DIE TERRANAUTEN, Band 71: DER JAHRMILLIONEN-FLUCH - Erno Fischer - E-Book

DIE TERRANAUTEN, Band 71: DER JAHRMILLIONEN-FLUCH E-Book

Erno Fischer

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Beschreibung

Zwei Raumschiffe trieben dicht beieinander durch die Unendlichkeit des Weltraums. Das eine Schiff war ein Ringo-Raumer, ein Schiff der terranischen Zivilisation. Das andere Schiff war ein wabernder Schemen, dessen Konturen sich ständig zu verändern schienen. Es gehörte dem Genessaner Cantos, einem Exoterrestrier, der einigen Vertretern der terranischen Rasse einen Besuch abstattete... DIE TERRANAUTEN – konzipiert von Thomas R. P. Mielke und Rolf W. Liersch und verfasst von einem Team aus Spitzen-Autoren – erschien in den Jahren von 1979 bis 81 mit 99 Heften und von 1981 bis 87 mit 18 Taschenbüchern im Bastei Verlag. Der Apex-Verlag veröffentlicht die legendäre Science-Fiction-Serie erstmals und exklusiv als E-Books.

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ERNO FISCHER

 

 

DIE TERRANAUTEN, Band 71:

DER JAHRMILLIONEN-FLUCH

 

 

 

Science-Fiction-Roman

 

 

 

 

 

 

Apex-Verlag

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 

 

DER JAHRMILLIONEN-FLUCH von Erno Fischer 

ERSTER TEIL 

ZWEITER TEIL 

DRITTER TEIL 

 

Das Buch

 

Zwei Raumschiffe trieben dicht beieinander durch die Unendlichkeit des Weltraums. Das eine Schiff war ein Ringo-Raumer, ein Schiff der terranischen Zivilisation. Das andere Schiff war ein wabernder Schemen, dessen Konturen sich ständig zu verändern schienen. Es gehörte dem Genessaner Cantos, einem Exoterrestrier, der einigen Vertretern der terranischen Rasse einen Besuch abstattete...

 

DIE TERRANAUTEN – konzipiert von Thomas R. P. Mielke und Rolf W. Liersch und verfasst von einem Team aus Spitzen-Autoren – erschien in den Jahren von 1979 bis 81 mit 99 Heften und von 1981 bis 87 mit 18 Taschenbüchern im Bastei Verlag. 

Der Apex-Verlag veröffentlicht die legendäre Science-Fiction-Serie erstmals und exklusiv als E-Books.

  DER JAHRMILLIONEN-FLUCH

von Erno Fischer

 

 

 

 

 

 

 

  ERSTER TEIL

 

 

Zwei Raumschiffe trieben dicht beieinander durch die Unendlichkeit des Weltraums. Das eine Schiff war ein Ringo-Raumer, ein Schiff der terranischen Zivilisation. Das andere Schiff war ein wabernder Schemen, dessen Konturen sich ständig zu verändern schienen. Es gehörte dem Genessaner Cantos, einem Exoterrestrier, der einigen Vertretern der terranischen Rasse einen Besuch abstattete. 

Cantos befand sich an Bord des Ringo-Raumers, wo er mit einer kleinen Delegation der Terranauten unter Führung David terGordens konferierte. Das Treffen fand etwa einen Lichtmonat von der Sonne Norvo entfernt statt, auf deren Planeten Sarym die Terranauten eine neue Basis errichteten. Näher hatte Cantos sich nicht an Sarym herangewagt, denn er scheute die anti-psionische Strahlung Norvos. 

Die Stimmung in der Zentrale des Ringos, wo sich David terGorden, Asen-Ger, Llewellyn 709 und Cantos an einem runden Projektionstisch gegenübersaßen, war gedrückt. Seit der Evakuierung Rorquals hatten die Terranauten den Außerirdischen nicht mehr zu Gesicht bekommen. Jetzt brachte er ihnen die neuesten Nachrichten über die Auswirkungen der Kaiserkraft und die Reaktion der anderen galaktischen Völker auf die jüngste Entwicklung im Sternenreich der Menschheit. Es sah nicht gut aus. 

»Einen kleinen Lichtblick gibt es wenigstens«, meinte Cantos zum Schluss seines Vortrages in seiner wie immer erstaunlich menschenähnlichen Art. »Auch wenn die Folgen der Kaiserkraft bereits galaktische Ausmaße erreicht haben, hat man bei den Entitäten die Einschränkung der Kaiserkraft-Raumfahrt durch das Konzil zur Kenntnis genommen. Dazu kommen die eben beschriebenen Ereignisse um den Asteroiden Oxyd, durch die den galaktischen Super-Zivilisationen die Fähigkeit einzelner Menschenwesen zu ethischem Handeln nachdrücklich bewiesen wurde. Aber all das nützt der Menschheit auf die Dauer nichts, wenn die Kaiserkraft-Raumfahrt doch weitergeht. In den letzten Wochen haben sich die Kaiserkraft-Flüge wieder vermehrt.« 

Asen-Ger schüttelte verzweifelt den Kopf. »Das Konzil braucht die Kaiserschiffe, um den Frachtverkehr aufrecht erhalten zu können. Es gibt noch nicht wieder genug Misteln. Auf Terra begreift niemand die wirkliche Größe der Kaiserkraft-Gefahr.« 

»Deshalb bin ich unterwegs«, verkündete Cantos. »Ich glaube, eine Möglichkeit gefunden zu haben, auch den hartnäckigsten Vertreter des Konzils von der kosmischen Gefahr hinter der Kaiserkraft überzeugen zu können. Ich habe sogar den ausdrücklichen Auftrag einiger Entitäten, dies zu tun. Man räumt der Menschheit damit eine weitere Frist und Chance ein. Aber ich weiß nicht, wen es zu überzeugen gilt. Nach allem, was ich von euch gerade über die Lage auf der Erde erfahren habe, sind die politischen Machtverhältnisse dort zurzeit mehr als verworren. Vor einem Jahr hätte ich versuchen können, diesen Valdec zu überzeugen, aber heute …« 

Einen Augenblick lang wurde es still. Der Gedanke, einen der Mächtigen der Erde zum Kaiserkraft-Gegner zu machen, war faszinierend. »Es wird nicht klappen«, brummte Llewellyn 709 schließlich. »Egal, was du dort an Material präsentierst, Cantos, man wird dir nicht glauben, weil du ein Nichtmensch bist, ein potentieller Feind.« 

»Ich habe nicht vor, irgendjemanden auf der Erde mit Material über Kaiserkraft-Folgen zu versorgen«, erklärte Cantos ruhig. »Ich habe einen Forschungsauftrag. Und bei diesem Auftrag kann ich eine Person mitnehmen, die all das erleben wird, was ich auch erlebe. Diese Person wird aus ihren Erlebnissen ihre eigenen Schlüsse ziehen müssen. Es muss eine ausgesprochen widerstandsfähige und intelligente Person sein, sonst hat sie keine Chance, meine Expedition zu überleben. Und sie muss auf der Erde genug Einfluss besitzen, um die Erfahrungen der Expedition in politisches Handeln umsetzen zu können.« 

»Für gefährliche Expeditionen wird Cantos unter den Manags niemanden gewinnen können«, meinte Asen-Ger. »Die trauen sich nicht mehr aus ihren Konzernzentralen heraus.« 

David terGorden hatte bisher geschwiegen. Der junge Terranautenführer sah erschöpft aus. Seine Erlebnisse beim Kampf um die erkrankten Stummen Treiber hatten tiefe Furchen unter den Augen eingegraben. Doch jetzt lächelte der blonde Treiber plötzlich. »Es gibt eine ideale Person, Cantos«, sagte er mit seinem vertrauten, alten Grinsen eines übermütigen Jungen. »Der ideale Partner für eine solche Expedition, Grüner. Dein Problem wird lediglich sein, wie du an die betreffende Person herankommst und wie du sichergehst, dass sie dir nicht bei der ersten besten Gelegenheit unterwegs den Hals herumdreht.« 

»Da habe ich schon meine Mittel«, versprach Cantos. »Wen schlägst du vor.« 

»Chan de Nouille!« 

 

*

 

Helena Koraitschowa rekelte sich auf dem kreisrunden Bett und warf mit einer lässig anmutenden Geste ein Kissen genau in das weit geöffnete Maul des Krokodils im warmen Tümpel. Erwartungsgemäß schnappte das gefräßige Tier zu. Das Daunenkissen – ein Luxus, den sich nur wenige leisten konnten – zerplatzte. Die Daunen schwebten wie Schneeflocken umher. 

Das Krokodil erwachte vollends aus seiner Lethargie und tauchte ins Wasser. Pfeilschnell zerpflügte es die bisher stille Oberfläche, erreichte das gegenüberliegende Ufer und schnellte auf das Trockene – bis wenige Zentimeter vor die ausgestreckte Hand Helenas. 

Sie lachte und streckte ihre Hand weiter vor – in das Maul des gereizten Krokodils. 

Hinter der Koraitschowa entstand ein Geräusch, das nicht in die Szene passte. Das nervöse Tier reagierte auf seine Weise darauf: Das große, mit messerscharfen Zähnen bewehrte Maul klappte mit einem trockenen Knall zu. 

Es dauerte nur winzige Sekundenbruchteile, doch diese genügten Helena vollkommen, ihre Hand rechtzeitig in Sicherheit zu bringen! 

Wütend hieb sie die geballten Fäuste auf den Schuppenschädel des Krokodils, bis ihr klar wurde, dass sie dem Tier damit keinen Schaden zufügen konnte. Geschmeidig glitt sie vom Bett, das genau neben dem sumpfig riechenden Tümpel stand. 

»Mit dir beschäftige ich mich noch!«, schwor sie mit bebender Stimme. Für das Tier stellte diese Drohung nicht viel dar, aber für einen Menschen hätte sie tödlich geklungen. 

Helena Koraitschowa war Chan de Nouille, die »Große Graue«, die Eigentümerin der Grauen Garden. Sie stammte direkt von der Grauen Arda, der Gründerin der mächtigsten und effektivsten Armee und Polizeitruppe in der gesamten Menschheitsgeschichte, ab. Auf Shondyke, dem wichtigsten Planeten der Grauen Garden, war Chan de Nouille aus einer tiefgefrorenen Eizelle der Grauen Arda durch künstliche Befruchtung mit der Samenzelle eines besonders befähigten Gardisten gezeugt worden. Das Kind wurde während seiner Jugend durch spezielle Trainingsprogramme, die von der Grauen Arda selbst entwickelt wurden, auf seine Aufgabe vorbereitet. 

Erst sehr viel später wurde Chan, wie ihre Vorgängerinnen auch, die Gestaltung ihres Lebens selbst überlassen. Da entschied sie sich, in der Tarnexistenz der Helena Koraitschowa das Leben auf der Erde zu genießen und für das Konzil der Konzerne nur in elektronischen Masken als Chan de Nouille aufzutreten. 

Sie warf das hüftlange, brandrote Haar zurück und wandte sich dem Störenfried zu. 

Ein Mann stand in der Tür, aufrecht, stolz, wie der kampferprobte Recke aus dem Bilderbuch. 

Er hatte es gewagt, mit seinem Eintreten das Spiel mit dem Krokodil zu stören. 

Chan de Nouille trat vom Tümpel zurück und stieß ein Zischen aus. Gleichzeitig errichtete der Computer eine stabile Trennwand zwischen Tümpel und Schlafzimmer. 

Mit scheinbar glühenden Augen und wiegenden Hüften ging Chan de Nouille auf den Mann zu. 

Der verschränkte die Arme vor der mächtigen Brust, dass die Muskelstränge von Bizeps und Trizeps dick wie Stahlseile hervortraten, und blickte der ungewöhnlichen Frau entgegen. Es war ihm nicht anzusehen, was er dachte. 

Er sieht verdammt gut aus, dachte sie, und das weiß er auch. Ich sollte ihn zur Truppe zurückschicken. Er ist ein fähiger Hauptmann der Garden, auch wenn er nur ein Grauer Treiber ist, ohne die übliche Gehirnoperation, die aus Menschen seelenlose Kampfmaschinen macht. Er ist nicht seelenlos und mir dennoch sklavisch ergeben. Nicht durch eine Operation wurde das bewerkstelligt, sondern durch seine unvernünftige Zuneigung zu meiner Person. Obwohl ich mich erst seit Tagen mit ihm abgebe. 

Ihre Wut verrauchte, noch ehe sie ihn erreicht hatte. Kaum stand sie vor ihm, als seine Hände an ihre Schultern flogen und sie festhielten wie in einem Schraubstock. Dann bewies der Mann, dass er doch zu Gefühlsregungen fähig war. 

»Warum hast du das getan, Helena?«, blitzte er sie an. »Ich dachte, dein Arm …« 

Mit einer blitzschnellen Bewegung entzog sie sich seinem eisernen Griff.

»Du machst dich lächerlich, Gerna! Außerdem hast du das Spiel gestört. Ich war gerade dabei, dem Krokodil meinen Willen aufzuzwingen.« 

»Einem ausgewachsenen Krokodil?« 

»Warum nicht? Wenn ich es selbst bei dir schaffe.« 

»Das ist etwas anderes!« 

»Ich sehe dich an und erblicke einen wilden Barbaren, der nichts mit seiner Intelligenz anzufangen weiß, als sie im Kampf zu vergeuden. Hier kannst du dich nützlich machen – bei mir. Das hat dich erst bis zu einem gewissen Grad zufrieden gemacht. Dabei hättest du die Kraft, mich das Fürchten zu lehren.« 

»Die hat niemand!«, murmelte er. »Würde ich dich zu bekämpfen versuchen, wäre es der Kampf zwischen einem Bären und einem geschmeidigen Tiger. Wer würde wohl gewinnen?« 

Sie lachte hell. »Aber du hast deine Treiberkräfte, während ich eine normale Frau bin.« 

»Du weißt ganz genau, dass meine Treiberkräfte nicht ausgeprägt genug sind. Mein Potential reicht gerade aus, innerhalb einer Loge zu arbeiten. Allein auf mich gestellt kann ich meine sensiblen Sinne nicht für den Kampf einsetzen. Sie ergänzen nur meine Instinkte für Gefahren und …« 

Er brach ab. Seine Augen weiteten sich.

Helena Koraitschowa runzelte die Stirn. Sie sah, dass mit ihrem jüngsten Liebhaber etwas passierte, was man nicht erklären konnte, doch sie selbst spürte nichts. Deshalb maß sie dem in den ersten Sekunden wenig Bedeutung zu. 

»Ich habe dich gerufen, Gerna, und du bist gekommen – als ein treuer Diener. Nur das bringt mich dazu, dir zu verzeihen. Sonst würdest du …« 

Sie unterbrach sich, denn Gerna schlug die Hände vor das Gesicht. Auf seiner Stirn erschienen dicke Schweißtropfen. Stöhnend ging er in die Knie. 

»Was ist mit dir?«, fragte Chan de Nouille, doch als die Worte ausgesprochen waren, kamen sie ihr banal vor. 

Sie fasste in den Haarschopf des Mannes und zog seinen Kopf mit brutaler Gewalt in den Nacken, bis sie sein Gesicht sehen konnte. Seine Hände glitten herunter. 

Das Gesicht war eine Maske des Entsetzens. Gerna wehrte sich gegen eine furchtbare Macht, die seinen Geist niederzwingen wollte. 

Chan de Nouille wusste, was das für eine Macht war: PSI! Sie dachte sofort an einen Angriff der Terranauten, jener Rebellengruppe, die alles tat, um die Macht des Konzils und vor allem die Macht der Grauen Garden zu untergraben. Im Moment sah es zwar so aus, als hätten sich Terranauten und Konzilsmacht arrangiert, doch niemand wusste besser als Chan de Nouille, dass dieser Waffenstillstand auf die Dauer keine Zukunft haben konnte. 

Chan de Nouille hatte ihre eigenen Pläne mit der Menschheit, und es sah im Moment so aus, als würden die Terranauten davon ahnen und wollten sie jetzt über Gerna, ihren neuen Liebhaber, ausschalten. 

Sie wollte einen Befehl bellen, um den Computer dazu zu bringen, Gerna zu töten, denn die Wände steckten voll mit schussbereiten Waffen. Sie ging kein Risiko ein. Aber dann wunderte sie sich, dass der Computer nicht schon längst eingegriffen hatte. 

War es der Treiberloge gelungen, sogar den Computer zu beeinflussen?«

Es wäre nicht das erste Mal gewesen, dass eine Loge so vorging. Chan de Nouille unterließ ihren Befehl und sprang von Gerna zurück. Sie wandte sich halb herum und hechtete zum kreisrunden Bett. Noch im Sprung streckte sie die Rechte vor. Ihre Hand berührte bei der Landung den Griff des versteckten Strahlers. Sie rollte herum, während ihr Daumen sich auf den Auslöser senkte. 

Doch da war Gerna schon über ihr und schlug ihr die Waffe aus der Hand. Seine Augen waren glasig. Er war nicht mehr Herr seiner Sinne, sonst hätte er niemals offen seine Herrin angegriffen. 

Ehe Chan de Nouille sich versah, hatte er sie auf den Bauch gedreht. Eiserne Fäuste drehten ihr die Arme auf den Rücken. Sie konnte sich nicht wehren. Also wartete sie auf eine Chance, die unweigerlich kommen würde, falls er versuchen sollte, sie abzutransportieren. 

Was hatte er überhaupt vor? Sie zu töten? 

Es waren ihre letzten Gedanken, denn sein Kopf stieß vor wie der Schnabel eines gierigen Raubvogels. Seine stahlharte Stirn kollidierte mit ihrem Hinterkopf. 

Die Hände konnte er nicht mehr gebrauchen, weil er damit Chan de Nouille bezwingen musste. Deshalb schaltete er sie mit einem Kopfstoß aus. 

Ein lautes Krachen. Jede normale Frau wäre auf der Stelle tot gewesen, aber Chan de Nouille war keine normale Frau. Sie verlor lediglich das Bewusstsein. 

Irgendwann würde sie wieder erwachen. 

Gerna ließ von ihr ab und blickte sekundenlang auf sie nieder. Sein mächtiger Brustkorb hob und senkte sich unter tiefen Atemzügen. Er war noch immer nicht Herr seiner Sinne. Jemand oder etwas zwang ihn, Helena Koraitschowa alias Chan de Nouille auf die Arme zu nehmen und aus dem Raum zu tragen. Überall öffneten sich bereitwillig die Türen. Keine Menschenseele war zu sehen. 

 

*

 

Hauptmann Gerna erreichte mit seiner ungewöhnlichen Last das Dach des Gebäudes. Es war seltsam still, als hätte eine überirdische Macht den Winden Einhalt geboten und die gesamte Umgebung mit einem undurchdringlichen Schutzmantel versehen. 

Hauptmann Gerna wusste von alledem nichts. Er stellte sich mitten auf das Dach und hob seine ›Göttin‹ empor. 

Er wusste nicht, dass Helena Koraitschowa die Große Graue war, ja, er ahnte es nicht einmal. Er war nur froh, dass seine überraschende Versetzung auf die Erde ihn der geliebten Frau nähergebracht hatte. 

Gedanken, die jetzt tief in seinem Unterbewusstsein schlummerten – verdrängt von etwas, was wesentlich stärker war, was jedes Gefühl überwand. 

Von etwas, das keine menschliche Herkunft hatte!

Gerna war stark genug, um den schlaffen Körper von Chan de Nouille über den Kopf stemmen zu können. Die langen, brandroten Haare der schönen Frau wehten auseinander, als würde ihr Körper unter Wasser schweben. 

Gerna ließ seine Arme sinken. 

Chan de Nouille schwebte tatsächlich! Erst hatte es den Anschein, als würde eine unsichtbare Kraft sie abtreiben, über die Kante des Daches hinaus. Doch dann begann sie zu steigen. Höher und höher flog der Körper von Chan de Nouille, ständig beschleunigend, um dann von einem Augenblick zum anderen zu verschwinden, als habe sie sich in Luft aufgelöst. 

Gleichzeitig wurde die Umgebung wieder normal. Auch Gerna erwachte aus seinem Trancezustand. 

Verständnislos blickte er sich um. Was suchte er hier oben auf dem Dachlandeplatz für Gleiter?