Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Die verwitwete Christine lebt einsam und allein in einem kleinen Städtchen. Freilich, sie hat den Chor, mit dem sie sich wöchentlich trifft und zu festlichen Begebenheiten auftritt. Aber richtige Freunde hat sie nicht. Sie ist vom Leben gezeichnet. Früh hatte sie ihren Mann verloren und eigentlich nur für und durch ihre Kinder gelebt. Nun sind sie alle ausgezogen und leben in der ganzen Welt verstreut. Viel Kontakt gibt es daher zu keinem der Kinder.An Weihnachten fällt es Christine immer am stärksten auf, wie sehr sie ihre Kinder vermisst. Auch, weil sie noch immer nicht weiß, ob dieses Jahr überhaupt jemand kommt. Dabei ist übermorgen schon Weihnachten. Vielleicht ist im Briefkasten ja ein Brief oder eine Karte von Roland oder Steffi. Noch hatte niemand weder abgesagt noch zugesagt. Christine eilt deshalb nach der Chorprobe nach Hause, um rasch nachzusehen... Lise Gast (geboren 1908 als Elisabeth Gast, gestorben 1988) war eine deutsche Autorin von Kinder- und Jugendbüchern. Sie absolvierte eine Ausbildung zur landwirtschaftlichen Lehrerin. 1933 heiratete sie Georg Richter. Aus der Ehe gingen 8 Kinder hervor. 1936 erschien ihr erstes Buch "Tapfere junge Susanne". Darauf folgen unzählige weitere Geschichten, die alle unter dem Pseudonym Lise Gast veröffentlicht wurden. Nach Ende des zweiten Weltkriegs floh Gast mit ihren Kindern nach Württemberg, wo sie sich vollkommen der Schriftstellerei widmete. Nachdem sie erfuhr, dass ihr Mann in der Tschechoslowakei in einem Kriegsgefangenenlager gestorben war, gründete sie 1955 einen Ponyhof und verwendete das Alltagsgeschehen auf diesem Hof als Inspiration für ihre Geschichten. Insgesamt verfasste Gast etwa 120 Bücher und war neben ihrer Tätigkeit als Schriftstellerin auch als Kolumnistin aktiv.-
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 32
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Lise Gast
Saga
Die unsichtbare Tür
German
© 1965 Lise Gast
Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen
All rights reserved
ISBN: 9788711509142
1. Ebook-Auflage, 2016
Format: EPUB 3.0
Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.
SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com
„Und ein frohes Fest!“
„Danke, Ihnen auch!
Meine Tochter kommt diesmal zu uns, mit Familie –“
„Wie schön! Aber wir sehen uns ja noch am Heiligabend, im Chor ...“
„Natürlich! Also bis dahin!
Ihre Kinder sind doch sicher auch da, Frau Burghart!“
„Ich hoffe. Ja, danke – und gut nach Hause – –“
Immer gab es nach den Proben dieses fröhliche Hin und Her. Man kannte sich nun seit Jahren, sang zusammen im Kirchenchor bei Hochzeiten und Beerdigungen, Ostern, Pfingsten und Weihnachten, brachte einander zu Geburtstagen oder andern Feiern ein Sträußchen mit und wußte über die Familienangelegenheiten so ziemlich Bescheid. Christine Burghart, die nicht aus dem Städtchen stammte, hatte sich durch diesen Chor hier ganz gut hereingefunden, alle anderen Frauen waren nett zu ihr. Freilich, das, was man unter einer richtigen Freundschaft versteht, das war es nicht. Danach aber suchte sie auch gar nicht. Früh verwitwet, vom Leben gezaust und umhergeworfen, hatte sie nur ihren Kindern gelebt, die nun groß waren. Oft war es so gewesen, daß sie sich die Stunde für den Chor regelrecht hatte abringen müssen, ja, daß sie daheim ein Chaos hinterließ, an das sie nicht denken mochte, während sie im Geschwindschritt dem Städtchen zustrebte, wenn Probe war. Immer aber war der Chor eine Freude und eine Erfrischung gewesen. Jetzt hatte sie Zeit, viel zu viel ...
Nicht dran denken. Als sie als erste aus dem Gemeindehaus trat, während die andern noch ein bißchen im Flur stehen geblieben waren und schwätzten, merkte sie, daß es angefangen hatte zu schneien. Kleine Schneeflocken, hart wie winzige Graupelkörner, rieselten herab, und die sonst schwarzglänzende Autostraße war bereits matt, wie meliert. Noch eine Stunde, und sie würde weiß sein.
Christine lächelte, ohne es zu wissen. Schnee – immer freut man sich über den ersten wie über ein Geschenk, noch dazu, wenn er, wie heute zwei Tage vor dem Fest, also genau rechtzeitig erscheint. Vielleicht brachte er nun auch ein wenig Weihnachtsstimmung mit sich.
Sie hatte sich so darum bemüht. Fest hatte sie sich vorgenommen, nicht bitter zu werden, nicht übelnehmerisch dem Leben gegenüber, das ihr doch jahrzehntelang soviel Gutes und Schönes gegönnt hatte. Ein Leben mit vier Kindern, die gut veranlagt, vielversprechend und gesund an Leib und Seele waren – sie hatte diesen Reichtum doch gehabt. Daß er einem nicht ewig blieb, daß die Kinder eines Tages erwachsen wurden und aus dem Haus gingen, war einfach ein Naturgesetz und kein Grund zum Jammern.
Sie jammerte ja auch nicht. Immer sagte sie, es ginge ihr blendend, und bestimmt käme wenigstens eins der Kinder zum Fest, oder mehrere. Damit gab sich der andere dann sofort zufrieden.
Ob wirklich eins kommen würde? Es wäre sonst das erste Weihnachten, das sie hätte allein verleben müssen; obwohl es schon oft so ausgesehen hatte, als könnte keins kommen, immer hatte es doch noch irgendwie geklappt. Maria freilich war schon jahrelang ganz fort, sie hatte nach Südafrika geheiratet und besaß schon zwei Kinder, zwei süße, süße kleine Buben, deren Bilder auf Christines Schreibtisch standen. Mit Maria aber hatte sie schon telefoniert, immer rief sie am vierten Advent an, weil man da besser durchkam als in den Feiertagen, und das war eigentlich das schönste Weihnachtsgeschenk, auf das eine Mutter sich freuen konnte. Marias Stimme, so nah, und so, ach, so glücklich! Diese älteste Tochter war eigentlich das ihrer Kinder, das ihr nie, so meinte sie jetzt, niemals