt du mich den ganzen Tag allein«, jammerte er in gespielter Dramatik. »Das ist kein guter Start in die Ehe.«

Er war eben Schauspieler.

»Und ich sage dir, das ist erst der Anfang«, gab Nele ungerührt zurück. »Bald musst du die Stallarbeit allein machen und Pferde und Kinder erziehen. Ich sitze in der Zwischenzeit am Kamin und lege mir eine Patience.«

Sie lachte vergnügt, und dann umarmte sie ihn, und er küsste sie liebevoll. Sie waren so wahnsinnig verliebt und redeten so selbstverständlich über eine Familie mit Kindern. Ich musste schlucken, wenn ich sah, wie glücklich sie wirkten.

»Eins kann ich dir versichern: Sie wird die schönste Braut der Insel sein«, beschwor ich ihn.