Die Tore nach Thulien - Jörg Kohlmeyer - kostenlos E-Book

Die Tore nach Thulien E-Book

Jörg Kohlmeyer

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Beschreibung

Der Herzog von Leuenburg, dem nördlichsten Herzogtum im Reich der Herrin, plant eine Expedition ins Wilderland, einem unwirtlichen und ursprünglichen Landstrich in den äußeren Peripherien der bekannten Welt. Tristan, ein junger Leutnant der Stadtwache, wird mit den Vorbereitungen und der Durchführung beauftragt. Pflichtbewusst und voller Tatendrang macht er sich an die Arbeit, doch schon bald werden seine Bemühungen das Ziel von Sabotageakten. Unheimliche Fremde, ganz in Schwarz gekleidet, tauchen in Leuenburg auf, und als dann auch noch ein Mord in »Sieben Schänken« geschieht, spitzt sich die Lage dramatisch zu. Wer könnte ein Interesse daran haben, dass die Reise in den Norden gar nicht erst beginnt? Und welche Rolle spielen der hünenhafte Söldner und die katzengleiche Schattenkriegerin in dem tödlichen Katz-und-Maus-Spiel, das gerade seinen Anfang nimmt? Tristan jedenfalls wähnt sein Schicksal fest in den Händen der Herrin, doch was die alten Götter der Altvorderen mit ihm vorhaben, muss sich erst noch zeigen. DUNKLE GASSEN ist die erste Erzählung der "Tore nach Thulien", mit der wir euch in die phantastische, glaubwürdige und erwachsene Welt von Thulien entführen möchten. In den drei Buchreihen Wilderland, Leuenburg und Schlachtgesänge geben wir euch die Möglichkeit, aktiv an der Entstehung der Geschichten und dem Ausbau der Welt teilzuhaben. Wir schreiben Geschichten … und ihr könnt mitmachen! Wie genau das funktioniert, und noch weit mehr, erfahrt ihr auf unserer Website (www.Tore-nach-Thulien.de). Der Auftakt zu einem neuen Fantasy-Epos. Null Papier Verlag

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Jörg Kohlmeyer

Die Tore nach Thulien

1. Episode – Dunkle Gassen

Jörg Kohlmeyer

Die Tore nach Thulien

1. Episode – Dunkle Gassen

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] Coverhintergrund und Logogestaltung: Diana Rahfoth 4. Auflage, ISBN 978-3-954184-16-3

www.null-papier.de/tnt

null-papier.de/angebote

Inhaltsverzeichnis

Zum Buch

Pro­log

Schmie­de und Söld­ner

Kat­ze oder Maus

An­dacht

Tanz der Dol­che

Mord in Sie­ben Schän­ken

Fal­sches Spiel

Schlaf der Schat­ten

Er­mitt­lun­gen

Ein Blick zu­rück

Schat­ten­krie­ger

Be­rich­te und Plä­ne

Lau­ern­der Skor­pi­on

Über­fall bei Nacht

Feu­er und Flam­me

Söld­ner, Eule, Leut­nant

Skor­pi­on

Aus­blick

Die Tore nach Thu­li­en

1. Epi­so­de – Dunkle Gas­sen

2. Epi­so­de – Däm­me­rung

3. Epi­so­de – Fer­ner Don­ner

4. Epi­so­de – Grüf­te und Ka­ta­kom­ben

5. Epi­so­de – Eine alte Macht

6. Epi­so­de - Der ge­hei­me Rat

7. Epi­so­de – Ver­ges­se­ne Wel­ten

8. Epi­so­de – Trä­nen der Her­rin

Hal­tet die Furt! – Ein Ro­man in der Welt von Thu­li­en

Zum Buch

Dan­ke, dass du mit dem Kauf die­ses ebooks das In­die-Li­te­ra­tur-Pro­jekt »Tore nach Thu­li­en« un­ter­stützt! Das ist aber erst der An­fang. Lass Dich von uns zu mehr ver­füh­ren...

Was sind die »Tore nach Thu­li­en«?

Die »Tore nach Thu­li­en« sind Dein Weg in die phan­tas­ti­sche, glaub­wür­di­ge und er­wach­se­ne Fan­ta­sy-Welt von Thu­li­en. Sie wer­den Dir die Mög­lich­keit ge­ben, mit uns ge­mein­sam an den großen Ge­schich­ten zu ar­bei­ten und der Welt mehr und mehr Le­ben ein­zu­hau­chen.

Un­ter www.Tore-nach-Thu­li­en.de kannst du uns be­su­chen und Nä­he­res er­fah­ren. Wir freu­en uns auf Dich!

Wie kannst du uns heu­te schon hel­fen?

Nimm ein­fach an den re­gel­mä­ßi­gen Ab­stim­mun­gen teil!

Per Mehr­heits­ent­scheid ma­chen wir am Ende der Ab­stim­mun­gen dann den nächs­ten Schritt auf un­se­rem ge­mein­sa­men Weg durch Thu­li­en. Wir wür­den uns freu­en, wenn du uns be­glei­test!

Au­tor

Jörg Kohl­mey­er, ge­bo­ren in Augs­burg, stu­dier­te Elek­tro­tech­nik und ar­bei­tet heu­te als Dipl.-Ing. in der Ener­gie­wirt­schaft. Schon als Kind hat­te er Spaß am Schrei­ben und sei­ne ers­te Aben­teu­er­ge­schich­te mit dem klang­vol­len Na­men »Die drei ma­gi­schen Stern­zei­chen« passt noch heu­te be­quem in eine Ho­sen­ta­sche.

Der fas­zi­nie­ren­de Ge­dan­ke mit Bü­cher in­ter­a­gie­ren zu kön­nen ließ ihn seit sei­nem ers­ten Kon­takt mit den Aben­teu­er Spiel­bü­chern nicht mehr los und gip­fel­te im De­zem­ber 2012 in sei­nem ers­ten Li­te­ra­tur-In­die-Pro­jekt »Die Tore nach Thu­li­en«. Im­mer dann wenn ne­ben der Fa­mi­lie noch et­was Zeit bleibt und er nicht ge­ra­de da­mit be­schäf­tigt ist, sei­nen äl­tes­ten Sohn in pha­na­ta­sie­vol­le Wel­ten zu ent­füh­ren ar­bei­tet er be­stän­dig am Aus­bau der Welt »Thu­li­en«.

www.Tore-nach-Thu­li­en.de

*

Prolog

Schwar­zer Rauch stand über der Burg. In di­cken Schwa­den zog er über die Mau­ern, hüll­te sie ein und ver­wehr­te An­grei­fern und Ver­tei­di­gern glei­cher­ma­ßen die Sicht. Es brann­te be­reits an meh­re­ren Stel­len und die Schreie und Rufe der Ein­ge­schlos­se­nen misch­ten sich un­ter den Kampf­lärm, der weit­hin durch das Tal zu hö­ren war. Hier und da hat­ten die An­grei­fer mit ih­ren Be­la­ge­rungs­ma­schi­nen Lö­cher in die stei­ner­nen Brust­weh­ren ge­schla­gen und man­che der Zin­nen ab­ge­bro­chen. Der zer­stör­te Ramm­bock vor dem Tor brann­te, und lang­sam griff das Feu­er auf das schwe­re Ei­chen­holz der mas­si­ven Tor­flü­gel über.

Al­ler­lei Aus­rüs­tung und Waf­fen la­gen ver­streut im na­hen Um­kreis der Burg. Der Bo­den un­ter­halb der Mau­ern war mit To­ten und Ver­letz­ten über­sät. Sie jam­mer­ten und schri­en, und bet­tel­ten ver­ge­bens um Hil­fe. Kei­ner konn­te sich den Elen­den im Schat­ten der Fes­tung an­neh­men. Der Tod lau­er­te über­all. Er war all­ge­gen­wär­tig, und nie­mand woll­te den ei­ge­nen nur der Men­sch­lich­keit we­gen in Kauf neh­men. Zu­min­dest nicht so lan­ge es hell war. Die Feld­sche­re ka­men erst im Schutz der Dun­kel­heit nach vor­ne, die meis­ten aber hat­ten es dann be­reits hin­ter sich.

Es war ein nur all­zu be­kann­tes Bild, das sich Be­reng­hor bot. Die Ver­tei­di­gung, das wuss­te der Hüne, wür­de bald zu­sam­men­bre­chen. Die An­grei­fer konn­ten ihre Ver­lus­te er­set­zen und im­mer wie­der Nach­schub her­an­schaf­fen, die Ver­tei­di­ger hin­ge­gen muss­ten mit dem aus­kom­men, was sie hat­ten, und das war nicht viel.

Er und sein Söld­ner­hau­fen wa­ren eben erst am Ort des Ge­sche­hens ein­ge­trof­fen. Sie alle wa­ren Bi­hand­kämp­fer aus dem Her­zen des Rei­ches, und, seit die­ser klei­ne, un­säg­li­che Krieg durch die nörd­li­chen Pe­ri­phe­ri­en des Her­zog­tums tob­te, wie­der über­all und nir­gend­wo zu­hau­se.

Der Graf von Holl­weg hat­te sie an­ge­heu­ert. Blau­es Blut stritt ger­ne, und meis­tens ging es da­bei um Land und Be­sitz­tü­mer. So auch dies­mal. Die Burg sei­nes Nach­barn schi­en dem Gra­fen schon lan­ge ein Dorn im Auge zu sein. Wie in die­sen Krei­sen üb­lich, wur­de die nächst­bes­te Kri­se des­halb scham­los aus­ge­nutzt und der Dorn ein­fach her­aus­ge­ris­sen. Grün­de wa­ren im­mer schnell ge­fun­den und manch­mal auch gar nicht not­wen­dig. La­gen die Klin­gen erst­mal of­fen auf dem Tisch, wur­den sie so gut wie nie zu­rück in die Schei­de ge­scho­ben. Es war so ein­fach, so blu­tig.

Be­reng­hor in­ter­es­sier­te das al­les herz­lich we­nig. Er war Söld­ner, und da ge­hör­te es zum Ge­schäft, die Po­li­tik nicht in Fra­ge zu stel­len. Of­fi­zi­ell gab es für ihn kei­ne falsche Po­li­tik. So­lan­ge je­des Sys­tem den ver­ein­bar­ten Sold pünkt­lich und in vol­ler Höhe be­zahl­te, war al­les, was die ho­hen Her­ren ta­ten, rich­tig. Si­cher­lich hat­te auch er im­mer sei­ne Mei­nung zu den Din­gen, doch so­lan­ge er mit den Ent­schei­dun­gen ei­ni­ger­ma­ßen le­ben konn­te, gab es für ihn kei­ne Pro­ble­me. Selbst die Auf­trag­ge­ber, ob zwei­fel­haft oder auf­rich­tig, wa­ren ihm meis­tens egal. Är­ger­lich zwar, dass im­mer die schmie­ri­gen und zwie­lich­ti­gen Ty­pen am bes­ten zahl­ten, aber das lag nun mal in der Na­tur der Sa­che. Über weit­rei­chen­de po­li­ti­sche oder ge­sell­schaft­li­che Fol­gen mach­te er sich kei­ne Ge­dan­ken. Für ihn wa­ren Die da oben so­wie­so al­le­samt Ver­bre­cher ers­ter Güte. Und nach­dem er dar­an nichts än­dern konn­te, spiel­te er mit und nahm sich sei­nen Teil.

In­zwi­schen wa­ren sie der Burg sehr nahe. Der kom­man­die­ren­de Haupt­mann ih­res Auf­trag­ge­bers brach­te sie in die vor­ders­te Li­nie und wies sie ein. In we­ni­gen Wor­ten sprach er vom Plan der nächs­ten Tage, um­riss kurz die Si­tua­ti­on und skiz­zier­te so gut es ging ein Bild der Lage. Die Söld­ner hör­ten auf­merk­sam zu. Wenn auch die Schlacht ihr täg­li­ches Brot war, und sie si­cher­lich grob und un­ge­ho­belt da­her­ka­men, wa­ren sie al­les an­de­re als le­bens­mü­de. Eine falsche Ein­schät­zung der Lage konn­te einen si­cher ge­glaub­ten Sieg schnell zu­nich­te ma­chen, und wenn das ge­sch­ah, wur­de es im­mer brenz­lig. Be­reng­hor wuss­te das, und umso mehr sah er sich die Um­ge­bung auf­merk­sam an. Er be­ob­ach­te­te, wog ab und leg­te sich sei­nen ei­ge­nen klei­nen Schlacht­plan zu­recht. Ob sein Wai­bel am Ende der glei­chen Mei­nung war, wür­de sich bald zei­gen.

Die Burg lag in ei­nem großen, lang ge­zo­ge­nen Tal. Die Si­chel, ein Ne­ben­arm der Leue, mä­an­der­te in vie­len klei­nen Schlei­fen durch die Soh­le und ver­schwand am Ho­ri­zont hin­ter ei­nem Berg­vor­sprung. Meh­re­re hun­dert Fuß hohe Hü­gel säum­ten das Tal zu bei­den Sei­ten, und auf ei­ner klei­nen Er­he­bung, un­ter­halb der Hü­gel, stand die Burg Krä­hen­flucht.

Ein be­schau­li­cher Ort zum Ster­ben. Be­reng­hor lä­chel­te zy­nisch, als er sei­nen Blick über die ge­gen­über­lie­gen­den Hän­ge schwei­fen ließ und schließ­lich auf der bren­nen­den Burg ver­harr­te. So­fern ih­nen das Wet­ter kei­nen Strich durch die Rech­nung mach­te, wür­de das Ge­mäu­er mor­gen so­weit sein. Die Feu­er, al­len vor­an das am Burg­tor, muss­ten we­nigs­tens bis zum nächs­ten Tag bren­nen, denn dann wür­de die dem Holz ei­ge­ne Sta­bi­li­tät und Zä­hig­keit von den Flam­men auf­ge­zehrt sein. Er sah ab­schät­zend in den Him­mel. Bis­her war es schön und klar ge­blie­ben. Die Son­ne geiz­te nicht mit ih­ren Rei­zen und es sah nicht nach Re­gen aus. Mit ein we­nig Glück wür­den sie sich schon mor­gen Abend wie­der auf den Weg ma­chen kön­nen.

Zu­nächst aber hat­ten sie noch ein gu­tes Stück­chen Ar­beit vor sich. Der Graf hat­te sie schließ­lich nicht um­sonst an­ge­heu­ert. So un­gern die ho­hen Her­ren Söld­ner in Frie­dens­zei­ten an ih­rer Sei­te wuss­ten, so be­gehrt wa­ren die be­zahl­ten Sol­da­ten­hau­fen im Krieg. Vor al­lem bei Be­la­ge­run­gen rief man die schwer ge­pan­zer­ten Bi­hand­kämp­fer ger­ne an die Front. Sie wa­ren teu­er, sie wa­ren frech, al­len vor­an aber wa­ren sie un­glaub­lich gut in dem was sie ta­ten.

Man nann­te sie Wel­len­bre­cher, und kei­ner trat ger­ne ge­gen sie an. Ihre Auf­ga­be be­stand dar­in, sich einen Weg durch die Ver­tei­di­ger zu schnei­den, so­bald das Tor nach­ge­ge­ben hat­te. Kei­ne leich­te Ar­beit, da­für aber sehr gut be­zahlt. Und ge­fähr­lich oben­drein. Die Op­fer un­ter der ers­ten An­griffs­wel­le wa­ren un­ter nor­ma­len Um­stän­den ziem­lich hoch. Nor­ma­le Um­stän­de wa­ren in dem Fall ein­fa­che Sol­da­ten, schlecht aus­ge­bil­det und wan­kel­mü­tig. Nicht zu­letzt des­halb grif­fen im­mer wie­der Ad­li­ge oder jene, die es sich leis­ten konn­ten, auf Söld­ner zu­rück.

Be­reng­hor je­den­falls wuss­te, was von ihm er­war­tet wur­de. Er kann­te die Ge­fah­ren, konn­te sich da­bei aber auf sei­ne Er­fah­rung und die her­vor­ra­gen­de Aus­rüs­tung ver­las­sen. Es war nicht sei­ne ers­te, und ganz si­cher auch nicht sei­ne letz­te Be­la­ge­rung. So­lan­ge Men­schen wie der Graf von Holl­weg das Heft in der Hand hat­ten, wür­de es im­mer Be­darf an Sei­nes­glei­chen ge­ben. Er hat­te da­mit kein Pro­blem. Die­se herr­schaft­li­chen Aas­gei­er sorg­ten im­mer­hin gut für sei­nen Sold­sä­ckel. Dank ih­nen hat­te er stets ein Aus­kom­men, und wer biss schon ger­ne die Hand, die ihn füt­ter­te.

Die Ein­wei­sung war schnell vor­über und der Schlacht­plan für den mor­gi­gen Tag stand rasch. Da­nach zo­gen sich die Söld­ner zu­rück und mach­ten sich dar­an, einen La­ger­platz für die Nacht zu fin­de. Lan­ge muss­ten sie nicht su­chen. Ab­seits des Ge­sche­hens am Saum ei­nes klei­nen Wäld­chens wur­den sie fün­dig. Sie rich­te­ten sich ein und ver­brach­ten den Rest des Ta­ges dort. Sie zo­gen es vor, al­lein zu blei­ben und hiel­ten sich stets in ei­ni­ger Ent­fer­nung vom Tross des Gra­fen auf. Ein Schwein, recht­mä­ßig vom nächst­ge­le­ge­nen Bau­ern­hof kon­fis­ziert, brann­te als­bald über dem Feu­er und das an­schlie­ßen­de Fest­mahl hob die Moral der Män­ner sicht­lich. Ganz wie es das Hand­werk lehr­te, ver­zich­te­ten sie am Vora­bend der Schlacht je­doch auf Al­ko­hol. Sie aßen sich satt, spiel­ten und san­gen, und hiel­ten sich al­les in al­lem deut­lich zu­rück. Die Däm­me­rung in die­sem Teil des Rei­ches kam rasch, und so gin­gen die Män­ner früh zu Bett. Der ge­wal­ti­ge Be­la­ge­rungs­ring um die Burg war der­art dicht, dass so­gar gänz­lich auf Wa­chen ver­zich­tet wur­de. Die Ge­fahr ei­nes Aus­falls war äu­ßerst ge­ring. Und selbst wenn doch, er wür­de sich hoff­nungs­los im tief gestaf­fel­ten Sys­tem der An­grei­fer ver­lie­ren.

Der nächs­te Mor­gen be­gann mit blau­em Him­mel und feucht­war­mer Luft. Stil­le lag über dem Tal. Die Söld­ner wa­ren schon vor Son­nen­auf­gang auf­ge­stan­den und be­rei­te­ten sich auf den be­vor­ste­hen­den An­griff vor. Es wur­de kaum ge­spro­chen. So si­cher, wie die heu­ti­ge Nie­der­la­ge der Ver­tei­di­ger war, so si­cher war auch der Gang des To­des durch die ei­ge­nen Rei­hen. Schon heu­te Abend wür­de die dunkle, feuch­te Erde des Grün­wald­ta­les für so man­chen Ka­me­ra­den zur letz­ten Schlaf­statt wer­den.

Auch Be­reng­hor dach­te kurz über den Tod nach, doch be­reits ein paar Au­gen­blick spä­ter hat­te er wie­der die­sen grim­mi­gen, ent­schlos­se­nen Blick, der je­dem klar mach­te, dass er auch die­ses Mal nicht auf der Lis­te des Schnit­ters ste­hen wür­de.

Lang­sam trat er aus dem Wald her­aus und sah zur Burg. Die Feu­er des gest­ri­gen Ta­ges wa­ren größ­ten­teils er­lo­schen, doch turm­ho­he Rauch­säu­len reck­ten sich noch im­mer weit in den Him­mel. Der große Berg­fried und ei­ni­ge der lä­dier­ten Tür­me sta­chen durch dich­te Ne­bel­schwa­den, die lang­sam von der Si­chel kom­mend, über die Hö­hen zo­gen. Es war schon jetzt schwül und drückend. Das be­vor­ste­hen­de Dra­ma lag un­heil­voll über dem Tal und die Stil­le war wie die Ruhe vor dem großen Sturm.

Er streck­te sich und ging zu­rück zum La­ger. Zeit, das letz­te Rüst­zeug an­zu­le­gen. Kurz dar­auf mach­ten sich alle auf den Weg. Sie si­cker­ten in klei­nen Grüpp­chen aus dem Wald und hiel­ten in lo­ser For­ma­ti­on auf die Burg zu. An­ge­führt von Wolf­hart, ih­rem An­füh­rer, und be­glei­tet von ei­nem Of­fi­zier des Gra­fen, ka­men sie schließ­lich im Kampfraum an. Dort herrsch­te in­zwi­schen hek­ti­sche Be­trieb­sam­keit. Der aus­ge­brann­te Ramm­bock war über Nacht zu­rück­ge­zo­gen wor­den und lag, ei­nem aus­ge­mer­gel­ten Un­tier gleich, im Vor­feld der Fes­te. Der Weg zum Tor war frei und bald wür­den Be­rit­te­ne ver­su­chen, die ver­brann­ten Flü­gel aus den An­geln zu rei­ßen.

Wolf­hart bell­te ein paar Be­feh­le und Be­reng­hor und sei­ne Ka­me­ra­den for­mier­ten sich. An den Flan­ken nah­men re­gu­lä­re Trup­pen des Gra­fen Auf­stel­lung. Sie brach­ten ge­wal­ti­ge, grob zu­sam­men­ge­zim­mer­te Holz­schil­de nach vor­ne und reih­ten sich auf. Ihre Auf­ga­be war es einen Schild­wall zu bil­den, der die Söld­ner so lan­ge wie mög­lich und so gut es ging vor den Bol­zen und Pfei­len der Ver­tei­di­ger schüt­zen soll­te.

Die Söld­ner stan­den zu dritt ne­ben­ein­an­der, in ei­ner Ko­lon­ne aus zwan­zig Rei­hen. Be­reng­hor hat­te sich ganz nach vor­ne in die ers­te Rei­he ge­scho­ben. Er moch­te das Ge­drän­ge in den hin­te­ren Ab­schnit­ten nicht und war ger­ne so­fort am Geg­ner. Den rie­si­gen Zweihän­der ru­hig in den Hän­den hal­tend be­sah er sich durch den schma­len Seh­schlitz im Vi­sier des Helms das Vor­feld. Es war selt­sam ru­hig. Das Ge­schrei von ges­tern war ver­stummt und die To­ten und Ver­wun­de­ten hat­te man weg­ge­schafft.

Dann kam der Be­fehl zum Vor­rücken. Er straff­te sich und plötz­lich mach­te der gan­ze Trupp einen Schritt nach vor­ne. Es schep­per­te me­tal­lisch und die Mas­se setz­te sich in Be­we­gung. Wie ein Mann rück­te sie lang­sam auf die Burg zu. Im nächs­ten Mo­ment presch­ten vier Rei­ter an den Sei­ten vor­bei, und die Bo­gen- und Arm­brust­schüt­zen der An­grei­fer be­gan­nen zu feu­ern. Sie lie­ßen einen re­gel­rech­ten Ha­gel aus Bol­zen und Pfei­len auf die Mau­ern der Burg nie­der­ge­hen und zwan­gen die Ver­tei­di­ger in De­ckung. Nicht ei­nem ge­lang es zu­rück zu schie­ßen, und die Trup­pen des Gra­fen hiel­ten ih­ren Be­schuss per­ma­nent auf­recht.

Im Feu­er­schutz der ei­ge­nen Ka­me­ra­den ka­men die Rei­ter un­ge­scho­ren bis an das ver­kohl­te Tor der Burg. Rasch be­fes­tig­ten sie ei­ser­ne An­ker am Tor und ver­ban­den sie über di­cke Taue mit den Zug­ge­schir­ren der Pfer­de. Von den Ver­tei­di­gern wag­te noch im­mer kei­ner sei­nen Kopf über die Mau­er zu he­ben.

Plötz­lich husch­ten links und rechts der Söld­ner wei­te­re Bo­gen­schüt­zen nach vor­ne. Sie pos­tier­ten sich un­mit­tel­bar hin­ter den Rei­tern und war­te­ten ab. So­bald die Flü­gel aus den An­geln ge­ris­sen wa­ren, wür­den sie das Feu­er auf das In­ne­re der Burg er­öff­nen. Je­den Mo­ment muss­te es so­weit sein.

Die Rei­ter sa­ßen in­zwi­schen wie­der auf ih­ren Pfer­den. Mit ei­nem letz­ten, prü­fen­den Blick auf die An­ker trie­ben sie die kräf­ti­gen Tie­re vor­wärts. Die war­fen ihre Köp­fe nach hin­ten und stemm­ten sich mit al­ler Kraft in die Ge­schir­re. Sie wie­her­ten und schnaub­ten furchter­re­gend.

Als Be­reng­hor auf Höhe der Rei­ter war, ris­kier­te er einen Blick zur Sei­te. Er sah, wie sich die Mus­keln der Pfer­de spann­ten. Dau­men­di­cke Adern tra­ten am Hals der Tie­re her­vor und er konn­te spü­ren, wie die Erde un­ter dem Don­ner der im­mer und im­mer wie­der auf­stamp­fen­den Hufe er­zit­ter­te. Plötz­lich peitsch­te ein Kra­chen durch die Luft.

Die Bol­zen wa­ren ge­bro­chen! Gera­de noch recht­zei­tig warf er den Kopf her­um und sah, wie die rech­te An­gel des To­res nach­gab. Es quietsch­te laut, und einen Au­gen­blick spä­ter kipp­te die gan­ze Kon­struk­ti­on nach vor­ne weg. Die Pfer­de wie­her­ten er­leich­tert auf und presch­ten da­von. Die Res­te des To­res zo­gen sie da­bei ein­fach laut pol­ternd hin­ter sich her.

Un­glaub­li­ches Sie­ges­ge­schrei bran­de­te auf und Be­reng­hor mach­te sich be­reit. Der Zeit­punkt zum Sturm war ge­kom­men. Er spür­te wie die Män­ner von hin­ten zu schie­ben be­gan­nen und gab dem Druck schließ­lich nach. Auf­ge­putscht und er­regt mar­schier­te er los.

Die Schüt­zen vor dem zer­stör­ten Tor er­öff­ne­ten das Feu­er. Da­hin­ter hat­ten sich die letz­ten Ver­tei­di­ger zu ei­nem tief gestaf­fel­ten Knäu­el aus Men­schen, Waf­fen und Rüs­tun­gen zu­sam­men­ge­ballt. Die ers­ten gin­gen noch un­ter dem Be­schuss der An­grei­fer zu Bo­den, dann aber wur­den Schil­de plötz­lich in die Höhe ge­ris­sen und Kom­man­do­ru­fe hall­ten durch die Burg. Die Bo­gen­schüt­zen, durch ih­ren An­fangs­er­folg wohl be­flü­gelt, rück­ten ei­ni­ge Schrit­te nach vor­ne und be­hark­ten un­ent­wegt die Ver­tei­di­ger. Auf ein­mal je­doch teil­te sich die Men­schen­trau­be hin­ter dem ru­ßi­gen Tor­bo­gen. Die Män­ner rück­ten kon­trol­liert zur Sei­te und mach­ten Platz.

Be­reng­hor, der ge­ra­de die Bo­gen­schüt­zen er­reich­te, späh­te nach vor­ne und sah et­was Gro­ßes, Un­för­mi­ges im Bur­g­hof ste­hen. Ei­ne Hy­dra, durch­fuhr es ihn. Er kann­te die­ses Kriegs­ge­rät sehr gut und wuss­te um des­sen ver­hee­ren­de Wir­kung. Auf ei­ner Holz­kon­struk­ti­on, die meis­tens auf Rä­dern be­weg­lich ge­la­gert war, stand ein großer Rah­men, des­sen Qu­er­stre­ben mit vie­len klei­nen, arm­bru­st­ähn­li­chen Vor­rich­tun­gen ver­se­hen wa­ren. Jede die­ser Mi­nia­tur­schleu­dern trug ein pfeil­schnel­les, mes­ser­schar­fes Pro­jek­til auf sei­nem Rücken. Auf kur­ze Ent­fer­nun­gen war die­ses Un­ge­tüm eine sehr ge­fähr­li­che Waf­fe, wenn­gleich sie in den meis­ten Fäl­len, auf­grund der ho­hen La­de­dau­er, nur ein­mal ab­ge­feu­ert wer­den konn­te.

In­stink­tiv woll­te Be­reng­hor ste­hen blei­ben und stemm­te sich nach hin­ten. Wenn’s dumm lief, konn­te ih­nen das Ding ge­fähr­lich wer­den. Auch sei­ne Söld­ner­ka­me­ra­den schie­nen die Ge­fahr be­merkt zu ha­ben. Sie blie­ben ste­hen und der Druck von hin­ten ver­schwand. Die Bo­gen­schüt­zen stör­te die Waf­fe hin­ge­gen über­haupt nicht. Un­be­irrt mach­ten sie wei­ter und feu­er­ten einen Pfeil nach dem an­de­ren auf den in­zwi­schen zwei­ge­teil­ten Schild­wall der Ver­tei­di­ger.

Gera­de als Be­reng­hor einen Warn­ruf aus­sto­ßen woll­te, san­gen plötz­lich meh­re­re Dut­zend Seh­nen. Für den Bruch­teil ei­ner Se­kun­de er­klang ein hel­les Sir­ren, ge­folgt vom dump­fen Ein­schlag un­zäh­li­ger Bol­zen. Er zuck­te un­will­kür­lich zu­sam­men, blieb aber auf­recht ste­hen. Die Schild­trä­ger an den Flan­ken hat­ten die ge­wal­ti­gen Schil­de be­reits schüt­zend ge­ho­ben und kei­ner der Söld­ner wur­de von den Ge­schos­sen der Hy­dra ge­trof­fen. Den Bo­gen­schüt­zen hin­ge­gen er­ging es deut­lich schlech­ter. Nach­dem das Fau­chen der Hy­dra ver­k­lun­gen war, lag mehr als die Hälf­te von ih­nen re­gungs­los am Bo­den. Der Rest hielt einen kur­z­en Mo­ment inne und rann­te dann in kopf­lo­ser Flucht zu­rück. Das ab­rup­te Ende ih­rer Ka­me­ra­den hat­te ih­nen je­den Kamp­fes­wil­len ge­nom­men.

Ju­bel bran­de­te von den Mau­ern her­ab und über die Söld­ner hin­weg. Ein klei­ner Tri­umph im An­ge­sicht der to­ta­len Nie­der­la­ge. Die Ver­tei­di­ger fass­ten neu­en Mut, und grim­mi­ge Ent­schlos­sen­heit setz­te sich in die Ge­sich­ter.

Wolf­hart gab Be­reng­hor ein Zei­chen. Die Hy­dra hat­te ge­brüllt und nun war es an der Zeit ihr den Kopf ab­zu­schla­gen. Mit ei­nem Ni­cken setz­te sich der Hüne aber­mals in Be­we­gung. Die Wir­kung der Hy­dra moch­te auf den ers­ten Blick Furcht ein­flö­ßend ge­we­sen sein, doch sie war nichts ge­gen das, was nun kom­men soll­te. Sech­zig schwer ge­pan­zer­te Kampf­ma­schi­nen mach­ten sich auf den Weg zum Tor, in un­zäh­li­gen Schlach­ten ge­stählt und auf­ein­an­der ein­ge­schwo­ren. Hier, das wuss­te Be­reng­hor, war nie­mand die­ser Wal­ze aus schie­rer Kraft und Ge­walt ge­wach­sen.

*

Nur noch we­ni­ge Me­ter trenn­ten sie von der Burg. Die Ver­tei­di­ger hat­ten ihre Rei­hen in­zwi­schen wie­der ge­schlos­sen, und von der Hy­dra war nichts mehr zu se­hen. Be­reng­hor hob sei­nen ge­wal­ti­gen Zweihän­der und spann­te sich. Wolf­hart, in der Mit­te der Li­nie, riss sein Schwert eben­falls in die Höhe und brüll­te ein lau­tes, tie­fes Kom­man­do. Das war das Zei­chen zum Sturm, und einen Lid­schlag spä­ter ex­plo­dier­te Be­reng­hor förm­lich.

Der Rie­se sprang vor, und rann­te mit ei­ner für sei­ne Sta­tur un­ge­ahn­ten Ge­schwin­dig­keit auf den Schild­wall zu. Den großen Zweihän­der hielt er da­bei wie einen mes­ser­schar­fen Ramm­bock ein­fach quer vor die Brust. In die­sem Mo­ment ver­dräng­te er alle äu­ße­ren Ein­drücke und rich­te­te sei­nen Blick starr ge­ra­de­aus. Ein Teil von ihm zog sich zu­tiefst ver­ängs­tigt in sein In­ners­tes zu­rück und mach­te ei­nem fremd an­mu­ten­dem We­sen Platz. In al­ler Stil­le kam es her­vor, kalt und un­barm­her­zig, wohl wis­send, dass es nur zu ei­nem Zweck er­schaf­fen wur­de: um mit­leid­los und au­to­ma­ti­siert zu tö­ten. Die Ver­tei­di­ger hat­ten nichts mehr zu ver­lie­ren, und Men­schen, die nichts mehr zu ver­lie­ren hat­ten, wa­ren zu au­ßer­ge­wöhn­li­chen Leis­tun­gen im Stan­de. Be­reng­hor muss­te sich also auf die­sel­be emo­tio­na­le Ebe­ne wie sei­ne Fein­de be­ge­ben. Er muss­te die glei­che Ent­schlos­sen­heit und töd­li­che Gleich­gül­tig­keit an den Tag le­gen, wie die ar­men Hun­de hin­ter den di­cken Mau­ern der Burg. Er und sei­ne Ka­me­ra­den kämpf­ten im­mer­hin nur für Geld, den schnö­den Mam­mon, sei­ne Geg­ner hin­ge­gen ums nack­te Über­le­ben.

Im nächs­ten Mo­ment war er her­an. Blitz­schnell dreh­te er sich um sei­ne ei­ge­ne Ach­se und über­trug den Schwung da­bei auf sei­nen großen Zweihän­der. Die Klin­ge saus­te nach oben, voll­führ­te dort eine kom­plet­te Dre­hung und fuhr mit ei­nem lau­ten Sir­ren auf den ers­ten Geg­ner her­ab. Er konn­te spü­ren, wie die Klin­ge na­he­zu mü­he­los den Schild des Ver­tei­di­gers spal­te­te, durch des­sen ei­sen­be­schla­ge­ne Rüs­tung schnitt und tief in mensch­li­ches Fleisch drang. Ein gur­geln­der Laut war al­les, was von dem leb­lo­sen Kör­per zu hö­ren war, als er auf den Bo­den fiel.

Auch die an­de­ren Söld­ner be­fan­den sich zwi­schen­zeit­lich im Kampf. Wolf­hart stieß ei­nem Kerl den Zweihän­der so tief in die Brust, dass die Spit­ze auf der an­de­ren Sei­te wie­der her­aus­kam. Der Mann, le­ben­dig auf­ge­spießt, schrie wie von Sin­nen. Erst als ihm Wolf­hart den Kopf von den Schul­tern trenn­te, ver­stumm­te der schreck­lich schril­le Ton.

Be­reng­hor in­des ging sei­nen nächs­ten Geg­ner an. Ei­nen großen, klo­bi­gen Kerl mit di­cken Ar­men und ei­nem schwe­ren Kriegs­ham­mer in den Hän­den. Kurz tra­fen sich ihre Bli­cke und Be­reng­hor er­kann­te pu­ren Hass in den Au­gen des Man­nes. Die Burg war ver­mut­lich schon über Ge­ne­ra­tio­nen hin­weg das Zu­hau­se sei­ner Fa­mi­lie und Zuf­luchts­ort in schlech­ten Zei­ten ge­we­sen. Nun, da das Ende nah­te, was blieb ihm da noch, au­ßer dem Feind je­des biss­chen Wi­der­stand ent­ge­gen­zu­set­zen, zu dem er noch im Stan­de war?

Be­reng­hor un­ter­drück­te den Im­puls, län­ger dar­über nach­zu­den­ken. Mit ei­ser­nem Wil­len zwang er die auf­kei­men­de Men­sch­lich­keit zu­rück und schwang den Zweihän­der. Stahl traf auf Stahl, und krei­schend glitt die Schnei­de am Stiel des Ham­mers ab. Im Au­gen­win­kel sah Be­reng­hor, wie sich ein zwei­ter Geg­ner nä­her­te. Er war klei­ner, schmäch­ti­ger und hat­te Angst. Be­reng­hor konn­te sei­ne Angst förm­lich rie­chen. Nur zag­haft und äu­ßerst vor­sich­tig nä­her­te er sich den bei­den Kon­tra­hen­ten, un­ent­schlos­sen, wann für ihn der rich­ti­ge Zeit­punkt zum Ein­grei­fen ge­kom­men war.

Be­reng­hor ent­schied sich für den Ham­mer­trä­ger. Mit ein paar ge­konn­ten Schlä­gen dräng­te er ihn zu­rück, und kur­ze Zeit spä­ter spür­te der den kal­ten Stein der Mau­er im Rücken. Be­reng­hor aber hör­te nicht auf. Jetzt hat­te er sei­nen Geg­ner da, wo er ihn ha­ben woll­te. Mit ei­nem wohl plat­zier­ten Hieb schnitt er ihm tief in den Ober­schen­kel und setz­te ihn au­ßer Ge­fecht. Stöh­nend ging er in die Knie und Be­reng­hor wir­bel­te her­um. Er wuss­te nicht warum, doch re­gis­trier­te er ver­wun­dert, dass er den Ham­mer­trä­ger nicht ge­tö­tet hat­te. Vi­el­leicht hat­te das kur­ze Zö­gern vor­hin, die­ser selt­sa­me Hauch von Men­sch­lich­keit mit­ten im Ge­fecht, schon aus­ge­reicht.

Der Klei­ne, mit ei­nem kur­z­en Schwert be­waff­net, sah mit großen Au­gen auf sei­nen Ka­me­ra­den. Ent­set­zen spie­gel­te sich dar­in wie­der und lang­sam wich er, Schritt für Schritt, zu­rück. Be­reng­hor hoff­te in­stän­dig, dass er sich aus dem Staub ma­chen wür­de. Die­ser Wicht war kein Geg­ner für ihn. Er hat­te kein In­ter­es­se dar­an, ihn zu tö­ten. Er hob den ge­wal­ti­gen Zweihän­der und trat mit ei­nem Grun­zen auf den Klei­nen zu. Das war end­gül­tig zu viel für ihn. Ohne sich noch ein­mal um­zu­dre­hen mach­te er kehrt, und ver­schwand im Kampf­ge­tüm­mel.

Be­reng­hor nut­ze den Mo­ment und ori­en­tier­te sich. Die ge­schlos­se­nen Rei­hen der Ver­tei­di­ger am Tor wa­ren auf­ge­bro­chen. Sie foch­ten wo sie stan­den, ohne Zu­sam­men­hang und er­kenn­ba­re Stra­te­gie. Über­all ran­gen die Söld­ner mit ih­nen, und mitt­ler­wei­le misch­ten sich auch re­gu­lä­re Trup­pen des Gra­fen in den Kampf mit ein. Die Wel­len­bre­cher hat­ten ihre Ar­beit ge­tan. Sie hat­ten die Tür für jene, die nach ih­nen ka­men, auf­ge­sto­ßen und für den nö­ti­gen Frei­raum ge­sorgt. Der Hof war über­sät mit To­ten, und von Mi­nu­te zu Mi­nu­te wur­den es mehr. Hier und da er­kann­te Be­reng­hor auch einen Ka­me­ra­den zwi­schen all den ge­sichts­lo­sen To­ten.

»Be­reng­hor!«, hall­te plötz­lich eine Stim­me über den Kampf­lärm hin­weg. Der Hüne er­kann­te Wolf­hart, der ihn wild ges­ti­ku­lie­rend zu sich wink­te.