Die Templer - Dan Jones - E-Book

Die Templer E-Book

Dan Jones

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Beschreibung

Sie begannen als Pilger, kämpften als Kriegermönche, bereicherten sich als Bankiers und endeten als Häretiker auf dem Scheiterhaufen: Dan Jones hat die Quellen zu den Templern neu gelesen und bietet mit diesem Buch ein Meisterstück an historischer Erzählkunst: auf dem neuesten Forschungsstand, mit sicherem Gespür für außergewöhnliche Episoden und spannend von der ersten bis zur letzten Seite.
Jerusalem 1119. Eine kleine Gruppe von Rittern sucht nach dem Ersten Kreuzzug nach einer neuen Aufgabe und gründet die "Arme Ritterschaft Christi und dessalomonischen Tempels zu Jerusalem", um Jerusalem-Pilger zu beschützen. Schon bald beginnt ein wundersamer Aufstieg: Die neuartigen Kriegermönche werden zur militärischen Eliteeinheit, die für die Kreuzfahrerstaaten im Heiligen Land kämpft. Landgüter in Europa, horrende Lösegelder und Tribute sorgen für sprudelnde Einnahmen. Die "arme Ritterschaft" wird zum Bankhaus, von dem Kaufleute und Könige in Orient und Okzident abhängig sind. Doch der sagenhafte Reichtum weckt Begehrlichkeiten. Es beginnt die Zeit der Verfolgung. Dan Jones versetzt den Leser ganz in die Zeit der Kreuzzüge hinein und wahrt zugleich die kritische Distanz zu den Quellen. Wer sein eindrucksvolles Buch gelesen hat, wird zutiefst verstehen, warum Aufstieg und Untergang der Tempelritter seit dem Mittelalter und bis heute die Phantasie beflügeln.

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Veröffentlichungsjahr: 2019

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Dan Jones

Die Templer

Aufstieg und Untergang von Gottes heiligen Kriegern

Aus dem Englischen von Andreas Nohl

C.H.Beck

Zum Buch

Sie begannen als Pilger, kämpften als Kriegermönche, bereicherten sich als Bankiers und endeten als Häretiker: Der britische Historiker Dan Jones hat die Quellen zu den Templern neu gelesen und bietet mit diesem Buch ein Meisterstück an historischer Erzählkunst: auf dem neuesten Forschungsstand, mit sicherem Gespür für außergewöhnliche Episoden und spannend von der ersten bis zur letzten Seite.

Jerusalem 1119. Eine kleine Gruppe von Rittern sucht nach dem Ersten Kreuzzug nach einer neuen Aufgabe und gründet die «Arme Ritterschaft Christi und des salomonischen Tempels zu Jerusalem», um Jerusalem-Pilger zu beschützen. Schon bald beginnt ein wundersamer Aufstieg: Die neuartigen Kriegermönche werden zur militärischen Eliteeinheit, die für die Kreuzfahrerstaaten im Heiligen Land kämpft. Landgüter in Europa, horrende Lösegelder und Tribute sorgen für sprudelnde Einnahmen. Die «arme Ritterschaft» wird zum Bankhaus, von dem Kaufleute und Könige in Orient und Okzident abhängig sind. Doch der sagenhafte Reichtum weckt Begehrlichkeiten. Es beginnt die Zeit der Verfolgung. Der letzte Großmeister verbrennt 1314 auf dem Scheiterhaufen.

«Eine frische, kräftige, packende Geschichte des wichtigsten geistlichen Ritterordens der Kreuzfahrerzeit, die skrupulöse Wissenschaft mit erzählerischem Charisma verbindet.» Simon Sebag Montefiore

Über den Autor

Dan Jones, Historiker und Journalist, ist in Großbritannien und den USA durch historische Bestseller und Fernsehdokumentationen bekannt geworden. Seine Geschichte der britischen Dynastie der Plantagenets – «a real-life Game of Thrones» (Wall Street Journal) – schaffte es auf Platz 1 der New York Times Bestsellerliste.

Inhalt

Karten

Verzeichnis der Karten

Einleitung

ERSTER TEIL: Pilger – um 1102–1144

1: Eine goldene Schale voller Skorpione

2: Die Verteidigung Jerusalems

3: Eine neue Ritterschaft

4: Alle gute Gabe

ZWEITER TEIL: Soldaten – 1144–1187

5: Ein Wettkampf zwischen Himmel und Hölle

6: Die Mühlen des Krieges

7: Der gottverlassene Turm

8: Macht und Reichtum

9: Unbilden in den beiden Ländern

10: Tränen aus Feuer

11: Weh dir, Jerusalem!

DRITTER TEIL: Bankiers – 1189–1260

12: Das Streben nach Reichtum

13: Nirgendwo in Armut

14: Damiette!

15: Feindseligkeit und Hass

16: Entrollt unser Banner!

VIERTER TEIL: Ketzer – 1260–1314

17: Ein Kloß im Hals

18: Die Stadt wird fallen

19: Auf Einflüsterung des Teufels

20: Ketzerische Verderbtheit

21: Gott wird unseren Tod rächen

Epilog: Der Heilige Gral

Anhang

Die wichtigsten handelnden Personen

Die Päpste, 1099–1334

Die Könige und Königinnen von Jerusalem

Die Meister des Templerordens

Anmerkungen

Einleitung

Erster Teil Pilger (um 1102–1144)

1 Eine goldene Schale voller Skorpione

2 Die Verteidigung Jerusalems

3 Eine neue Ritterschaft

4 Alle gute Gabe

Zweiter Teil Soldaten (1144–1187)

5 Ein Wettkampf zwischen Himmel und Hölle

6 Die Mühlen des Krieges

7 Der gottverlassene Turm

8 Macht und Reichtum

9 Unbilden in den beiden Ländern

10 Tränen aus Feuer

11 Weh dir, Jerusalem!

Dritter Teil Bankiers (1189–1260)

12 Das Streben nach Reichtum

13 Nirgendwo in Armut

14 Damiette!

15 Feindseligkeit und Hass

16 Entrollt unser Banner!

Vierter Teil Ketzer (1260–1314)

17 Ein Kloß im Hals

18 Die Stadt wird fallen

19 Auf Einflüsterung des Teufels

20 Ketzerische Verderbtheit

21 Gott wird unseren Tod rächen

Epilog: Der Heilige Gral

Anhang

Literatur

Primärquellen

Sekundärliteratur

Aufsätze

Unveröffentlichte Dissertationen

Bildnachweis

Register

Für Georgina

Karten

1Jerusalem war der Mittelpunkt der Welt für die christlichen Pilger, die ihr Leben aufs Spiel setzten, um in der Kirche zu beten, welche über Christi Grab errichtet worden war. Diese Karte, die etwa auf das Jahr 1200 datiert wird, zeigt im rechten oberen Viertel der ummauerten Stadt den Tempel Salomons – das Hauptquartier der Templer.

2Die Pilgerfahrt ins Heilige Land galt als Akt großer christlicher Frömmigkeit, für den die Seele im Jenseits belohnt wurde. Hier sind zwei Engel im Pilgergewand dargestellt, ausgerüstet mit Pilgerstab und Pilgertasche. Unbewaffnete Pilger waren gefährdet: Der Templerorden wurde gegründet, um sie bei ihren Reisen durch das Königreich Jerusalem zu beschützen.

3Ein Schrein in der Grabeskirche steht über der Höhle, in der Christi Leichnam vor der Auferstehung lag. Der heutige Bau datiert aus dem 18. Jahrhundert, aber es werden immer noch einige mittelalterliche Riten befolgt.

4Die al-Aqsa-Moschee auf dem Haram al-Scharif (Tempelberg) galt unter den Christen, die nach dem Ersten Kreuzzug in Jerusalem herrschten, als Tempel Salomons. König Balduin II. von Jerusalem übertrug sie den Templern, als deren Hauptquartier und internationale Kommandozentralesie von 1119 bis 1187 diente.

5Der Zisterzienserabt Bernhard von Clairvaux war ein unermüdlicher Schriftsteller, Freund von Päpsten und Königen und leidenschaftlicher Unterstützer der Templer. Er war Mitverfasser ihrer ersten Ordensregel und setzte sich in Rom für ihre Belange ein.

6Dieses Fresko aus der Templerkapelle in Cressac-sur-Charente stellt einen angreifenden Kreuzritter dar. Seine Standarte ist nicht schwarz-weiß, so dass sich nicht mit Sicherheit sagen lässt, ob es sich um einen Tempelritter handelt: Es mag die Darstellung eines ritterlichen Heiligen sein, zum Beispiel des heiligen Georg.

7Die Feldstandarten der Johanniter, Templer und der französischen Könige. Jeder Templer schwor, dass er die schwarz-weiße Fahne bis zum Tod verteidigen würde.

8Die Festung Monzón in AragÓn diente dem Orden als eindrucksvolle Basis in den Kriegen der Reconquista gegen muslimische Armeen. Die spanischen Templer erzogen den minderjährigen König Jakob I. in Monzón, ehe er die Regierung übernahm.

9Ein Fresko aus dem 13. Jahrhundert mit der Darstellung eines syrischen Reiters in der Schlacht. Seine leichte Rüstung deutet darauf hin, dass die syrische Kavallerie schnell und beweglich war, spezialisiert auf Blitzangriffe. Die Templer rekrutierten syrische Söldner, sogenannte Turkopolen, die mit ihnen zusammen kämpften.

10Ludwig VII. brach 1147 mit einem großen Kontingent von Tempelrittern aus Paris zum Zweiten Kreuzzug auf. Als seine Truppen in Kleinasien angegriffen wurden, halfen die Templer, die Disziplin wiederherzustellen, und als ihm das Geld ausging, gewährten sie ihm ein hohes Darlehen, das den Orden an den Rand des Bankrotts brachte.

11Saladin, der Sultan von Ägypten und Syrien und Gründer der Ayyubiden-Dynastie, vertrieb die christlichen Könige aus Jerusalem und verwandelte das Hauptquartier der Templer in die al-AqsaMoschee zurück. Dieses apokryphe Phantasieporträt spiegelt immerhin den legendären Ruf wider, den er sowohl in der christlichen als auch in der islamischen Geschichte genießt.

12Die Schlacht bei Hattin endete für die Armeen des christlichen Heiligen Landes in einer vernichtenden Niederlage, die im gesamten Westen als schwerer Schlag empfunden wurde. Saladin nahm Guido von Lusignan, Franken – einen Splitter des Wahren Kreuzes. Der Schlacht folgte ein organisiertes Massaker an über zweihundert Templern und Johannitern vor Saladins Augen.

13Richard Löwenherz – hier sein Grabmal in der Abtei von Fontevraud in Anjou – brachte die Templer zu neuer Blüte, als im Dritten Kreuzzug unter seiner Führung Akkon und ein großer Teil des übrigen Heiligen Landes von Saladin zurückerobert wurden.

14Die Belagerung von Akkon 1191 war der erste bedeutende Triumph des Dritten Kreuzzugs, wobei die Templer ihre Festung und das Nachschubdepot am Hafen zurückgewannen. Die beiden Heerführer Richard Löwenherz und Philipp II. August von Frankreich empfangen in dieser Darstellung die Schlüssel der Stadt.

15Die Templer finanzierten ihre Kriegszüge mit Hilfe eines ausgedehnten Netzwerks von Landgütern, das sich über ganz Europa erstreckte. Einige ihrer Besitzungen haben sich erhalten, darunter die beeindruckenden Scheuern bei Cressing Temple in Essex, die auf Ländereien erbaut wurden, die Matilda von England 1137 dem Orden gestiftet hatte.

16Im Fünften Kreuzzug hatten die Templer Sultan al-Kamil zum Gegner, hier in einem Fresko mit dem heiligen Franziskus von Assisi dargestellt. Der Bettelmönch und Prediger Franziskus versuchte ohne Erfolg, al-Kamil zum Christentum zu bekehren.

17Der von den Templern geschmähte Kaiser Friedrich II. nutzte seine von Sympathie geprägte Beziehung zum ayyubidischen Sultan al-Kamil, um Jerusalem ab 1229 wieder für christliche Pilger zugänglich zu machen.

18Unter den Docks von Akkon bauten die Templer lange Tunnel, die ihre Festung mit dem Hafen und dem Zollhaus verbanden. Die Tunnel wurden erst 1994 wiederentdeckt und können heute besichtigt werden.

19Rainald von Vichiers, ein führender französischer Templer und zukünftiger Ordensmeister, half bei der Finanzierung einer Flotte, die König Ludwig IX. nach Ägypten brachte, wo er 1249 Damiette angriff. Als Ludwig gefangen genommen worden war, brachten die Templer einen Notkredit auf, um das Lösegeld für ihn zu bezahlen.

20Seit den 1260er-Jahren war das Königreich Jerusalem ständigen Angriffen der Mongolen und der Mamlukenarmeen aus Ägypten ausgesetzt. Die Christen versuchten, ein Bündnis mit Hülagü Khan, dem Herrscher des Ilkhanatsvon Persien, zu schmieden. ne verlässlichen Bundesgenossen, wie die Templer 1300 beim misslungenen Angriff auf Tortosa feststellen mussten.

21Zwar gewannen die Christen 1229 für kurze Zeit die Kontrolle über Jerusalem zurück, aber 1244 wurden sie von einer marodierenden Armee von Khwarezmiyya-Türken wieder daraus vertrieben, wie es hier in den Marginalien der Chronik von Matthäus Paris dargestellt ist. Die Templer konnten die Stadt nicht retten.

22Dieses Detail eines Messingbeckens, das im 14. Jahrhundert in Ägypten oder Syrien entstand, stellt einen hochrangigen mamlukischen Krieger dar (Mitte), der manchmal als Sultan Baibars identifiziert wird. Bei seinem Unterwerfungsfeldzug durch die lateinischen Staaten im Heiligen Land eroberte Baibars auch die Templerfestung bei Safed und ließ alle ihre Verteidiger köpfen.

23Philipp der Schöne und seine Kinder in der Miniatur einer Handschrift aus dem 14. Jahrhundert. Philipp IV. pochte auf seine königliche Erhabenheit und christliche Überlegenheit, litt aber immer unter Geldnot. Die Zerschlagung der französischen Templer ermöglichte ihm, sich als frommer religiöser Reformer zu stilisieren und einen Großteil des Ordensbesitzes zu konfiszieren.

24Bertrand von Got, Erzbischof von Bordeaux, wurde 1305 Papst Clemens V. Er residierte nie in Rom und galt als Marionette des französischen Königs. Er konnte 1307 die Templer nicht schützen und ließ es zu, dass eine französische Hexenjagd beim Konzil von Vienne 1311 zur vollständigen Auflösung des Ordens führte.

25Das Templerhaus in Paris war eine Stadtfestung, deren auffallende Türme sich über die Skyline der Stadt erhoben. Sie überlebte den Fall des Ordens und diente während der Revolution als Gefängnis für die königliche Familie. Dieses Gemälde stammt etwa aus dieser Zeit und zeigt den Turm in einem fortgeschrittenen Stadium des Verfalls. Er wurde 1808 abgerissen.

26Der heilige Bernhard von Clairvaux meinte, die Tempelritter seien ihrem hehren Ziel so hingegeben, dass sie Zeitvertreibe wie Jagen, Würfelspiel und Schach meiden würden. Die Regel war allerdings nachsichtiger, denn sie gestattete den Brüdern Wetten mit Holzstiften. Hier sind zwei spanische Templer beim Schachspiel dargestellt (Schwarz scheint schachmatt zu sein.)

27Die französischen Templer wurden im Morgengrauen des 13. Oktober 1307, an einem Freitag, nach einem Überfall, der von der Regierung Philipps IV. sorgfältig synchronisiert, legitimiert und geplant worden war, zusammengetrieben und gefangen gesetzt. Das war der Anfang vom Ende des Ordens.

28Die Verbrennung der Templer in Paris 1314 führt in dieser Darstellung direkt zum Tod Philipps IV. auf der Jagd im selben Jahr. Es hieß, Jakob von Molay habe Gottes Fluch auf die Männer herabgerufen, die für seinen Tod verantwortlich waren.

Verzeichnis der Karten

Europa und das Heilige Land, um 1119 vorderer Vorsatz

Das Heilige Land, um 1119 hinterer Vorsatz

Sæwulfs Reise, um 1102 26

Templer-Besitzungen in Westeuropa zur Zeit des Zweiten Kreuzzugs, um 1147 81

Der Zweite Kreuzzug, 1148–1149 97

Templerfestungen im lateinischen Osten 139

Saladins Eroberungen bis zum Jahr 1190 172

Damiette und der Fünfte Kreuzzug 263

Die Mongolen und Mamluken um 1260–1291 332

«Ihr sollt nicht meinen, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf die Erde. Ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert.»

Matthäus 10,34

Einleitung

Die Templer waren heilige Krieger. Männer des Glaubens und des Schwerts, Pilger und Soldaten, Bettler und Bankiers. Ihr Gewand, auf dem ein rotes Kreuz prangte, symbolisierte das Blut, das Christus für die Menschheit vergossen hatte und das sie selbst im Dienste Gottes zu vergießen bereit waren. Zwar waren die Templer nur einer von zahlreichen geistlichen Orden, die zwischen dem elften und vierzehnten Jahrhundert in Europa und im Heiligen Land entstanden, aber sie waren mit Abstand der berühmteste und umstrittenste.

Ihr Orden war ein Produkt der Kreuzzüge, jener Kriege, die die mittelalterliche Kirche anstiftete und die sich vor allem, wenn auch nicht ausschließlich, gegen die islamischen Herrscher in Palästina, Syrien, Kleinasien, Ägypten, Nordafrika und Südspanien richteten. Die Templer konnte man also in weiten Bereichen des Mittelmeerraums und darüber hinaus antreffen: auf den Schlachtfeldern des Nahen Ostens und in Städten und Dörfern in ganz Europa, wo sie ausgedehnte Ländereien bewirtschafteten, mit denen sie ihre militärischen Expeditionen finanzierten. Der Begriff «Templer» – eine Abkürzung für «Arme Ritterschaft Christi und des Salomonischen Tempels zu Jerusalem» – bezog sich auf ihre Entstehung auf dem Tempelberg in der heiligsten Stadt des Christentums. Doch ihre Präsenz machte sich fast überall bemerkbar. Noch zu ihren Lebzeiten waren die Templer quasi legendäre Gestalten, die in volkstümlichen Geschichten, Bildern, Balladen und Historien auftraten. Sie gehörten zur geistigen Landschaft der Kreuzzüge – bis heute.

Der Orden der Templer wurde 1119 auf den Prinzipien von Keuschheit, Gehorsam und Armut gegründet – Letztere symbolisiert im Siegel des Ordens, das zwei Ritterbrüder zeigt, die sich ein Pferd teilen. Doch rasch wurde der Orden wohlhabend und einflussreich. Ihre Würdenträger im Heiligen Land und im Westen zählten Könige und Fürsten, Königinnen und Gräfinnen, Patriarchen und Päpste zu ihren Freunden (und Feinden). Der Orden half bei der Finanzierung von Kriegen, streckte das Lösegeld für Könige vor, unternahm als Subunternehmer die Finanzverwaltung von Königreichen, zog Steuern ein, erbaute Festungen, regierte Städte, stellte Armeen auf, griff in Handelsstreitigkeiten ein, nahm an Privatkriegen gegen andere Ritterorden teil, führte politische Attentate aus und betätigte sich als Königsmacher. Nach bescheidenen Anfängen wurde der Orden zu einer der mächtigsten Institutionen des Mittelalters.

Doch zugleich, und das mag seltsam erscheinen, fanden die Templer auch großen Anklang in der Bevölkerung. Für viele Menschen waren sie keine abgehobene Elite, sondern Helden vor Ort. Die Gebete, die die vielen nichtkämpfenden Brüder in ihren Ordenshäusern in ganz Europa sprachen, waren genauso wichtig wie die Opfer, die die Tempelritter und Sergeanten auf den Schachtfeldern brachten, und beide waren von äußerster Bedeutung für die himmlische Erlösung aller Christen. Zum Teil beruhte der Reichtum des Ordens auf der Unterstützung frommer Adeliger, doch ebenso viel erwuchs aus den kleinen Spenden gewöhnlicher Männer und Frauen, die das wenige, was sie hatten – einen Mantel hier, ein Gemüsebeet dort –, ihrem örtlichen Ableger gaben, um die kriegerische Mission des Ordens im Osten zu unterstützen.

Natürlich waren manche auch anderer Meinung. Sie sahen in dem Orden eine gefährliche Organisation, die niemandem Rechenschaft ablegen musste und überdies die eigentlich friedlichen Grundsätze des Christentums korrumpierte. Gelegentlich wurden die Templer heftig angegriffen, insbesondere von Gelehrten und Mönchen, bei denen ihr privilegierter Status Argwohn erregte: Sie standen unter dem Schutz der Autorität des Papstes und waren von den Regeln und Steuern, denen andere religiöse Gruppen unterworfen waren, ausgenommen. Bernhard von Clairvaux – eine Art Pate des Ordens – begrüßte die Templer als «eine neue Ritterschaft», doch ein Jahrhundert später verurteilte ein anderer gelehrter französischer Mönch sie als «eine neue Monstrosität».

Gleichwohl erschreckte die plötzliche Auflösung des Ordens Anfang des vierzehnten Jahrhunderts, die mit Massenverhaftungen, Verfolgung, Folter, Schauprozessen, Gruppenverbrennungen und der Beschlagnahmung des gesamten Vermögens der Templer einherging, die gesamte Christenheit. Innerhalb weniger Jahre war der Orden zerschlagen, seine Mitglieder wurden einer Reihe von Verbrechen angeklagt, die vor allem Empörung und Abscheu hervorrufen sollten. Das Ende kam so plötzlich und gewaltsam, dass es die Legende der Templer nur befeuerte. Heute, mehr als siebenhundert Jahre nach ihrem Untergang, sind die Templer immer noch Gegenstand von Faszination, Nachahmung und Besessenheit.

Wer also waren die Templer? Diese Frage lässt sich nicht so leicht beantworten. Die Templer sind in zahlreichen Romanen, Fernseh- und Kinofilmen präsent, wo sie je nachdem als Helden, Märtyrer, Verbrecher, Schläger, Opfer, Kriminelle, Perverse, Ketzer, unterdrückte Rebellen, Wächter des Heiligen Grals, Beschützer von Christi geheimer Nachkommenschaft sowie zeitreisende Agenten einer weltweiten Verschwörung auftreten. Auf dem Gebiet der Populärgeschichte gibt es viele eifrige Heimarbeiter, die «die Mysterien der Templer» enthüllen und ihnen eine Rolle in der zeitlosen Verschwörung zum Vertuschen der schmutzigen Geheimnisse des Christentums zuweisen; und im Übrigen sei der mittelalterliche Orden noch existent und manipuliere die Welt aus dem Hintergrund. Manchmal ist das recht unterhaltsam. Nichts davon hat wirklich mit den Templern zu tun.

Dieses Buch möchte die Geschichte der Templer erzählen, wie sie wirklich waren, nicht die Legende, die sich seither um sie gerankt hat. Mein Ziel ist es nicht, die abwegigen Thesen des Templer-Mythos zu widerlegen oder mich damit auch nur zu befassen; ich will vielmehr zeigen, dass ihre Taten noch ungewöhnlicher waren als die Ritterromane, Halbwahrheiten und Voodoo-Geschichten, die seit ihrem Fall herumgeistern. Ich bin auch davon überzeugt, dass die Themen der Templergeschichte bis heute einen mächtigen Nachhall haben. Dieses Buch handelt von einem endlos scheinenden Krieg in Palästina, Syrien und Ägypten, wo Fraktionen von sunnitischen und schiitischen Muslimen mit christlichen Invasoren aus dem Abendland zusammenstießen; von einer «global agierenden», von Steuern befreiten Organisation, die solchen Reichtum ansammelte, dass sie mächtiger wurde als manche Regierungen; von der Beziehung zwischen der internationalen Finanzwelt und der Geopolitik; von der Macht der Propaganda und der Mythenbildung; von Gewalt, Verrat, Treuebruch und Gier.

Wer meine Bücher über das England zur Zeit der Plantagenets gelesen hat, wird nicht überrascht sein, auch hier erzählte Geschichte vorzufinden. Das Buch erzählt die Geschichte der Templer von ihrer Gründung bis zu ihrer Auflösung, es geht dem sich wandelnden Charakter des Ordens nach, seiner Ausbreitung über den Nahen Osten und Europa und der Rolle, die er in den Kriegen zwischen christlichen Armeen und islamischen Streitkräften gespielt hat. Ich habe den Text mit detaillierten Anmerkungen und einer Bibliographie versehen, die den Leser auf ein breites Spektrum von Originalquellen und wissenschaftlichen Studien hinweisen, aber auch dieses Buch soll wieder gleichzeitig unterhalten und informieren.

Um den Leser durch die beiden Jahrhunderte vom unscheinbaren Beginn des Ordens bis zu seiner spektakulären Auslöschung zu geleiten, habe ich das Buch in vier Teile gegliedert. Der erste Teil, «Pilger», beschreibt die Ursprünge der Templer zu Beginn des zwölften Jahrhunderts: Sie wurden als Orden christlicher Krieger von dem französischen Ritter Hugo von Payns und (so wurde später kolportiert) acht seiner Gefährten gegründet, die in der turbulenten Zeit nach dem Ersten Kreuzzug in Jerusalem eine Aufgabe suchten. Die ursprüngliche Absicht dieses kleinen Trupps war, eine ständige Leibwache für westliche Pilger zu bilden, die auf den gefährlichen Straßen im Heiligen Land den Spuren Christi folgten. Sie ließen sich inspirieren von einer Gruppe von freiwilligen Pflegern, die um 1080 ein Krankenhaus in Jerusalem einrichteten, das Hospital des Heiligen Johannes zu Jerusalem oder der Hospitaliter, später Johanniter genannt. Nachdem die Templer die Zustimmung des christlichen Königs von Jerusalem und den päpstlichen Segen aus Rom erhalten hatten, wurden sie schnell zu einer Institution und expandierten. Sie errichteten ihr Hauptquartier in der Heiligen Stadt auf dem Tempelberg in der al-Aqsa-Moschee (für die Muslime Haram al-Scharif), schickten Emissäre nach Europa, um Männer zu rekrutieren und finanzielle Unterstützung zu akquirieren, und sie suchten berühmte Gönner. Ihr spirituelles Leitbild war Bernhard von Clairvaux, der bei der Abfassung ihrer Ordensregeln half, während zu ihren frühen Unterstützern führende Kreuzfahrer gehörten, unter anderen der Graf von Anjou, ein Vorfahre der Plantagenets, der später – nicht ohne Zutun der Templer – König von Jerusalem wurde. Innerhalb weniger Jahrzehnte entwickelten sich die Templer von neun abgebrannten Kriegern, die nach einer Aufgabe suchten, zu einer ehrgeizigen Organisation mit einem klaren Ziel und den Mitteln, es auch zu erreichen.

Der zweite Teil des Buchs – «Soldaten» – schildert, wie die Templer von einer Straßenwacht zu einer militärischen Elitetruppe an der Spitze der Kreuzzüge wurden. Es wird beschrieben, welch entscheidende Rolle die Templer während des Zweiten Kreuzzugs spielten, als sie nicht nur eine Handvoll von Pilgern, sondern eine große Armee unter dem Befehl des französischen Königs durch die Berge Kleinasiens geleiteten, so dass sie wohlbehalten das Heilige Land erreichte. Dabei halfen sie dem bankrotten Befehlshaber aus der Patsche und kämpften dann in der ersten Reihe der Kreuzfahrer, die versuchten, Damaskus (damals eine der größten Städte der islamischen Welt) einzunehmen. Von diesem Zeitpunkt an waren die Templer der Dreh- und Angelpunkt in der politischen und militärischen Geschichte der christlichen Kreuzfahrerstaaten (das Königreich Jerusalem, die Grafschaft Tripolis und das Fürstentum Antiochia). Der zweite Teil beschreibt sodann, wie sie ein Netzwerk von Burgen, militärische Strategien und die institutionelle Kompetenz entwickelten, die zur Ausführung ihrer Aufgabe notwendig waren. Zugleich werden einige der herausragenden Personen der Kreuzzugsgeschichte vorgestellt: der fromme, aber glücklose Ludwig VII. von Frankreich; der auf selbstmörderische Weise stolze Meister des Templerordens Gerhard von Ridefort, der mithalf, die Armee Gottes 1187 in die apokalyptische Schlacht bei Hattin zu führen; Balduin IV., der lepröse König von Jerusalem; und Saladin, der berühmteste aller muslimischen Sultane, dessen persönliche Mission es war, die Kreuzfahrer vom Erdboden hinwegzufegen, und der persönlich die Hinrichtung Hunderter Tempelritter an einem Tag beaufsichtigte.

Der dritte Teil – «Bankiers» – schildert, wie der Templerorden von einer Hilfstruppe der Kreuzzügler, alimentiert durch Spenden aus dem Abendland, zu einer Institution heranwuchs, die ihre militärische Macht und ein ausgeklügeltes Netzwerk von Ländereien und Repräsentanten im gesamten christlichen Raum erfolgreich dafür einsetzte, die Verbindung des Westens mit den östlichen Kriegsgebieten aufrechtzuerhalten – zu einer Zeit, als die Leidenschaft für Kreuzzüge abzuebben begann.

Nachdem sie als Streitmacht von Saladin fast ausgelöscht worden waren, wurden die Templer in den Jahren nach 1190 mit der Unterstützung von Richard Löwenherz, dem glanzvollen, brutalen und hochberühmten englischen König, wieder aufgebaut. Sein Vertrauen in die führenden Amtsträger der Templer gab die Richtung vor, die der Orden im dreizehnten Jahrhundert nehmen sollte. Geschützt durch die Gunst des Königs, bald auch von Adelshäusern und Stadtregierungen, konnten die Templer ihren Landbesitz und ihr Vermögen vermehren, wobei sie von vorteilhaften Abgabenbefreiungen profitierten. Sie wurden außerordentlich reich und in finanziellen Dingen so gewieft, dass bald Päpste und Könige sich an sie wendeten, um ihnen die Buchführung und Regelung der Staatsfinanzen zu übertragen. Überdies sollten sie die Planung von Kriegszügen durchführen und in Krisenzeiten Lösegelder beschaffen.

Freilich waren diese Krisenzeiten keineswegs selten, und der dritte Teil zeigt die Templer immer noch tief in Kriege gegen den Islam verstrickt. Ihr finanzielles Geschick ermöglichte zwei große Angriffe auf die ägyptische Stadt Damiette am Nildelta. Beide Feldzüge endeten im Chaos, denn die Ordensritter und Sergeanten verkämpften sich aussichtslos in Nachhutgefechten in den krankheitsverseuchten Sümpfen des Nilhochwassers. So stellten die Templer bald fest: Das Sammeln und Organisieren von Kriegsgeldern war eine Sache, das Ausfechten langwieriger Feldzüge auf fremdem Terrain gegen einen ortskundigen Feind eine ganz andere.

Der dritte Teil zeigt sodann, wie die Templer immer mehr Verantwortung für die Sicherheit der Kreuzfahrerstaaten übernahmen, was sie in Verbindung mit einigen der bedeutendsten Männer des dreizehnten Jahrhunderts brachte. Zu ihnen zählte der heiliggesprochene König Ludwig IX. von Frankreich, mit dem sie sich glänzend verstanden, und Friedrich II. von Hohenstaufen, der verschwenderische und freigeistige Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, der für sich in Anspruch nahm, König von Jerusalem zu sein, und auch sogleich einen Konflikt mit den Templern vom Zaun brach, die mit der Verteidigung der Stadt beauftragt waren. Im Zuge dessen mussten die Templer mit Friedrichs Schützlingen, den Rittern des Deutschen Ordens, fertigwerden: einem von mehreren militärischen Orden, die parallel (und manchmal auch in Nachahmung) zu den Templern gegründet wurden. Dazu gehörten der Orden des Heiligen Lazarus, der leprakranken Pilgern beistand; die Orden von Calatrava, Santiago und Alcántara im spanischen Königreich; der livländische Schwertbrüderorden, der gegen die Heiden im Baltikum zu Felde zog; und die Johanniter, mit denen die Templer es von Beginn an zu tun hatten und mit denen zusammen sie einige ihrer größten Schlachten schlugen. Im Heiligen Land verschärfte die wachsende Bedeutung und Vielfalt der geistlichen Ritterorden regionale Konflikte, und die Templer wurden in Kriege zwischen rivalisierenden Gruppen von italienischen Kaufleuten und eigennützigen Kriegsherren verwickelt. Schließlich wurde dadurch das politische Fundament der Kreuzfahrerstaaten so untergraben, dass in den 1260er-Jahren, als eine neue Bedrohung entstand, die Templer ebenso hilflos wie der Rest ihrer christlichen Mitspieler agierten.

Der vierte Teil trägt den Titel «Ketzer» und verfolgt die Ursachen für die Auflösung der Templer bis zu den Ereignissen in ebenjenen 1260er-Jahren zurück, als die Brüder im Osten an vorderster Front gegen die beiden gefährlichsten Feinde kämpfen mussten, denen die Kreuzritter je gegenüberstanden: die mongolische Armee unter den Nachkommen Dschingis Khans und die Mamluken, eine Kaste muslimischer Sklavensoldaten. Durch die Niederlage gegen die Mamluken gerieten die Templer stärker als je zuvor ins Kreuzfeuer der Kritik, da ihr Reichtum und die Tatsache, dass man sie mit dem Kriegsglück gegen den Islam assoziierte, nun als Knüppel gegen sie gewendet wurden.

Unter dem wachsenden Druck bot der Orden zunehmend eine Angriffsfläche für politische Angriffe. Ein solcher kam plötzlich und mit Gewalt, als am Freitag, dem 13. Oktober 1307, der zwar fromme, aber skrupellose französische König Philipp IV. alle Templer in Frankreich gefangen nehmen ließ. Damit begann ein gänzlich eigennütziger Vorgang, der die Auflösung des Ordens und die Einziehung seines Vermögens zum Ziel hatte. Vom geschwächten Papst Clemens V. wechselweise unterstützt und kritisiert, verwandelten Philipp IV. und seine Minister einen Raubzug gegen den Besitz der Templer in eine Kampagne gegen sie, die die ganze christliche Welt umfasste. Dabei kamen Methoden zum Einsatz, die schon an anderen wehrlosen Opfern erprobt worden waren, etwa an der jüdischen Bevölkerung in Frankreich. Zwar war Frankreich traditionell die größte Schutzmacht der Templer gewesen, doch machte Philipp es zu seiner Mission, die Mitglieder des Ordens verfolgen, foltern und töten zu lassen. Er begann ganz oben beim letzten Meister der Templer, Jakob von Molay, der 1314 in Paris auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde und mit seinen letzten Worten Gottes Rache für den Orden versprochen haben soll.

Philipps Motive, die Templer durch gerichtliche Ermittlungsverfahren wie durch persönliche Akte der Grausamkeit zu zerbrechen, hatten wenig mit dem Charakter oder dem Verhalten der Ordensmitglieder – sei es im Krieg gegen den Islam oder in Frankreich – zu tun, wo sich ihr Leben nicht sonderlich von dem anderer Mönche unterschied. Philipps Vorgehen gründete in seinen politischen Vorurteilen und in seiner extremen, grausamen und gefühllosen Persönlichkeit, und es traf den Orden in einem Moment, als er für Angriffe und Verleumdungen besonders anfällig war und als das öffentliche Interesse für Kreuzzüge, wenn nicht erstarb, so doch deutlich nachließ. Der Tod von Jakob von Molay markierte das Ende der Templer als Organisation, knapp zweihundert Jahre nach ihren bescheidenen Anfängen in Jerusalem. Ihre Legende dagegen stand erst am Beginn. Der Epilog unseres Buchs schildert das Eindringen der Tempelritter in die populäre Phantasiewelt und zeichnet nach, wie der Orden seither romantisiert und sogar wiederbelebt worden ist.

Ein angesehener Wissenschaftler hat die These vertreten, eine erzählte Templergeschichte sei «irreführend, da sie impliziert, dass der Orden allmählich aufgestiegen und untergegangen ist, dass die Kritik ständig zunahm und dass bestimmte Ereignisse andere auslösten».[1] Das ist sowohl richtig als auch falsch. Gewiss wäre es ein vollkommen unsinniges Unterfangen, in einem chronologischen Bezugsrahmen einen umfassenden Bericht über zwei Jahrhunderte vorlegen zu wollen, in denen der Orden in Jerusalem, auf der Iberischen Halbinsel, in Frankreich, England, Italien, Polen, Deutschland, Ungarn, auf Zypern und anderswo tätig war. Die Erfahrungen von Tausenden von Männern und Frauen, die als erklärte Templer oder assoziierte Mitglieder lebten, lassen sich nicht alle in einer zusammenhängenden Erzählung ihrer wichtigsten Taten darstellen. Gleichwohl hatte der Orden der Armen Ritterschaft Christi und des Salomonischen Tempels zu Jerusalem unzweifelhaft einen Anfang, eine Mitte und ein Ende, und dieser Prozess fand in einer bestimmten historischen Spanne statt, in der die Zeit wie üblich voranschritt. Es ist eine Geschichte, die das breitere Panorama der Kreuzzüge umfasst, verschiedene Kriegsschauplätze und ein Dutzend Generationen von Männern und Frauen. Diese Geschichte wird gewöhnlich nach Themen sortiert, eine Vorgehensweise, die allzu häufig weitschweifig und langweilig wird. Wenn ich mich dafür entschieden habe, diese Geschichte als Geschichte im traditionellen Sinn zu erzählen, dann ist damit nicht zwangsläufig eine moralische Entwicklung verbunden, die von Ehre zu Korruption, zu Hybris und Zerstörung führt – diese Denkungsart hat lange Zeit das Schreiben über die Templer belastet, sie datiert bis mindestens ins siebzehnte Jahrhundert zurück.[2] Ich bin hingegen schlicht der Meinung, dass ein Bericht über die Templer chronologisch erzählt werden kann, was Lesern entgegenkommt, die eine Geschichte gern in ihrer Abfolge lesen. Dabei bin ich hoffentlich nicht zu «teleologisch» vorgegangen oder habe das Leben und die Erfahrungen der Menschen falsch dargestellt, die mit dem roten Kreuz auf ihrer Brust lebten, kämpften und starben. Zugleich hoffe ich, dass dieses Buch Leser dazu anregen wird, sich intensiver mit der umfangreichen Forschungsliteratur über die Ritterorden im Allgemeinen und die Tempelritter im Besonderen zu befassen, die von großartigen Historikern verfasst wurde, etwa von Malcolm Barber, Helen Nicholson, Alan Forey, Jochen Burgtorf, Alain Demurger, Jonathan Riley-Smith, Judi Upton-Ward, Anthony Luttrell, Jonathan Phillips, Norman Housley, Jochen Schenk, Paul Crawford, Peter Edbury und Anne Gilmour-Bryson sowie vielen anderen, von denen ich mit großer Achtung und Dankbarkeit Anregungen für dieses Buch empfangen habe.

Die Tempelritter zogen unter einem schwarz-weißen Banner in die Schlacht, und dabei sangen sie manchmal einen Psalm, der ihnen Mut machen sollte. Es erscheint mir nicht unangemessen, diese Zeilen am Anfang unserer Geschichte zu zitieren:

Nicht uns, Herr, nicht uns,

sondern deinem Namen gib Ehre

um deiner Gnade und Treue willen!

Viel Freude bei der nun beginnenden Reise!

ERSTER TEIL

Pilger

um 1102–1144

«Kämpft, ich flehe euch an, für die Erlösung eurer Seelen!»

Balduin I., König von Jerusalem

1

Eine goldene Schale voller Skorpione

An einem stürmischen Herbstmorgen in Jaffa traten die Pilger aus der Kirche. Gleich wurden sie von einer Menschenmenge erfasst und Richtung Meer fortgerissen, angelockt von einer grauenerregenden Kakophonie: dem Lärm von zerberstendem Holz und, kaum hörbar unter dem brüllenden Wind und den tosenden Wellen, den panischen Schreien von Männern und Frauen, die um ihr Leben kämpften. Ein schrecklicher Orkan, der sich am Tag zuvor aufgebaut hatte, war in der Nacht losgebrochen, und an die dreißig Schiffe, die vor Jaffas Steilküste ankerten, wurden von riesigen Wasserbergen hin und her geworfen. Auch die größten und stabilsten von ihnen wurden von ihren Ankern gerissen, gegen scharfe Felsen geschleudert und in die Sandbänke gerammt, bis sie alle, so drückte es ein Zeuge aus, «vom Sturm in Stücke zerfetzt» waren.[1]

Die Menschenmenge am Strand sah hilflos zu, wie Seeleute und Passagiere von den Decks gespült wurden. Manche versuchten sich über Wasser zu halten, indem sie sich an zersplitterte Masten und Spieren klammerten, aber die meisten waren dem Untergang geweiht. «Manche, die sich festhielten, wurden von den Balken ihrer eigenen Schiffe zermalmt», schrieb der Beobachter. «Manche, die schwimmen konnten, warfen sich freiwillig in die Wellen, und viele kamen dabei um.»[2] Die Leichen wurden von der Brandung an den Strand gespült. Die Zahl der Toten belief sich am Ende auf tausend, und nur sieben Schiffe überstanden den Orkan unbeschadet. «Einen größeren Jammer an einem Tag hat nie ein Auge gesehen», schrieb der Pilger. Es war Montag, der 13. Oktober 1102.

Der Pilger, dem wir diese Beschreibung verdanken, war ein Engländer namens Sæwulf.[*1] Er war seit mehreren Monaten auf Reisen, Monopoli an der Küste von Apulien (am Absatz des italienischen Stiefels) hatte er am 13. Juli verlassen, an einem Tag, den er als hora egyptiaca bezeichnete, da er seit den Pharaonen als astrologischer Unglückstag für jede Art von Unternehmung galt.[3] Und so hatte es sich erneut erwiesen. Sæwulf hatte bereits auf seiner Fahrt von England ins östliche Mittelmeer einmal Schiffbruch erlitten; gnädigerweise hatte er überlebt. Sein Weg hatte ihn nach Korfu, Cefalonia und Korinth geführt, auf dem Landweg via Theben zum Ägäischen Meer, sodann südöstlich durch die Kykladen und Dodekanes-Inseln nach Rhodos. Ein paar weitere Tage auf See hatten ihn in den zyprischen Hafen Paphos gebracht, von wo er – nach genau dreizehn Wochen, in denen er über dreitausend Kilometer zurückgelegt hatte – schließlich Jaffa erreichte, den Haupthafen des christlichen Königreichs von Jerusalem. Wenige Stunden vor Ausbruch des tödlichen Sturms war er an den Strand gerudert worden.

Trotz der zahlreichen Entbehrungen und schrecklichen Gefahren, die mit einer Seereise verbunden waren, hatte Sæwulf auf seiner Fahrt nach Osten großartige Dinge gesehen. Alle paar Tage gingen er und seine Mitreisenden von Bord, um bei Inselbewohnern, die für ihn zumeist Griechen waren, um Unterkunft zu bitten. Er hatte die Seidenspinnereien von Andros gesehen und den Ort besucht, wo der längst verschwundene Koloss von Rhodos gestanden hatte. Er war in der antiken Stadt Myra mit ihrem berühmten römischen Theater gewesen sowie in Finike, dem windgepeitschten Handelshafen, der von den Phöniziern an einer Küste gegründet worden war, die die Einheimischen wegen der Rauheit des dortigen Meeres «sechzig Ruder» nannten. Er hatte am Grabmal des heiligen Nikolaus gebetet und war in Zypern den Spuren des heiligen Petrus gefolgt. Doch sein eigentliches Ziel lag noch vor ihm. Wenn der Sturm nachließ, würde er sich Richtung Südosten auf den Weg zur wichtigsten Stadt der Welt machen: Jerusalem, wo er an der Grabstätte Jesu Christi, Sohn Gottes und Erlöser der Menschheit, beten wollte.

Für Christen wie Sæwulf, der sich selbst fromm als «unwürdig und sündig» beschrieb, war die Pilgerschaft nach Jerusalem eine Erlösungsreise ins Zentrum der Welt.[4] Gott hatte dem alttestamentarischen Propheten Hesekiel gesagt, Er habe Jerusalem «in der Mitte der Erde» errichtet, und das wurde nicht als rhetorische Floskel verstanden.[5] Landkarten, die zu dieser Zeit in Europa gezeichnet wurden, zeigten die Heilige Stadt als die Keimzelle, um die herum die Königreiche der Menschen, der Christen wie der Heiden, wuchsen.[*2] Diese geographische Tatsache war zugleich eine kosmologische Tatsache. Jerusalem galt als der Ort, wo das Himmlische manifest wurde und wo sich die Wirkmacht des Gebets durch die Reliquien und heiligen Stätten verstärkte. Man konnte diesen Ort nicht bloß sehen, sondern auch fühlen: Der Besucher konnte persönlich die biblischen Geschichten in allen Einzelheiten nacherleben, von den Taten der alttestamentarischen Könige bis zu Christi Leben und Passion.

Da er Jerusalem auf der Straße von Jaffa erreichte, wird er durch das Davidstor eingetreten sein, ein stark bewehrtes Portal in den dicken Festungsmauern der Stadt. Diese wurden von einer riesigen Zitadelle aus Stein geschützt, die auf den Trümmern einer von Herodes errichteten Festung erbaut worden war – jenem König, der laut Bibel alle Säuglinge in Bethlehem umbringen ließ, um sich des Jesuskinds zu entledigen. Auf seinem Weg durch die Stadt sah der Pilger den Tempelberg, der den südöstlichen Teil der Stadt überragte, gekrönt von der schimmernden Kuppel des Felsendoms, den die Christen Tempel des Herrn nannten. Daneben befand sich die al-Aqsa-Moschee, ein weitläufiges, eher niedriges rechteckiges Gebäude, ebenfalls von einer Kuppel bekrönt. Sie war im siebten Jahrhundert erbaut worden und diente nun als Residenz für den christlichen König von Jerusalem, einen reichen Kreuzritter aus der Grafschaft Boulogne mit Namen Balduin I.

Hinter dem Tempelberg, jenseits von Jerusalems östlicher Stadtmauer, lag ein Friedhof, und dahinter der Garten Gethsemane, wo Christus mit seinen Jüngern gebetet hatte und in der Nacht seiner Gefangennahme von Judas verraten worden war. Etwas weiter folgte der Ölberg, wo Jesus viele Wochen gepredigt hatte und von wo er in den Himmel aufgefahren war. Sæwulf schrieb in seinem Tagebuch, er habe den Ölberg bestiegen und von dort die Stadt überblickt und sehen können, wo die Stadtmauern und Grenzen während der römischen Besatzungszeit erweitert worden waren.

Die heiligste Stätte von allen und das eigentliche Ziel jeder christlichen Pilgerreise lag mitten in Jerusalem: die Kirche vom Heiligen Grab, laut Sæwulf «berühmter als jede andere Kirche, und das ist recht und billig, da alle Prophezeiungen und Weissagungen in der ganzen Welt über unseren Erlöser Jesus Christus dort wahrlich erfüllt wurden».[6] Es war ein doppelstöckiger Komplex miteinander verbundener Kapellen und Höfe, die vor allem an zentrale Geschehnisse der Passion erinnerten – und man glaubte, dass es tatsächlich die Orte des Geschehens waren. Sæwulf führte sie auf: die Kerkerzelle, in die Jesus nach seiner Gefangennahme gebracht wurde; die Stelle, wo ein Fragment des Kreuzes gefunden worden war; die Säule, an die der Herr gekettet war, als die römischen Soldaten ihn geißelten, und «der Ort, wo er ein Purpurgewand anlegen musste und die Dornenkrone aufgesetzt bekam»; Golgatha, «wo der Stammvater Abraham einen Altar errichtete und im Gehorsam gegenüber Gott seinen Sohn [Isaak] opfern wollte» und wo Christus gekreuzigt wurde – hier untersuchte Sæwulf das Loch, in dem das Kreuz befestigt gewesen war – und einen Felsen, der in zwei Teile zerbrochen war, wie es im Matthäus-Evangelium geschrieben steht.[7] Es gab Kapellen, die Maria Magdalena und dem Apostel Johannes, der Jungfrau Maria und dem heiligen Jakob geweiht waren. Am eindrucksvollsten und bedeutendsten jedoch war die große Rotunde im Westchor der Kirche, denn hier lag die Grabkammer selbst: das Grab Christi. Es war die Höhle, in die der Leichnam Jesu nach seiner Kreuzigung gebracht worden war, vor seiner Auferstehung. Der Schrein war umgeben von ständig brennenden Öllampen, der Boden mit Marmorplatten belegt: ein stiller, wohlriechender Ort für Gebet und Andacht.[8] Keine Stätte auf der Welt oder in der Geschichte war den Christen heiliger. Wie Sæwulf bereits in der ersten Zeile seiner Erinnerungsschrift bekennt: «Ich begab mich auf den Weg nach Jerusalem, um am Grab des Herrn zu beten.» Das Grab war die Wiege der Christenheit, und daher waren Pilger wie Sæwulf bereit, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, um dorthin zu gelangen.

Pilgerreisen waren im frühen zwölften Jahrhundert ein extrem wichtiger Teil des christlichen Lebens – wie bereits seit fast tausend Jahren. Die Menschen legten unglaubliche Strecken zurück, um Heiligengräber oder Orte berühmter christlicher Ereignisse zu besuchen. Sie taten dies für ihr Seelenheil: manchmal, um göttlichen Beistand in ihrer Krankheit zu suchen, und manchmal, um ihre Sünden zu sühnen. Manche dachten, mit Gebeten an einem bestimmten Altar könnten sie sich den Schutz dieses Heiligen für das Leben im Jenseits sichern. Alle glaubten, dass Gott Pilger gnädig ansah und dass Männer oder Frauen, die demütig und fromm ins Zentrum der Welt wallfahrten, ihre Stellung vor Gott verbesserten.

Doch Sæwulfs gefahrvolle Reise war nicht nur gottesfürchtig, sie war auch zeitgerecht. Obgleich Christen spätestens seit dem vierten Jahrhundert nach Jerusalem pilgerten, war es doch nie eine freundliche Gegend gewesen. In den vergangenen siebenhundert Jahren hatten sich die Stadt und ihre Umgebung zumeist in der Hand von römischen Kaisern, persischen Königen, Umayyaden-Kalifen und seldschukischen Beys (oder Emiren) befunden. Vom siebten Jahrhundert, als eine arabische Armee die Stadt der byzantinisch-christlichen Herrschaft entriss, bis zum Ende des elften Jahrhunderts war Jerusalem in muslimischer Hand gewesen. Für die Anhänger des Islams war Jerusalem nach Mekka und Medina die drittheiligste Stadt der Welt. Sie sahen in ihr den Ort der al-Aqsa-Moschee (der «fernen Kultstätte»), wohin laut dem Koran der Prophet Mohammed von Mekka aus auf seiner Nachtreise vom Engel Gabriel gebracht wurde, bis sie vom Tempelberg aus gemeinsam gen Himmel fuhren.[9]

Doch dann hatten sich die Bedingungen grundlegend geändert. Drei Jahre vor Sæwulfs Reise hatte sich die Situation der Stadt und der Küstenregionen von Palästina und Syrien dramatisch gewandelt, was den Pilgerfahrten aus dem lateinischen Westen eine vollkommen neue Attraktivität und Anmutung verlieh. Nach einem erbitterten und langwierigen Krieg zwischen 1096 und 1099 waren große Teile des Heiligen Landes von den christlichen Kontingenten des später so genannten Ersten Kreuzzugs erobert worden.

Mehrere große Expeditionen von Krieger-Pilgern waren aus Westeuropa ins Heilige Land gereist (manchmal nannten sie dies französisch «Outremer», was so viel heißt wie «Übersee»). Diese Pilger wurden von den meisten christlichen Autoren als «Latiner» oder «Franken» bezeichnet, welch letzterer Begriff sich in muslimischen Texten in der Form von Infranj spiegelt.[10] Nach einem Hilferuf des byzantinischen Herrschers Alexios Komnenos um militärischen Beistand marschierten jene Männer und Frauen, begleitet von den begeisterten Predigten Papst Urbans II., zunächst nach Konstantinopel und von dort weiter an die levantinische Küste, um gegen die Muslime zu kämpfen, die dort das Heft in der Hand hatten. Urban versprach, die Teilnahme am Kreuzzug werde sämtliche Bußen ersetzen, die einer Person von der Kirche für ihre Sünden auferlegt worden waren – damit ließen sich praktisch die Verfehlungen eines ganzen Lebens mit einer einzigen Reise wiedergutmachen. Anfangs waren diese bewaffneten Pilger wenig mehr als ein undisziplinierter, gewalttätiger Mob, angeführt von Rattenfängern wie dem französischen Prediger Pierre l’Ermite (Peter der Einsiedler), der seine Anhänger in fromme Raserei peitschte, ohne sie freilich ausreichend verpflegen oder ihre Gewaltexzesse zügeln zu können. Nachfolgende Kreuzfahrerwellen wurden angeführt von Adligen aus Frankreich, der Normandie, England, Flandern, Bayern, der Lombardei und Sizilien, die aufrichtig glaubten, es sei ihre christliche Pflicht, die heiligen Stätten von ihren muslimischen Besatzern zu befreien. Ermutigt wurden sie durch den Umstand, dass Jerusalem und seine Umgebung politisch und militärisch gespalten waren zwischen zahlreichen untereinander verfeindeten Gruppierungen der islamischen Welt.

Diese Risse hatten politische, dynastische und religiöse Ursachen. Auf der einen Seite standen die Seldschuken, die aus Zentralasien stammten und ein Reich aufgebaut hatten, das von Kleinasien bis zum Hindukusch reichte. Darin herrschte eine türkisch-persische Mischkultur, die dem abassidischen Kalifen in Bagdad unterstand, dem geistigen Oberhaupt des sunnitischen Islam. In den zwanzig Jahren vor 1092 wurde das seldschukische Reich von Sultan Malik Schah I. regiert, bis mit seinem Tod das Reich unter seinen vier verfeindeten Söhnen aufgeteilt wurde, die sich fortan gegenseitig bekämpften.

Gegen die Seldschuken kämpfte der Rumpf des fatimidischen Kalifats, dessen Kernland in Ägypten lag und dessen Führer behaupteten, direkt von Mohammeds Tochter Fatima abzustammen. Seit Mitte des zehnten Jahrhunderts beherrschten die Fatimiden große Teile Nordafrikas, Syriens, Palästinas, den Hedschas und sogar Sizilien. Sie waren ihrem schiitischen Kalifen in Kairo treu ergeben. Ende des elften Jahrhunderts zerbrach auch das Fatimiden-Reich, es verlor Territorium und Einfluss und zog sich in sein ägyptisches Kernland zurück. Religiöse und politische Rivalitäten zwischen Seldschuken und Fatimiden sowie auch innerhalb des Seldschuken-Reichs selbst lösten eine Periode außerordentlicher Uneinigkeit in der islamischen Welt aus. Wie einer ihrer Chronisten schrieb, waren die verschiedenen Herrscher «untereinander alle zerstritten».[11]

So kam es, dass die Christen auf ihrem Ersten Kreuzzug eine Reihe überwältigender Siege feierten. Jerusalem war am 15. Juli 1099 gefallen, in einem verblüffenden militärischen Coup, der allerdings von grauenhaften Plünderungen und Massakern an der jüdischen und muslimischen Stadtbevölkerung begleitet wurde. Die geköpften Leichname ließ man einfach in Haufen auf den Straßen liegen, viele davon mit aufgeschlitzten Bäuchen, so dass die Eroberer an die Goldmünzen kamen, die ihre Opfer hinuntergeschluckt hatten, um sie vor den Marodeuren zu verstecken.[12] Griechisch-orthodoxe Priester in Jerusalem wurden so lange gefoltert, bis sie die Stätte preisgaben, wo einige ihrer wertvollsten Reliquien aufbewahrt wurden, darunter ein Splitter aus dem Kreuz, an dem Christus gestorben war, eingefasst in ein schönes kreuzförmiges Goldreliquiar.

Die Kreuzritter nahmen die großen Städte Edessa und Antiochia im Norden ein sowie auch kleinere Städte wie Alexandretta, Bethlehem, Haifa, Tiberias und Jaffa, den strategisch wichtigen Hafen. Andere Küstenstädte, darunter Arsuf, Akkon, Caesarea und Askalon, blieben in muslimischer Hand, waren aber bereit, Tribut zu zahlen, um unbehelligt zu bleiben. Schließlich wurden auch sie von späteren Generationen christlicher Invasoren eingenommen. Mittlerweile war eine ganze Reihe von neuen christlichen Staaten an der Mittelmeerküste entstanden: im Norden die Grafschaft Edessa und das Fürstentum Antiochia, an die im Süden die Grafschaft Tripolis und das Königreich Jerusalem angrenzten, das die Feudalherrschaft über die gesamte Region beanspruchte – allerdings setzte es diesen Anspruch nur sehr oberflächlich durch.

Infolge der beispiellosen Umstände ihrer Ankunft, der unerhörten Entfernung von zu Hause und der kraftzehrenden Kriegführung in einem so gnadenlosen Klima war die christliche Eroberung dieser Gebiete noch längst nicht abgeschlossen. Zu der Zeit von Sæwulfs Pilgerfahrt nach Jerusalem hatten Soldaten, Schiffe und heilige Männer, die aus dem Westen kamen, geholfen, das Territorium, das der Herrschaft von Jerusalems erstem Kreuzfahrer-König Balduin I. unterstand, zu erweitern. Aber ihre Zahl war nicht sehr groß, und stets drohten äußere Feinde und Spaltungen innerhalb der Kreuzritterschaft, da sie aus so vielen abendländischen Regionen stammten, die nicht gerade für ihre Kooperationsbereitschaft bekannt waren.

Im Sommer 1102 befand sich Sæwulf also in einem jungen, kleinen, gelegentlich belagerten, aber aggressiven christlichen Königreich im Osten, dessen bloße Existenz für die Zeloten, die es errichtet hatten, der Beweis dafür war, dass Gott «uns seine Gnade und Barmherzigkeit im Überfluss zuteil» hat werden lassen. Die vertriebenen Muslime sahen die Dinge verständlicherweise anders. Sie sahen ihre Nachbarn als Folge «einer Katastrophenzeit», die von den «Feinden Gottes» herbeigeführt worden war.[13]

In den folgenden sechs Monaten erforschte Sæwulf jeden Zentimeter der Heiligen Stadt und ihrer Umgebung, verglich, was er sah, mit seinen Kenntnissen aus der Bibel oder aus Reiseberichten, einschließlich des Berichts des englischen Mönchs und Theologen Beda Venerabilis aus dem achten Jahrhundert. Sæwulf bestaunte den Tempel des Herrn und die Grabeskirche, den Ölberg und den Garten Gethsemane. Er besuchte das Kreuzkloster, wo man unter dem großen Altar den Stumpf des Baumes sehen konnte, aus dem Jesu Kreuz gemacht worden war, umschlossen von einem weißen Marmorgehäuse mit kleinem Sichtfenster. Er war überwältigt von der Großartigkeit des Gesehenen. Über den Tempel des Herrn schrieb er, er sei «höher als die Berge ringsum, und in seiner Schönheit und seiner Pracht überragt er alle anderen Häuser und Gebäude». Er bewunderte großartige Bildhauerkunst sowie die eindrucksvollen Festungsanlagen. Überall erwachte für ihn die Bibel zum Leben: der Ort, wo Petrus den Lahmen heilte und wo Jesus in Jerusalem einritt «auf einem Esel, und die Jungen sangen Hosianna dem Sohn Davids!».[14]

Gleichwohl fand Sæwulf die Pilgerstraßen rund um Jerusalem oft furchterregend und unsicher. Der Wanderweg von Jaffa landeinwärts war besonders beschwerlich: eine lange, strapaziöse Reise auf einer «sehr anstrengenden Bergstraße».[15] Allenthalben war die Instabilität des Kreuzfahrerkönigreichs sichtbar. Muslimische Straßenräuber – Sæwulf nannte sie «Sarazenen» – schwärmten aus über das Land, sie lebten in Felshöhlen und machten den Pilgern Angst, die glaubten, dass «sie Tag und Nacht wach waren, immerzu auf der Lauer nach jemandem, den sie überfallen konnten». Dann und wann sahen Sæwulf und seine Gefährten vor oder hinter sich furchteinflößende Gestalten, die ihnen aus der Ferne drohten, bevor sie wieder verschwanden. Sie reisten in ständiger Angst und in dem Wissen, dass jeden von ihnen, der aus Müdigkeit zurückfiel, ein grausiges Schicksal erwartete.

Überall lagen Leichen herum, die in der Hitze verwesten, manche direkt auf dem Weg, andere gleich daneben, einige «von Wildtieren zerfetzt». (In den Bergen Palästinas lebten Füchse, Schakale und Leoparden.) Diese toten Christen waren von ihren Reisegefährten zurückgelassen worden, ohne eine würdige Beerdigung, die in dem von der Sonne ausgehärteten Boden unmöglich gewesen wäre. «Es gibt wenig Erde dort, und die Felsen sind nicht leicht zu bewegen», schrieb Sæwulf. «Selbst wenn es dort Erde gäbe, wer wäre dumm genug, seine Brüder zu verlassen und allein ein Grab auszuheben? Jeder, der das täte, würde kein Grab für seinen Mitchristen schaufeln, sondern sein eigenes.»[16]

Etwa zehn Kilometer südlich von Jerusalem fand er Bethlehem «vollständig zerstört», mit Ausnahme des großen Klosters der Heiligen Jungfrau Maria, das «den Stall, in dem Ochse und Esel standen», enthielt sowie einen Marmortisch, an dem die Jungfrau angeblich mit den drei Weisen aus dem Morgenland zu Abend gegessen hatte. Weiter im Süden lag noch das ebenfalls «von den Sarazenen zerstörte» Hebron, bedeutend, weil es die Grablege «der Heiligen Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob» sowie von «Adam, dem ersterschaffenen Menschen» war. Im Osten sah Sæwulf das Tote Meer, «wo das Wasser des Jordan weißer und mehr wie Milch ist als andere Gewässer».[17] Im Norden, einen Dreitagesritt entfernt, besuchte er Nazareth, den See Genezareth und die Stadt Tiberias, wo Jesus Wunder getan hatte, darunter die Speisung der Fünftausend.

Allein die Ballung heiliger Orte war tief bewegend, und Sæwulf schrieb einen genauen Bericht über alles und erwähnte sogar den «Duft von Balsam und kostbarsten Gewürzen», der ihm bei besonders beliebten Heiligtümern entgegenschlug. Dennoch war er sich ständig bewusst, dass ihn seine frommen Reisen durch gefährliche Länder führten. Kirchen und Städte lagen in Trümmern. Klöster hatten Dutzende von massakrierten Glaubensbrüdern zu beklagen. Vergangene Schrecken mischten sich mit gegenwärtigen. Hier hatte der Heilige Petrus die Erde mit seinen Tränen benetzt, nachdem er den Herrn verleugnet hatte; dort stand eine Kirche, die erst kürzlich verlassen worden war aus Angst vor «den Heiden», die sich auf dem gegenüberliegenden Jordanufer versammelten, «in Arabien, das den Christen sehr feindlich gesinnt ist und alle Anhänger Gottes hasst».[18]

Am Ende des Frühjahrs 1103 war Sæwulf so weit gereist, wie es nur irgend möglich war, und hatte seine Pilgerpflicht mehr als erfüllt. «Ich hatte, soweit ich es vermochte, jede der Heiligen Stätten in der Stadt Jerusalem und in den Städten der Umgebung aufgesucht und dortselbst gebetet», schrieb er. Er kehrte nach Jaffa zurück und suchte sich eine Koje auf einem Handelsschiff, das gen Westen in See stach. Damit war er aber noch keineswegs in Sicherheit. Auf dem offenen Meer vor Zypern patrouillierten feindliche Schiffe aus dem fatimidischen Ägypten, das über genügend Küstenstädte verfügte, um seine Flotte einsatzfähig zu halten und jederzeit mit Proviant und Wasser zu versorgen. Christliche Schiffe wagten aus Furcht vor Angriffen keine Fahrten außer Sichtweite der Küste. Am 17. Mai ging Sæwulf an Bord eines von drei großen Schiffen, die als Dromonen bekannt waren und gemeinsam nah an der Küste nach Norden segelten. Sie liefen freundliche Häfen an, und unfreundliche passierten sie, so schnell der Wind und die Ruderer es erlaubten.