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"Eine brillante Beweisführung dafür, wie die Überlebenden von Atlantis unsere Geschichte geprägt haben." - Brad Steiger, Bestsellerautor An nur einem Tag und in einer Nacht ging Atlantis unter. Doch die Atlanter waren meisterhafte Seefahrer, und schon im Lauf des verheerenden Krieges jener Zeit und vor der endgültigen kosmischen Katastrophe kam es zu Massenwanderungen. So unterschiedliche Völker wie die Inka und Azteken, die Griechen und die keltischen Iren berichten davon. Und überall dort, wo ihre Archäologie, Mythologie und Astronomie zusammentreffen, wird eine Historie sichtbar, die mit Atlantis ihren Anfang nimmt. Der Autor zeigt, dass das Schicksal des atlantischen Reiches die Geschichte der menschlichen Zivilisation begründete. Sachkundig und spannend weist er nach, dass die Atlanter ein Handelsimperium betrieben, das sich von Nordamerika bis nach Kleinasien erstreckte und die Bronzezeit einleitete. Er zeigt, dass die Überlebenden sich in alle Bereiche des ehemaligen Inselreichs zerstreuten, nach Westeuropa und in den Nahen Osten, und er beschreibt ihren Weg. Die Parallelen zur heutigen Zeit sind erschreckend, auch deshalb, weil sie deutlich machen, dass jede weltweite wirtschaftliche und militärische Macht nach wie vor ein jähes Ende nehmen kann. Das neue Buch des Erfolgsautors von "Lemurien". Das wohl bedeutendste moderne Werk über Atlantis seit "Der Untergang von Atlantis". FRANK JOSEPH ist ein Weltenbummler und Archäologe, der in mehr als dreißig Büchern immer wieder die Mysterien alter Kontinente untersuchte. Seine zahlreichen TV-Auftritte, unter anderem bei "Ancient Aliens", sind legendär. Vierzehn Jahe lang war er Herausgeber der angesehenen Zeitschrift "Ancient American". Er lebt mit seiner Frau Laura und zwei Katzen am Mississippi, im Norden von Cairo, USA. Dieses Buch bringt spannend erzählt wissenschaftliche Beweise aus vier katastrophalen Ereignissen, die zum Untergang von Atlantis und zum Beginn der Zivilisation, wie wir sie kennen, führten. Es zeigt den Zusammenhang zwischen jener Katastrophe, die von den Atlantern ausgelöst wurde, und drei weiteren, die die Erde verwüsteten. Und es belegt, dass die Atlanter ein imperiales Kupferhandelsimperium betrieben, das sich von Nordamerika bis nach Kleinasien erstreckte. Archäologen haben lange über die Beweise für hochentwickelte Kupferabbauaktivitäten im Gebiet der Großen Seen in den USA vor etwa 5.000 Jahren gerätselt. Die indianische Tradition spricht von hellhäutigen Seeleuten, die in der Vergangenheit gekommen waren, um "die glänzenden Knochen" der Erdmutter auszugraben. In der Zwischenzeit verzeichnete Platon, dass die Atlanter einen außergewöhnlich hohen Kupfergehalt lieferten, der zu seiner Zeit nicht mehr verfügbar war. Der Autor weist zweifelsfrei nach, dass diese Seefahrer Atlanter waren und dass die Zerstörung von Atlantis durch Krieg und Naturkatastrophen das Ende der bronzezeitlichen Zivilisation herbeiführte. Die Überlebenden von Atlantis verteilten sich auf alle Seiten ihres früheren Inselimperiums nach Westeuropa, in den Nahen Osten sowie nach Nord- und Südamerika.
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Seitenzahl: 464
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Frank Joseph
Wie der Untergang einerZivilisation die Welt veränderte
Aus dem Amerikanischen vonDr. Baal Müller
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Amerikanische Originalausgabe:
Survivors of Atlantis. Their Impact on the World
Deutscher Erstdruck im AMRA Verlag
Auf der Reitbahn 8, D-63452 Hanau
Hotline: + 49 (0) 61 81 – 18 93 92
Service: [email protected]
Herausgeber & Lektor
Michael Nagula
Textredaktion
Silvia Neumeier
Einbandgestaltung
Guter Punkt
Layout & Satz
Birgit Letsch
Druck
CPI books GmbH
ISBN Printausgabe 978-3-939373-17-9
ISBN eBook 978-3-95447-064-8
Ebenfalls von Frank Joseph bei uns erhältlich:
Der Untergang von Atlantis. Ende einer Zivilisation Lemurien. Aufstieg und Fall der ältesten Weltkultur
Copyright © 2004/2020 by Frank Joseph
Copyright © Germany 2021 by AMRA Verlag
Published by Arrangement with Inner Traditions
International Limited, Rochester, Vermont 05767, USA.
Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur
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Einleitung: Eine Million Tonnen Kupfer
1Atlantis im Krieg
2Die Strafe des Imperiums
3Die vier Katastrophen
4Atlanter kommen nach Ägypten
5Noah war ein Atlanter
6Das Wissen der Griechen
7Atlanter durchqueren die Sahara
8Die Amazonen und Atlantis
9Verloren im Hades
10Kinder von Atlantis
11Atlantische Könige in Irland und Wales
12Als die schlimmen Tage kamen
13Amerikanische Ureinwohner erinnern sich an Atlantis
14Gefiederte Schlangen aus versunkenen Städten
15Die erste Einwanderungswelle aus Atlantis
16Die zweite Welle von Überlebenden
17Atlantische Söhne der Sonne
Schlusswort: Eine Warnung für unsere Zeit
Bibliografische Hinweise
Register
Für N. Thomas Miller,in dessen Kunst der Geist von Atlantis lebt
Es gab und es wird noch viele verschiedene Katastrophen geben, um die Menschheit zu vernichten, die größten in Form von Feuer und Wasser.
PLATON: TIMAIOS
Atlantis! Kaum ein anderer Name bewegt so viele Millionen von Menschen auf der ganzen Welt selbst noch nach tausenden von Jahren. Er taucht in Kinofilmen und Fernsehsendungen auf, und selbst ein Space Shuttle wurde danach benannt. Mehr Bücher als jemals zuvor werden heute über das versunkene Reich veröffentlicht; insgesamt sind etwa zweitausendfünfhundert Bände und Zeitschriftenartikel zum Thema Atlantis erschienen. Unter konventionellen Gelehrten genügt die bloße Andeutung, dass es für die Existenz der verschollenen Stadt eine faktische Grundlage geben könnte, um als »Mythomane« verurteilt zu werden. Doch trotz der offiziellen Ablehnung hat sich die populäre Faszination für Atlantis dauerhaft erhalten. Und auch ein kleiner internationaler Kreis meist unabhängiger Wissenschaftler glaubt, dass es einmal Realität gewesen sein könnte. Zu Beginn des einundzwanzigsten Jahrhunderts ist dieser Kreis nun unversehens gewachsen, da neue Forschungsergebnisse aus Theorien Fakten machen könnten.
Trotz seines legendären Rufs wissen die meisten Menschen sehr wenig über Atlantis. Sie vermuten, dass es ein ozeanisches Reich war, das lange Zeit einen großen Teil des Globus beherrschte, bevor es durch eine Naturkatastrophe im Meer versank, worauf einige wenige Überlebende in verschiedene Regionen des Planeten flohen. Viele Atlantisforscher glauben, dass die erste menschliche Zivilisation vor mindestens zwölf Jahrtausenden auf dem »Kontinent« von Atlantis entstand und um 9500 vor Christus durch eine große Flut zerstört wurde. Sowohl Skeptiker als auch wahre Gläubige könnten jedoch durch dieses Buch eines Besseren belehrt werden. Es ist kein Neuaufguss meines zuvor erschienenen Werkes Der Untergang von Atlantis, sondern präsentiert völlig neues Material. Der Atlantische Krieg, vier globale Katastrophen und das Schicksal der Überlebenden in verschiedenen Teilen der Welt werden hier zum ersten Mal beschrieben.
Die Überlebenden von Atlantis beruht auf einer Konferenz führender Wissenschaftler, die sich im englischen Cambridge trafen. Experten verschiedener akademischer Disziplinen, von der Geologie und Astrophysik bis hin zur Archäoastronomie und Ozeanographie, stellten ihre Erkenntnisse vor. Dabei skizzierten sie eine neue Sicht der Vergangenheit, die sich grundlegend von dem bisher vertretenen Bild unterscheidet. Die Beweise, die sie vorlegten, waren ebenso überraschend wie überzeugend. Sie zeigten, dass während der ersten Epoche der Menschheitsgeschichte eine Reihe von Kometen, die dicht an der Erde vorbeiflogen, zu vier verschiedenen katastrophalen Szenarien auf unserem Planeten führten. Diese Himmelsereignisse und die nachfolgenden Geschehnisse sind nicht bloße Vermutungen von Theoretikern. Vielmehr existiert eine Fülle materieller Beweise, die bestätigen, dass diese weltweiten Katastrophen tatsächlich stattgefunden haben und dass die letzte davon die Zivilisation an den Rand des Aussterbens brachte.
Beim Studium der Präsentationen dieser Konferenz in Cambridge wurde mir eindringlich ins Bewusstsein gerufen, dass zahlreiche Kulturen auf der ganzen Welt sich an große Fluten erinnern, denen jeweils Massenwanderungen folgten. Diese Überlieferung existiert bei so unterschiedlichen Völkern wie den Inka in Peru, den keltischen Iren, den klassischen Griechen, den Azteken Mexikos und vielen anderen. Diese Erinnerungen passen gut zu dem, was die Wissenschaft heute als ein Quartett von Naturkatastrophen identifiziert hat, die vor mehr als fünftausend Jahren die Erde verwüsteten. Doch wenn zum Mythos, der Astronomie und der Geologie auch noch der Beweis durch geophysikalische Methoden der Archäologie hinzukommt, dann wirft das ein ganz neues Licht auf die uralte Vergangenheit. Dadurch enthüllen sich die bisher unsichtbaren Ursachen, die den Lauf der Geschichte bestimmten. Offensichtlich gibt es ein gemeinsames Thema, dessen Fäden immer wieder zusammenlaufen und das all den verschiedenen Drehungen und Wendungen des großen menschlichen Dramas einen Sinn gibt: Atlantis. Der Name ist ebenso unausweichlich wie kraftvoll.
Durch die Verbindung dieses versunkenen Reichs mit vier verschiedenen globalen Katastrophen lassen sich der Beginn sowie die Entwicklung der menschlichen Zivilisation erklären. Und gleichzeitig liegt Atlantis damit plötzlich innerhalb der glaubwürdigen Parameter realer Geschichte statt spekulativer Fantasie. Es erlebte nicht eine, sondern mehrere Katastrophen, zwischen denen jeweils viele Jahrhunderte lagen, bis schließlich ein viertes Ereignis das Reich auslöschte. Das vorliegende Buch beschreibt diese Einzelereignisse erstmals anhand von Überlieferungen aus Ägypten, Mesopotamien, Marokko, den Kanarischen Inseln, Irland, Wales, Skandinavien, dem präkolumbischen Nordamerika sowie Mittel- und Südamerika. Viele der Flutmythen über ein versunkenes Reich wurden noch nie einem allgemeinen Publikum zugänglich gemacht. Nun sollen sie endlich präsentiert werden, um den wissenschaftlichen Beweisen ein menschliches Gesicht zu geben. Schließlich waren die Männer und Frauen der vorklassischen Zeit Augenzeugen von Kataklysmen, die ihre Welt wiederholt zerstörten. Sie haben diese Katastrophen in einem unvergänglichen Medium dokumentiert. Papyri können verbrennen, in Stein gemeißelte Worte verwittern, Tontafeln zerbröseln. Doch eine Botschaft, die in einen Mythos gehüllt ist, überdauert den Lauf der Jahrhunderte wie der Körper eines Insekts, das in Bernstein eingeschlossen ist.
Die Überlebenden von Atlantis erzählt eine weitere Geschichte, von der bisher noch nie berichtet wurde, nämlich die des Krieges, den die Atlanter laut Platon begannen, um die Welt zu erobern. Dieses militärische Abenteuer, das von Historikern bisher vernachlässigt wurde, war eng mit den Naturkatastrophen verknüpft, von denen sie schließlich überwältigt wurden. Das Chaos, das die Menschheit auf der Erde angerichtet hatte, spiegelte sich in den erzürnten Himmeln wider. In dieser Hinsicht ist Die Überlebenden von Atlantis eine Weiterführung meiner ersten Untersuchung des Themas, welche den Krieg zwar erwähnte, aber nicht näher erläuterte.
Der Untergang von Atlantis konzentrierte sich auf die letzten Augenblicke dieser verlorenen Zivilisation, weil diese Momente uns zeitlich am nächsten liegen und daher leichter dokumentiert werden können. Leser, die der Annahme waren, dass Atlantis zum Zeitpunkt seines Untergangs um 10.000 vor Christus bereits viele Jahrtausende alt gewesen sei, erfuhren überrascht, dass die Stadt vor lediglich 3.200 Jahren ihr endgültiges Schicksal ereilte. Der Sinn des Buches war jedoch nicht, über die Ursprünge oder das Alter von Atlantis zu diskutieren, sondern ein endgültiges vernichtendes Ereignis in der Bronzezeit zu erklären. Mit deren plötzlichem Ende um 1200 vor Christus brach die vorklassische Zivilisation überall zusammen, vom pharaonischen Ägypten und dem homerischen Griechenland bis zum Hethiterreich und der chinesischen Shang-Dynastie. Atlantis war ein weiteres Opfer der weltweiten Katastrophe. Nach Platons Beschreibung war es – wie die anderen auch – eine nachweisbare Stadt während der Bronzezeit gewesen.
Die Dialoge Timaios und Kritias, die Platon um 340 vor Christus schrieb, enthalten die frühesten überlieferten Erzählungen ihrer Art. Sie stellen die Atlanter als hervorragende Seefahrer und Metallschmiede dar, die große Entfernungen zurücklegten und »Orichalcum« herstellten, eine außergewöhnlich hochwertige Bronzelegierung, die zu Platons Zeit nicht mehr verfügbar war. Durch ihren Export von Orichalcum, so erklärte er, wurden die Atlanter sagenhaft reich und mächtig. Er beschreibt sie als wohlhabende seefahrende Bergleute; dies ist das Beweisstück, das zwei große historische Rätsel miteinander verbindet.
Seit mehr als zehntausend Jahren war der nordamerikanische Kontinent nur spärlich von paläoindianischen Stämmen nomadisierender Jäger und Sammler bewohnt, die wandernden Tierherden folgten und nur wenig an materieller Kultur besaßen. In der Region der Großen Seen sammelten sie gelegentlich Stücke von Kupfer auf, die zurückweichende Gletscher hinterlassen hatten, und schmiedeten oder hämmerten diese zu Schmuckstücken. Doch dann, um 3000 vor Christus, entstanden plötzlich ehrgeizige Bergbauunternehmungen entlang der Ufer des Oberen Sees auf der Oberen Halbinsel sowie auf der Isle Royale. In den folgenden 2.200 Jahren wurden in fünftausend Gruben, von denen einige zweihundert Meter tief durch massives Gestein ausgeschachtet waren, mindestens 22.500 Tonnen hochwertiges Kupfer abgebaut. Wie in meinem bisher nur in den USA erschienenen Buch Atlantis in Wisconsin berichtet, wurden durchschnittlich 1.000 bis 1.200 Tonnen Erz pro Grube entnommen, die jeweils etwa 45 Tonnen Kupfer ergaben.
Für diese erstaunliche Ausbeute verwendeten die alten Bergleute einfache Techniken, die es ihnen ermöglichten, schnell und effizient zu arbeiten. Sie erzeugten intensive Feuer oberhalb einer Kupferader, erhitzten das Gestein damit auf sehr hohe Temperaturen und übergossen es anschließend mit kaltem Wasser. Das Gestein zerbrach, woraufhin sie das Kupfer mit Steinwerkzeugen extrahierten. Tief in den Gruben wurde eine Essigmischung verwendet, was den Aufschluss des Gesteins in einzelne Schichten beschleunigte und Rauchentwicklung vermied. Wie sie entsprechend hohe Temperaturen erzeugen konnten, ist Teil des Rätsels. Die Unterseite eines Feuers auf einer felsigen Oberfläche ist sein relativ kühlster Bereich. Selbst bei einem extrem heißen Holzfeuer würde es sehr lange dauern, um eine Ader ausreichend zu erhitzen, und es ist fraglich, ob es überhaupt möglich wäre. Wie die vorzeitlichen Bergleute solch hohe Temperaturen im Boden erzeugen konnten, ist eine Frage, die die moderne Technologie bisher nicht beantworten kann.
Ein beträchtlicher Teil ihrer Techniken lebt jedoch bis heute fort. Große Stücke Kupfergestein mit einem Gewicht von teilweise über 2,5 Tonnen wurden ausgegraben und mithilfe von ausreichend belastbaren Holzbehältern, Stein- und Holzplattformen an die Oberfläche befördert. Die Behälter wurden meist aus behauenen Stämmen in Art einer Blockhütte gebaut und konnten durch eine Reihe von Hebeln und Keilen angehoben werden. Ein Beispiel für die massiven Proportionen des im alten Michigan abgebauten Gesteins ist der Ontonagon Boulder. Dieser Kupferbrocken, der um die Wende des neunzehnten Jahrhunderts zum Smithsonian gebracht wurde, wiegt fünf Tonnen. Eine sechs Tonnen schwere Kupfermasse wurde vor Ort auf einer erhöhten Holzkonstruktion entdeckt und dort anscheinend zurückgelassen. Sie ist drei Meter lang, neunzig Zentimeter breit, sechzig Zentimeter dick und teilweise behauen.
Abb. E1. Ein durch sein langes Gewand als Angehöriger der Seevölker identifizierbarer Mann trägt einen »Ochsenhautbarren« aus Kupfer. Darstellung auf einem Ständer für ein zypriotisches Räuchergefäß, um 1200 vor Christus. Nach Platon waren die Atlanter die führenden Kupferbarone der Bronzezeit. (Archäologisches Museum Bodrum, Türkei)
Angesichts dieser Dimensionen stellt sich die Frage, ob die Minenarbeiter, die Tonnen von rohem Kupfer auf Michigans Oberer Halbinsel bewegten, eventuell die gleichen Leute waren wie die, die auf ganz ähnliche Art und Weise die Steinblöcke der Großen Pyramide transportierten.
Unglaublicherweise wurden Tausende von Werkzeugen gefunden, die die alten Minenarbeiter benutzt hatten. Bereits im Jahr 1840 hat man zehn Wagenladungen mit Steinhämmern an einem einzigen Ort in der Nähe von Rockland, Michigan, entdeckt. Die Funde in McCargo Cove an der Nordküste der Isle Royale beliefen sich auf sage und schreibe 1.000 Tonnen. Auch waren diese Hämmer nicht etwa grob gefertigt. Roy W. Drier, ein Experte für alte Kupferminen, schreibt dazu:
»Bei der Untersuchung der gefundenen Werkzeuge ist man unwillkürlich erstaunt über die Perfektion der Verarbeitung und über ihre Ähnlichkeit mit den Werkzeugen, die für vergleichbare Zwecke in heutiger Zeit hergestellt und verwendet werden; es sind die Prototypen der Werkzeuge unserer gegenwärtigen Zivilisation. Die Fassungen der Speere, Meißel, Pfeilspitzen, Messer und Fleischermesser sind in fast allen Fällen so symmetrisch und perfekt geformt, als seien sie vom besten Schmied der heutigen Zeit mit allen hochentwickelten Hilfsmitteln seiner Kunst gefertigt worden.« (DuTemple 1962, 27)
Die Minen selbst waren nicht nur einfache Gruben, sondern mit modernen Bewässerungssystemen ausgestattet, die es ermöglichen sollten, Schutt über bis zu hundertfünfzig Meter lange Gräben auszuschwemmen. Für William P. F. Ferguson, einen frühen und immer noch angesehenen Experten für den historischen Bergbau in Nordamerika, ist die Arbeit »kolossal«, denn sie bedeutete »die Umwandlung der gesamten Formation in ihrer Tiefe sowie die Bewegung von vielen Kubikmetern Stein – es wäre nicht übertrieben, von Kubikmeilen zu sprechen«.
Die Grabungen erstreckten sich über zweihundertvierzig Kilometer an der Küste des Oberen Sees und über fünfundsechzig Kilometer auf der Isle Royale. Würde man alle diese vorzeitlichen Grubenminen kombinieren, würden sie einen Graben von mehr als acht Kilometer Länge, sechzig Meter Breite und neunzig Meter Tiefe bilden.
So plötzlich, wie die Minen entstanden waren, wurden sie um 1200 vor Christus aber auch wieder geschlossen. Octave DuTemple, die führende Expertin für diese einst im großen Stil betriebenen Gruben, fragt sich:
»Warum haben diese Minenarbeiter ihre Gerätschaften so hinterlassen, als ob sie ihre Arbeit am nächsten Tag wiederaufnehmen wollten, und sind dann mysteriöserweise nie wieder zurückgekehrt? In den Legenden der Indianer werden diese Bergbauarbeiten nicht erwähnt. Dabei sind sie doch von einer Größenordnung, die es wert gewesen wäre, in die Geschichte jedes Volkes aufgenommen zu werden. Was die Legenden berichten, ist, dass es in der Geschichte der Indianer vor langer Zeit eine weiße Rasse gegeben habe, die vertrieben worden sei.« (DuTemple 1962, 59)
Die Indianer, auf die sich DuTemple bezieht, sind die Menominee, deren ursprüngliche Wurzeln auf Michigans Oberer Halbinsel liegen. Ihre volkstümlichen Überlieferungen sprechen von den »Meeresmenschen« – von hellhäutigen Seefahrern, die in großer Zahl über das Meer kamen, um »die Erdmutter zu verwunden, indem sie ihre glänzenden Knochen ausgruben« – eine poetische Anspielung auf das Kupfer. Das Rätsel um den vorzeitlichen Bergbau in Nordamerika wird noch größer, wenn wir uns bewusst machen, dass 25.000 Tonnen oder mehr Kupfer verschwunden sind. »Wo dieses Kupfer landete, ist noch immer ein Rätsel«, sagt DuTemple. Mit den Worten von Dr. James P. Scherz, einem emeritierten Professor an der Universität von Wisconsin in Madison:
»Eine der grundlegenden Fragen, die noch nicht beantwortet wurde, lautet: Was geschah mit dem Kupfer vom Oberen See? Das Kupfer, das in Grabhügeln gefunden wurde – auch wenn es eine große Menge war – stellt nur einen kleinen Prozentsatz davon dar. Die Europäer haben ein vergleichbares Problem. Woher kam all ihr Kupfer? Die Europäer befanden sich von 3000 bis 1000 vor Christus in einem Kupferrausch, vergleichbar mit dem heutigen Handel mit Öl, weil Kupfer ihre Wirtschaft antrieb.« (Joseph 1995, 54)
Scherz stellt damit die andere Seite des Rätsels vor. Die Bronzezeit begann in Europa und im Nahen Osten, da Waffen und Werkzeuge aus Bronze jenen aus Kupfer oder Stein überlegen waren. Bronze ist härter, widerstandsfähiger und lässt sich besser zu einer scharfen Klinge schmieden als Kupfer, und es ist leichter als Stein. Um Bronze herzustellen, muss Kupfer mit Zinn und Zink amalgamiert werden. Je höher der Kupfergehalt, desto besser die Waffe oder das Werkzeug. Die Alte Welt verfügte jedoch nicht über genügend Quellen hochwertigen Kupfers, um die Massenproduktion hochwertiger Bronzewerkzeuge zu ermöglichen, wie sie damals in jedem Reich der zivilisierten Welt üblich war. Woher hatten die Metallschmiede all das hochwertige Kupfer für die Millionen Speere, Schwerter, Rammen, Meißel, Bohrer, Statuen, Kessel, Altäre, Tempeltüren und all die anderen unzähligen Gegenstände, die sie fertigten? Beweise, die mehr als nur Indizien sind, weisen auf die Obere Halbinsel von Michigan hin. Dort haben die »Meeresmenschen« nicht nur die weltgrößten Vorräte an hochwertigem Kupfer ausgegraben, sondern auch Zinn gewonnen, eine weitere wichtige Komponente in der Bronzeherstellung.
Auf halbem Weg zwischen Nordamerikas gewaltigem Kupferbergbaugebiet und der Alten Welt mit ihrem Hunger nach Kupfer lag Atlantis, das für seine Seefahrer und Bergarbeiter berühmt war. Der Zusammenhang zwischen dem Kupferabbau in Michigan und dem Kupferverbrauch in der Alten Welt wird noch deutlicher, wenn man die Zeitparameter vergleicht: Der Kupfer- und Zinnbergbau auf der Oberen Halbinsel von Michigan startete um 3000 vor Christus, zur selben Zeit, als die Bronzezeit in Europa und im Nahen Osten begann. Sowohl der nordamerikanische Bergbau als auch die Bronzezeit der Alten Welt endeten gleichzeitig um 1200 vor Christus, dem Zeitpunkt – wie weiter unten beschrieben – der endgültigen Zerstörung von Atlantis.
Abb. E2. Drei wohlgeformte Speerspitzen aus Kupfer von der Oberen Halbinsel in Michigan. Ihre Produktion zwischen 3100 und 1200 vor Christus fällt mit der Bronzezeit der Alten Welt zusammen, die von den reichen mineralogischen Quellen abhängig war, über die die Kuperbarone von Atlantis herrschten.
Nach Platons Aussage müsste der Untergang von Atlantis 8.300 Jahre früher stattgefunden haben. Doch warum sollte seine Zeitvorstellung damals – im vierten Jahrhundert vor Christus – dieselbe gewesen ist wie unsere heutige? In der Tat war sie nämlich ganz anders! Niemand weiß genau, was er damit meinte, als er berichtete, Atlantis sei vor 11.500 Jahren zerstört worden. Was bedeuteten diese »Jahre« für ihn? Sonnen- oder Mondjahre, siderische oder astrologische Jahre – all diese Maße und noch weitere waren in der Antike in Gebrauch, und Wissenschaftler haben lange darüber debattiert, welches System Platon verwendete. Ich plädiere für die Annahme, dass er sich auf den Mondkalender bezog, und zwar aus folgenden Gründen:
1. Damit lässt sich Atlantis in der späten Bronzezeit ansiedeln, als seine Zitadelle, wie von Platon beschrieben, typisch war für das monumentale Bauwesen jener Zeit im Mittelmeerraum. Diese Zitadelle hätte früher als 3000 vor Christus nicht erbaut werden können und wäre am Ende der letzten Eiszeit so fehl am Platze gewesen wie ein Wolkenkratzer mitten in der Bronzezeit.
2. Die endgültige Zerstörung von Atlantis fällt dadurch mit dem gleichzeitigen Ende der Bronzezeit in der Alten Welt und des Kupferbergbaus in Nordamerika zusammen.
3. Die ägyptischen Priester, die die Geschichte von Atlantis ursprünglich tradierten, benutzten einen Mondkalender.
4. Die Wissenschaft weiß heute, dass unser Planet um 1200 vor Christus eine sehr enge Begegnung mit einem Kometen hatte. Die Erde war damals einer globalen Katastrophe ausgesetzt, die alle zeitgenössischen Zivilisationen vernichtete, einschließlich der von Atlantis.
Neue Beweise zwingen uns dazu, alte Ansichten von der verlorenen Zivilisation von Atlantis aufzugeben. Sie war ein Phänomen der Bronzezeit und hatte ihre Blütezeit nicht während der letzten Eiszeit, wie früher angenommen wurde. Diese Datierung würde auch nicht zu dem von Platon beschriebenen milden Klima passen. Heute sind wir in der Lage, sowohl die finale Zerstörung von Atlantis zu datieren als auch einen Teil seiner Geschichte zu rekonstruieren, nämlich fast zweitausend Jahre vor diesem Ereignis. Das vorliegende Buch, Die Überlebenden von Atlantis, verbindet Wissenschaft und Überlieferung, um zu eruieren, was aus jenen wurde, die der Katastrophe entrannen.
Wann genau Atlantis gegründet wurde und wie lange seine Blütezeit währte, ist jedoch nach wie vor unklar. Die Ereignisse vor der ersten Katastrophe von 3100 vor Christus lassen sich nicht nachvollziehen. Bis dahin war Atlantis allen Anzeichen nach bereits zu einer hochentwickelten Gesellschaft mit einer ausgeklügelten materiellen Kultur herangewachsen. Die Entwicklung von den ersten Ursprüngen in der Steinzeit muss Jahrhunderte gedauert haben. Wir können jedoch Parallelen finden, wenn wir die zeitgenössische Vorgeschichte in Westeuropa betrachten. Verschiedene neolithische Kulturen entwickelten sich während des vierten Jahrtausends vor Christus. Damals waren die Menschen bereits geübte Seefahrer – und teilweise schon lange davor, wie die moderne Wissenschaft entdeckt hat. Diese frühen Seefahrer und ihre Nachkommen brachten wahrscheinlich ihre Fähigkeiten auf die Insel mit, die später nach ihrem Hauptvulkan Atlas benannt wurde. Der fruchtbare Boden und das gemäßigte Klima der Insel erleichterten die Landwirtschaft und sorgten für ein rasches Bevölkerungswachstum, Grundlage jeder Zivilisation. Um 3500 vor Christus entwickelte sich eine Siedlung zwischen der Südküste und dem Vulkan zu einer Stadt – der »Tochter des Atlas«, Atlantis.
Im Sanskrit bedeutet Atlas »der Tragende«. Vor sechstausend oder mehr Jahren könnte dieses Wort einfach gleichbedeutend mit »Berg« gewesen sein. Einige Forscher fragen sich, ob das A in unserem modernen Alphabet eventuell ein Ideogramm aus atlantischer Zeit ist, das einen im Meer stehenden Berg darstellt. In jedem Fall hätte Atlantis ein hohes kulturelles Niveau erreicht haben können, vergleichbar mit dem zeitgenössischen Mesopotamien um die Mitte des vierten Jahrtausends vor Christus, wenn nicht gar fortgeschrittener.
Doch all das ist Spekulation. Die Überlebenden von Atlantis konzentriert sich stattdessen auf die vier globalen Katastrophen, die von der Wissenschaft identifiziert wurden und die in den Erzählungen aller Völker, deren Küsten vom Atlantischen Ozean überschwemmt wurden, anschaulich geschildert werden. Dabei rückt das verlorene Reich klarer in den Fokus als jemals zuvor.
Sein anhaltender Einfluss auf unsere gegenwärtige Zivilisation hebt sich zum ersten Mal deutlich ab – und wir gelangen zu der Erkenntnis, dass die Geschichte von Atlantis die Geschichte unserer Welt ist.
Wenn Luxus herrscht, verzehrt Feuer die Welt, und Wasser wäscht sie hinweg.
BURMESISCHES SPRICHWORT
Der erste große Weltkrieg begann nicht am 21. Juli 1914 in Serbien. Er begann mehr als dreitausend Jahre zuvor an der Nordwestküste des Landes, das heute die Türkei ist. Wie bei seinem Pendant im zwanzigsten Jahrhundert waren auch bei dem antiken Krieg anscheinend alle Völker der zeitgenössischen zivilisierten Welt am gegenseitigen Abschlachten beteiligt. Mächtige Flotten zogen eine Blutspur vom Atlantischen Ozean bis zum östlichen Mittelmeer. Schlachtfelder in Nordafrika und dem Nahen Osten waren bedeckt mit toten Soldaten und Zivilisten. Die Hauptstädte der feindlichen Reiche gingen in Flammen auf, während Millionen entwurzelter Menschen flohen, um ihr Leben zu retten. Niemals zuvor hatte es eine militärische Konfrontation dieser Größenordnung und Grausamkeit gegeben. Ganze Zivilisationen verschwanden, menschliche Rassen wurden ausgelöscht. Niemand blieb verschont. Eine ganze Ära brach zusammen, wobei Jahrtausende kultureller Errungenschaften ausgelöscht wurden. In der Folge zog ein finsteres Zeitalter über den schwelenden Ruinen der Menschheit herauf und verdunkelte für die nächsten fünfhundert Jahre ihre Erinnerungen.
Diese enorme Tragödie ist zwar größtenteils vergessen, doch wurde sie von vier führenden Persönlichkeiten ihrer Zeit aufgezeichnet – von zwei Ägyptern und zwei Griechen. Jeder von ihnen dokumentierte eine besondere Phase dieses gewaltigen Kampfes – das, was sie davon gehört oder selbst erlebt hatten. Im Zusammenhang gesehen, ergänzen sich ihre Berichte und enthüllen den Konflikt als ein ganzheitliches Panorama des Weltgeschehens.
Die früheste Version findet sich in den königlichen Berichten des Merenptah, eines Königs der 19. Dynastie, der Ägypten gegen die als Hanebu bezeichneten Seevölker verteidigte. Er beendete ihre Invasion des Nildeltas im Jahre 1229 vor Christus, doch vierzig Jahre später kehrten sie mit einer größeren Streitmacht zurück. Erneut wurden die Hanebu besiegt, dieses Mal von Merenptahs Nachfolger Ramses III., der nach seinem Triumph einen Siegestempel errichtete. Dieser weitläufige Komplex in Medinet Habu (siehe Abb. 1.1 und Abb. 1.2) wurde um das Jahr 1187 vor Christus im westlichen Theben im oberen Niltal erbaut und folgte den Traditionen der Baukunst des Neuen Reiches. Seine Mauern sind mit einem Augenzeugenbericht des militärischen Erfolges des Pharaos geschmückt, samt den Zeugnissen gefangener Angehöriger der Seevölker sowie Illustrationen von Uniformen, Waffen und Schiffen.
Diese Zusammenstöße in Ägypten ereigneten sich gleichzeitig und in Zusammenhang mit dem von Homer beschriebenen Trojanischen Krieg. Homers Ilias, verfasst etwa fünf Jahrhunderte nach den Ereignissen, die sie schildert, ist die poetische Zusammenfassung mündlicher Überlieferungen, die seit Generationen bekannt waren. Lange für Fantasie gehalten, wurde Ilios, die trojanische Hauptstadt, 1871 entdeckt, zusammen mit physischen Beweisen für den Krieg, der mit ihrem Namen verbunden ist.
Abb. 1.1. Der Siegestempel von Ramses III. in Medinet Habu, wo der Bericht über Ägyptens Krieg mit Atlantis noch immer in Stein bewahrt ist.
Um 355 vor Christus verfasste der athenische Philosoph Platon zwei Dialoge, Timaios und Kritias, die von einem Angriff gegen die Mittelmeerwelt berichten. Er erzählt, wie atlantische Flotten- und Landstreitkräfte das westliche Italien und einen großen Teil Nordafrikas eroberten. Sie bedrohten anschließend Ägypten, wurden aber von einer griechischen Koalition bezwungen. Inmitten dieses Debakels wurde die Hauptstadt Atlantis durch eine Naturkatastrophe zerstört.
Merenptah, Ramses III., Homer und Platon beschreiben denselben Krieg, jeder aus einer anderen Perspektive. Und sie waren nicht seine einzigen Chronisten. Ureinwohner Amerikas, von Neuengland bis zur Yucatán-Halbinsel, erzählen von einer großen Flut, vor der ihre Urahnen nach einem schrecklichen Krieg flüchteten. Eine Synthese dieser verstreuten Quellen von beiden Seiten des Atlantiks lässt zum ersten Mal ein vollständiges Bild des Konflikts entstehen. Er taucht auf als ein gewaltiger Schlagabtausch, der nicht nur ein ganzes Zeitalter durch Feuer beendete, sondern auch die Fundamente legte, auf denen unsere moderne Welt noch heute beruht.
Die Ursprünge dieses gigantischen Kampfes reichen fast zwei Jahrtausende in die Vergangenheit zurück. Gegen Ende des vierten Jahrtausends vor Christus hatte die Zivilisation auf der Insel des Atlas eine beispiellose Verfeinerung erreicht. Die kulturellen und technischen Errungenschaften ihrer Bewohner waren allen anderen auf der Welt weit voraus. Jedes Volk hat seine nationale Ethik, die seine Identität definiert; ebenso die Atlanter. Sie waren friedliebend und tugendhaft, stolz auf ihre einzigartigen Erfolge als Architekten, Bewässerungsspezialisten, Mediziner, Astronomen und Seefahrer. Ihre Wurzeln reichten zurück bis in die Altsteinzeit mit der Mystik ihrer bemalten unterirdischen Höhlen. Sie bewahrten und nährten den Glauben ihrer Ahnen, der die wiederkehrenden Zyklen einer grundlegenden, natürlichen Ordnung betonte. Die Menschen hatten, wie alle anderen Lebewesen auch, Teil am ewigen Kreislauf von Geburt, Reifung, Verfall, Tod und Wiedergeburt. Sich im Einklang mit den wahrgenommenen Mustern des Lebens zu verhalten brachte eine Gesellschaft im Gleichgewicht hervor, bei der die äußere materielle Größe ihre innere spirituelle Einheit widerspiegelte.
Doch diese Harmonie sowie die ursprüngliche Weltsicht wurden um 3100 vor Christus erschüttert. Ein Komet oder vielleicht sogar eine ganze Reihe von Kometen ließen Schauer von Meteortrümmern auf die Erde niedergehen, die zu geologischen Umbrüchen führten. Heimgesucht durch das vom Himmel stürzende Feuer und heftige seismische Aktivitäten unter ihren Füßen, erlebten die Atlanter das Zerbrechen und die teilweise Überflutung ihres Heimatlandes. Bei diesem Aufruhr von Himmel, Meer und Erde kamen Tausende um, während die Zivilisation um sie herum in Trümmer fiel. Nachdem die heftigste Erschütterung vorüber war, erblickten die Überlebenden eine komplett veränderte Landschaft. Viele verzweifelten an der Aufgabe, ihre Heimat wiederaufzubauen, und flohen in entfernte Gegenden der Welt, weit weg von einem Ort, der offenbar von den Göttern verflucht war. Die meisten ihrer Führer und Denker schlossen sich der Massenmigration ins Niltal und nach Mesopotamien an. In diesen Regionen arbeiteten sie mit den einheimischen Bewohnern zuammen und gaben ihre Technologie und Spiritualität an sie weiter, wodurch neue Dynastien und Siedlungen entstanden. Dabei vermischte sich ihre Identität mit der der eingeborenen Bevölkerung, und so entstanden die Mischvölker und Kulturen des pharaonischen Ägypten und des sumerischen Schwemmlandes. Schwache Erinnerungen an die Atlanter sind in den Gründungsmythen der Ägypter sowie im Gilgamesch-Epos erhalten geblieben.
Abb. 1.2. Diese maßstabsgetreue Rekonstruktion zeigt den Tempel kurz vor seiner Vollendung, um 1185 vor Christus. Auf der großen Mauer ist ein gigantischer Ramses III. porträtiert, der die geschlagenen atlantischen Seevölker mit über den Köpfen gefesselten Händen in die Gefangenschaft führt. (Milwaukee Public Museum)
Andere Überlebende entschlossen sich, zu bleiben, die Trümmer zu beseitigen und eine neue Zivilisation auf den Überresten der alten zu errichten. Während dieser Zeit waren sie natürlich relativ ungeschützt gegenüber Angriffen von außen. Fremde Krieger nutzten die Notlage der traditionell friedfertigen Inselbevölkerung aus und unterwarfen sie, wenn auch nur zeitweise. Diese Demütigung führte zu einer Veränderung in der Psyche der Atlanter. Angesichts der harten Wirklichkeit der Bedrohung und Besatzung sowie des Traumas der Naturkatastrophe gaben die Inselbewohner die friedlichen Lehren ihrer Vorfahren von Harmonie und Menschlichkeit allmählich auf.
Ein weiterer einflussreicher Faktor trug zur Veränderung ihres Verhaltens bei: Reichtum. Einige Überlebende der Katastrophe segelten über das Meer, um an fernen Gestaden ein neues Leben zu beginnen. Ihre Flucht führte sie an die Küsten Nordamerikas. Dort trafen sie auf Ureinwohner, die den außergewöhnlichsten Kupferschmuck trugen, den die Atlanter jemals gesehen hatten. Nach dem Ursprung des Metalls befragt, brachten die Indianer sie tausende Kilometer tief ins Land, ins Gebiet der Großen Seen und der Oberen Halbinsel von Michigan. Dort stießen sie oberirdisch auf Brocken von gediegenem Kupfer, die Jahrtausende zuvor von zurückweichenden Gletschern zurückgelassen worden waren. Diese wurden von Stammesangehörigen gesammelt und zu Schmuck verarbeitet. Die Fremden sahen jedoch diese Kupfervorkommen an den Küsten des Oberen Sees mit anderen Augen. Als erfahrene Erzsucher wussten sie, dass solche Funde unterirdischen Reichtum versprachen.
Sie kehrten also zurück zur Insel des Atlas, die sich noch von dem Unglück von 3100 vor Christus erholte, und erzählten ihren Landsleuten von dem mineralischen Reichtum jenseits des Meeres. Als Bergleute, nicht als Flüchtlinge, zogen sie nun aus und begannen auf der Oberen Halbinsel mit dem Abbau der Erze in wahrhaft atlantischer Größenordnung. Millionen Tonnen Erde wurden ausgehoben, um Tonnen von Kupfer auszugraben. Das gewonnene Kupfer wurde zu Barren geschmolzen, um es auf die Insel des Atlas zu transportieren, wo es mit Zink und Zinn legiert wurde. Das Bronzezeitalter war geboren.
Damit beherrschten die Atlanter den Markt und bestimmten das Angebot an Kupfer, unverzichtbares Element der Bronzeproduktion. Jeder Herrscher der zivilisierten Welt wurde zum Kunden dieser ozeanischen Metallbarone. Kein König konnte sein Reich gegen die Bronzewaffen eines Feindes schützen, wenn seine eigene Streitmacht nicht ebenso ausgerüstet war. Aus Bronze ließen sich außerdem hervorragende Werkzeuge herstellen, und Monarchen stellten ihren Reichtum und ihre Macht zur Schau, indem sie Stadtmauern und -tore damit verzieren ließen. Bronze war die Atomenergie jener Tage: Sie nicht zu besitzen, schloss ein Volk aus dem Verbund der zivilisierten Gesellschaften aus. Und die Atlanter waren die einzigen Händler. Infolgedessen flossen die Reichtümer der damaligen Welt auf ihre Insel und veränderten sie und ihr Volk für immer.
Als fähige Seefahrer bauten sie eine starke Flotte zur Verteidigung der geheimen Seewege nach Nordamerika mit seinen reichen Kupfervorkommen. Mächtige Schiffe transportierten nicht nur Ladungen des Metalls, sondern bekämpften auch Piraten und Konkurrenten, denn der atlantische Reichtum beruhte auf dem Monopol des Kupferhandels. Bald gründeten sie Kolonien, von Yucatán und Kolumbien bis zu den britischen Inseln, Spanien und Nordafrika – einschließlich anderer Atlantikinseln wie Azoren und Kanaren –, um die jeweiligen regionalen Ressourcen, wie zum Beispiel Nahrungsmittel, exotische Materialien, wertvolle Hölzer, Luxusgegenstände und andere Handelsgüter, zu nutzen.
Lange nachdem das Land sich von dem ersten Unglück erholt hatte, schlug 2193 vor Christus eine weitere Kometenkatastrophe zu. Wie zuvor flüchteten große Teile der Bevölkerung von der Insel, doch diesmal wanderten sie in die angegliederten Königreiche und Kolonien auf beiden Seiten des Atlantischen Ozeans aus, womit sie das Reich stärkten. Die Hauptstadt war stark beschädigt, aber der Wiederaufbau begann sofort. Zwar versanken einige Teile der Insel aufgrund vulkanischer Eruptionen im Meer, was zu neuen Auswanderungswellen zu den Küsten auf beiden Seiten des Atlantiks führte. Jedoch verloren die Atlanter niemals die Kontrolle über das Bronzezeitalter, das sie selbst hervorgebracht hatten.
Während der folgenden sechshundert Jahre lieferten die Minen von Michigan Millionen Tonnen von Kupfer für den unersättlichen Markt. Auch wenn die traditionelle Spiritualität von Atlantis vom Materialismus überschattet wurde, war das Volk zwar kommerziell orientiert, aber nicht militärisch aggressiv. Die Flotten und Armeen bewachten die Kolonien und verteidigten das Heimatland gegen jede äußere Bedrohung, aber Eroberungen wurden durch Handel gemacht, nicht durch Waffengewalt. Fast die ganze erste Hälfte des zweiten Jahrtausends vor Christus hindurch genossen die Atlanter beispiellosen Wohlstand und all die kulturellen Errungenschaften, die damit einhergehen. Das Idyll dauerte an, bis das »Feuer des Himmels« im Jahr 1628 vor Christus erneut zuschlug. Noch einmal wurde die Welt Opfer eines mörderischen Kometen, von dem flammende Trümmer auf eine wehrlose Menschheit herabregneten. Der mittelatlantische Rücken bebte unter dem kosmischen Angriff und sandte Schockwellen in alle atlantischen Länder.
Wie schon zweimal zuvor in ihrer Geschichte machten die Atlanter Bekanntschaft mit Zerstörung und Auswanderung. Ihre Stadt litt, aber beim Wiederaufbau jener Epoche zeigte sich eine bemerkenswerte Veränderung. Vor langer Zeit hatte die Stadt Atlantis sich über den neolithischen Ruinen einer heiligen Stätte erhoben, aber mit dem Wachstum der Bevölkerung expandierte sie weiter und wurde schließlich zu einer Metropole. Nun offenbarte sich ihre militärische Einstellung in kreisförmigen Kanälen, die als Verteidigungsgräben für künstliche Inseln dienten, und hohen Mauern, die mit Wachttürmen gesäumt waren. Der innerste Kreis wurde zur Residenz des Reiches, zu einem geschäftigen Hauptquartier von Generälen und Admiralen, mit Paradeplätzen und Kasernen für Seeleute und Marinesoldaten. Ein neuer Hafen, der größte, wurde ausschließlich für Kriegsschiffe gebaut. Die hochgerüsteten Verteidigungsanlagen der Hauptstadt verraten die Sorge vor neuen potenziellen Gefahren und deuten vielleicht sogar auf eine aggressivere Außenpolitik hin. Tatsächlich reflektierten diese Veränderungen veränderte Bedingungen in anderen Teilen der Welt.
Die Naturkatastrophe von 1628 vor Christus hatte ihre schlimmsten Auswirkungen im östlichen Mittelmeer, wo sie die vulkanische Insel von Thera, das heutige Santorin, mit der Kraft eines gewaltigen nuklearen Ereignisses zur Explosion brachte. Die Zivilisation in der Ägäis wurde dadurch zwar nicht ausgelöscht, aber schwer angeschlagen, und die politischen Machtverhältnisse strukturierten sich neu. Vorher hatte das minoische Kreta mit seinen Handelsflotten diesen Teil der Welt dominiert, aber nun begegneten seine Seefahrer ernsthaften Konkurrenten. Die Erschütterungen hatten die Region destabilisiert, was zu einem Aufschwung der Piraterie rund um Zypern, Rhodos und die Kykladen führte. Auf dem griechischen Festland verheerten die Mykener die Randgebiete des minoischen Wirtschaftsimperiums mit Plünderungen und zunehmender Gewalt. Aus dieser Bedrohung wurde schließlich eine Invasion, wie sich durch die Einführung eines neuen Schrifttyps in Kreta, der Linearschrift B, belegen lässt.
Diese griechische Eroberung alarmierte ein anderes Volk nahe den Küsten des nordwestlichen Kleinasiens in der heutigen Türkei. Die Trojaner herrschten dort über ihr eigenes Reich von einer bekannten Stadt aus, Ilios, die auf einem Hügel thronte und einen guten Überblick über alle Zugänge bot, besonders die vom Meer aus. Die Hauptstadt besaß extrem starke Verteidigungsanlagen. Die Bewohner waren buchstäblich eingeschlossen hinter militärisch konstruierten Mauern voller Wachtürme und einer Reihe von Anti-Belagerungswaffen, die Tag und Nacht besetzt waren. Aber die Bewohner von Ilios waren nicht paranoid. Sie hatten guten Grund, die Außenwelt zu fürchten, denn ihre Stadt war schon einmal geplündert worden. Diese Niederlage hatte zwar in ferner Vergangenheit stattgefunden, doch nun waren die Trojaner reicher als jemals zuvor, weil sie die Dardanellen kontrollierten, die Meerenge, die dem europäischen Handel den Zugang zu den lukrativen Märkten rund um das Schwarze Meer ermöglichte.
Im Bewusstsein ihrer strategischen Bedeutung erhoben die Trojaner Zollgebühren von allen Händlern, die dort passieren wollten. Die resultierenden Einnahmen füllten die Kassen von Ilios und zogen Verbündete an, die vom Wohlstand der Stadt profitieren wollten. Doch sie machten sich damit auch Feinde, denn so einige missbilligten die hohen Zahlungen, die sie für das Durchsegeln der Dardanellen entrichten mussten. Der wichtigste dieser Konkurrenten, Mykene, hatte sich eben mit der Eroberung Kretas hervorgetan. Diese Übernahme trug enorm zur Erweiterung des mykenischen Einflussbereichs bei. Bereits im sechzehnten Jahrhundert vor Christus reichte ihr Handel bis Südfrankreich, aber auch über den Atlantik bis nach Cornwall. Dort traten sie mit den Atlantern in direkte Konkurrenz um den Handel mit Zinn, das wichtig war für die Bronzeproduktion, die die Könige von Atlantis als ihr eigenes Monopol betrachteten.
Die Übernahme des minoischen Handels, an dem Ilios seit Jahrhunderten aktiv beteiligt gewesen war, durch feindliche Griechen bedrohte die Trojaner, und sie suchten nach hilfreichen Verbündeten. Ihr mächtiger Nachbar im Osten, der hethitische Großkönig, war der Stadt Wilion, wie er die Hauptstadt Ilios nannte, durchaus wohlgesonnen. Doch sein Interesse konzentrierte sich auf den großen Rivalen Ägypten, dessen Reich sich damals bis ins heutige Nordsyrien erstreckte, wo sich in den Grenzregionen ernsthafte Konflikte zwischen den beiden Supermächten, dem ägyptischen und dem hethitischen Reich, anbahnten. Das Letzte, was er nun wollte, war eine Ablenkung in der Ägäis, wo hethitische Interessen nicht zur Debatte standen.
Im Westen hatten die trojanischen Abgesandten mehr Glück. Ihr Gründungsmythos beschreibt sie schließlich als Abkömmlinge des Dardanos, des Sohnes der Elektra, der Tochter von Atlas – und damit einer Atlanterin. Nun waren die Atlanter in jüngster Zeit durch mykenische Übergriffe in Britannien verunsichert worden. Zusätzlich würde ein Pakt mit Troja Atlantis den Mittelmeerraum eröffnen. Wenn Atlantis der Status einer begünstigten Nation gewährt würde, hätten seine Kaufleute Zugang zu den Märkten am Schwarzen Meer auf der anderen Seite der Dardanellen.
Das Abkommen zwischen Atlantis und Troja sandte Schockwellen durch den Rest der damaligen zivilisierten Welt, vor allem nachdem Libyen, der ewige Feind Ägyptens, diesem Pakt beigetreten war. Pharao Ramses II. schloss hastig ein Bündnis mit den Hethitern, die ihn gerade in der epischen Schlacht von Kadesch in Nordsyrien besiegt hatten. Die Hethiter waren nicht weniger entsetzt angesichts der atlantischen Ambitionen im Mittelmeerraum, insbesondere da sie befürchteten, dass die Mykener entweder besiegt oder gezwungen werden könnten, sich den Seevölkern anzuschließen – ein Name, mit dem sowohl die Ägypter als auch die Hethiter alle Mitglieder des sich vergrößernden Bundes bezeichneten. Im Jahr 1283 vor Christus wurden schriftliche Zeugnisse ihres Beistandspakts in den jeweiligen Hauptstädten, Theben im oberen Niltal und Hattusas im Zentrum Anatoliens, verewigt. Heute, nach mehr als zweiunddreißig Jahrhunderten, können Besucher des großen Luxor-Tempels den Text noch heute auf den monumentalen Säulen der Stadt erkennen, zusammen mit den in Stein gemeißelten Bildern der bedrohlichen Seevölker, die ausdrücklich im Vertrag erwähnt werden.
Die unerwartete diplomatische Kehrtwende zwischen diesen einstigen Gegnern, den Ägyptern und Hethitern, alarmierte wiederum die Atlanter, und ihre Militärmaschine legte einen höheren Gang ein. Ein ganzer Abschnitt des vierten Teils von Platons Kritias beschreibt die Streitkräfte von Atlantis auf dem Zenit seiner Macht. Die Landarmee wurde von sechzigtausend Offizieren geführt, die »eine unbegrenzte Menge von Männern in den Bergen und anderen Teilen des Landes« kommandierten. Diese Fußsoldaten wurden unterstützt durch zehntausend Wagen mit je zwei Hopliten (schwer bewaffnete Fußsoldaten), zwei Bogenschützen, zwei Schleuderern, drei leicht bewaffneten Steinwerfern, drei Speermännern oder vier Marinesoldaten. Die Seestreitmacht war die größte der damaligen Zeit und verfügte über zwölfhundert Kriegsschiffe, Versorgungsschiffe und Transporter. Diese Zahlen beziehen sich nur auf Atlantis selbst und schließen nicht die neun angegliederten Königreiche ein, aus denen sich der Rest des Reiches zusammensetzte. Insgesamt reichten ihre Kräfte aus, um selbst die Ägypter und die Hethiter so einzuschüchtern, dass sie einen Vertrag zur gegenseitigen Hilfe abschlossen.
Trotz all ihrer Flotten und Armeen waren die Atlanter mit ihren Chancen noch immer unzufrieden, und sie begannen zusätzliche Verbündete in Italien, Sardinien, Sizilien und Palästina zu rekrutieren. »Sie hatten keine gemeinsame Sprache«, sagt Homer über die Seevölker, »sondern eine Verwirrung der Zungen, denn sie waren aus vielen Ländern gerufen worden.« Lydien, Luwien, Kizzuwatna und fast alle anderen Küstenländer Kleinasiens schlossen sich dem trojanischen Lager an. Einer von Trojas Prinzen, Ilioneus, prahlte: »Viele Nationen und viele Rassen haben ein Bündnis mit uns gesucht und wollten, dass wir uns mit ihnen zusammenschließen.« Zu jener Zeit erstreckte sich das Atlantische Reich mit seinen Kolonien, angegliederten Königreichen und Verbündeten von den Küsten Mittel- und Südamerikas im Westen bis zu den britischen Inseln und schloss die Iberische Halbinsel, Italien, ganz Nordafrika bis zur ägyptischen Grenze sowie die Westküste Kleinasiens mit ein. Es umfasste Millionen von Menschen über viele tausend Kilometer sowie ein politisches Netzwerk, das größer war als das Roms und für die nächsten dreitausend Jahre, bis zum Aufstieg des britischen Imperialiums, unerreicht bleiben sollte. Wie Ilioneus staunend bemerkt, war es »das mächtigste Reich, das die Sonne bei all ihren Reisen vom äußersten Rand des Himmels je gesehen hat«.
Zur gleichen Zeit listete der hethitische Großkönig Tudhaliyas IV. für seinen königlichen Verbündeten im Amurri-Reich auf Zypern seine eigene Koalition auf: »Die Könige, die mir gleichrangig sind, sind der König von Ägypten, der König von Babylon, der König Assyriens und der König von Ahhiyawa [Homers Achaia, das mykenische Griechenland].« All diese Kämpfer wurden nun für eine internationale Konfrontation aufgestellt, und noch nie hatten sich so viele verschiedene Armeen und Flotten über so große Entfernungen hinweg versammelt.
Die Mykener hatten weitaus weniger Erfolg damit, die anderen Griechen davon zu überzeugen, dass ein universelles Bündnis notwendig war. Dafür sprachen allerdings die Umtriebe trojanischer Freibeuter (gegen die auch die Mykener nicht immun waren), deren Verwüstungen sich auf den gesamten Peloponnes auszudehnen begannen. Es gab außerdem beunruhigende Nachrichten aus Troja selbst. König Priamos hatte gerade ein intensives Schiffsbauprogramm gestartet. Seine Untertanen waren führend in der Herstellung von Segeltuch und der Produktion von Pech, und ihr Land war ungewöhnlich reich an Wäldern und Bauholz. Die Mykener schlossen daraus, dass eine Invasionsflotte gegen sie vorbereitet würde, und es kam zu einem Wettrüsten der Seestreitkräfte.
Inmitten dieser Umtriebe könnten trojanische Piraten zu weit gegangen sein, absichtlich oder zufällig, als sie eine königliche Person gefangen nahmen, vielleicht eine Frau namens Helena. Ihre Entführung könnte der Propaganda-Akt gewesen sein, der die zerstrittenen Griechen einte. Keine geringere Autorität bezüglich der Ereignisse jener Zeit als der renommierte Lionel Casson vermutet, dass die »Entführung« Helenas tatsächlich der Funke war, der das Pulverfass zum Explodieren brachte. Sie war zumindest ein zugkräftiges Symbol für die Verluste, die Mykene durch trojanische Piraten erlitt. Angesichts des Charakters jenes Zeitalters ist es durchaus im Bereich des Möglichen, dass eine griechische Prinzessin während eines der zahlreichen Akte der Piraterie, die damals in der Ägäis vorkamen, geraubt wurde.
Die Entführung eines Mitglieds des königlichen Hauses wäre sicher Grund genug für einen Krieg zwischen zwei Völkern, deren Beziehungen auf Messers Schneide stehen. Vielleicht war es auch ein bewusster Akt der Trojaner, um eine entscheidende Konfrontation zu provozieren. Was auch immer das Motiv war, die Mykener zogen alle verfügbaren Schiffe zusammen und versammelten alle Krieger von Pylos bis Phillippi für einen waghalsigen Erstschlag. Dies war mit Sicherheit die richtige Entscheidung, weil die Trojaner dadurch nicht nur vom Zugang zum Meer abgeschnitten wurden, wodurch ihre Flotte wertlos wurde, sondern sie auch gezwungen waren, für die Dauer des Konflikts defensiv zu kämpfen. Im Jahr 1237 vor Christus überquerten griechische Streitkräfte in großer Zahl das Ionische Meer, um an mehreren wichtigen Punkten entlang der Westküste Kleinasiens zu landen und Troja von aller Hilfe von außen abzuschneiden. Sie begannen sofort, die Hauptstadt zu belagern. Ab dem ersten Tag des Krieges lag der Vorteil bei den Eindringlingen. Sie besiegten nacheinander König Priamos’ anatolische Verbündete und bereiteten anschließend einen großen Angriff auf Ilios vor (siehe Abb. 1.3).
Angesichts der griechischen Seestreitmacht im Norden und der ägyptischen Marine, die im Süden zum Einsatz bereitstand, wollten die atlantischen Admirale es vermeiden, ihre Flotte in eine so offensichtliche Falle zu lenken, gleichgültig, wie verzweifelt die Situation für ihre anatolischen Verbündeten war. Sie warteten also ab, ob eine trojanische Gegenoffensive die Umzingelung des Feindes durchbrechen und die Mykener zurück ins Meer treiben würde, wo sie sich leichter angreifen ließen. Die Hethiter auf der anderen Seite des belagerten Ilios warteten ebenfalls ab. Auch wenn sie die Seevölker fürchteten und auf ihre Vernichtung hofften, trauten sie Ägypten nicht, denn sie wussten, dass ein endgültiger Showdown mit dem Pharao – Vertrag hin oder her – unvermeidlich war. Die Ägypter ihrerseits hielten ebenfalls Abstand und begnügten sich damit, Getreide und Waffen an ihre unsicheren Verbündeten in Kleinasien zu schicken. Die Hethiter beschlossen, alle Gegner gegeneinander auszuspielen, bis sich eine günstige Gelegenheit zur Intervention ergeben würde. Wenn die Mykener sich überlegen zeigten, würden die Hethiter Ilios erobern, um zu verhindern, dass es an die Griechen fiele. Und wenn die Trojaner die Oberhand gewönnen, würden die Hethiter Troja besetzen, bevor die Seevölker in Kleinasien Fuß fassen konnten. In der Zwischenzeit bestand die beste Strategie wohl darin, allen Seiten zu erlauben, sich durch gegenseitiges Abschlachten zu schwächen, während sie ihre eigene Kraft für den entscheidenden Moment des Eingreifens aufsparten.
Dieser Moment schien gekommen zu sein, als sich die atlantische Hoffnung auf einen trojanischen Ausfall erfüllte: Ein Streitwageneinsatz durchbrach von Ilios aus die feindlichen Linien und bedrohte die Flotte der Griechen. Viele Schiffe gingen in Flammen auf. Die Mykener wurden zunächst ins Meer zurückgedrängt, sammelten sich jedoch wieder und begannen eine verzweifelte Gegenoffensive, so dass die Trojaner sich schließlich unter schweren Verlusten hinter ihre sicheren Stadtmauern zurückziehen mussten.
Während das eigentliche Ziel der Operation – den Feind an der Küste von weiteren Versorgungsmöglichkeiten abzuschneiden – nicht erreicht wurde, waren die Griechen doch zutiefst erschüttert, da sie während der Schlacht um ihre Schiffe der Vernichtung nur knapp entgangen waren. Die Verluste und die Erschöpfung der Griechen ausnutzend, griff die atlantische Flotte nun plötzlich an und durchquerte mit hoher Geschwindigkeit überall dort die Linien mykenischer Kriegsschiffe, wo sie nur dünn verteilt waren. Die Schiffe wurden in Schach gehalten oder versenkt, während Truppen der Seevölker erfolgreiche Landungen entlang der anatolischen Küste unternahmen. Eine ganze Armee – zehntausend Marineinfanteristen – ging unter dem wilden Beifall ihrer lydischen Verbündeten an Land. Sie wurden von Memnon angeführt, einem großen und kraftvollen Mann. Allgemein waren die Atlanter bekannt für ihre mächtige Statur, so dass die griechischen Mythen sie als »Titanen« bezeichneten.
Abb. 1.3. Die schrägen Verteidigungsmauern von Ilios, der Hauptstadt Trojas. Der Trojanische Krieg, der hier stattfand, war eigentlich nur eine lokale ägäische Phase der atlantischen Invasion der mediterranen Welt, wie sie von Platon beschrieben wurde.
In den Posthomerica wird Memnon als ein König aus Äthiopien beschrieben. Äthiopien wurde in früh- und vorklassischer Zeit mit den atlantischen Küsten Nordwestafrikas sowie mit dem atlantischen Reich im Allgemeinen assoziiert. Erst Jahrhunderte später wurde der Name »Äthiopien« einem Land südlich von Ägypten zugeordnet (siehe Joseph, Der Untergang von Atlantis, viertes Kapitel, Abschnitt »Der Strahlende«). Ovid beschreibt im vierten Buch seiner Metamorphosen, dass Prinzessin Andromeda in Äthiopien an eine hohe Klippe mit Blick auf das Meer gefesselt wurde – in dem Gebiet, das wir heute als Äthiopien kennen, wäre das nicht möglich gewesen. Andere Elemente des Andromeda-Mythos beschreiben nicht nur die Grenzen des Landes zum Ozean hin, sondern enthalten auch erkennbare atlantische Themen. Andromeda war die Urenkelin Poseidons, des Schöpfers von Atlantis. Dieser verwüstete die Küsten Äthiopiens mithilfe eines Ungeheuers, das Ovid als »vulkanisch« beschreibt, was auf Tsunamis hindeutet, die vom vulkanischen Berg Atlas ausgingen. Ein anderer römischer Gelehrter, Plinius der Ältere, gibt an, dass Äthiopien ursprünglich als Atlantia bekannt war. Memnon sagt von seiner frühen Kindheit: »Die Hesperiden zogen mich weit entfernt am Strom des Okeanos auf.« Die Hesperiden waren Atlanterinnen, Töchter des Atlas, die den heiligen Baum mit goldenen Äpfeln in der Mitte seines Inselreiches bewachten. Dass Memnon von ihnen »aufgezogen« wurde, zeigt, dass er in der Tat ein König war, ein Mitglied des königlichen Hauses von Atlantis. Nach seinem Tod wurde er von einer anderen Gruppe von Atlanterinnen betrauert, den Plejaden, Töchtern der Meeresgöttin Pleione und des Atlas.
Politisch und militärisch war Memnon ein idealer Führer. Seine Mutter Eos (Göttin der Morgenröte) gebar ihn in Atlantis, und sein Vater Tithonus gehörte zum königlichen Haus von Troja – ein Stammbaum, der ihm die Unterstützung sowohl atlantischer als auch trojanischer Truppen sicherte. Zu einer besonderen Armee namens Memnoniden vereint, trugen seine Soldaten unverwechselbare Brustpanzer mit dem Abbild einer schwarzen Krähe, dem Tier des Kronos, eines Titanen, der mit dem Atlantik in Verbindung gebracht wurde. Das Krähenabzeichen war ein Ausdruck der stolzen Herkunft der Truppen, ihres Korpsgeistes und ihrer Treue zu ihrem Anführer.
Memnon marschierte mit ihnen über die lydische Grenze nach Norden, entlang der anatolischen Küste und weiter, um Ilios zu entlasten. Dabei stellte sich ihnen ein bewaffnetes Heer von Solymi entgegen, griechischen Verbündeten, die Entsatzversuche wie diesen verhindern sollten. Die Memnoniden griffen sie frontal mit einer solch blitzartigen Geschwindigkeit an, dass die Front des Feindes in zwei Teile zerfiel, worauf das gesamte Zentrum zusammenbrach. Die Atlanter kreisten sie daraufhin ein und vernichteten ihre betäubten Gegner mit einer meisterhaft koordinierten Doppelzangenbewegung, mit Memnon selbst inmitten der Kämpfe. Im ersten Buch der Posthomerica beschreibt Quintus von Smyrna, wie der Atlanter »mit zornerfüllten Händen eine große Armee aufsässiger Solymi tötete«. In der Tat überlebte keiner den Angriff. Die Schnelligkeit und Vollständigkeit ihrer Niederlage schockierte die übrigen griechischen Verbündeten, die sich zerstreuten, so dass die Memnoniden schnell und ungehindert auf Ilios zusteuern konnten.
Memnons Truppen kamen gerade noch rechtzeitig an. Hektor, Trojas wichtigster Heerführer und Feldherr in der beinahe siegreichen Schlacht um die Schiffe, war vor kurzem im Zweikampf mit Achilles gefallen. Der rachsüchtige Grieche kostete diesen Triumph aus, indem er die Leiche des trojanischen Heerführers an seinen Streitwagen band und sie um die Mauern von Ilios schleifte – ein makabres Schauspiel für dessen unglückliche und hilflose Bewohner. In diesem dunklen Augenblick der langen Belagerung hatte das Erscheinen Memnons an der Spitze seiner Armee von Seevölkern eine erhebende Wirkung auf die kriegsmüden Trojaner. Mit seiner Hilfe erschien ein Sieg nun doch noch möglich. Die Memnoniden stürzten sich in den Kampf und erlitten schreckliche Verluste, konnten dem Feind aber ebenfalls schwere Schläge zufügen. In einer schnellen Folge von erbitterten Schlachten wurden die Mykener erneut zu ihren Schiffen zurückgetrieben. Nichts schien den atlantischen Titanen aufhalten zu können. Das Kriegsglück verließ die Griechen, und sie erwogen, das Feld zu räumen, solange sie noch konnten. Doch just in dem Augenblick, als die Memnoniden kurz davorstanden, das feindliche Lager aufzurollen, starb ihr Anführer durch dasselbe Schwert, das auch Hektor getötet hatte.
Eine militärisch hochgerüstete Rasse kam aus dem Atlantik und fiel mit einer großen Flotte und einer starken Armee in ganz Westeuropa und Nordafrika ein, bis hin zur libyschen Wüste. Ohne Rücksicht auf Nationen, die in jenen fernen Tagen neutral bleiben wollten, überrannten sie jedes Land zwischen Gibraltar und der heutigen Levante.
HAROLD T. WILKINS:MYSTERIES OF ANCIENT SOUTH AMERICA
Mit Memnons Tod verloren seine Soldaten den Kampfesmut. Er war Trojas letzte Hoffnung gewesen. Nach zehnjähriger Belagerung fiel die Hauptstadt in einem Feuersturm, als Homers Achäer Ilios plünderten. Ihre Schiffe, mit Beute und Sklaven beladen, kehrten über das Ionische Meer nach Griechenland zurück. Die atlantische Flotte forderte sie nicht heraus, sondern zog still in südlicher Richtung ab. Bei jedem Versuch, die Dardanellen zu erobern, wären sie nun mit den siegreichen Mykenern auf der einen Seite und den abwartenden Hethitern auf der anderen Seite konfrontiert gewesen – eine Situation, die es zu vermeiden galt. Selbst wenn sie die Meerenge hätten einnehmen können, wäre es doch unmöglich gewesen, sie zu halten.
Auch wenn die Atlanter eine Armee verloren hatten, repräsentierten ihre Schiffe doch immer noch eine weitgehend intakte, starke, wenn auch von ihrer Basis entfernte Seemacht. Ein Rückzug aus dem Mittelmeer wäre eine Demütigung gewesen, die man nicht in Betracht ziehen konnte – und zudem gefährlich, weil ihre Autorität untergraben würde, was sich kein Imperialist leisten kann, der seine Untertanen in hinreichender Ehrfurcht halten möchte.
Die atlantischen Strategen ließen sich jedoch nicht entmutigen. Trotz des Debakels von Troja waren ihre libyschen, italienischen, palästinensischen und sonstigen Verbündeten noch immer bereit zum Handeln. Inzwischen zerfiel die Einheit der Griechen bereits wieder in die zerstrittenen Fraktionen der Vorkriegstage, und nachdem die Griechen Ilios nach der Plünderung brennend zurückgelassen hatten, waren die Hethiter damit zufrieden, sich die trojanische Einflusssphäre im Nordwesten Kleinasiens kampflos einzuverleiben. Obwohl offiziell mit Ägypten verbündet, hatten sie nicht vor, es vor Angriffen von außen zu verteidigen, besonders wenn die Seevölker sich dem Niltal zuwandten und Kleinasien dabei in Frieden ließen. Ein atlantisch-ägyptischer Krieg würde sicher beide Seiten schwächen, zum Vorteil der Hethiter.
Die atlantischen Kommandeure waren jedoch zuversichtlich, dass sie mehr als ein Patt mit Ägypten erreichen könnten. Kurz nachdem der trojanische Krieg begonnen hatte, starb der mächtige Ramses II. im Alter von 97 Jahren und hinterließ den Thron einem anderen alten Mann, seinem dreizehnten Sohn. Zum Zeitpunkt seiner Inthronisation im Jahre 1236 vor Christus war Pharao Merenptah etwa sechzigjährig und wurde im In- und Ausland allgemein für schwach und unentschlossen gehalten. Es kam zu Arbeiteraufständen, etwas, was es während der langen Regierungszeit seines Vaters nie gegeben hatte, und Nubien zeigte Anzeichen von Unruhe.
Von der allgemeinen Situation ermutigt und nicht bereit, nach Hause zurückzukehren, da sie für beinahe zehn Jahre auf See wenig vorzuweisen hatten, entwickelten die Atlanter eine Strategie zu Land und zu See, die nichts weniger als die Unterwerfung Ägyptens zum Ziel hatte. Eine solche Eroberung würde Atlantis unbestreitbar zum mächtigsten Reich der Erde machen und seine Position im Nahen Osten sichern. Der oberste militärische Architekt dieses ehrgeizigen Unternehmens war Teucer, bei den Ägyptern als Tjeker bekannt. Er erscheint in Homers Ilias als Gründer von Salamis auf Zypern, einem der wichtigsten Sammlungsorte der Seevölker für die geplante Invasion.
Teucers Kriegsplan sah einen dreiseitigen Angriff der atlantischen Flotte auf das Nildelta vor, wobei gleichzeitig ihre konföderierten Einheiten aus dem Norden einfallen sollten. Sein Ziel dabei war, mit einem einzigen kombinierten Schlag die ägyptische Seestreitmacht zu überwinden und Truppen an Land zu bringen. Die Marinesoldaten sollten landeinwärts marschieren und die strategisch gelegenen Städte Damietta, Busiris und Sais einnehmen. Die wichtigsten Kampfkreuzer sollten sie unterstützen, indem sie parallel zu ihrem Vormarsch den Nil hinauf segelten. Hauptangriffsziel dieser Eröffnungsphase der Kampagne war das Verwaltungszentrum in Memphis. Wenn dieses eingenommen werden könnte, würde es den Ägyptern schwerfallen, ihren Widerstand zu koordinieren.
Parallel zum Angriff vom Meer aus sollten libysche Streitkräfte unter der Führung von König Meryey von Westen her in das Delta eindringen. Und im Osten würden atlantische Transporter Streitkräfte der Philister (auch als Pelischti oder Peleset bekannt) an Land setzen, Verbündete der Seevölker, die die Landesteile südlich der hethitischen Landesgrenze (im heutigen Syrien) erobern sollten. Diese Truppen würden dann, vermutlich mit dem inoffiziellen Segen der Hethiter, zum Nildelta marschieren, das bereits von Norden und Westen angegriffen wurde.
Im beginnenden Frühjahr des Jahres 1227 vor Christus, in der Nacht bevor all diese ausgeklügelten Prozesse in Gang gesetzt wurden, befand sich das geplante Opfer in tiefem, wenn auch unruhigem Schlaf. Merenptah hatte einen lebhaften Traum. Der Gott, nach dem er benannt war, erschien ihm in riesiger Gestalt. Ptah, der göttliche Schöpfer, reichte dem Pharao wortlos ein Schwert, als wollte er sagen: »Verteidige meine Zivilisation!« Merenptah schreckte auf und erwachte zu vollem Bewusstsein. Er ergriff den bereitliegenden Klöppel, schlug auf den Kupfergong neben seinem Bett, und die Kammer des Königs füllte sich sofort mit bewaffneten Wachen. Es war kein Priester nötig, um seinen Traum zu interpretieren. Er versammelte alle Befehlshaber und befahl, die Verteidigungslinien des Deltas in volle Bereitschaft zu versetzen.
Während sie ihre Vorbereitungen trafen, füllte dreihundert Kilometer entfernt eine frische Morgenbrise die Segel der Atlanter. Die Armada führte ihre zweitausend Schiffe von den Hauptquartieren in der Ägäis, Zypern und Rhodos, heran. Ihre Seestreitmacht war die größte und am besten ausgestattete der damaligen Welt. Bildnisse der Kriegsschiffe und Seeleute sind noch an den Wänden des Tempels in Medinet Habu im oberen Niltal zu sehen (siehe Abb. 2.1). Es handelte sich nicht um die relativ kleinen, an der Küste stationierten Schiffe der Ägypter, sondern, mit den Worten von Lionel Casson, um »wirkliche Hochseeschiffe«, die zu längeren Fahrten auf dem offenen Meer geeignet waren. Sie waren in der Tat die Flotte eines Seevolkes und wiesen für die damalige Zeit enorme nautische Fortschritte auf, wie Taue oder dicke Seile zur Kontrolle der Segel, die dem Wind ausgesetzt waren, und stark verspannte Rümpfe, die den Stößen großer Wellen widerstehen konnten.
Abb 2.1. Das Profil eines atlantischen Marinesoldaten, wie er auf den Tempelmauern von Medinet Habu in Oberägypten abgebildet ist.
Diese Kriegsschiffe waren nicht nur viel größer als alles, was die Ägypter kommandierten, sondern sahen auch ganz anders aus. Sowohl Bug als auch Heck erhoben sich steil und formten langschnäblige Greifvögel als Galionsfiguren. Dieses Schiffsdesign erscheint auf einem Bügelkrug aus dem Jahr 1180 vor Christus, der auf Skyros gefunden wurde, einer der Zufluchtsinseln der Atlanter in der Ägäis nach dem Fall von Troja. Das vogelköpfige Seemotiv findet sich auch überall in der Villanova-Kultur der Etrusker, besonders in der alten Stadt Tarchna. Beispiele aus dem Monterozzi-Grab zeigen, dass Modelle dieser besonderen Schiffe zusammen mit etruskischen Kriegern von höherem Rang begraben wurden, worauf auch ein prächtiger Helm und goldene Armbänder hinweisen, die bei der Ausgrabung gefunden wurden.