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Mildred Burke, in den 1930er-Jahren Vorreiterin des Frauen-Wrestlings. Amelia Earhart, die den ersten Alleinflug einer Frau über den Atlantik bestritt. Sarojini Naidu, Mitstreiterin Mahatma Gandhis. Oder die Schauspiellegende Marylin Monroe. Allesamt beeindruckende Frauen, die zu einer Zeit, in der Frauenrechte auch im Westen erst erkämpft werden mussten, ihren eigenen Weg gingen. A Woman's World zeigt Pionierinnen aus der ganzen Welt, die aufgrund ihrer Leistungen zwischen 1850 und 1960 Geschichte geschrieben haben – sei es im Wissenschaftslabor, bei Straßenprotesten, auf der Bühne, beim Kampf im Schützengraben oder als mutige Erforscherinnen der Wildnis. Boten sich uns die fotografischen Porträts dieser Frauen bisher in kühlem Schwarz-Weiß dar, so werden sie durch die Kolorierung der Künstlerin Marina Amaral zum Leben erweckt. Ergänzt durch informative Begleittexte des Historikers Dan Jones bilden sie eine einzigartige Weltgeschichte der Frauen ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – ein Buch, das all die weiblichen Vorbilder feiert, über die immer noch viel zu wenig gesprochen wird.
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Seitenzahl: 271
Veröffentlichungsjahr: 2023
Dan Jones | Marina Amaral
Faszinierende Porträts starker Frauen von 1850 bis 1960
Dan Jones | Marina Amaral
Faszinierende Porträts starker Frauen von 1850 bis 1960
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie.
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Wichtiger Hinweis
Ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit wurde auf eine genderspezifische Schreibweise sowie eine Mehrfachbezeichnung verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.
1. Auflage 2023
© 2023 by riva Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH
Türkenstraße 89
80799 München
Tel.: 089 651285-0
Fax: 089 652096
Die Originalausgabe erschien 2022 bei Head of Zeus unter dem Titel A Woman’s World.
Text copyright © by Dan Jones, 2022. Copyright © in the colourization of the images by Marina Amaral, 2022.
All rights reserved.
Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.
Übersetzung: Martin Bayer, Hartenrod
Redaktion: Werner Wahls, Köln
Umschlaggestaltung: Maria Verdorfer, München
Umschlagabbildung: Myron Davis / The LIFE Picture Collection / Shutterstock
Layout: Isambard Thomas / CORVO
Satz: abavo GmbH, Buchloe
eBook: ePUBoo.com
ISBN Print 978-3-7423-2331-6
ISBN E-Book (PDF) 978-3-7453-2120-3
ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-7453-2121-0
Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter
www.rivaverlag.de
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Vorwort
1. Frauen beim Spielen
2. Frauen in der Schule
3. Frauen am Steuer
4. Frauen im Krieg
5. Frauen an der Macht
6. Frauen in der Kunst
7. Frauen auf der Straße
8. Frauen auf der Bühne
9. Frauen in der Wildnis
10. Frauen in der Firma
11. Frauen im weißen Kittel
Über die Autoren
Bildnachweis
Die Bildhauerin Phoebe Stabler bei der Arbeit an ihrem neuesten Werk, The Onlooker. Um 1926.
Als wir 2017/18 an unserem ersten gemeinsamen Buch Die Welt von gestern in Farbe arbeiteten, stellten wir fest, dass eine Klage, die wir dabei immer wieder äußerten, im Lauf der Monate geradezu vertraut werden sollte. Jenes Buch war wie das vorliegende eine Weltgeschichte, die sich digital eingefärbter Fotografien aus der Schwarzweißära bediente, grob gesagt zwischen 1850 und 1960.
Damals wie jetzt waren die historischen Auswahlkriterien, die wir uns setzten, weitgespannt: Wir wollten, dass unsere Geschichte wirklich umfassend wird, die Berühmten mit den Unbekannten vermischt und den Alltag mit dem Außergewöhnlichen. Eingefärbte Fotografien sollten mit gründlicher historischer Recherche eine große Geschichte über eine Welt im Wandel erzählen. Aber bei der Arbeit fiel uns immer wieder eines auf.
Es sind nicht genug Frauen dabei.
Das heißt nicht, dass es gar keine gegeben hätte. Ein Geschichtsbuch, das die Geschichte des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts behandelte, ohne dabei auf den Beitrag der Frauen zur Welt einzugehen, wäre wirklich altmodisch gewesen. Und wir glaubten, dass wir getan hatten, was wir konnten, um den Handlungsbogen unserer Erzählung in Richtung Inklusion und Vertretung zu biegen. Wir waren stolz auf Die Welt von gestern in Farbe und sind es heute noch.
Aber manchmal fühlte es sich während der Arbeit an jenem Buch (und auch danach bei unserem zweiten, The World Aflame) so an, als kämpften wir gegen die Geschichte selbst. So sehr wir uns auch bemühten, der Vergangenheit oder, genauer gesagt, den Fotoarchiven gleichmäßig viele Männer und Frauen abzuringen, anhand derer wir unsere Geschichte erzählen wollten, fanden wir uns nur zu oft von Männern mit buschigen Vollbärten umgeben: den großen Akteuren der Geschichte, mit Zylinderhut oder in Uniform, mit ihren berühmten Namen und ihrer leuchtenden (oder düsteren) Reputation.
Es gab schlicht so viele davon, und manchmal schien es uns, als bliebe uns nichts übrig, als schulterzuckend festzustellen: So ist das eben in der Geschichte. Sie ist eine Welt der Männer.
Dabei stimmt das gar nicht. Der Historiker, der seinen Quellen die Schuld gibt, ist nicht besser als der Handwerker, der seinem Werkzeug die Schuld gibt. Die Geschichte macht uns, aber wir machen auch sie. Und es stimmt zwar, dass den größten Teil der menschlichen Geschichte über das Patriarchat die Grundlage der meisten Formen gesellschaftlicher und politischer Organisation war, aber das darf heute keine Entschuldigung für Faulheit mehr sein.
Deshalb beschlossen wir, uns in diesem, unserem dritten Buch ein Ziel zu setzen.
Keine Kerle.
Keine Bärte.
Kein Zutritt für Männer.
Was Sie jetzt in der Hand halten, ist das Ergebnis. Dieses Buch erzählt eine Geschichte der Menschheit zwischen 1850 und 1960 anhand von Bildern, Biografien und Erlebnissen von Frauen. Es soll als Hommage, als Schaukasten und in gewisser Weise auch als Vorbild dienen. Es ist eine konventionelle Geschichtserzählung, die gemäß dem zeitlichen Ablauf und nach Themen gegliedert ist, unter Berücksichtigung von wichtigen Ereignissen und Menschen, aber gleichzeitig auch eine radikale.
Dieses Buch wurde geschaffen, um zu zeigen, dass wir unsere Geschichte genauso mit dem Bildausschnitt steuern können wie unsere Fotografien: Wir konzentrieren uns auf das, was wir als wichtig, erstaunlich, erschreckend oder schön empfinden und schneiden weg, was in dem Augenblick, da wir den Auslöser drücken, nicht unser Interesse weckt.
Den Geschichtsabschnitt, den wir hier behandeln, kann man auf vielerlei Art und Weise in den Sucher nehmen. Es gibt viele Möglichkeiten, eine unendlich faszinierende Geschichte zu erzählen.
Dies hier ist A Woman’s World.
Von der Mitte des 19. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts veränderte sich die Welt so sehr, dass man sie nicht wiedererkannte.
Telegrafenkabel, Überseedampfer, Straßen und Eisenbahnen verbanden die Menschen über große Entfernungen hinweg mit zuvor unvorstellbarer Geschwindigkeit. Der Mensch flog, zunächst im Heißluftballon und im Luftschiff, dann in Doppeldeckern und Düsenjägern und schließlich mit Überschallgeschwindigkeit und in den Weltraum. Die europäischen Großmächte beanspruchten Boden, Arbeitskraft und Ressourcen anderer Nationen und beuteten sie aus, so sehr sie konnten, bis zwei Weltkriege die Weltkarte neu zeichneten, um die Vorherrschaft der atomaren Supermächte widerzuspiegeln.
Die technologische Entwicklung brachte eine Umwälzung in der Unterhaltungsbranche: Kino und Fernsehen machten Schauspieler und Musiker zu nationalen und internationalen Stars. Autoren und bildende Künstler fanden ein stetig größeres Publikum. Sportarten wurden in Regelwerke gefasst, als Veranstaltungen für große Zuschauermassen inszeniert und schließlich im Fernsehen übertragen.
Die Forschung enträtselte in dieser Zeit grundlegende Geheimnisse des Universums und führte zu die Vorstellungskraft sprengenden Fortschritten in der Genetik, der Kernphysik und der Informatik, aber auch auf alltäglichen, allerdings essentiellen Gebieten wie der Erzeugung und Konservierung von Nahrungsmitteln.
Auf all diesen und noch weiteren Gebieten waren in entscheidendem Maß Frauen beteiligt.
Die Geschichte der Frauen und die der Männer verläuft nicht unabhängig voneinander, aber unterschiedlich. Sowohl weibliches als auch männliches Erleben wird von gesellschaftlichen Normen, geschlechtsspezifischen und Regeln und religiösen oder sogar wissenschaftlichen Glaubenssätzen tiefgreifend geformt und bestimmt. Dennoch kann man ohne großes Wagnis behaupten, dass die Geschichtsschreibung eine Sichtweise der Vergangenheit sowohl aufnimmt wie auch widerspiegelt, die sich hauptsächlich um Männer dreht.
Eine traditionelle Geschichte des Ersten Weltkriegs würde sich normalerweise auf starke Panzer, blutige Schlachtfelder und die Geschichten von Männern konzentrieren, die alles opferten, um für ihr Land zu kämpfen. Aber wenn wir uns die Westfront jenes Krieges genauer ansehen, finden wir dort Marie Curie, die führende Chemikerin und Physikerin ihrer Zeit, wie sie zusammen mit ihrer siebzehnjährigen Tochter Irène mit einem mobilen Röntgengerät herumfährt, das Tausenden verwundeten Soldaten das Leben rettete.
Wenn wir bis in die 1850er-Jahre und zum Krimkrieg zurückgehen, finden wir die britische Krankenschwester und Sozialreformerin Florence Nightingale. Sie verbesserte mit ihrem Hygienekonzept die Feldlazarette und bekämpfte damit nicht nur das allgemeine Elend, sondern senkte die Sterberate der Verwundeten um zwei Drittel.
Gehen wir vor bis in die 1950er-Jahre, treffen wir auf Rosalind Franklin, neben Marie Curie eine der wichtigsten Naturwissenschaftlerinnen des 20. Jahrhunderts. Franklin leitete als Research Associate am King’s College der University of London das Forschungsprojekt, in dessen Rahmen eine röntgenkristallografische Aufnahme entstand, mitunter als das wichtigste Foto aller Zeiten bezeichnet, aus der die Doppelspiralstruktur der DNS ersichtlich wurde. Ihre Arbeit veränderte die Welt, aber als Francis Crick und James Watson 1953 in Nature über ihre Entdeckung der Doppelhelix berichteten, wurde Franklin nur kurz am Ende erwähnt, weil sie die beiden »stimuliert« habe. Crick und Watson erhielten den Nobelpreis und gelten noch heute als Entdecker der Struktur des Erbguts, obwohl sie später einräumten, dass ihre Formel »sehr wahrscheinlich« ohne Franklins Arbeit nicht zustande gekommen wäre.
Ähnliche Geschichten gibt es in fast jedem anderen Gebiet, das man sich anzuschauen die Mühe macht.
Die berühmteste Pilotin vor den beiden Mondlandungen im Jahr 1969 war Amelia Earhart, deren Verschwinden bei einem Flug über dem Pazifik 1937 heute noch die Menschen fasziniert. Zu den berühmtesten Monarchen der damaligen Zeit gehörten Königin Victoria, die äthiopische Kaisergemahlin Taytu Betul und die chinesische Kaiserwitwe Cí Xı˘ (auch Cixi). Die größte Sportlerin war Mildred »Babe« Didrikson Zaharias. Die größte Schauspielerin war Sarah Bernhardt. Rosa Parks saß ganz vorne in der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung der Schwarzen, während Eleanor Roosevelt die Menschenrechte beispielhaft für die gesamte Welt niederschrieb. Einzig Elvis Presley konnte Marilyn Monroe seinerzeit den Platz als größter Star streitig machen. Keine Erfolgsgeschichte einer Behinderten ist so bekannt und inspirierend wie die Helen Kellers.
Natürlich haben wir in diesem Buch jenen Frauen viel Platz eingeräumt, die um Gleichberechtigung, Freiheit und Entfaltungsmöglichkeiten in einem Zeitalter kämpften, in dem weltweit Frauen unterdrückt und ihre Rechte beschnitten wurden, am ausdrücklichsten in Kapitel 2 (Frauen in der Schule) und Kapitel 7 (Frauen auf der Straße). Aber dieser Kampf ist auch überall sonst gegenwärtig. Die schlichte Wahrheit ist, dass fast jede Frau, die wir in diesem Buch vorstellen, mehr tun musste, als ein Mann in ihrer Stellung hätte tun müssen, um dasselbe Ergebnis zu erzielen. Es wäre langweilig, das auf jeder Seite zu wiederholen, aber es wäre Dummheit und historische Ignoranz, es zu vergessen.
Eine der gefährlichsten Annahmen über den Fortschritt ist, dass sein Weg unvermeidlich und unumkehrbar zum Licht führt. Das ist nicht wahr und war es nie. Während wir die Arbeit an diesem Buch abschlossen, bereitete sich der Oberste Gerichtshof der USA darauf vor, das Urteil im Prozess Roe vs. Wade von 1973 umzustoßen, eine Präzedenzentscheidung, die besagte, die Verfassung der USA garantiere das Recht amerikanischer Frauen, sich für eine Abtreibung zu entscheiden. Dieser Augenblick sollte uns alle zumindest daran erinnert haben, dass Fortschritt nie garantiert ist. Rechte und Freiheiten können gewährt und wieder entzogen werden.
Dennoch ist dieses Buch, auch wenn es sich sehr mit den Rechten von Frauen befasst, ausdrücklich nicht als Essay über gesellschaftliche Gerechtigkeit oder Ungerechtigkeit gedacht. Die Frauen, die wir ausgewählt haben, werden vorgestellt, weil ihre Geschichte interessant und (in den meisten Fällen) bewundernswert ist. Es soll ihre Existenz feiern und ihre Geschichte herausstellen.
Wir übergeben Ihnen diese Sammlung in dem Geist, in dem wir sie uns zuerst vorgestellt haben: als eine strahlende und bunte Reise durch ein wichtiges historisches Zeitalter, und zwar in der Gesellschaft einiger der großartigsten Menschen, die zu dieser Zeit lebten.
Willkommen in A Woman’s World.
Marina Amaral und Dan Jones
Frühling 2022
Historisch gesehen sind Sportlerinnen nicht immer nur einfach gegeneinander angetreten. Sie mussten sich auch mit der herrschenden Stellung des männlichen Profisports auseinandersetzen, der den Beteiligten traditionell höhere Siegesprämien, größere öffentliche Aufmerksamkeit und mehr Ansehen bot. Manche Sportarten galten früher als unpassend für Frauen, in anderen durften sie zwar antreten, aber bekamen die Möglichkeit verwehrt, sich einen ausreichenden Lebensunterhalt zu verdienen. Mildred Burke, die hier in einer Fotografie abgebildet ist, die Myron Davis vom Magazin Life 1943 machte, war ein gutes Beispiel dafür. Während ihrer langen Laufbahn blieb sie die beste Wrestlerin der Welt und bestand in mehr als 20 Jahren Tausende Kämpfe. Aber als sie sich zurückzog, musste sie ihren Schmuck verkaufen, um die Miete zu bezahlen.
Im Profi-Wrestling werden viele Kämpfe ebenso oft geplant wie wirklich ausgekämpft und das Ergebnis wird oft vorher abgesprochen. Kritiker bezweifeln daher, dass es sich um einen Sport handelt. Die Kämpfer sind allerdings unbestreitbar trainierte Sportler. Burke war muskulös und stark. Sie wollte jeden Kampf ehrlich gewinnen. Und wann immer sie in einem »offenen« Kampf antrat, bei dem der Gewinner nicht schon feststand, zeigte sie, was sie wirklich konnte.
Burke kam 1932 zum Ringen, als sie mit 17 ein Wrestlingmatch in Kansas City sah und sich vorstellte, selbst im Ring zu stehen. Ermutigt wurde sie von Billy Wolfe, einem Promoter, ehemaligen Wrestler und Straßenhändler, ab 1934 auch ihr Ehemann und Manager. Weil Damenringkämpfe in den meisten US-Bundesstaaten verboten waren, führte Wolfe seine Frau auf Jahrmärkten vor. Er bot jedem Mann, der gegen sie gewann oder wenigstens 10 Minuten durchhielt, ohne zu Boden zu gehen, einen Preis von 25 Dollar. Burke verlor bei etwa 200 Kämpfen nur ein einziges Mal, als sie einen Kniestoß nicht kommen sah und K.O. ging.
1936, als Burke bei inzwischen legalen Kämpfen antrat und siegte, arrangierte Wolfe eine Bewerbung um den Weltmeistertitel. Im Januar 1937 gewann sie die Damenweltmeisterschaft gegen Clara Mortenson. Eine Revanche im folgenden Monat ging (wie abgesprochen) an Mortenson. Beim entscheidenden dritten Kampf im April weigerte sich Burke, einer Absprache zu folgen. Es folgte ein offenes Match. Burke gewann. Sie behielt den Weltmeistertitel 17 Jahre lang.
1944 verteidigte sie ihn in Mexiko-Stadt vor 12 000 Zuschauern. Vier Jahre später belegte sie in einer Umfrage der Associated Press nach der Sportlerin des Jahres Platz sechs. Auf der Höhe ihres Ruhms verdiente sie so viel wie ein Spitzenspieler im Profi-Baseball. Wolfe zweigte allerdings den Großteil ihrer Einnahmen für sich selbst ab und misshandelte seine Frau. 1952 wurde das Paar geschieden.
Weil ihr Exmann verhinderte, dass sie weiterhin im organisierten Damenwrestling antrat, gründete Burke 1954 ihren eigenen Weltverband, die World Women’s Wrestling Association. 1956 stand sie zum letzten Mal im Ring, um danach in ihrer eigenen Schule, der Mildred Burke’s School for Lady Wrestlers im kalifornischen Encino, als Promoterin, Managerin und Trainerin zu arbeiten. Als sie im Februar 1989 starb, war sie eine Legende in ihrer Disziplin. Wie die Leichtathletinnen, Golferinnen, Radfahrerinnen, Turnerinnen, Boxerinnen, Tänzerinnen und Stuntfrauen, die in diesem Kapitel auftreten, hatte sie ihre Sportart entscheidend geprägt.
Lottie Dod
In der ersten Juliwoche 1887 gewann im All England Lawn Tennis Club in Wimbledon eine Jugendliche mit dem Spitznamen »Little Wonder« mühelos den Titel im Dameneinzel. Charlotte »Lottie« Dod war erst 15, aber sie fegte durch das überschaubare Damenfeld und schlug die amtierende Meisterin Blanche Bingley im Finale ohne Satzverlust und verlor dabei nur zwei Spiele.
Das kam nicht ganz unerwartet; Lottie Dod hatte, seit sie 14 war, schon überall in Großbritannien und Irland Titel im Tennis geholt. Aber als jüngste Wimbledonsiegerin aller Zeiten stellte sie einen Rekord auf, der bis heute hält. Außerdem startete sie eine spektakuläre Laufbahn als Allround-Sportlerin. In den folgenden 20 Jahren holte sie nicht nur viermal den Titel in Wimbledon, sie siegte 1904 in der Amateur-Golfmeisterschaft der Damen, spielte in der englischen Damenhockey-Nationalmannschaft, bestieg einige der höchste Alpengipfel, versuchte sich im Eiskunstlauf und als Rodlerin im Cresta Run, fuhr Radrennen in Norditalien und gewann die Silbermedaille im Bogenschießen bei den Olympischen Spielen 1908.
Dod, hier mit Anfang 20 abgebildet, kam aus einer vermögenden und gebildeten Familie, die viele talentierte Sportler hervorbrachte. Ihr Bruder William war ebenfalls olympischer Bogenschütze, andere Geschwister glänzten im Billard und Schach. Ihren Erfolg im Tennis führte sie auf mangelnden Schwung der Konkurrentinnen zurück; sie sagte, die meisten Frauen seien »im Tennis zu faul«. Allerdings waren Dods Entschlossenheit und Vielseitigkeit auch fast übermenschlich. In der Sportgeschichte betrieb nur Babe Zaharias (siehe S. 37) jemals auf so hohem Niveau und so lange so viele verschiedene Sportarten.
Am Abschlag
Die Amateurmeisterschaft der Damen im Golf fand 1908, vier Jahre, nachdem Lottie Dod sie gewonnen hatte, auf dem berühmtesten Golfplatz der Welt statt: dem Old Course im schottischen St. Andrew’s. Diese Fotografie, am ersten Abschlag aufgenommen, zeigt eine große Zuschauermenge, die Dorothy Campbell (25) beim ersten Schlag zuschaut.
Golf hatte damals bereits eine lange Geschichte. Die erste belegte Nachricht von Partien mit weiblichen Spielern stammt aus dem 18. Jahrhundert, auch wenn Frauen wahrscheinlich schon seit dem Mittelalter auf dem Grün unterwegs waren. Die Damen-Championship wurde allerdings erst 1893 begründet. Als diese Fotografie aufgenommen wurde, war sie also noch etwas vergleichsweise Neues.
Campbell war allerdings schon auf dem Weg zum Star in der Golfwelt. Sie hatte bereits als Kleinkind begonnen und 1905 den ersten Titel im schottischen Damengolf auf ihrem Heimatplatz in Berwick gewonnen. 1908 wurde sie in St. Andrew’s Zweite (der Sieg ging an Maud Titterton), aber im folgenden Jahr gewann sie den Wettbewerb, ebenso 1911. Campbell siegte auch in Spitzenturnieren in den USA und in Kanada; ihren letzten großen Titel holte sie 1924 mit 41 Jahren. Mehrere ihrer schönsten Turniersiege schrieb sie ihrem Glücksschläger mit dem Spitznamen »Thomas« zu.
Trotz der blendenden Erfolge von Spielerinnen wie Campbell akzeptierte die Golfwelt den Damengolf lange Zeit nur zögernd. Das Foto zeigt im Hintergrund das berühmte Royal & Ancient Clubhouse. Frauen dürfen es erst seit 2014 betreten, seit der Club auch weibliche Mitglieder aufnimmt.
»Tillie fährt Thistle«
Wie im Golf und im Tennis gab es auch im Radfahren um die Wende zum 20. Jahrhundert herausragende weibliche Champions. Fahrräder wurden in der viktorianischen Epoche ungemein beliebt. Organisierte Straßenrennen gab es seit den 1860er-Jahren. In den 1890ern errichteten Rennveranstalter in den USA schnelle, steil nach innen geneigte Rundstrecken, auf denen die Fahrer bei sechstägigen Rennen mit über 40 Stundenkilometern dahinjagten. Eine der berühmtesten und erfolgreichsten Radrennfahrerinnen in dieser schönen neuen Sportwelt war die links abgebildete Frau: Tillie Anderson.
Anderson wurde 1875 in Schweden geboren und zog 1891 nach Chicago, wo sie als Näherin arbeitete. 1895 nahm sie an ihrem ersten Radrennen teil und gewann es in Rekordzeit. Später reiste sie von Stadt zu Stadt und gewann über 100 Rennen und Tausende Dollar Preisgeld, bevor sie sich 1902 vom Radrennsport zurückzog. Anderson fuhr meist wie auf dem Bild ein Rad der Marke Thistle. Ein Zeitungsreporter, der sie bei einem Rennen auf einem Fahrrad wie diesem hier beobachtete, schrieb, Anderson »raste um die Kurven wie ein Meteor, der von der Leine gelassen wurde«.
Für viele Frauen in dieser Epoche waren Fahrräder und Radfahren ein Sinnbild der Freiheit und Emanzipation. In den Jahren 1894/95, als Tillie Anderson ihre Rennen gewann, fuhr Annie Cohen Kopchovsky alias Annie Londonderry als erste Frau mit dem Fahrrad um die Welt. Die Bürgerrechtlerin Susan B. Anthony sagte, Fahrräder hätten »mehr für die Emanzipation der Frau getan als sonst etwas auf der Welt«.
Neue Olympiateilnehmerinnen
Die Olympischen Spiele der Neuzeit fanden zum ersten Mal 1896 in Athen statt. Damals traten noch keine Frauen an. Bei den Spielen von Paris 1900 gab es jedoch Damenwettbewerbe im Segeln, Reiten, Golf, Tennis und Croquet. Bei den folgenden Spielen wurden einige weitere Damenwettbewerbe hinzugefügt, unter anderem Bogenschießen und Eiskunstlauf. Bei den Spielen von Stockholm 1912, den letzten vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, konnten Frauen beim Schwimmen und Tauchen antreten; Disziplinen wie Leichtathletik, Rudern, Schießen und Radfahren waren aber noch den Männern vorbehalten.
Einen Zwischenbereich stellte das Turnen dar. Diese Fotografie wurde im Olympiastadion von Stockholm am 8. Juli 1912 aufgenommen und zeigt die Turnvorführung einer norwegischen Damenmannschaft. Im offiziellen Bericht der Spiele hieß es zwar, ihr Programm sei »im Ganzen schön« gewesen, aber für die 22 Turnerinnen der Mannschaft gab es keine Medaillen zu gewinnen. Sie traten mit anderen Mannschaften aus Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland und Ungarn nur im Rahmen eines Unterhaltungsprogramms auf.
Bei den ersten neuzeitlichen Olympischen Spielen trat jeweils nur eine Handvoll Frauen bei vollgültigen Wettbewerben an. In Stockholm kämpften 1912 fast 2500 Sportler aus 28 Nationen um Medaillen, gerade mal 48 davon waren Frauen. Erst 1928 wurde Turnen auch für Frauen olympisch, im selben Jahr wie Leichtathletik.
»Das Maskottchen«
Frauen war es im frühen 20. Jahrhundert durchaus möglich, an sportlichen Wettkämpfen teilzunehmen, allerdings nicht gleichberechtigt. Eine Sportmannschaft zu besitzen war so gut wie unmöglich. Das änderte sich 1911, als der Besitzer der St. Louis Cardinals starb, einer Mannschaft in der amerikanischen National Baseball League, und seine Aktienmehrheit seiner Nichte Helene Robison Britton hinterließ. Helene Britton war selbst Baseballfan und entschloss sich, die Cardinals persönlich zu leiten, trotz der negativen Pressekommentare, in denen es hieß, eine Ehefrau und Mutter habe an der Spitze einer Herrenmannschaft nichts zu suchen.
Die Probleme, denen Britton (hier auf einer Fotografie vom Dezember 1911) sich gegenübersah, waren dieselben, die auch jeder Besitzer einer heutigen Profimannschaft kennt: schwankendes Spielglück, unzufriedene Spieler und Forderungen nach Ausbau des Heimstadions der Cardinals, Robison Park. Für Britton kam noch tiefverwurzelter Sexismus dazu. Sie entließ den Manager der Cardinals, Roger Bresnahan, nachdem er sie beschied, dass »keine Frau mir sagt, wie man ein Spiel leitet«. Auch ihren Ehemann Schuyler Britton entließ sie als Präsidenten des Vereins, als das Paar sich 1917 in Unfrieden scheiden ließ.
Britton, von Fans »das Maskottchen« genannt, kontrollierte die Cardinals sieben Jahre lang. Während dieser Zeit widerstand sie dem Druck anderer Mannschaftsbesitzer, ihre Anteile zu verkaufen, und versuchte mehr Frauen für Baseball zu interessieren. Manchmal ließ sie weibliche Fans ohne Eintrittsgeld ins Robison-Park-Stadion. 1918 verkaufte sie schließlich doch, zu ihren eigenen Bedingungen und für viel Geld, 350 000 Dollar, bereute allerdings diese Entscheidung später wieder. Heute gibt es kaum mehr weibliche Mannschaftsbesitzer als zu ihrer Zeit.
Annie Newton
Bei den Olympischen Spielen 1904 wurde Damenboxen als Demonstrationssportart vorgeführt. Zwar hatte keine Boxerin Anfang des 20. Jahrhunderts einen Prominentenstatus wie der erste offizielle Weltmeister im Schwergewicht, Jack Dempsey, aber der Boxring war ein Ort, an dem Frauen Anerkennung und Geld gewinnen konnten, falls sie zäh und geschickt genug waren.
Annie Newton, hier in einer Aufnahme aus der Mitte der 1920er-Jahre, als sie etwa 30 Jahre alt war, war auf jeden Fall zäh und geschickt. Sie stammte aus dem Norden Londons. Boxen lernte sie von ihrem Onkel, »Professor« Andrew Newton, einem der besten britischen Boxtrainer. Annie war in der Londoner Music-Hall-Szene als Mitglied der Newton Midgets bekannt, der Schaukampftruppe Andrew Newtons. Sie trat außerdem bei Zurschaustellungen auf, bei denen sie für je drei Runden gegen Männer antrat und dabei ihre Schlagkraft und Gewandtheit demonstrierte.
1926 erregte dann der Plan, Annie Newton gegen Madge Baker, eine andere bekannte Londoner Boxerin, antreten zu lassen, genug Aufmerksamkeit, um moralische Entrüstung in der Öffentlichkeit auszulösen, angeführt von prüden Sozialreformern und der Boulevardpresse. Der Daily Express forderte ein gesetzliches Verbot des Damenboxens. Der britische Innenminister lehnte das zwar ab, bestätigte aber, dass der geplante Kampf Newton gegen Baker »empörend« sei. Das Match wurde abgesagt, sehr zu Annie Newtons Ärger. Nicht jede Frau sei zum Boxen befähigt, sagte sie. »Manche Männer aber auch nicht.«
Königin der Wellen
Die 1920er-Jahre waren ein goldenes Zeitalter für das Damenschwimmen, angeführt von amerikanischen Schwimmerinnen wie Gertrude Ederle, hier 1926 beim Training. Die Aufnahme entstand, als Ederle bereits Weltrekordlerin und mehrfache Olympiasiegerin war; sie hatte 1924 bei den Spielen von Paris eine Gold- und zwei Bronzemedaillen gewonnen. Danach hatte sie ein noch höheres Ziel ins Auge gefasst: als erste Frau den Ärmelkanal zu durchschwimmen.
Nach einem fehlgeschlagenen Versuch 1925 startete Ederle am 6. August 1926 erneut von der französischen Seite aus, begleitet von einem Schleppdampfer mit dem Trainer und einem Boot mit amerikanischen Journalisten, die für die Exklusivberichterstattung bezahlt hatten. Die Presse gab ihr den Spitznamen »Königin der Wellen«. Sie kraulte (damals ein neuartiger Stil, den es noch nicht lange gab) und trug eine mit Paraffin abgedichtete Motorradbrille, um das Salzwasser aus den Augen zu halten.
Nur etwas über vierzehneinhalb Stunden später ging Gertrude Ederle in Kent an Land. Sie hatte nicht nur als erste Frau den Ärmelkanal durchschwommen, sondern auch die bisher schnellste Überquerung überhaupt geschafft und den bisherigen Rekord um fast zwei Stunden verbessert, obwohl sich die Wetterverhältnisse unterwegs verschlechtert hatten. Sie war gerade 20 Jahre alt.
Bei der Rückkehr in die USA wurde die schlagartig berühmte Schwimmerin mit einer Konfettiparade begeistert gefeiert und von US-Präsident Calvin Coolidge empfangen. Sie spielte eine Cameorolle in einem Film über ihre Durchquerung des Ärmelkanals und wurde 1965 in die Internationale Ruhmeshalle des Schwimmsports aufgenommen.
Kinue Hitomi
Japan beendete 1867 eine lange Periode historischer Abgeschlossenheit gegen die Außenwelt unter dem Shogunat der Tokugawa. Teilnahme an internationalen Sportveranstaltungen wie den Olympischen Spielen gehörte zur Wiedereingliederung in den globalen Wettstreit der Nationen, und eine der erfolgreichsten frühen Olympiateilnehmerinnen für Japan war Kinue Hitomi. Das Foto stammt aus der Mitte der 1920er-Jahre, als sie um die 18 Jahre alt war.
Hitomi stellte als Läuferin und Leichtathletin japanische und internationale Rekorde im Weitsprung, Dreisprung und Kugelstoßen sowie über 100, 200 und 400 Meter auf. Nachdem sie bei mehreren internationalen Wettbewerben, darunter den Frauenweltspielen von 1926, angetreten war, wurde sie in die japanische Mannschaft für die Olympischen Spiele 1928 in Amsterdam aufgenommen, bei denen zum ersten Mal Damenlaufwettbewerbe zum Programm gehörten. Sie war die erste Frau überhaupt, die für Japan bei Olympischen Spielen antrat.
Hitomi gewann nicht die erwarteten Medaillen; im 100-Meter-Lauf schied sie im Halbfinale aus und war auch nicht im Hochsprung und Diskuswerfen erfolgreich. Dafür holte sie unerwartet Silber über 800 Meter, eine Strecke, die sie nie zuvor gelaufen war. Zwei Jahre später trat sie bei den Frauenweltspielen in Prag an und holte diesmal Medaillen im Weitsprung, Speerwurf und 60-Meter-Sprint.
Trotz ihrer Erfolge, die viele junge Japanerinnen für die Leichtathletik begeisterten, musste Hitomi sich Anfeindungen der Presse wegen ihres Aussehens und Gewichts gefallen lassen. Kritiker meinten, ihr athletischer Körperbau sei zu westlich für eine Japanerin. 1931 erlag sie, mit erst 24 Jahren, einer Lungenentzündung.
Der Vera-Menchik-Club
Die erste Schach-Weltmeisterschaft der Damen wurde im Sommer 1927 in London abgehalten. Ihr Star war Vera Menchik, eine 21-jährige Tschechin, die damals in Hastings (Kent) lebte. Geboren war sie in Moskau. Menchik spielte 1927 erst seit vier Jahren Schach, aber sie war ein Naturtalent und wurde eine der stärksten Spielerinnen ihrer Generation.
Auf dieser Fotografie, aufgenommen 1937 in Hastings bei einem gemischten Weihnachtsturnier, spielt Vera Menchik gegen Sir George Thomas, der in diesem Turnier zwei Jahre zuvor einen der beiden ersten Plätze belegt hatte und später britischer Schachmeister wurde. Vera Menchik war besonders gut darin, Gegner auflaufen zu lassen, die ihre Begabung in Zweifel zogen. Als sie 1929 bei einem gemischten Turnier antrat, meinte ein teilnehmender Meister, dass jeder Meister, der gegen sie verliere, sich als Mitglied des »Vera-Menchik-Clubs« bezeichnen solle. Er verlor gegen sie und wurde so selbst zum ersten Mitglied des »Clubs«.
Nachdem sie ihren Titel als Weltmeisterin im Damenschach gewonnen hatte, verteidigte sie ihn fünfmal und spielte dabei weit über dem Niveau aller ihrer Konkurrentinnen. Sie blieb 17 Jahre lang ununterbrochen Weltmeisterin, ein Rekord, der bis heute hält. Sie war immer noch Weltmeisterin, als ihr Haus in Südlondon 1944 von einer deutschen V1-Flugbombe getroffen wurde, wobei sie selbst, ihre Mutter und ihre Schwester ums Leben kamen. Die Siegestrophäe für die beste Damenmannschaft in der internationalen Schacholympiade heißt zu ihrem Andenken Vera-Menchik-Pokal.
Fechterin für Hitler
Die deutsche Florettfechterin Helene Mayer war 1936 eine der begabtesten Sportlerinnen der Welt und befand sich in einer schrecklichen moralischen Zwangslage. Als Tochter eines jüdischen Vaters und einer christlichen Mutter galt sie unter dem NS-Regime als Halbjüdin. Das hieß, ihre Bürgerrechte waren eingeschränkt und ihr Leben war in Gefahr. Sie wurde als Quotenjüdin in die deutsche Olympiamannschaft 1936 aufgenommen, um von der bereits im Gang befindlichen Judenverfolgung abzulenken und US-Boykottdrohungen der Spiele zu unterlaufen. Vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten war Helene Mayer eine der berühmtesten Sportlerinnen Deutschlands gewesen; jetzt durften die Zeitungen nicht mehr über sie berichten.
Mayer focht hervorragend, wie auch schon acht Jahre zuvor in Amsterdam, als sie Gold gewonnen hatte, wurde aber im Finale geschlagen und gewann Silber. Als sie den zweiten Platz auf dem Treppchen einnahm, entbot sie wie vorgeschrieben den Hitlergruß, was sie für den Rest ihres Lebens verfolgen sollte.
Dieses Bild wurde 1936 von der US-amerikanischen Fotopionierin Imogen Cunningham aufgenommen. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, ließ sich Helene Mayer in den USA nieder. 1953, kurz bevor sie mit 42 Jahren starb, kehrte sie nach Deutschland zurück, sprach aber nie öffentlich über ihre Erlebnisse bei den Spielen von Berlin, über deren Moralität heute noch Historiker streiten.
Tanzen bis zum Umfallen
Der US-Schriftsteller Horace McCoy veröffentlichte 1935, während der Weltwirtschaftskrise, den düsteren existentialistischen Roman They Shoot Horses, Don’t They?, verfilmt 1969 von Sydney Pollack unter dem Titel Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss. Er spielt zum großen Teil bei einem strapaziösen Tanzmarathon in Kalifornien. Solche Veranstaltungen waren damals ein vertrautes Bild, wie dieses Foto zeigt, aufgenommen 1931 in Chicago.
Dauertanzturniere wurden gewöhnlich als offene Wettbewerbe organisiert. Die teilnehmenden Paare hofften auf einen der Geldpreise. Zahlende Zuschauer sahen sich an, wie die Teilnehmer stundenlang tanzten, unterbrochen lediglich von kurzen Pausen, und oft am Veranstaltungsort auch schliefen. Sie verbrachten Hunderte Stunden auf dem Tanzboden über mehrere Wochen hinweg, bis nur noch ein Paar auf den Füßen stand.
Die hier abgebildeten Tänzer sind Marie Micholowsky und ihr Bruder Frank. Marie ist anscheinend infolge der Strapazen des Wettbewerbs zusammengebrochen; allerdings ist die Aufnahme möglicherweise gestellt, weil direkt neben ihr eine Reklametafel für einen Fotohändler in der Chicagoer Innenstadt zu sehen ist, der Bilder des Wettbewerbs anbot. Neben den Geldpreisen (und den kostenlosen Mahlzeiten für die Teilnehmer während des Wettbewerbs) war ein weiterer Anreiz für die Teilnehmerpaare die Aussicht auf Ruhm und Ansehen, wenn sie sich gut hielten.
Der Preis dafür war allerdings oft hoch. In McCoys Roman verlieren mehrere Teilnehmer den Verstand. Das war keine Fiktion. Bei solchen Marathons kam es immer wieder zu Zusammenbrüchen, manche Teilnehmer starben sogar auf dem Tanzboden. Kein Wunder, dass religiöse Gruppierungen, Sozialreformer und Stadtverwaltungen diese Veranstaltungen bekämpften.
»Babe« Didrikson Zaharias
Die gebürtige Texanerin Mildred Ella Didrikson war etwa 20 Jahre alt, als dieses Foto entstand. Sie hatte sich bereits ihren Spitznamen verdient, angeblich wegen ihrer Leistungen beim Baseball als Kind. Ihre Freundinnen hatte sie mit dem legendären Baseballspieler Babe Ruth verglichen. Jetzt stand sie auf der Höhe ihrer Laufbahn als Sportlerin. Sie war bei einer Versicherungsgesellschaft namens Employers Casualty Company angestellt und spielte für deren Amateur-Basketballmannschaft, die Golden Cyclones.
»Babe« war eine gute Baseballspielerin, aber eine phänomenale Leichtathletin. Als Vertreterin ihrer Firmenmannschaft (in deren Trikot sie hier abgebildet ist) nahm sie 1932 an den Amateur Athletics Union Championships teil und gewann den Teamwettbewerb, obwohl das Team einzig aus ihr selbst bestand. Nachdem sie sich für die Olympischen Spiele 1932 qualifiziert hatte, gewann sie Gold im Speerwerfen und im Hürdenlauf und Silber im Hochsprung und stellte vier Weltrekorde auf. Hätte sie sich für mehr Wettbewerbe anmelden können, hätte sie wohl noch mehr Medaillen geholt.
Nach den Olympischen Spielen verlegte sie sich aufs Golfspiel. Sie lernte es von der Pike auf, übte zehn Stunden täglich, bis ihr die Hände bluteten, und begann eine glänzende Laufbahn, die ihr schließlich 17 Major-Championship-Titel, Dutzende Amateurturniersiege und einen Ehemann einbrachte, den Ringer George Zaharias, der 1938 ihr Partner bei einem Turnier war. Sie war eine der besten Golferinnen aller Zeiten und gewann sogar noch Turniere, als sie schon an Krebs erkrankt war, an dem sie später starb. Als Jugendliche wollte sie »die größte Leichtathletin aller Zeiten« werden. Sie hat es fast geschafft.
»Die Fliegende Hausfrau«
Der Zweite Weltkrieg erzwang eine zwölfjährige Unterbrechung der Olympischen Spiele, aber als die Sportveranstaltungen allmählich wieder ihren regelmäßigen Rhythmus fanden und 1948 in London die Spiele abgehalten wurden, war die niederländische Leichtathletin Fanny Blankers-Koen ihr Star. Sie trat in vier der neun Damenwettbewerbe an (mehr waren nach den Regeln nicht erlaubt) und holte jeweils Gold im 100- und im 200-Meter-Lauf, in der 4x-100-Meter-Staffel und über 80 Meter Hürden. Das Bild zeigt sie als Führende in letzterem Rennen; sie gewann es knapp mit einem Fotofinish.
Einer der Spitznamen, die Fanny Blankers-Koen 1948 bekam, war »die Fliegende Hausfrau«, eine Anspielung darauf, dass sie bereits 30 Jahre alt und mit dem niederländischen Trainer Jan Blankers verheiratet war, mit dem sie zwei Kinder hatte (sie war während der Spiele mit dem dritten schwanger). Das war damals ungewöhnlich, und sie hatte deshalb bereits Briefe erhalten, in denen ihr vorgeworfen wurde, dass sie bei Wettbewerben antrat, anstatt sich zuhause um die Kinder zu kümmern; aber sie bewies eindrücklich, dass Ehe und Mutterschaft der sportlichen Leistungskraft keinen Abbruch taten. Am Ende der Spiele soll sie ebenso bekannt gewesen sein wie King Georg VI.
Neben ihren olympischen Siegen gewann Fanny Blankers-Koen mehrere Goldmedaillen bei den Leichtathletik-Europameisterschaften 1946 und 1950 und hielt fast acht Jahre lang gleichzeitig den Damenweltrekord über 80 Meter Hürden und 100 Meter, im Hochsprung und im Weitsprung. 1999 wurde sie vom Internationalen Leichtathletikverband IAAF zur größten Leichtathletin des 20. Jahrhunderts gewählt.
Althea Gibson
Die 23-jährige US-amerikanische Tennisspielerin Althea Gibson stellte sich 1951 bei einem Turnier in Beckenham im englischen Kent für diese Aufnahme dem Fotografen. Das Foto erschien in der Zeitschrift Picture Post als Illustration zu dem Artikel »Das etwas andere Gibson-Girl«. Gibson Girl