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Der Herzog von Leuenburg, dem nördlichsten Herzogtum im Reich der Herrin, plant eine Expedition ins Wilderland, einem unwirtlichen und ursprünglichen Landstrich in den äußeren Peripherien der bekannten Welt. Tristan, ein junger Leutnant der Stadtwache, wird mit den Vorbereitungen und der Durchführung beauftragt. Pflichtbewusst und voller Tatendrang macht er sich an die Arbeit, doch schon bald werden seine Bemühungen das Ziel von Sabotageakten. Unheimliche Fremde, ganz in Schwarz gekleidet, tauchen in Leuenburg auf, und als dann auch noch ein Mord in »Sieben Schänken« geschieht, spitzt sich die Lage dramatisch zu. Wer könnte ein Interesse daran haben, dass die Reise in den Norden gar nicht erst beginnt? Und welche Rolle spielen der hünenhafte Söldner und die katzengleiche Schattenkriegerin in dem tödlichen Katz-und-Maus-Spiel, das gerade seinen Anfang nimmt? Tristan jedenfalls wähnt sein Schicksal fest in den Händen der Herrin, doch was die alten Götter der Altvorderen mit ihm vorhaben, muss sich erst noch zeigen. DUNKLE GASSEN ist die erste Erzählung der "Tore nach Thulien", mit der wir euch in die phantastische, glaubwürdige und erwachsene Welt von Thulien entführen möchten. In den drei Buchreihen Wilderland, Leuenburg und Schlachtgesänge geben wir euch die Möglichkeit, aktiv an der Entstehung der Geschichten und dem Ausbau der Welt teilzuhaben. Wir schreiben Geschichten … und ihr könnt mitmachen! Wie genau das funktioniert, und noch weit mehr, erfahrt ihr auf unserer Website (www.Tore-nach-Thulien.de). Der Auftakt zu einem neuen Fantasy-Epos. Null Papier Verlag
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Seitenzahl: 189
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Jörg Kohlmeyer
Die Tore nach Thulien
1. Episode – Dunkle Gassen
Jörg Kohlmeyer
Die Tore nach Thulien
1. Episode – Dunkle Gassen
Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] Coverhintergrund und Logogestaltung: Diana Rahfoth 4. Auflage, ISBN 978-3-954184-16-3
www.null-papier.de/tnt
null-papier.de/angebote
Inhaltsverzeichnis
Zum Buch
Prolog
Schmiede und Söldner
Katze oder Maus
Andacht
Tanz der Dolche
Mord in Sieben Schänken
Falsches Spiel
Schlaf der Schatten
Ermittlungen
Ein Blick zurück
Schattenkrieger
Berichte und Pläne
Lauernder Skorpion
Überfall bei Nacht
Feuer und Flamme
Söldner, Eule, Leutnant
Skorpion
Ausblick
1. Episode – Dunkle Gassen
2. Episode – Dämmerung
3. Episode – Ferner Donner
4. Episode – Grüfte und Katakomben
5. Episode – Eine alte Macht
6. Episode - Der geheime Rat
7. Episode – Vergessene Welten
8. Episode – Tränen der Herrin
Haltet die Furt! – Ein Roman in der Welt von Thulien
Danke, dass du mit dem Kauf dieses ebooks das Indie-Literatur-Projekt »Tore nach Thulien« unterstützt! Das ist aber erst der Anfang. Lass Dich von uns zu mehr verführen...
Was sind die »Tore nach Thulien«?
Die »Tore nach Thulien« sind Dein Weg in die phantastische, glaubwürdige und erwachsene Fantasy-Welt von Thulien. Sie werden Dir die Möglichkeit geben, mit uns gemeinsam an den großen Geschichten zu arbeiten und der Welt mehr und mehr Leben einzuhauchen.
Unter www.Tore-nach-Thulien.de kannst du uns besuchen und Näheres erfahren. Wir freuen uns auf Dich!
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Autor
Jörg Kohlmeyer, geboren in Augsburg, studierte Elektrotechnik und arbeitet heute als Dipl.-Ing. in der Energiewirtschaft. Schon als Kind hatte er Spaß am Schreiben und seine erste Abenteuergeschichte mit dem klangvollen Namen »Die drei magischen Sternzeichen« passt noch heute bequem in eine Hosentasche.
Der faszinierende Gedanke mit Bücher interagieren zu können ließ ihn seit seinem ersten Kontakt mit den Abenteuer Spielbüchern nicht mehr los und gipfelte im Dezember 2012 in seinem ersten Literatur-Indie-Projekt »Die Tore nach Thulien«. Immer dann wenn neben der Familie noch etwas Zeit bleibt und er nicht gerade damit beschäftigt ist, seinen ältesten Sohn in phanatasievolle Welten zu entführen arbeitet er beständig am Ausbau der Welt »Thulien«.
www.Tore-nach-Thulien.de
*
Schwarzer Rauch stand über der Burg. In dicken Schwaden zog er über die Mauern, hüllte sie ein und verwehrte Angreifern und Verteidigern gleichermaßen die Sicht. Es brannte bereits an mehreren Stellen und die Schreie und Rufe der Eingeschlossenen mischten sich unter den Kampflärm, der weithin durch das Tal zu hören war. Hier und da hatten die Angreifer mit ihren Belagerungsmaschinen Löcher in die steinernen Brustwehren geschlagen und manche der Zinnen abgebrochen. Der zerstörte Rammbock vor dem Tor brannte, und langsam griff das Feuer auf das schwere Eichenholz der massiven Torflügel über.
Allerlei Ausrüstung und Waffen lagen verstreut im nahen Umkreis der Burg. Der Boden unterhalb der Mauern war mit Toten und Verletzten übersät. Sie jammerten und schrien, und bettelten vergebens um Hilfe. Keiner konnte sich den Elenden im Schatten der Festung annehmen. Der Tod lauerte überall. Er war allgegenwärtig, und niemand wollte den eigenen nur der Menschlichkeit wegen in Kauf nehmen. Zumindest nicht so lange es hell war. Die Feldschere kamen erst im Schutz der Dunkelheit nach vorne, die meisten aber hatten es dann bereits hinter sich.
Es war ein nur allzu bekanntes Bild, das sich Berenghor bot. Die Verteidigung, das wusste der Hüne, würde bald zusammenbrechen. Die Angreifer konnten ihre Verluste ersetzen und immer wieder Nachschub heranschaffen, die Verteidiger hingegen mussten mit dem auskommen, was sie hatten, und das war nicht viel.
Er und sein Söldnerhaufen waren eben erst am Ort des Geschehens eingetroffen. Sie alle waren Bihandkämpfer aus dem Herzen des Reiches, und, seit dieser kleine, unsägliche Krieg durch die nördlichen Peripherien des Herzogtums tobte, wieder überall und nirgendwo zuhause.
Der Graf von Hollweg hatte sie angeheuert. Blaues Blut stritt gerne, und meistens ging es dabei um Land und Besitztümer. So auch diesmal. Die Burg seines Nachbarn schien dem Grafen schon lange ein Dorn im Auge zu sein. Wie in diesen Kreisen üblich, wurde die nächstbeste Krise deshalb schamlos ausgenutzt und der Dorn einfach herausgerissen. Gründe waren immer schnell gefunden und manchmal auch gar nicht notwendig. Lagen die Klingen erstmal offen auf dem Tisch, wurden sie so gut wie nie zurück in die Scheide geschoben. Es war so einfach, so blutig.
Berenghor interessierte das alles herzlich wenig. Er war Söldner, und da gehörte es zum Geschäft, die Politik nicht in Frage zu stellen. Offiziell gab es für ihn keine falsche Politik. Solange jedes System den vereinbarten Sold pünktlich und in voller Höhe bezahlte, war alles, was die hohen Herren taten, richtig. Sicherlich hatte auch er immer seine Meinung zu den Dingen, doch solange er mit den Entscheidungen einigermaßen leben konnte, gab es für ihn keine Probleme. Selbst die Auftraggeber, ob zweifelhaft oder aufrichtig, waren ihm meistens egal. Ärgerlich zwar, dass immer die schmierigen und zwielichtigen Typen am besten zahlten, aber das lag nun mal in der Natur der Sache. Über weitreichende politische oder gesellschaftliche Folgen machte er sich keine Gedanken. Für ihn waren Die da oben sowieso allesamt Verbrecher erster Güte. Und nachdem er daran nichts ändern konnte, spielte er mit und nahm sich seinen Teil.
Inzwischen waren sie der Burg sehr nahe. Der kommandierende Hauptmann ihres Auftraggebers brachte sie in die vorderste Linie und wies sie ein. In wenigen Worten sprach er vom Plan der nächsten Tage, umriss kurz die Situation und skizzierte so gut es ging ein Bild der Lage. Die Söldner hörten aufmerksam zu. Wenn auch die Schlacht ihr tägliches Brot war, und sie sicherlich grob und ungehobelt daherkamen, waren sie alles andere als lebensmüde. Eine falsche Einschätzung der Lage konnte einen sicher geglaubten Sieg schnell zunichte machen, und wenn das geschah, wurde es immer brenzlig. Berenghor wusste das, und umso mehr sah er sich die Umgebung aufmerksam an. Er beobachtete, wog ab und legte sich seinen eigenen kleinen Schlachtplan zurecht. Ob sein Waibel am Ende der gleichen Meinung war, würde sich bald zeigen.
Die Burg lag in einem großen, lang gezogenen Tal. Die Sichel, ein Nebenarm der Leue, mäanderte in vielen kleinen Schleifen durch die Sohle und verschwand am Horizont hinter einem Bergvorsprung. Mehrere hundert Fuß hohe Hügel säumten das Tal zu beiden Seiten, und auf einer kleinen Erhebung, unterhalb der Hügel, stand die Burg Krähenflucht.
Ein beschaulicher Ort zum Sterben. Berenghor lächelte zynisch, als er seinen Blick über die gegenüberliegenden Hänge schweifen ließ und schließlich auf der brennenden Burg verharrte. Sofern ihnen das Wetter keinen Strich durch die Rechnung machte, würde das Gemäuer morgen soweit sein. Die Feuer, allen voran das am Burgtor, mussten wenigstens bis zum nächsten Tag brennen, denn dann würde die dem Holz eigene Stabilität und Zähigkeit von den Flammen aufgezehrt sein. Er sah abschätzend in den Himmel. Bisher war es schön und klar geblieben. Die Sonne geizte nicht mit ihren Reizen und es sah nicht nach Regen aus. Mit ein wenig Glück würden sie sich schon morgen Abend wieder auf den Weg machen können.
Zunächst aber hatten sie noch ein gutes Stückchen Arbeit vor sich. Der Graf hatte sie schließlich nicht umsonst angeheuert. So ungern die hohen Herren Söldner in Friedenszeiten an ihrer Seite wussten, so begehrt waren die bezahlten Soldatenhaufen im Krieg. Vor allem bei Belagerungen rief man die schwer gepanzerten Bihandkämpfer gerne an die Front. Sie waren teuer, sie waren frech, allen voran aber waren sie unglaublich gut in dem was sie taten.
Man nannte sie Wellenbrecher, und keiner trat gerne gegen sie an. Ihre Aufgabe bestand darin, sich einen Weg durch die Verteidiger zu schneiden, sobald das Tor nachgegeben hatte. Keine leichte Arbeit, dafür aber sehr gut bezahlt. Und gefährlich obendrein. Die Opfer unter der ersten Angriffswelle waren unter normalen Umständen ziemlich hoch. Normale Umstände waren in dem Fall einfache Soldaten, schlecht ausgebildet und wankelmütig. Nicht zuletzt deshalb griffen immer wieder Adlige oder jene, die es sich leisten konnten, auf Söldner zurück.
Berenghor jedenfalls wusste, was von ihm erwartet wurde. Er kannte die Gefahren, konnte sich dabei aber auf seine Erfahrung und die hervorragende Ausrüstung verlassen. Es war nicht seine erste, und ganz sicher auch nicht seine letzte Belagerung. Solange Menschen wie der Graf von Hollweg das Heft in der Hand hatten, würde es immer Bedarf an Seinesgleichen geben. Er hatte damit kein Problem. Diese herrschaftlichen Aasgeier sorgten immerhin gut für seinen Soldsäckel. Dank ihnen hatte er stets ein Auskommen, und wer biss schon gerne die Hand, die ihn fütterte.
Die Einweisung war schnell vorüber und der Schlachtplan für den morgigen Tag stand rasch. Danach zogen sich die Söldner zurück und machten sich daran, einen Lagerplatz für die Nacht zu finde. Lange mussten sie nicht suchen. Abseits des Geschehens am Saum eines kleinen Wäldchens wurden sie fündig. Sie richteten sich ein und verbrachten den Rest des Tages dort. Sie zogen es vor, allein zu bleiben und hielten sich stets in einiger Entfernung vom Tross des Grafen auf. Ein Schwein, rechtmäßig vom nächstgelegenen Bauernhof konfisziert, brannte alsbald über dem Feuer und das anschließende Festmahl hob die Moral der Männer sichtlich. Ganz wie es das Handwerk lehrte, verzichteten sie am Vorabend der Schlacht jedoch auf Alkohol. Sie aßen sich satt, spielten und sangen, und hielten sich alles in allem deutlich zurück. Die Dämmerung in diesem Teil des Reiches kam rasch, und so gingen die Männer früh zu Bett. Der gewaltige Belagerungsring um die Burg war derart dicht, dass sogar gänzlich auf Wachen verzichtet wurde. Die Gefahr eines Ausfalls war äußerst gering. Und selbst wenn doch, er würde sich hoffnungslos im tief gestaffelten System der Angreifer verlieren.
Der nächste Morgen begann mit blauem Himmel und feuchtwarmer Luft. Stille lag über dem Tal. Die Söldner waren schon vor Sonnenaufgang aufgestanden und bereiteten sich auf den bevorstehenden Angriff vor. Es wurde kaum gesprochen. So sicher, wie die heutige Niederlage der Verteidiger war, so sicher war auch der Gang des Todes durch die eigenen Reihen. Schon heute Abend würde die dunkle, feuchte Erde des Grünwaldtales für so manchen Kameraden zur letzten Schlafstatt werden.
Auch Berenghor dachte kurz über den Tod nach, doch bereits ein paar Augenblick später hatte er wieder diesen grimmigen, entschlossenen Blick, der jedem klar machte, dass er auch dieses Mal nicht auf der Liste des Schnitters stehen würde.
Langsam trat er aus dem Wald heraus und sah zur Burg. Die Feuer des gestrigen Tages waren größtenteils erloschen, doch turmhohe Rauchsäulen reckten sich noch immer weit in den Himmel. Der große Bergfried und einige der lädierten Türme stachen durch dichte Nebelschwaden, die langsam von der Sichel kommend, über die Höhen zogen. Es war schon jetzt schwül und drückend. Das bevorstehende Drama lag unheilvoll über dem Tal und die Stille war wie die Ruhe vor dem großen Sturm.
Er streckte sich und ging zurück zum Lager. Zeit, das letzte Rüstzeug anzulegen. Kurz darauf machten sich alle auf den Weg. Sie sickerten in kleinen Grüppchen aus dem Wald und hielten in loser Formation auf die Burg zu. Angeführt von Wolfhart, ihrem Anführer, und begleitet von einem Offizier des Grafen, kamen sie schließlich im Kampfraum an. Dort herrschte inzwischen hektische Betriebsamkeit. Der ausgebrannte Rammbock war über Nacht zurückgezogen worden und lag, einem ausgemergelten Untier gleich, im Vorfeld der Feste. Der Weg zum Tor war frei und bald würden Berittene versuchen, die verbrannten Flügel aus den Angeln zu reißen.
Wolfhart bellte ein paar Befehle und Berenghor und seine Kameraden formierten sich. An den Flanken nahmen reguläre Truppen des Grafen Aufstellung. Sie brachten gewaltige, grob zusammengezimmerte Holzschilde nach vorne und reihten sich auf. Ihre Aufgabe war es einen Schildwall zu bilden, der die Söldner so lange wie möglich und so gut es ging vor den Bolzen und Pfeilen der Verteidiger schützen sollte.
Die Söldner standen zu dritt nebeneinander, in einer Kolonne aus zwanzig Reihen. Berenghor hatte sich ganz nach vorne in die erste Reihe geschoben. Er mochte das Gedränge in den hinteren Abschnitten nicht und war gerne sofort am Gegner. Den riesigen Zweihänder ruhig in den Händen haltend besah er sich durch den schmalen Sehschlitz im Visier des Helms das Vorfeld. Es war seltsam ruhig. Das Geschrei von gestern war verstummt und die Toten und Verwundeten hatte man weggeschafft.
Dann kam der Befehl zum Vorrücken. Er straffte sich und plötzlich machte der ganze Trupp einen Schritt nach vorne. Es schepperte metallisch und die Masse setzte sich in Bewegung. Wie ein Mann rückte sie langsam auf die Burg zu. Im nächsten Moment preschten vier Reiter an den Seiten vorbei, und die Bogen- und Armbrustschützen der Angreifer begannen zu feuern. Sie ließen einen regelrechten Hagel aus Bolzen und Pfeilen auf die Mauern der Burg niedergehen und zwangen die Verteidiger in Deckung. Nicht einem gelang es zurück zu schießen, und die Truppen des Grafen hielten ihren Beschuss permanent aufrecht.
Im Feuerschutz der eigenen Kameraden kamen die Reiter ungeschoren bis an das verkohlte Tor der Burg. Rasch befestigten sie eiserne Anker am Tor und verbanden sie über dicke Taue mit den Zuggeschirren der Pferde. Von den Verteidigern wagte noch immer keiner seinen Kopf über die Mauer zu heben.
Plötzlich huschten links und rechts der Söldner weitere Bogenschützen nach vorne. Sie postierten sich unmittelbar hinter den Reitern und warteten ab. Sobald die Flügel aus den Angeln gerissen waren, würden sie das Feuer auf das Innere der Burg eröffnen. Jeden Moment musste es soweit sein.
Die Reiter saßen inzwischen wieder auf ihren Pferden. Mit einem letzten, prüfenden Blick auf die Anker trieben sie die kräftigen Tiere vorwärts. Die warfen ihre Köpfe nach hinten und stemmten sich mit aller Kraft in die Geschirre. Sie wieherten und schnaubten furchterregend.
Als Berenghor auf Höhe der Reiter war, riskierte er einen Blick zur Seite. Er sah, wie sich die Muskeln der Pferde spannten. Daumendicke Adern traten am Hals der Tiere hervor und er konnte spüren, wie die Erde unter dem Donner der immer und immer wieder aufstampfenden Hufe erzitterte. Plötzlich peitschte ein Krachen durch die Luft.
Die Bolzen waren gebrochen! Gerade noch rechtzeitig warf er den Kopf herum und sah, wie die rechte Angel des Tores nachgab. Es quietschte laut, und einen Augenblick später kippte die ganze Konstruktion nach vorne weg. Die Pferde wieherten erleichtert auf und preschten davon. Die Reste des Tores zogen sie dabei einfach laut polternd hinter sich her.
Unglaubliches Siegesgeschrei brandete auf und Berenghor machte sich bereit. Der Zeitpunkt zum Sturm war gekommen. Er spürte wie die Männer von hinten zu schieben begannen und gab dem Druck schließlich nach. Aufgeputscht und erregt marschierte er los.
Die Schützen vor dem zerstörten Tor eröffneten das Feuer. Dahinter hatten sich die letzten Verteidiger zu einem tief gestaffelten Knäuel aus Menschen, Waffen und Rüstungen zusammengeballt. Die ersten gingen noch unter dem Beschuss der Angreifer zu Boden, dann aber wurden Schilde plötzlich in die Höhe gerissen und Kommandorufe hallten durch die Burg. Die Bogenschützen, durch ihren Anfangserfolg wohl beflügelt, rückten einige Schritte nach vorne und beharkten unentwegt die Verteidiger. Auf einmal jedoch teilte sich die Menschentraube hinter dem rußigen Torbogen. Die Männer rückten kontrolliert zur Seite und machten Platz.
Berenghor, der gerade die Bogenschützen erreichte, spähte nach vorne und sah etwas Großes, Unförmiges im Burghof stehen. Eine Hydra, durchfuhr es ihn. Er kannte dieses Kriegsgerät sehr gut und wusste um dessen verheerende Wirkung. Auf einer Holzkonstruktion, die meistens auf Rädern beweglich gelagert war, stand ein großer Rahmen, dessen Querstreben mit vielen kleinen, armbrustähnlichen Vorrichtungen versehen waren. Jede dieser Miniaturschleudern trug ein pfeilschnelles, messerscharfes Projektil auf seinem Rücken. Auf kurze Entfernungen war dieses Ungetüm eine sehr gefährliche Waffe, wenngleich sie in den meisten Fällen, aufgrund der hohen Ladedauer, nur einmal abgefeuert werden konnte.
Instinktiv wollte Berenghor stehen bleiben und stemmte sich nach hinten. Wenn’s dumm lief, konnte ihnen das Ding gefährlich werden. Auch seine Söldnerkameraden schienen die Gefahr bemerkt zu haben. Sie blieben stehen und der Druck von hinten verschwand. Die Bogenschützen störte die Waffe hingegen überhaupt nicht. Unbeirrt machten sie weiter und feuerten einen Pfeil nach dem anderen auf den inzwischen zweigeteilten Schildwall der Verteidiger.
Gerade als Berenghor einen Warnruf ausstoßen wollte, sangen plötzlich mehrere Dutzend Sehnen. Für den Bruchteil einer Sekunde erklang ein helles Sirren, gefolgt vom dumpfen Einschlag unzähliger Bolzen. Er zuckte unwillkürlich zusammen, blieb aber aufrecht stehen. Die Schildträger an den Flanken hatten die gewaltigen Schilde bereits schützend gehoben und keiner der Söldner wurde von den Geschossen der Hydra getroffen. Den Bogenschützen hingegen erging es deutlich schlechter. Nachdem das Fauchen der Hydra verklungen war, lag mehr als die Hälfte von ihnen regungslos am Boden. Der Rest hielt einen kurzen Moment inne und rannte dann in kopfloser Flucht zurück. Das abrupte Ende ihrer Kameraden hatte ihnen jeden Kampfeswillen genommen.
Jubel brandete von den Mauern herab und über die Söldner hinweg. Ein kleiner Triumph im Angesicht der totalen Niederlage. Die Verteidiger fassten neuen Mut, und grimmige Entschlossenheit setzte sich in die Gesichter.
Wolfhart gab Berenghor ein Zeichen. Die Hydra hatte gebrüllt und nun war es an der Zeit ihr den Kopf abzuschlagen. Mit einem Nicken setzte sich der Hüne abermals in Bewegung. Die Wirkung der Hydra mochte auf den ersten Blick Furcht einflößend gewesen sein, doch sie war nichts gegen das, was nun kommen sollte. Sechzig schwer gepanzerte Kampfmaschinen machten sich auf den Weg zum Tor, in unzähligen Schlachten gestählt und aufeinander eingeschworen. Hier, das wusste Berenghor, war niemand dieser Walze aus schierer Kraft und Gewalt gewachsen.
*
Nur noch wenige Meter trennten sie von der Burg. Die Verteidiger hatten ihre Reihen inzwischen wieder geschlossen, und von der Hydra war nichts mehr zu sehen. Berenghor hob seinen gewaltigen Zweihänder und spannte sich. Wolfhart, in der Mitte der Linie, riss sein Schwert ebenfalls in die Höhe und brüllte ein lautes, tiefes Kommando. Das war das Zeichen zum Sturm, und einen Lidschlag später explodierte Berenghor förmlich.
Der Riese sprang vor, und rannte mit einer für seine Statur ungeahnten Geschwindigkeit auf den Schildwall zu. Den großen Zweihänder hielt er dabei wie einen messerscharfen Rammbock einfach quer vor die Brust. In diesem Moment verdrängte er alle äußeren Eindrücke und richtete seinen Blick starr geradeaus. Ein Teil von ihm zog sich zutiefst verängstigt in sein Innerstes zurück und machte einem fremd anmutendem Wesen Platz. In aller Stille kam es hervor, kalt und unbarmherzig, wohl wissend, dass es nur zu einem Zweck erschaffen wurde: um mitleidlos und automatisiert zu töten. Die Verteidiger hatten nichts mehr zu verlieren, und Menschen, die nichts mehr zu verlieren hatten, waren zu außergewöhnlichen Leistungen im Stande. Berenghor musste sich also auf dieselbe emotionale Ebene wie seine Feinde begeben. Er musste die gleiche Entschlossenheit und tödliche Gleichgültigkeit an den Tag legen, wie die armen Hunde hinter den dicken Mauern der Burg. Er und seine Kameraden kämpften immerhin nur für Geld, den schnöden Mammon, seine Gegner hingegen ums nackte Überleben.
Im nächsten Moment war er heran. Blitzschnell drehte er sich um seine eigene Achse und übertrug den Schwung dabei auf seinen großen Zweihänder. Die Klinge sauste nach oben, vollführte dort eine komplette Drehung und fuhr mit einem lauten Sirren auf den ersten Gegner herab. Er konnte spüren, wie die Klinge nahezu mühelos den Schild des Verteidigers spaltete, durch dessen eisenbeschlagene Rüstung schnitt und tief in menschliches Fleisch drang. Ein gurgelnder Laut war alles, was von dem leblosen Körper zu hören war, als er auf den Boden fiel.
Auch die anderen Söldner befanden sich zwischenzeitlich im Kampf. Wolfhart stieß einem Kerl den Zweihänder so tief in die Brust, dass die Spitze auf der anderen Seite wieder herauskam. Der Mann, lebendig aufgespießt, schrie wie von Sinnen. Erst als ihm Wolfhart den Kopf von den Schultern trennte, verstummte der schrecklich schrille Ton.
Berenghor indes ging seinen nächsten Gegner an. Einen großen, klobigen Kerl mit dicken Armen und einem schweren Kriegshammer in den Händen. Kurz trafen sich ihre Blicke und Berenghor erkannte puren Hass in den Augen des Mannes. Die Burg war vermutlich schon über Generationen hinweg das Zuhause seiner Familie und Zufluchtsort in schlechten Zeiten gewesen. Nun, da das Ende nahte, was blieb ihm da noch, außer dem Feind jedes bisschen Widerstand entgegenzusetzen, zu dem er noch im Stande war?
Berenghor unterdrückte den Impuls, länger darüber nachzudenken. Mit eisernem Willen zwang er die aufkeimende Menschlichkeit zurück und schwang den Zweihänder. Stahl traf auf Stahl, und kreischend glitt die Schneide am Stiel des Hammers ab. Im Augenwinkel sah Berenghor, wie sich ein zweiter Gegner näherte. Er war kleiner, schmächtiger und hatte Angst. Berenghor konnte seine Angst förmlich riechen. Nur zaghaft und äußerst vorsichtig näherte er sich den beiden Kontrahenten, unentschlossen, wann für ihn der richtige Zeitpunkt zum Eingreifen gekommen war.
Berenghor entschied sich für den Hammerträger. Mit ein paar gekonnten Schlägen drängte er ihn zurück, und kurze Zeit später spürte der den kalten Stein der Mauer im Rücken. Berenghor aber hörte nicht auf. Jetzt hatte er seinen Gegner da, wo er ihn haben wollte. Mit einem wohl platzierten Hieb schnitt er ihm tief in den Oberschenkel und setzte ihn außer Gefecht. Stöhnend ging er in die Knie und Berenghor wirbelte herum. Er wusste nicht warum, doch registrierte er verwundert, dass er den Hammerträger nicht getötet hatte. Vielleicht hatte das kurze Zögern vorhin, dieser seltsame Hauch von Menschlichkeit mitten im Gefecht, schon ausgereicht.
Der Kleine, mit einem kurzen Schwert bewaffnet, sah mit großen Augen auf seinen Kameraden. Entsetzen spiegelte sich darin wieder und langsam wich er, Schritt für Schritt, zurück. Berenghor hoffte inständig, dass er sich aus dem Staub machen würde. Dieser Wicht war kein Gegner für ihn. Er hatte kein Interesse daran, ihn zu töten. Er hob den gewaltigen Zweihänder und trat mit einem Grunzen auf den Kleinen zu. Das war endgültig zu viel für ihn. Ohne sich noch einmal umzudrehen machte er kehrt, und verschwand im Kampfgetümmel.
Berenghor nutze den Moment und orientierte sich. Die geschlossenen Reihen der Verteidiger am Tor waren aufgebrochen. Sie fochten wo sie standen, ohne Zusammenhang und erkennbare Strategie. Überall rangen die Söldner mit ihnen, und mittlerweile mischten sich auch reguläre Truppen des Grafen in den Kampf mit ein. Die Wellenbrecher hatten ihre Arbeit getan. Sie hatten die Tür für jene, die nach ihnen kamen, aufgestoßen und für den nötigen Freiraum gesorgt. Der Hof war übersät mit Toten, und von Minute zu Minute wurden es mehr. Hier und da erkannte Berenghor auch einen Kameraden zwischen all den gesichtslosen Toten.
»Berenghor!«, hallte plötzlich eine Stimme über den Kampflärm hinweg. Der Hüne erkannte Wolfhart, der ihn wild gestikulierend zu sich winkte.